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toderne Staatsidee proclamirt und verwirklicht. Es wäre thöricht, alle die roßen Erscheinungen ausschließlich aus dem Protestantismus erklären zu pollen, aber kein Unbefangener kann verkennen, daß der Protestantismus ine der Grundbedingungen dieser freieren Staatenbildung war.

Manche ultramontane Publicisten haben deßhalb den Protestantismus den Machthabern als revolutionär verdächtigt und die kirchliche Reformation des echzehnten Jahrhunderts beschuldigt, die Vorstufe und Vorbereitung der Revoution des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu sein. Sie haben jei dieser Fälschung der Geschichte freilich die Thatsache verschwiegen, daß sie Revolution viel heftiger die katholischen als die protestantischen Länder rschüttert hat und mit rascherem Erfolg in diesen als in jenen durch fruchtjare Reformen überwunden worden ist. Das Wort unsers Dichters, daß vohl der Sclave, der die Kette bricht, aber nicht der freie Mann die sittiche Weltordnung bedroht, hat sich darin bewährt.

Wie demnach die Religion der Massen als eine ideale Lebensmacht auch die politische Beachtung verdient, so ist die Bedeutung der religiösen Führer dieser Massen, der Priester oder Geistlichen, nicht minder gewichtig für die Politik.

Gegenüber dem Mittelalter hat sich freilich auch dieser Einfluß sehr vermindert. Sogar noch im sechzehnten und siebenzehnten Jahrhundert waren die leitenden Staatsminister oft zugleich Priester. Heute werden diese Aemter immer nur von Laien bekleidet. Aber der mittelbare Einfluß mancher Beichtväter und Hofprediger auf die Verwaltung und Politik wird heute noch in vielen Staaten sehr empfindlich verspürt. Wenn es ihnen nicht gelingt, die Staatshäupter selber zu gewinnen, so wissen sie nicht selten das weibliche Herz zu rühren und durch Vermittlung der Frauen die Männer zu beherrschen.

Die Macht der Priesterschaft zeigt sich überdem fast noch mehr in der Bereitung von Hindernissen, welche sie der staatlichen Entwicklung entgegenseßt, als in dem Einflusse auf die leitenden Staatsmänner. Wiederum erscheint hier der Gegensatz zwischen dem katholischen Klerus und der protestantischen Geistlichkeit als entscheidend für das Verhältniß zum Staat. Die katholische hierarchie, mit ihren Erinnerungen an die mitteralterliche Weltherrschaft, mit ihrem lebendigen Centrum in Rom, mit ihrer über den Erdkreis ausgebreiteten Peripherie, universell begründet, losgerissen durch den Cölibat von der Familie, und durch die lateinische Erziehung von der nationalen Sprache und dem nationalen Geiste, ihre eigenen Zwecke in traditioneller Richtung verfolgend, ohne ein Herz für das nationale Vaterland und voll instinctiver und ausgesprochener Abneigung gegen den modernen Staat und die moderne Civilisation, ist noch eine große Weltmacht, welche den Staatsmännern der Gegenwart unzählige heimliche und offenbare Schwierigkeiten bereitet, mit der im günstigsten Fall ein Waffenstillstand zu

erreichen, unter keinen Umständen ein dauernder Friede abzuschließen denn dieser wäre nur möglich, wenn entweder der Staat sich selbst aufgeben wollte, was unmöglich ist, oder wenn die Hierarchie ihre Ansprüche auf Un fehlbarkeit und Weltherrschaft fallen ließe, wozu sie nicht geneigt ist. Die protestantische Geistlichkeit dagegen, mit der Familie verwachsen, na tional erzogen, durch ihre Geschichte auf den Schuß des Staates angewiesen, durch ihre Bildung von der modernen Culturentwicklung erfaßt und bewegt benimmt sich regelmäßig als Freundin, nicht als Feindin des Staats Als Vertreterin der religiösen Gesinnung und der sittlichen Grundsäße warm sie wohl den Staat vor Gefahren und Abwegen, aber sie seht ihm keine Hemmnisse und Schwierigkeiten entgegen.

