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Der Staat schüßt die religiösen Gemeinschaften, nicht eine einzelne, fonder alle. Da muß ich nun wieder einem meiner Collegen widersprechen, dem Herr Hofprediger Schweizer. Dieser hat uns das Bild einer atheistischen Ge meinde vor Augen gestellt, und mit einer Entschiedenheit für diese plaidirt, die ich nur im höchsten Grade achten kann. Allein ich plaidire nicht gern für Dinge, welche unmöglich sind, sondern nur für solche, die möglich, oda noch lieber für solche, die wirklich sind. Es giebt aber keine atheistische Re ligionsgemeinschaft. Eie ist unmöglich. Einer solchen Gemeinschaft gegen über hätte der Staat das Recht zu sagen: als Gemeinschaft schüße id euch nicht, ihr seid keine Religionsgemeinschaft, dagegen jeden von euch, der nur persönlich seinen Atheismus auch in der allerkrassesten Form betenne will, schüße ich.

Lassen wir daher, meine verehrten Herren, diese atheistischen Gemein schaften ruhig sich bilden. Der Staat soll es ihnen gegenüber nur so machen, wie er es unserm Protestantentag gegenüber macht. Jene werden durd die Freiheit untergehen; wir, hoffe ich, werden mit Gottes Hülfe die Stunde erleben, wo wir zeigen, daß wir ein gesunder lebenskräftiger Baum werden können. (Beifall.)

Pfarrer Bulle in Bremen: Es ist vorher von dieser Stelle vo einem sehr verehrten Mitgliede ein Appell ergangen an Bremen und zwar i einer Richtung, welche mit den Thefen unseres heutigen Gegenstandes auf das engste verwandt ist. Professor Baumgarten lebt der Meinung, daß in Bremen, weil einestheils das kirchliche Leben als Gemeinleben hier wirklich ausgebildet sei, anderntheils die beiden großen Strömungen, welche die pro: testantische Kirche bisher entzweit haben, hier beiderseits Vertreter haben, daß deßhalb eine Musterkirche geschaffen werden könne, von welcher aus ge wissermaßen ein Beispiel gegeben und eine gute Fi hring der übrigen deut schen Landeskirchen in die Hand genommen werden könne. Zur Erläute rung und richtigen Beurtheilung dieser Meinung, welche durchaus nicht au der Luft gegriffen ist, will ich versuchen, Einiges beizutragen.

Wenn ich an diesen Thesen 'etwas auszusehen hätte, so würde es das sein, daß sie das Verhältniß, um welches es sich im Stillen in unsern De batten handelt, nämlich das Verhältniß einer protestantischen Staatsregierung zur protestantischen Kirche, nicht klar oder gar nicht aussprechen. Denn allerdings, wie Kirchenrath Schenkel auch schon gesagt, wir streiten im Grunde nicht um das Verhältniß des Staates zur Religion an sich, wie es in den Thesen gewiß a priori richtig dargestellt ist, sondern darum, wie das Verhältniß des protestantischen Staats und der protestantischen Kirche, inner halb deren wir stehen, zu einer gedeihlichen Lösung kommen müsse. Denn darum scheint es sich nicht mehr zu handeln, daß die Vernunft-Ehe zwischen Staat und Kirche in den protestantischen Staaten fortbestehen dürfe, sondern

