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Die verbesserte Frauenkleidung.

Nachdruck verboten.

Bon

Dr. phil. Anna Gebser.

„Mir ir werden gewiß zu der Ausstellung des Vereins für verbesserte Kleidung kommen, meine Mutter und ich wollen uns für das Frühjahr reformieren," so sagte mir eine junge Dame. Sie kam zu der Ausstellung, und außer ihr erschienen noch viele, die sich auch reformieren" wollten, viele aber auch, um erst zu sehen und zu erfahren, was denn an dieser neuen Kleidung sei, die im leßten Winter schon so viel besprochen worden war, von der man doch aber eigentlich noch nichts Rechtes gesehen hatte. Manche heftige, unversöhnliche Gegnerin hat wohl die neue Kleidung geringschäßig betrachtet.

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Zweifelnd kamen Scharen von Männern und Frauen mit ganz falschen Vor

stellungen.

„Die Reformkleidung ist ja nur für den Winter," sagte cine Dame, „warum machen Sie die Ausstellung im Sommer?" "Ich denke, sie ist nur für die Dünnen,“ rief eine starke Dame; ein überschlankes, junges Mädchen meinte, daß sie eben nur für die Dicken vasse. ,,Nein," antwortete wohl eine der Damen des Vorstandes, sie ist für alle Frauen, für alle Mädchen und Kinder, für Sommer und Winter, für Frost und Hiße. Damit Sie sehen, wie recht ich habe, folgen Sie mir, meine Damen, ich will Ihnen in der Ausstellung selbst zeigen, wie Sie sich bekleiden sollen.“

In dem kleinen, aber geschmackvoll dekorierten Saale des Kleinen Journals in Berlin mit seinen dunkelroten Wänden und seiner dunkelresedafarbenen Dekoration, an den in der Mitte des Saales und an den Fenstern aufgestellten Tischen, den Pavillons, dem rings an den Wänden herumlaufendem Podium mit der darauf aufgestellten Oberkleidung vorbei bewegte sich nun die kleine Schar wißbegieriger Frauen mit ihrer Führerin: Beginnen wir mit der untersten Unterkleidung, meine Damen, betrachten Sie zuerst diese reiche Kollektion von Hemdhosen, wie sie Henel in Breslau ausgestellt hat, in Seide und Leinen, in weißer Baumwolle für den Sommer, in Maccobaumwolle und Wolle für den Winter; auch viele Berliner Firmen, so May Kühl und Jordan u. a. haben diese Untersachen in vorzüglicher Ausführung. Sehen Sie dann hier, wenn Sie sich weiter bekleiden wollen, alle die verschiedenen Halbkorsetts und Leibchen. Da sind für Damen, welche nur ganz anschmiegende Sachen tragen wollen, die Trikotleibchen von Lindner und Kühl, für jugendliche und schlanke Gestalten die nur bis zur Taille reichenden Leibchen, wie z. B. Frau Professor Marie Albrecht eines konstruiert hat, das völlig nach hygienischen und anatomischen Grundfäßen aufgebaut ist. Da giebt es eine Fülle englischer Leibchen, unter denen das von Frl. Dr. Anna Kuhnow erfundene die erste Stelle einnimmt. Die Halbkorsetts sind mehr für starke Damen gedacht; die aus gitterartigem Stoff gefertigten und breit über den Magen gearbeiteten verdienen jedenfalls den Vorzug; die Stangen darin, wenn sie nur nicht auf innere Körperteile drücken, sind nicht so gefährlich, wie man wohl annimmt. Die Beinkleider, die dann folgen, bietet Herzog in allen Farben und Stoffen auf seinem großen Aufbau dar, ebenso Jordan und viele andere. Ein besonderer Lurus ist es, wenn zu jedem Kleide ein in Farbe und Stoff übereinstimmendes Beinkleid gewählt wird, das ja die vielen Röcke ersehen soll. In Seide und Wolle, in Panamastoff und Alpaka, mit und ohne eingeknöpfte weiße Beinkleider sind sie zu haben. Darüber wird dann das Oberkleid gezogen."