Zu 4. Indem der Staat die Macht der Religion in seinem eigenen Leben empfindet, und bald einen freundlichen, bald einen feindlichen Einfluß von Seiten der Kirche erfährt, wird er genöthigt, diesen geistigen Mächten gegen über Stellung zu nehmen. Aus diesem Bedürfniß des Staats erklären fig alle die besonderen Rechte des Staates, welche die älteren Juristen jura circa sacra genannt haben und wir mit dem Namen der Kirchenho heit des Staats zusammenfassen, wie z. B. die Befugniß der Staatsgewalt, bei der Beseßung der höheren Kirchenämter mitzuwirken und nicht zu gestatten, daß erklärte Feinde des Staats in seinem Gebiete die Macht der Kirche zu seiner Bekämpfung mißbrauchen, die Prüfung, ob kirchliche Erlasse nicht die Staatsgeseze verlegen, das sogenannte Placet und das Recht, dem Mißbrauch kirchlicher Autorität zum Schaden der persönlichen Freiheit und des öffent lichen Rechts zu wehren (recursus ob abusum). Weil die Kirche in Folge ihrer großartigen, dem Staate ähnlichen Organisation und kraft des in ihr wirkenden, die Massen beherrschenden Geistes etwas anderes und höheres ist, als irgend eine Privatgesellschaft, so bedarf, mindestens in Europa und da, wo die katholische Kirche sich als Macht fühlt und benimmt, dieses eigenthüm liche Verhältniß des Staates zur Kirche auch einer eigenthümlichen Ausbildung.

Wie schwierig es ist, dieses Verhältniß friedlich auf dem Gebiete zu ordnen, auf welchem sich die beiden Mächte, Staat und Kirche, nothwendig begegnen, in der Erziehung der Jugend, das haben wir in den Kämpfen der Gegenwart erfahren. Wo immer die Einrichtung der Volksschule und der religiösen Vorbildung der nachwachsenden Geschlechter in Frage kam, da ent brannte sofort ein heftiger und hartnäckiger Kampf der Meinungen und der Autoritäten. Noch ist dieser Streit nicht geschlichtet und in manchen Ländern schwankt noch der Sieg.

Unter den Staatsmännern selber, wie unter den Kirchenmännern sind die Meinungen noch sehr getheilt und manche Behauptung der einen oder andern haben überdem nur eine bedingte Geltung und ändern sich je nach den Zeiten und Ländern. Es wäre vermessen, wollte ich auch nur die

vichtigsten Gegenfäße gleichsam im Fluge vorüber eilend zu schildern unternehmen. Nur wenige Grundwahrheiten möchte ich andeuten, die vom Standpunkte des Staates unangreifbar sind:

a) Da die Religionsgemeinschaft das Wesen der Kirche ist, nicht des Staates, so ist der moderne Staat verpflichtet, zunächst die religiöse Erziehung der Pflege der Kirche anzuvertrauen und nicht berechtigt, ihr Seelenleben durch seine Leitung zu stören.

b) Weil der Staat Rechtsgemeinschaft und politische Einheit ist, so ist er ebenso berechtigt wie verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die nationale Gemeinschaft auch nicht durch die Einwirkung der Kirche in dem Herzen der Jugend zerrissen und die nachwachsenden Geschlechter, die Kinder Eines Vaterlandes, mit Haß und Vorurtheilen wider einander erfüllt werden.

c) Sein Intereffe und seine Pflicht nöthigen den Staat, zu verlangen, daß auch die Erziehung der Geistlichen in Harmonie bleibe mit der Culturentwicklung der Nation und mit dem öffentlichen Rechte, das alle Staatsbürger, geistliche wie weltliche, zu Einem Ganzen einigt. Er darf nicht eine Vorbildung der Priester dulden, welche die Feindschaft gegen den Staat zum Ziele hat.

d) Das Recht und die Pflicht des Staats an der Volksschule erstrecken sich auf die ganze Nation in allen ihren Klassen, für beide Geschlechter, für alle Confessionen. Im Verhältniß der Unfähigkeit der Familie, für die allgemeine Culturbildung zu sorgen, wächst die Pflicht des Staates, diese Sorge zu übernehmen. Noch zeigen sich arge Mißstände. In Frankreich werden die Töchter großentheils klerikal erzogen, die Söhne rational. Der Zwiespalt im Glaube und Wissen entzweit daher die Ehegatten und zerreißt das Familien- und das nationale Leben.

