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Erster Teil.

Die Unheilseschatologie.

§ 3. Die Jahvetheophanien.

Bei Amos begegnet uns zum ersten Male der Ausdruck Tag Jahves (D), um ein bevorstehendes, für Israel unheilvolles Eingreifen seines Gottes zu bezeichnen (518ff.). Ohne uns den vollen Inhalt und die Bedeutung dieser Phrase klar zu machen, betonen wir vorläufig nur so viel, daß diese Benennung dann allein einen Sinn hat, wenn sie auf ein irgendwie wirkendes Handeln oder auf eine irgendwie geschehende Offenbarung Jahves sich bezieht. Aus dem Buche des Amos erfahren wir bei oberflächlicher Betrachtung nichts Näheres darüber. Dagegen sehen wir, wie der Glaube das Walten der Gottheit mit manchen Dingen, sei es gegenwärtigen, sei es zukünftigen, verknüpft und wie in vielen eschatologischen Weissagungen direkt Javetheophanien beschrieben werden. Wenn wir diese Dichtungen genauer untersuchen und die Vorstellungen erforschen, die in ihnen ausgesprochen sind oder die ihnen unausgesprochen zu Grunde liegen, so werden wir vielleicht im stande sein, uns ein lebendiges Bild davon zu machen, was der Israelit bei einem »Tage Jahves« sich dachte.

Überblicken wir die Gesamtheit der Gotteserscheinungen und Gottesschilderungen im Alten Testamente, so treten uns verschiedene Typen entgegen, die bald klar auseinander gehalten sind bald ineinander übergehen. Teils wird Jahve vornehmlich als Spender des Unheils teils als der des Heiles charakterisiert, teils wird sein Walten in der Geschichte teils

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das in der Natur besungen. Uns interessiert hier nur das letzte: die Offenbarung Jahves in der Natur, doch müssen wir auch hier differenzieren, da ein Teil der Hymnen das Wirken der Gottheit mit einzelnen Erscheinungen, die bald segenstiftend, freundlich, bald grauenvoll, verderblich sind, verbindet, ein dritter endlich die ganze Welt in den Bereich der Poesie hineinzieht. Ob alle drei Arten von Anfang an neben einander existiert haben, ist eine Frage, die jetzt nicht beantwortet werden soll. Nur das eine muß energisch betont werden, daß die dritte Gattung in Israel jüngeren Ursprungs ist. Denn diejenigen Theophanien, die den Gott Israels mit der ganzen Welt in Zusammenhang setzen, begegnen uns erst in den späteren prophetischen und poetischen Büchern, während die früheren ihn durchweg nur mit einer bestimmten Gruppe von Naturerscheinungen kombinieren. Es ist durchaus nicht so, als ob Jahve, der Gott des Alls, auch als Urheber jedes einzelnen Dinges geschildert würde, sondern aus der großen Fülle der Erscheinungen werden nur einzelne herausgegriffen und von Jahve abgeleitet, während andere vollkommen fehlen. Daraus folgt, daß die Idee von Jahve als dem universalen Weltengott nicht am Anfang der israelitischen Religionsgeschichte gestanden haben kann, da sonst jene spezifische Auswahl der dem Jahve beigelegten Naturwunder unbegreiflich wäre.

Die altprophetischen Jahvetheophanien, die im Einzelnen mannigfach variieren, bewegen sich doch in ganz fest normierten Grenzen, nämlich innerhalb der allgemein gültigen Gottesvorstellungen. Denn nur die Wirkungen in der Natur, die jedermann der Gottheit zuschreibt und in denen jedermann ihr besonderes Walten erkennt, können einen Platz einnehmen in den Geschichten, die vom göttlichen Handeln erzählen. Selbst die frei schaffende Kunst des Dichters ist an dies Gesetz gebunden: er kann von der Gottheit allein die Dinge aussagen, die nach der Volksanschauung in ihrem Wesen begründet sind. Inhaltlich muß sein Glaube mit dem jedes Frommen übereinstimmen, wenngleich die Form, in die er seine Überzeugung kleidet, mehr oder weniger sein persönliches Eigentum sein mag. Es gab zwar in vorchristlicher Zeit keine Dogmen, die genau regelten, was der Einzelne glauben durfte und was nicht, wohl aber bestand ein genau ausgeprägter Typus, wie ihn