„Daran ist nun eigentlich nichts Neues," bemerkt eine Dame. „O doch,“ antwortet die Führerin, indem sie eine Taille aufknöpft, „alle die Toiletten, die Sie hier sehen in den verschiedensten Stoffen, wie sie Gerson, Lüders, Hain und Krüger und die anderen ausstellen, sind zusammenhängend gearbeitet, d. h. Rock und Taille sind verbunden, damit die Last des Rockes mit von den Schultern getragen wird. Der Rock ist kurz, 10 Centimeter vom Boden entfernt, und an jeder Seite befindet sich ein Schliß, der auf die im Beinkleid angebrachten beiden Taschen stößt. So sind Sie bekleidet nach den Grundsäßen der neuen Tracht, nun gehen Sie, bitte, sofort zu den Modistinnen und in die Geschäfte und „reformieren" Sie sich."

Befriedigt wollen die Damen schon den Saal verlassen, da werden sie noch aufmerksam gemacht, daß die am Eingang aufgestellten Statuen der Venus von Milo und der Hebe, die wirkungsvoll sich von kostbaren Teppichen abheben, mit denen die Wand dekoriert ist, auch zu den Ausstellungsgegenständen gehören. Den Statuen gegenüber standen nicht ohne Grund zwei Modellbüsten der Firma Baschwih, welche die natürliche weibliche Figur zeigten; ihnen zur Seite war eine echte Korsettfigur zu sehen. Darüber waren Zeichnungen an die Wand geheftet, die von Herrn Dr. Spener herbeigeschafft worden waren. Es wurde die Venus von Milo gezeigt und daneben das Bild eines geschnürten Frauenkörpers; auf einem zweiten Bogen waren die Skelette der beiden auf den Bildern dargestellten Figuren zu schauen.

Was wollen diese antiken Statuen, was die Modellbüsten in der Ausstellung? Nicht ohne Absicht hatte der Verein für Verbesserung der Frauenkleidung aber gerade diese Statuen, diese Büsten an den Eingang seiner Ausstellung gebracht.

Denn die Grundlage einer wirklich gesunden und schönen Tracht ist der gefunde Körper, der frei und uneingeengt sich schön entwickelt hat. Die Modellbüsten, die Voraus seßung für unsere heutige Schneiderkunst, müssen nach den Geseßen der natürlichen Schönheit gebaut werden. Die antiken Griechen haben in ihrem gefunden Schönheitsgefühl noch heute den Ruhm, die menschliche Gestalt in ihrer köstlichen Gesundheit und Vollkommenheit als das Ideal der Kunst festgesezt zu haben. Den Körper so zu bilden, wie die Natur ihn in ihren herrlichsten Gestalten vor das schönheitsdurstige Auge stellt, das war ihre Absicht. Hinwiederum kam diesem Bestreben des Künstlers aber die Natur, in diesem Falle die Frau selbst, entgegen. Die Frauen des antiken Griechenlandes suchten ihren Körper so zu erhalten, wie er in der Jugendblüte sich entwickelt hatte. Diesen Körper bekleideten sie, oder drapierten ihn vielmehr mit leicht und lose fallenden Gewändern.

Der vollkommene natürliche Körper ist schön, das war der Grundsaß der Antike. Für uns schließt das Wort mit Bezug auf die Tracht einen neuen Schönheitsbegriff in sich. Die geschnürte Frau ist unschön, ja, ich wage zu sagen, die geschnürte Frau ist eine Mißgeburt unsrer heutigen Kultur. Die gesunde Frau, deren Leib nicht durch ein Korsett verbildet wurde, ist ganz anders, als unsre jezigen Modebilder sie wiedergeben, als unsre heutige Mode sie will. Welcher Unterschied zwischen dem natürlichen und einem stark geschnürten Körper besteht, zeigten die Maße der von Herrn Paul Baschwiz ausgestellten Büsten. Bei der der Natur nachgebildeten Figur betrug der Brustumfang 94 Centimeter, der Taillenumfang 64; die Korsettfigur hingegen hatte 90 Centimeter Brustumfang, 47 Centimeter Taillenweite. Die Differenz zwischen Brustweite und Taillenumfang ist also bei der natürlichen Figur 30, bei der geschnürten unnatürlichen 43. So stark ist der Körper eingeschnürt worden, um das falsche Schönheitsideal darzustellen. Erst wenn die Frauen einsehen, daß die Natur schöner ist als die Verkünftelung, wird der neue Schönheitsbegriff sich bei ihnen Bahn brechen, und damit zugleich wird die neue Kleidung siegen.