ielmehr nur darum, auf welche Weise sie so zu lösen sei, daß beide Theile Zortheil davon haben. Das bisherige Verhältniß als absolut unvernünftig arzustellen, kann ich auch nicht billigen; der liebe Gott scheint mir in der Zerknüpfung von Staat und Kirche keine so große Unvernunft begangen zu aben, die auf Jahrhunderte hinaus nur Mißgestaltungen hervorbrächte, durch velche die religiöse und staatliche Lage ganzer Völker beherrscht wird. Der Staat hat seine Mission in der Kirche gehabt und er hat sie noch. Dieß ist n Bremen besonders der Fall; die Kirche ist hier in die beiden Richtungen : :ine supernaturalistische, althistorische und eine liberale, moderne, der Jeßtzeit entsprechende, welche von der Majorität des Protestantenvereins vertreten wird, getheilt. Diese Richtungen sind so mächtig, daß sie dem Anscheine nach die Kirche auflösen könnten. Wenn die liberale Partei in Bremen den Versuch machte, über diesen Zwiespalt hinüber zu kommen und der andern Seite in einem solchen christlichen Liebeswerk, von welchem Professor Baumgarten sprach, die Hand zu reichen, so hat sie die schlimme Erfahrung gemacht, nicht empfangen worden zu sein, wie ein zurückkehrender Bruder, wie sie sich schmeichelte, sondern mit einem Programm, durch welches die liberale Partei dargestellt wurde, wie die atheistische Gemeinde, von welcher Hofprediger Schweißer gesprochen hat, nicht mit versöhnenden Worten, sondern mit allen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten, die man uns andichtete, blos um die Einigung unmöglich zu machen. Es scheint darin der Beweis zu liegen, daß die Mission des Staats, die einzige, welche er noch in der Kirche hat, darin besteht, daß er der evangelischen Kirche als solcher die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit ihrer eigenen Einheit aufnöthigt. Denn die Einheit ist nicht festzuhalten, so lange die eine Nichtung der andern alle Berechti= gung abspricht, ihr als unchristlich das Heimathsrecht in der Kirche bestreitet und so die evangelische Kirche zu zerspalten droht. Insofern ist also die Obervormundschaft des Staates noch am Plaze, und der Staat hat für die Kirche in dieser Beziehung eine pädagogische Bedeutung. Ich kann mich dem Appell des Professors Baumgarten nur in dem Sinne anschließen, daß es wünschenswerth ist, daß die edlen Bausteine, welche wir in den Kirchengemeinden in unserer glücklichen freien Hansestadt haben, zu einem ganzen Bau zusammengefügt werden durch eine weise Hand, sei es von staatsmännischer oder von kirchlicher Scite, so daß die Gleichberechtigung der verschiedenen Nichtungen geseßmäßig zum Ausdruck gelangen kann. So lange dieß nicht der Fall ist, ist die Kirche noch nicht reif, der Bevormundung des Staates zu entwachsen.

Pastor Spiegel aus Osnabrück:

Hochgeehrte Herren!

Sie erlauben mir, daß ich mich mit zwei Bemerkungen an der Verhandlung betheilige, eine mehr formeller, die andere mehr materieller Art. Ich

knüpfe zunächst an Nr. 11 und 12 der Thesen an. In Nr. 11 ist vo „europäischer Civilisation" die Rede, in Nr. 12 vom „civilisirten Staat und es ist damit nichts anderes gemeint, als der moderne Staat. Ich möcht auf diesen Ausdruck aufmerksam machen, es scheint mir wichtig genug. „Civili sation" bezeichnet nämlich nur etwas Aeußeres; wer Civilisation hat, wei sich zu benehmen, wie ein anständiger Bürger, wie es in civilisirten Staate erforderlich ist. Es giebt aber einen Unterschied zwischen civilisirte Staaten und Cultur-Staaten, welchen zu machen mir hier am Plaße schein Schon vor Jahren habe ich bei Heinrich Pestalozzi ungefähr folgender Weist gelesen: „Ihr habt uns civilisirte Staaten gegeben, schafft uns Cultur-Stas ten;" nicht im äußeren Schliff, in äußerlichen Formen, sondern in der Cul tur muß das Staatswesen begründet sein; darum seßt an die Stelle de Civilisation die Cultur. Auch Lessing macht einmal in seinem Streit m Göße diesen scharfen Unterschied in den Worten: ,,Sie können einen unge sitteten Gegner an mir finden, aber sicherlich keinen unsittlichen." Deßhall möchte ich vorschlagen, daß an Stelle des Wortes Civilisation" das Wo „Cultur“ trete, und um so mehr, als sowohl in Frankfurt bei Gründung des Protestantentags als auch in Eisenach bei dem ersten Protestantentag der felige Rothe mit dem ihm eigenthümlichen Tone das Gewicht auf den Ausdruck „Cultur" legte. In Hinsicht des zweiten Punktes knüpfe ich ar die 14. These an, welche lautet: „Einen höhern Werth aber als Dogma und Verfassung der Kirche haben für den modernen Staat die sittlichen und humanen Kräfte, welche in der christlichen Religion wirksam sind. Dieje Kräfte zu schonen und zu schüßen ist eine Pflicht und Sorge des moderner Staats."

