Gesangbuch

jur

Beförderung öffentlicher

und.

häuslicher Andacht.

Bremen, 1812.

Gedruckt bey Georg Jöngen, Präfectur : Buchdrucker.

Die religiöse Dichtkunst.

Hier braucht man mehr als guten Willen;

Hier darf nichts kalt, nichts niedrig, nichts gemein,
Groß soll hier alles, Gottes würdig seyn.
Der Dichter soll des Volkes Herzen rühren,
Doch höher stehn, nicht folgen, sondern führen.
Und sein Gesang, von Gottes Geist gelehrt,
Soll fern vom Wahn, der Gott und Mensch entehrt,
Die Dichtung bis zu dem Begriff erheben,
Den uns Vernunft und Offenbarung geben,
Der, ohne fremden Schmuck, die Seele mehr vergnügt,
Als Phantasie, die schwindelnd sich verfliegt.
Sein heilig Lied entreiße sich dem Staube;
Doch soll es wahr, und, wie der Christen Glaube,
Erhaben, ohne Schwulst, in edler Einfalt schön,
Und rührend seyn, und jedes Herz erhöhn.

Vorrede.

Als das Bremische Ministerium vor sechs und vierzig Jahren sich entschloß, ein neues Gesang buch zu verfertigen und herauszugeben, hatte es mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das das malige sehr alte Gesangbuch enthielt neben den hundert und funfzig Lobwasserschen Psalmen nur eine kleine Anzahl von Liedern, die auch nach dem Vorrath jener Zeit nicht glücklich gewählt war. Die Nothwendigkeit, worin das Minister rium sich geseht sah, das Nichtaufnehmen sämt licher Psalmen in einer eigenen Schuhschrift zu vertheidigen, diejenige Stelle der Vorrede, welche vom etwanigen Vermissen dieses oder jenes Liedes spricht, und die, welche das spåte Erscheinen des Leipziger und Berliner Gesangbuchs bedauert und den Anhang erklärt: dieß alles läßt ahren, was dem, der noch die Hauptarbeiter kannte, Gewißheit ist, wie viel mehr diese würdigen Männer würden geleistet haben, wenn sie mehr Wahl ge:

habt, und wenn sie minder ångstlich hätten ar

beiten können.

In der That gehörte auch unser bisheriges Ge: sangbuch nicht nur zur Zeit seiner Erscheinung un ter die bessern, sondern es hat gewiß bis auf den heutigen Tag so viel Segen und Erbauung gestiftet, Daß wäre nicht das Bessere der natürliche Feind des Guten es noch immer bey einer guten Aus: wahl nicht unbrauchbar seyn dürfte. Da aber das dringende Bedürfniß einer neuen Auflage die Frage nahe legte, ob man das Buch, so wie es ist, wieder abdrucken lassen und so jede Verbesserung auf eine neue Reihe von Jahren hinausschieben, oder ob man einen zweyten Anhang nicht ohne Misstand hinzufügen, oder endlich, ob man ein ganz neues Gesangbuch ausarbeiten wollte; so entschied das Ministerium für das Lehte und beauftragte Sechs seiner Mitglieder, von denen Dr. Meister indessen gestorben und Dr. Stolz in sein Vater: land zurückgekehrt ist, die Ausarbeitung und den Druck eines neuen Gesangbuchs zu besorgen.

Ist die Arbeit mislungen, ist sie hinter den bessern dieser Art zurückgeblieben, so lag es wenig stens nicht an Mangel des Sinnes für das höchste Ideal von einem religiösen Liede, wie dieß das

Mot:

Motto hinter dem Titel beweißt, noch, dieß Zeug: niß dürfen wir uns geben, an treuangewandtem Fleiße. Gleichwohl kann eben darum Niemand tiefer als wir fühlen, wie weit das Ganze noch von dem Ziele entfernt sey, das uns vorschwebte. Gern werden wir daher jeder billigen Belehrung offen seyn, und gewiß werden wir dieselben, fo weit dieß, ohne Störung im Kirchengesang zu veranlassen, geschehen kann, bey etwänigen künf: tigen Auflagen dankbar benußen.

Einen Fehler giebt es indessen, der vielen Gesangbüchern eigen ist, welchen wir hoffen důë: sen, vermieden zu haben. Es ist die Einseitig keit. Meistens spricht die Wahl der Lieder das åltere oder neuere System, oder den individuellen Geschmack des Sammlers unverkennbar aus, und daher enthält so manches Gesangbuch nur Lieder von einerley Ton und Farbe. Uns dünkte, aus einem guten Gesangbuche müsse man eben so wenig auf das System der Verfasser, als aus einer gu: ten Kirchengeschichte auf die Konfession des Ge: schichtschreibers schließen können. Wir haben daher kein Lied um seiner besondern Ansicht oder Dar: stellungsweise einer christlichen Wahrheit willen aus: geschlossen, wenn es sonst poetischen Werth hatte,

ober