Nicht allein die Frauen, auch die Männer müssen sich erst nach und nach an das Neue gewöhnen. Die natürliche Taille wird selbst bei einem jungen schlanken Mädchen stark wirken. Noch findet man heute die Einknickung in der Taille schön. Es fehlt eben der Begriff der Schönheit, weil man bisher nicht den natürlichen Körper bekleidete und ihn durch die Kleidung zu verschönern suchte, sondern weil man umgekehrt die weibliche Gestalt nach der jeweiligen Form des Kleides modelte. Auch den voll

fommensten Körper zwang man in eine andere Form, und so ist die allgemeine Unnatur herrschend und Mode geworden.

Wenn man vielleicht hie und da aus Frauenkreisen hört, daß vereinzelte Damen nie ein Korsett getragen haben, so ist das eben die Ausnahme von der Regel. Diese Ausnahmen gelten dann aber im landläufigen Sinne nicht als schön." Da hört man wohl auch: „Ich trage zwar ein Korsett, aber geschnürt bin ich nicht; ich schnüre mich überhaupt nicht." Nun, meine verehrte Gnädige, Sie tragen ein Korsett und eine Taille darüber, die Korsettschnitt hat und Ihr weicher Körper bequemt sich doch diesen dauernden Einflüssen an. Beim Korsett liegt nämlich das besonders Schädigende und Häßliche in dem spiß nach der Taille zu sich verengenden Schnitt, zum Taillenschluß laufen alle Linien bei Korsett und Taille schräg, um den gewünschten Knick herauszubringen. Diese Linien sind der Natur durchaus zuwider. Wenn nun die Nähte an den Korsetts und Taillen noch durch Stangen unterstüßt werden, so wirkt die Schnürung geradezu gefahrbringend auf den Körper. Taille und Korsett engen den Körper da ein, wo er sich nicht einbiegt, einen Knick, wie ihn die Mode will, hat überhaupt der menschliche Körper nicht, seine sanft geschwungnen Linien werden nicht plößlich unterbrochen.

Die Bekleidung der Zukunft muß darauf vor allen Dingen Rücksicht nehmen. Wollte man nun aber gleich sagen, wie es besonders die Kleiderreform zum Teil in Amerika thut, daß das lose griechische Gewand zu empfehlen sei, weil es den Körper mehr drapiert, als bekleidet und ihm seine völlige Freiheit läßt, so verkennt man die Anforderungen der Gegenwart an das Leben der Frau. Man läßt auch außer Acht, daß die Industrie und die Technik des Schneiderhandwerkes heute andere sind, als damals; beides aber sind Mächte, mit denen eine Kleiderverbesserung jezt zu rechnen hat. Den Schönheitsbegriff der antiken Welt können wir jedoch bei der menschlichen Gestalt gerade in der Tracht vielleicht mehr als in der Kunst festhalten. Wenn nämlich die naturalistische Kunst von heute auch das Häßliche, das Zufällige darstellt, so wird die Mode und die ihr unterthane Industrie immer nur ideale Normalkörper annehmen. Die Büstenfabrik wird vielleicht 12-18 Normalfiguren herstellen müssen, nach denen dann die Modistinnen arbeiten, wobei sie jedoch für ihre Kundinnen auf alle Zufälligkeiten der Körperbildung Rücksicht nehmen müssen. Dadurch aber, daß der Verein die Anregung zu diesen natürlichen Normalgestalten gab und auf die antiken Formengestalten hinweist, wird nach und nach der falsche Schönheitsbegriff schwinden, wenn erst das Auge unserer jeßigen Generation sich an die neue Form gewöhnt hat.

Man wird vielleicht einwenden, daß der Verein in seiner Ausstellung ja auch Korsetts vorgeführt hat, und damit eigentlich in Widerspruch mit sich selbst gerät. Doch nicht, denn alle diese sogenannten Korsetts waren zum weitaus größten Teil nach anatomischen Gesezen erbaut. Korsettartige Gebilde stellen den Übergang vom Alten zum Neuen dar. Wie viele Damen, die vielleicht das Korsett 20-30 Jahre getragen haben, sagen: „Ich muß einen Halt haben, ohne Korsett bekomme ich Rückenschmerzen." Sie haben leider Recht, durch das Tragen des Korsetts find die Muskeln des Rückens so erschlafft, daß sie bei ihnen nicht wieder zu früherer Elastizität und Kraft sich entwickeln werden. Sie bedürfen allerdings noch einer gewissen orthopädischen Schienung im Rücken. Sonst können aber auch sie nach den Anforderungen der Hygiene und der wahren Schönheit sich kleiden. Die mehr an das Korsett sich anlehnenden Formen mancher Leibchen sind doch schon so weit reformiert, daß sie den Körper nicht einquetschen, sondern nur einen besonders bei starken Damen nötigen Halt gewähren.