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Diese fittlichen und humanen Kräfte sollen gerade vom Protestantenver ein besonders gepflegt werden. Daß sie von der Orthodoxie nicht gepflegt werden, darüber erlassen Sie mir jedes Wort. Aber wenn man es offer aussprechen will, nicht blos auf dieser Seite, sondern auch auf derjenigen, welche man die liberale Seite nennt, treten der genannten Aufgabe große Hindernisse entgegen. Unter Vielen dieser Seite, und nicht blos unter den Schlechtesten derselben giebt es eine gewisse Feindschaft gegen die Kirche. Man weist von dieser Seite darauf hin, was in der Kirche vorgefallen ist, wie es die Kirche war, welche Deutschland unter die Knechtschaft der Römer brachte; welche in der Zeit der Reformation das einige Deutschland zerriß; ja man sagt, daß die Kirche es ist, welche im gegenwärtigen Augenblick der Einigung Deutschlands hindernd in den Weg tritt. Deßhalb, so heißt es, schaffe man sie bei Seite; indessen da das nicht geht, oder da dieß unmöglich, lege man sie in Fesseln, suche ihren Einfluß und den der Geistlichkeit einzuschränken. Dem gegenüber haben wir nun die Pflicht, die Schäße, welche in der Kirche lie gen, zu heben und nüßlich zu machen, dagegen die schädlichen Bestandtheile

zusondern, und man wird dann nicht mehr dahin streben, fie zu lähmen id einzuschränken.

Glauben Sie nicht, daß ich dieß nur sage, um die liberale Partei anklagen, denn es sind nur Einzelne, welche auf diese Weise die Kirche verängen möchten. Meine Tendenz geht nur dahin, hier auf das Frrige eses Bestrebens hinzuweisen, und dann möchte ich aus vollster Seele die erren bitten, daß sie ihre politischen Freunde von dieser mangelhaften Anht überzengen möchten. Wie wir heute schon gehört haben, liegen in der irche reiche und gewaltige Cultur-Elemente, Schäße, welche nur gehoben erden müssen. Sorgen Sie dafür, daß auf dem politischen Gebiet die libeilen Elemente sich der Kirche zuwenden, es wird dem Volk zum Segen gereien! Der reichste Segen der wichtigen Rede unseres geehrten Referenten ige ohne Frage darin, daß Diejenigen unter unsern politisch gleichgesinnten rüdern gewonnen würden, welten die Einsicht in die Bedeutung des rchlichen Interesses bis jezt noch abgeht.

Justizrath Fischer aus Breslau:

Hochgeehrte Herren!

Nach dem so tief wissenschaftlichen Vortrage, welchen wir heute Morgen ehört haben, sowie nach den so beredten Worten, wie sie heute Nachmittag ier ausgesprochen worden sind, würde ich es als Laie nicht wagen, hier ufzutreten; aber gleichsam ein Drang des Herzens zwingt mich, das auszuprechen, was Freunde, welche mit mir schon in den vierziger Jahren gevirkt haben und nicht mehr unter uns find, so oft an verschiedenen Orten, Berlin, Herzberg, in Bückeburg u. s. w. ausgesprochen haben. Aber auch och ein anderer Grund veranlaßt mich dazu. Es ist bis jezt zu wenig der Beschichte der lezten Gegenwart gedacht worden. Indem ich darauf etwas täher einzugehen beabsichtige, will ich vorausschicken, daß ich wünsche, daß n der 13. These anstatt: „daß das Christenthum eine vom Staate unabängige“ gesagt werde: „daß das Christenthum eine vom Staate und vom landesherrn unabhängige u. f. w.,“ das ist ein gewaltiger Unterschied. Ich will nicht auf die Geschichte der Reformation zurückgehen; es haben sich Sedeutende Redner darüber geäußert, und ich will gern glauben, daß es auch von meiner Seite ein Irrthum gewesen ist, den ich öfter ausgesprochen habe, daß Luther vor dem Augsburger Reichstag allerdings den Fürsten nicht die Episcopal-Gewalt übergeben wollte. Aber auf einen Gegenstand möchte ich aufmerksam machen. Bekannt ist es, wie sehr wir schon in den vierziger Jahren den Wunsch ausdrückten, die Kirche möge frei werden vom Staat. Es war für Alle ein hohes, hehres Wort, und ich selbst bin damals in der ersten preußischen Kammer mit ganzer Seele für die Idee eingetreten, daß einer allgemeinen Landessynode die Kirchengewalt zu übergeben sei. Aber die politische Glaubensseligkeit war damals groß, und man begnügte sich,