Zu 5. Der heutige Staat findet oft mehr als Eine Kirche auf seinem Gebiete wirksam. Er wird daher genöthigt, den mehreren Kirchen gegenüber eine bestimmte Stellung zu nehmen. Jede von ihnen behauptet, im Besiß der religiösen Wahrheit zu sein, und jede ist geneigt, auch dem Staate ihren Glauben als den wahren zu empfehlen. Nur darin unterscheiden sich die Kirchen von einander, daß die eine zuversichtlicher und stolzer ihren Glauben für den allein selig machenden erklärt, und die andern, bescheidener und freier gesinnt, alle menschliche Auffassung der Wahrheit für mangelhaft und vervollkommnungsfähig erachtet. Der Staat aber kann nicht von der Prüfung dieser Wahrheit sein Rechtsverhältniß abhängig machen und hat guten Grund, sich vor der Rolle des Paris zu hüten, der den Preis der Schönheit einer der streitenden Göttinnen zuspricht und damit die tödtliche Feindschaft der andern auf sich zieht. Er hat weder die Mittel, den Werth oder Unwerth der religiösen Glaubensfäße zu prüfen, noch kommt ihm die Autorität zu, darüber zu richten. Er kann nur über die Dinge richten, welche in den Bereich des äußerlich erkennbaren Rechts

gehören, und nur da Autorität üben, wo die Nothwendigkeit de Gemeinwesens ihm dazu die Macht in die Hände gegeben hat.

Der Staat ist meistens nicht in der Lage, frei zu prüfen, zu welche der Kirchen er sich mehr hingezogen fühle. Gewöhnlich hat der Gang de Geschichte schon entschieden. Wenn der Kern seines Volkes sich zur Zeit de religiösen Kämpfe für diese oder jene Confession entschieden hat, und in Folge dessen eine bestimmte Kirche zur überwiegenden Landeskirche geworden isst, kann er sich diesem geschichtlichen Ergebniß nicht leicht entziehen und wil durch die Macht des Bestehenden genöthigt, die geschichtlichen Rechte dieje Kirche zunächst anzuerkennen und zu beachten. Der sächsische Kurstaat behie seinen protestantischen Grundcharakter, obwohl das herrschende Kurhaus selb seiner glorreichen Mission untreu geworden war und sich wieder der fath lischen Kirche zugewendet hatte. In Desterreich behielt die katholische Kir ihre vorherrschende Machtstellung, ungeachtet Kaiser Joseph II. mit Rom un mit den Traditionen der katholischen Politik vollständig gebrochen hatte.

Immer wird der Staat die Religion der Mehrheit seiner Bevölkerun mit besonderer Sorgfalt achten müssen, auch dann, wenn er als Staat si nicht zu derselben bekennt; aber nichts hindert ihn, die Religion der Minde heit ebenso zu achten. Im Zweifel hält er gleiches Recht wie überhaup für alle Existenzen, so auch für alle Glaubensgenossenschaften. Gerade we die Bedingung seines Rechtsschußes nicht die religiöse Wahrheit, sonden lediglich die friedliche Existenz ist, liegt es ihm näher, die existirende Kirchen gleichmäßig zu behandeln, als einer von ihnen einen Vorzug ein zuräumen.