Die Damen aber, deren Korsettfigur sich nicht mehr zur natürlichen Form zurückbildet, können doch die Grundsäße der Reform anerkennen. Viele von ihnen werden. bald einsehen, daß das Neue, das an die Natur sich anlehnt, schöner ist, als das Alte. Sie werden bei sich selbst anfangen und was mehr ist, sie müssen die Jugend anregen, daß sie sich gesund und schön kleide. Nur der völlig freigelassene Körper kann sich schön entwickeln, nur eine vollkommen körperlich ausgebildete Frau in voller Gesundheit und Schönheit blühen.

Wohl ist es gut, über den Begriff des Schönen zu theoretisieren, es ist auch leicht genug; schwer aber und besser ist es, die Theorie in die Praxis zu überführen. Das will der Verein. Wie er die Venus, die Hebe und die Normalbüsten an den Eingang seiner Ausstellung brachte, so möchte er auch mit der Umseßung seiner Grundsäße ins praktische Leben vom Alleruntersten und Ersten anfangen. Allen Eltern möchte er zurufen: „Zieht die Kinder gesund an, gewöhnt die heranwachsenden Mädchen an die Begriffe wahrer Schönheit!"

Ja besonders sie, die Backfische, die so gern hinaufblicken zu den Damen der Gesellschaft! Sie machen alles nach, was die Erwachsenen thun, um aus der schwierigen Zeit des Überganges erlöst zu sein. Vielleicht schon mit zehn Jahren, manchmal auch früher oder später, hat das Schulkind ein Korsett erhalten. Bis dahin war es noch nicht gesundheitsgefährlich gekleidet, jezt aber beginnt die Formung durch das Korsett. „Meine Tochter hat noch eine recht häßliche, dicke Taille," sagte mir lächelnd die Mutter eines fünfzehnjährigen Backfisches, ,,sie muß jezt endlich anfangen, sich etwas schlanker zu schnüren."

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Nun, das ist freilich sehr spät, und hoffentlich ist es für das junge Dämchen zu spät geworden. Nicht alle Fünfzehnjährigen gleichen leider dem ebengeschilderten jungen Mädchen und glücklicherweise nicht alle Mütter der Dame, aber wenn auch manchmal die Mutter Einhalt gebietet, das Töchterchen schnürt sich doch recht tüchtig, weil es eben so schön sein will wie andere. Die natürliche Schlankheit ist noch nicht genügend und es kommen ganz unglaublich niedrige Zahlen zum Vorschein, wenn man die Taillenweite solcher jungen eingepreßten Puppen übersieht. Die Backfische sind die schlimmsten," sagte mir der Inhaber eines Modemagazins, fie schnüren sich oft furchtbar." Deshalb gerade war in der Ausstellung Kinder- und Backfischkleidung vorgeführt, und Herr Arnold Müller, Leipzigerstraße 92, hatte Vorzügliches darin geleistet. Auch die Korsettgeschäfte hatten fast ohne Ausnahme Leibchen für Kinder und junge Mädchen vorgelegt. Merkwürdig und erfreulich war es auch, daß gegen das Ende der Ausstellung Kinder und ganz junge Mädchen in Begleitung ihrer Mütter dorthin kamen, um für sich etwas auszusuchen." Mit dem Enthusiasmus der Jugend, die das Neue oft mit Feuereifer erfaßt, gingen sie umher, mit radikaler jugendlicher Schnelligkeit verwarfen sie ihre bisherige Tracht und baten die Mama, ihnen neuc Reformsachen anzuschaffen.

Weich und enthusiastisch, leicht zu beeinflussen ist das Kind: gebt den Kindern das Schöne und sie werden es erfassen! In Schule und Haus sollte man sie lehren, was in Bezug auf die Tracht gesund und schön ist. Die heranwachsenden Mädchen müssen erfahren, wie schädlich das Korsett ist, sie müssen aufmerksam gemacht werden auf die wahre Schönheit.

