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Goethes

Sämtliche Werke

in 36 Bänden.

Mit Einleitungen von Karl Goedeke.

Fünfter Band.

Inhalt:

Hermann und Dorothea. Achilleis.
Reineke Fuchs.

MDCXL

Stuttgart 1893.

Verlag der 3. G. Cotta'schen Buchhandlung
Nachfolger.

832.62 JG58 V.5

767222

Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.

Sinleitungen.

Hermann und Dorothea.

Wanderzüge französischer Emigranten, von denen eine Anzahl sich aus dem Würzburgischen ins Eisenachische begeben und im Herbst 1795 sich in das Weimarische zurückzuziehen Anstalt machte, riefen Goethe die ältere Emigrationsgeschichte der aus dem Erzbistum Salzburg vertriebenen Lutheraner wieder in Erinnerung. Beim Durchblättern der von Göcking verfaßten Geschichte jener Emigration traf Goethe auf eine Anekdote, die ihm ihres naiven Gehaltes wegen zum Stoff eines kleinen idyllischen Gedichtes geeignet erschien. Ein vermögender Bürger zu Altmühl im Oettingischen (berichtet die Geschichte) hatte einen Sohn, den er oft, doch stets vergeblich, aufgefordert, sich zu verheiraten. Als die Salzburger durch das Städtchen zogen, sah der Sohn ein Mädchen darunter, das er, wenn es angehe, wohl zu heiraten sich entschloß. Auf seine Erkundigungen nach ihrem Verhalten wurde ihm nur Gutes berichtet. Der Vater, dem er von seinem Entschluß Kenntnis gab, versuchte ihm denselben auszureden, berief auch einige seiner Freunde und den Prediger, um den Sohn mit ihrer Hilfe andern Sinns zu machen; allein umsonst. Der Prediger meinte daher schließlich, es könne wohl Gottes Fügung und dem Sohne wie dem Mädchen heilsam sein. So wurde die Einwilligung erteilt. Der Sohn ging darauf zu der Salzburgerin und führte sie unter der Vorspiegelung, als wolle sein Vater sie als Magd dingen, in das Haus. Der Vater fragte sie, wie

ihr sein Sohn gefalle und ob sie ihn heiraten wolle? Sie meinte, man wolle sie foppen. Da aber der Vater beharrte und auch der Sohn sein ernstliches Verlangen nach ihr bezeigte, erklärte sie, sie sei es wohl zufrieden und wolle ihn halten, wie ihr Auge im Kopfe. Als der Sohn ihr darauf ein Ehepfand reichte, zog sie, um doch auch einen Mahlschak zu geben, ein Beutelchen mit zweihundert Dukaten hervor.

Im September 1796 begann Goethe die Durcharbeitung des Stoffes und war um die Mitte des nächsten Monats in dieser Beschäftigung bis zur Hälfte des ursprünglich auf sechs Gesänge berechneten Gedichtes gediehen. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit, mit der die Ausführung vor sich ging, fette Schiller in Erstaunen; neun Tage hintereinander schrieb Goethe jeden Tag über anderthalbhundert Verse nieder. In der Arbeit selbst erst erkannte der Dichter, welch einen köstlichen Schatz er gehoben. Aber damit wuchs auch die Schwierigkeit der Arbeit, da, was ursprünglich nur ein Jdyll werden sollte, sich nun mit allen Ansprüchen, ein episches Gedicht zu werden, geltend machte. Das Vorhandene wurde wiederholt fleißig durchgearbeitet und die ur sprüngliche Einteilung in sechs Gesänge auf neun abgeändert (Dezember 1796), von denen jeder den Namen einer Muse tragen sollte. Auf einer Reise nach der Leipziger Messe um Neujahr 1797 wurde der Schluß des Gedichtes vollkommen schematisiert und das Ganze, bevor es fertig war, schon zu Ende Januar 1797 an den Berliner Buchhändler Vieweg zum Verlag verkauft. Seinem alten Aberglauben zum Troß, daß er seine Entwürfe vor der vollendeten Ausführung nicht zur Kenntnis andrer gelangen lassen dürfe, war Goethe bei dieser Schöpfung sehr mitteilsam, und die Arbeit selbst litt darunter nicht im mindesten; der äußere Zwang, den er sich auferlegt hatte, scheint sogar heilsam gewesen zu sein, da er nach dem Abschluß des Verlagskontraktes bemerkt, daß alle seine Wünsche auf die Vollendung des Gedichtes gerichtet seien und er seine Gedanken mit Gewalt davon zurückhalten müsse, damit das Detail ihm nicht in Augenblicken zu deutlich werde, wo er es nicht ausführen könne. Am 18. Februar wagte er es endlich, die

drei ersten Gesänge an Schiller zu schicken, und faßte am 1. März den Mut, den vierten völlig in Ordnung zu bringen, was ihm auch gelang. Nun rückte die Arbeit und fing an Masse zu machen; am 4. März kam es nur noch auf zwei Tage an, so war der Schaß gehoben, und ist er nur einmal erst über der Erde," schrieb er an Schiller, „so findet sich alsdann das Polieren von selbst." Im April wurde mit W. v. Humboldt über die letzten Gesänge ein genaues prosodisches Gericht gehalten. Am Ostermontage (17. April) gingen die vier ersten Gesänge zum Druck ab, die nächsten vier am 15. Mai. Während eines bald darauf folgenden Aufenthaltes in Jena, wo der Anfang des Gedichts gemacht war, wurde dasselbe nun auch geschlossen; am 3. Juni 1797 übersandte Goethe den neunten Gesang mit den Worten: Hierbei Urania. Am 1. Juli lagen schon sieben gcdruckte Bogen vor, und im September war die Dichtung als „Taschenbuch für 1798“ in den Händen des Publikums, das denn auch im allgemeinen die Gabe voll guten Willens, aber ohne besonderes Gefühl für das Poetische und ohne einen Blick in die poetische Dekonomie des Ganzen aufnahm, wie Schiller bemerkt. Auch Voß fand, daß seine „Luise“ durch Hermann nicht in Vergessenheit geraten werde, obgleich das Gedicht einzelne Stellen enthalte, für die er seine ganze Luise hingeben würde. Im allgemeinen galt den Zeitgenossen Hermann und Dorothea für eine Nachahmung des Gedichtes von Voß und für eine solche, die das Muster nicht erreiche, geschweige verdrängen könne.

Goethe erkannte dankbar an, was er dem Stoff schuldig war: „Der Gegenstand selbst,“ schrieb er während der Arbeit an H. Meyer, ist äußerst glücklich, ein Süjet, wie man es in seinem Leben vielleicht nicht zweimal findet, wie denn überhaupt die Gegenstände zu wahren Kunstwerken seltner gefunden werden, als man denkt." Es komme nun darauf an, ob es auch vor dem Freunde, dem Maler, die Probe aushalte, ob er unter dem modernen Kostüm die wahre echte Menschenproportion und Gliederform anerkennen werde? Und an einer andern Stelle sagt er demselben Freunde am 5. Dezember 1796: „Ich habe das rein Menschliche der

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