Die Politik aber bewegt sich freier als das Recht. Deßhalb that der Staat kein Unrecht, wenn er in seiner Politik auch seiner Neigung folgt und seine Neigung wird politisch bestimmt durch die Rücksicht auf seine un seines Volkes Wohlfahrt. Schon seit Jahrhunderten hat die katholische Kirche die Maxime, sich mit jeder Staatsform nnd allen politischen Michten je nah Umständen freundlich oder feindlich zu stellen, indem sie ihr Ve.halten nich nach ihrer Einsicht über den Vorzug einer Staatsform vor der andern, so dern lediglich durch die Erwägung bestimmen läßt, ob sie von diesen Mächten für ihre religiösen und kirchlichen Zwecke Förderung oder Schädigung er wartet. Wir haben sie als Alliirte bald der Fürsten bald der Stände gesehen. Zuweilen stachelte sie die Reaction auf, zuweilen unterstüßte sie die Revolution. Wenn sie im Zweifel eher dem Absolutismus in der Monarchie und in der Demokratie zugethan ist, als den constitutionellen Staaten, jo liegt auch dafür der Grund lediglich darin, daß jener Absolutismus ihrer cigenen absoluten Herrschaft verwandter und zugleich ergebener scheint. So bald er es wagt, auch ihren Wünschen entgegenzutreten, tritt sie sofort auf die Seite derer, welche den Absolutismus der Staatsgewalt bekämpfen.

Er

Der Staat kann den Kirchen gegenüber nicht anders handeln. rtheilt nicht über die Trefflichkeit der Kirchenverfassung und nicht über die lichtigkeit des kirchlichen Dogmas. Aber er wendet vernünftiger Weise eher der irche feine freie Neigung und seine Gunst zu, welche ihn unterstüßt und seine Bestrebungen fördert, und ist kühler, vorsichtiger, mißtrauerischer gegen die irche, welche seiner freien Bewegung Hemmnisse bereitet und die Entwick ing der Volkswohlfahrt in geistigen und wirthschaftlichen Dingen behindert.

Zu 6. Keine Staatsform paßt weniger zu dem Charakter und Geist des Rodernen Staats als die Theokratie. Er weist daher alle Versuche der ierarchischen Parteien, den Staat als unmittelbares Gottesreich in theokraischer Weise zu leiten, mit Verachtung ab. Nichts ist ihm klarer, als daß ein Recht und seine Politik mit menschlichem Verstande zu begründen und u bestimmen sei. Aber daraus, daß er sich seiner Männlichkeit bewußt ist, folgt ticht, daß er von Gott abgefallen, daß er gottlos geworden sei im Princip. Wenn der mönchisch gesinnte Gregor VII. den Staat gelegentlich als das Reich des Teufels bezeichnet hat, zum Unterschied von der Kirche, als dem Reiche Gottes, so lächelt die heutige Welt, welcher überhaupt die Persönlichkeit des Teufels unfaßbar geworden ist, über diesen Irrthum eines geistreichen Papstes; sie bemüht sich nicht mehr denselben zu widerlegen. Gefährlicher ist es, wenn moderne Radicale den atheistischen Staat als den wahren Staat preisen. Aber auch diese Verirrung hat keinen Bestand, wie am besten die Geschichte der französischen Revolution beweist. Die civilisirten Völker sind nicht und nirgends atheistisch gesinnt. Sie alle verehren Gott und dienen Gott, wenn auch in mancherlei Zungen und Gebräuchen. Sie wissen alle, daß sie sich nicht selber geschaffen haben, und daß die reiche in sich harmonische, aber beschränkte und sterbliche Menschennatur, welche auch die Grundlage des Staates ist, nur ein abgeleitetes Dasein hat, abgeleitet von der ewigen Macht Gottes, welche die ganze unermeßliche Natur erfüllt und beherrscht. Sie glauben alle an die göttliche Leitung der Weltgeschichte. Das zeigt sich nie deutlicher als in den großen Kreisen des Völkerlebens, wenn alle ruhenden Naturkräfte in Thätigkeit verseßt sind, und in dem gewaltigen Schicksal die Fügung Gottes erkannt wird.

Da die Völker nicht ohne Gott existiren und nicht ohne Gott leben können, so kann auch der Staat nicht gottlos sein.

Das ist nicht etwa nur die Meinung der großen Massen, das ist auch die Ueberzeugung aller großen Staatsmänner. Unter diesen hatte sich feiner mehr abgewendet von dem traditionellen Glauben der Kirche, auch von der lutheris hen Confession seines Landes und dem reformirten Bekenntnisse des königlichen Hauses, als Friedrich der Große. Aber er war trogdem in dem tiefsten Grunde seiner Seele religiös und hatte ein lebendiges Gottesbewußtsein. Seine Gottesidee war anders, als die seiner Prediger, aber sie

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