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wenn nur immer das Gute auf dem Papiere stand. Sie werden sich erin nern, daß damals ein Gutachten gefordert wurde von den preußischen Facul täten und Consistorien, und daß eine Partei darnach strebte, den König von seine Absicht, der Kirche die Freiheit zurückzugeben, abzubringen. Man sagte, er sei erste Landes herr, die erste Behörde, erstes Mitglied der Kirche, und er dürfe seim Gewalt über dieselbe nicht hingeben; das sei unbedingt nothwendig zum For bestehen der Kirche. In der Folge wurde dann entschieden, wir sollten ein freie Kirchen-Verfassung erhalten. Jawohl, eine Kirchen-Verfassung haber wir bekommen, aber welcher Art war dieselbe! Die sogenannten Gemeinde Kirchenräthe dürfen nicht beliebig aus der Gemeinde gewählt werden, for dern die Geistlichen schlagen 24 Männer vor, und zwar sehr oft nur solch welche ganz ihrer Richtung angehören, und aus diesen müssen 12 herausge wählt werden, die dann noch zu bestätigen sind. So steht es bei uns. Zeit hat sich jetzt gewaltig geändert, die politischen Verhältnisse sind gan anders geworden, und indem Preußen darnach strebt, an die Spiße von gam Deutschland zu treten, kann es nicht mehr in der Weise für den Protesta tismus wirken, wie früher. Alle Achtung vor dem, was Preußen durd Jahrhunderte hindurch für diesen Zweck gethan hat, aber Angesichts de so bedeutenden Veränderung, welche die politische Stellung Preußens erfah ren, wird man sich selbst sagen können, welche schwierige Stellung Preußen jezt gerade hat. In einem solchen Augenblick ist es vor allem nothwendig die Kirche zu stärken und sie unabhängig zu machen von dem Landesherrn, welcher ganz andere Zwecke zu verfolgen hat; mag er noch so edel sein und das ist unser König er hat vom staatsrechtlichen Standpunkte aus ganz andere Zwecke zu verfolgen. Unsere Pflicht ist es, offen auszusprechen, daß nicht blos vom Staat, sondern auch vom Landes herrn, die Kirche unab hängig und frei werden muß.

Ober-Hofprediger Dr. Schwarz aus Gotha:

Hochgeehrte Versammlung!

Der Grundgedanke, welcher den Thesen unseres verehrten Herrn Rese renten zu Grunde gelegt ist, ist unzweifelhaft der: Freie Kirche im freien Staat, oder besser: Unabhängigkeit der Kirche vom Staat und Unabhän gigkeit des Staats von der Kirche. Aber er hat zugleich diese Unabhängig-| keit nicht als ausschließliche und absolute bezeichnet; es ist auch unmöglich, von einer solchen zu reden, denn der Staat ist nicht blos Rechts staat im engeren Sinne des Worts, er hat sich nicht blos mit der Civil und Criminal-Gesetzgebung zu befassen, sondern er ist die Totalität aller fittlichen Kräfte des Volks, er ist das „organisirte Volk", das organisirte Volksleben, unter die Form des Gesetzes gestellt. Insofern giebt es keine völlige gegenseitige Unabhängigkeit und Gleichgültigkeit von Kirche und Staat; es giebt Punkte, wo sich beide berühren, mit einander zusammen wirken und

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