Ja, ein neuer Schönheitsbegriff ist nötig, als die Grundlage einer bessern Tracht. Das retournons à la nature gilt auch hier. Ist dieser Begriff in unsrer Zeit nicht vorhanden, so müssen wir ihn wecken, ihn besonders bei den Kindern zur Wahrheit werden lassen. Eine schönere Zeit thut sich so auf, und mitten hinein ist die neue Frau gestellt. Sie soll natürlicher, schöner, gesunder den Aufgaben entgegengehen, die ihr geworden. Viel verlangt die Zeit von der Frau, sie muß geschickt gemacht werden, alle Aufgaben zu lösen. Viel, obgleich nicht alles, trägt zum Gesund- und Schönsein die Kleidung bei, und deshalb arbeiten jest mit Recht Köpfe und Hände so mancher an der Aufgabe: zu gestalten und zu vervollkommnen das neue schöne Kleid für die neue Frau.

Moderne Galanterie

aus den Essays of Elia, London Magazine, Nov. 1822.

Bon

Charles Tamb.

Deutsch von Hedwig Minssen.

Der Verfasser dieses Essays ist seit sechzig Jahren tot, und seine „moderne Galanterie“ müßte daher recht unmodern geworden sein. In der That mutet uns Herr Dorimant“ recht altväterisch an. Aber wenn wir ihm scharf ins Gesicht sehn, finden wir vertraute Züge, und der Herr Paice ist heute so selten wie damals. So dürfte der kleine Artikel auch heute noch seinen Platz verdienen. Und vielleicht mehr als je. Denn den furchtbaren Vorkommnissen bei dem Pariser Bazarbrande gegenüber möchte man fast glauben, daß nicht nur die spärliche Galanterie früherer Zeit, sondern auch jede wirkliche Ritterlichkeit, die dem Manne Schuß der Schwachen gebietet, den „Herren“ von heute abhanden gekommen sei. D. Red.

Nachdruck verboten.

enn wir unsre heutigen Sitten mit denen des Altertums vergleichen, sind wir nur zu gern bereit, auf unsere Galanterie stolz zu sein, d. h. auf eine gewisse Unterwürfigkeit und ehrerbietige Achtung, die wir

den Frauen als solchen erweisen.

sagt man

Daß dieses Prinzip unser Handeln wirklich bestimme, werde ich glauben, wenn Herr Dorimant eine Fischfrau über den Rinnstein führt, oder einer Hökerin ihre über das Pflaster rollenden Äpfel auflesen hilft, die ein ungeschickter Fuhrmann verstreut hat.

Ich werde es glauben, wenn die Dorimants der untern Stände, die in Bezug auf gute Lebensart in ihren Kreisen tonangebend sind, diese auch da beweisen, wo sie unbekannt sind oder sich unbeobachtet glauben; wenn ich nicht mehr sehe, daß eine Frau im Parterre eines Londoner Theaters stehen muß und vor Schwäche und Anstrengung fast ohnmächtig wird, während die Männer um sie herum behaglich dasigen und sogar noch über ihre Qualen wizeln; bis einer, dessen Gewissen oder Erziehung vielleicht etwas feiner ist als die der andern, sehr bezeichnend sich dahin ausspricht, daß er ihr gern seinen Play abträte, wenn sie nur ein klein bißchen jünger und hübscher wäre.“

Könnten wir aber denselben Herrn im Kreise seiner weiblichen Bekannten oder Freundinnen beobachten, wir müßten gestehen, daß wir nie einen höflicheren, besser erzogenen jungen Mann gesehen haben.

Endlich werde ich anfangen zu glauben, daß solch ein Grundsaß unser Benehmen beeinflußt, wenn die größere Hälfte all der Plackerei und groben Arbeit, die man den Frauen jezt noch aufbürdet, ihnen abgenommen wird.

Bis aber dieser Tag kommt, werde ich nicht glauben, daß diese Höflichkeit, mit der wir uns so gern brüsten, etwas andres ist, als eine hergebrachte Fiktion, ein konventionelles Schauspiel, das zwischen den beiden Geschlechtern derselben Lebensstellung und gleichen Alters aufgeführt wird und bei dem beide ihre Rechnung finden.

Ich werde sogar versucht sein, sie unter die heilsamen Illusionen des Lebens zu rechnen, wenn ich nur erst sehe, daß in den gebildeten Klassen allen Frauen, alten und jungen, hübschen und häßlichen, dieselben Aufmerksamkeiten erwiesen werden und zwar weil sie Frauen sind, nicht weil sie Schönheit, Reichtum oder Rang besigen.

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