die Religion jedes Volkes und jeder Epoche trägt, an dem der Poet so gut teilnimmt wie der Alltagsmensch. Wir haben darum ein Recht, die dichterischen Stücke für unsere Untersuchung ebenso heranzuziehen wie die prosaischen, wenn wir uns nur das Eine vor Augen halten: die Bilder, die die Propheten gemalt haben, gehören der Kunstpoesie an, sind nicht immer und nicht ohne weiteres volkstümlichen Ursprungs, und sollten sie noch so einfach sein. Diese Bilder aber sind entstanden auf Grund religiöser Ideen, die wir als populär bezeichnen dürfen. Wenn wir den religiösen Kern bloßlegen, den die dichterische Schale birgt, dann haben wir die letzten, allgemein gültigen, jedermann bindenden Voraussetzungen erkannt.

Da für den antiken Menschen die auffälligen und außergewöhnlichen Naturerscheinungen eine Gottesoffenbarung bedeuten, so sind für ihn Natur und Religion aufs engste mit einander verquickt und dürfen von uns nicht getrennt werden. Wir werden im Gegenteil von der Natur ausgehen und die Tatsachen ausfindig zu machen suchen, die den Anlaß für eine bestimmte religiöse Idee gegeben haben. Mitunter schildern die Propheten Naturereignisse in sehr lebhaften und anschaulichen Farben, ohne doch die Ursache derselben genauer anzugeben. Wir sind in solchen Fällen gezwungen, sie zu erschließen und das aitiov zu rekonstruieren, dessen Wirkungen beschrieben werden. Meist wird diese Arbeit leicht gelingen, bisweilen aber sind die Folgeerscheinungen verschiedener Kausalitäten einander so ähnlich, daß es schwer wird, ein sicheres Urteil über die jedesmalige Ursache zu gewinnen, zumal wenn die dichterische Phantasie Erlebnisse des Alltags in grotesker Weise vergröbert und ausschmückt. So sind z. B. die durch ein Erdbeben hervorgerufenen Verwüstungen bis zu einem gewissen Grade den Verheerungen des Sturmes gleich, sodaß man, falls nur die Folgen genannt sind, über die Ursache wohl schwanken kann. Es ist gut, sich das von vorneherein klar zu machen, obwohl solche Differenzen der Auffassung für unsere Ergebnisse von geringer Bedeutung sind.

Daneben ist zu beachten, daß den Dichtern, die sich oft, keineswegs stets, nach ihren Vorgängern richten und die häufig nach Mustern und mit überkommenen Vorstellungen

arbeiten, der Ursprung eines Bildes nicht immer bekannt und bewußt gewesen zu sein braucht. Wir müssen, abgesehen von der frei schöpferischen, an Naturereignisse sich nur schwach anlehnenden Phantasie, auch mit der Tatsache rechnen, daß eine Routine von alters her in der Behandlung der Jahvetheophanien bestand, die das zu Grunde liegende, ursprünglich deutliche Phänomen verdunkelte. Die Züge, mit denen die älteste Jahveerscheinung, die am Sinai, ausgestattet worden war, gewannen im Laufe der Zeit typische Geltung, weil dieses Ereignis der beliebteste Hymnenstoff war. So sind sie auch in den eschatologischen Mythus hineingewebt und haben sein farbenprächtiges Kleid mit schmücken helfen. Aber wenn so auch die Sinaitheophanie das literarische Vorbild gewesen sein mag, nach dem alle anderen Theophanien gestaltet wurden, muß man sich doch vor dem Irrtum hüten, als sei damit die Entstehung der einzelnen Mythologeme klar gestellt. Denn die uns vorliegenden, überlieferten Sinaitheophanien, zumal der Hymnen, sind nicht einheitlicher Art, sondern hier sind schon mannigfache Züge verschiedenster Herkunft zu einem Ganzen vereinigt, die wir erst sauber wieder von einander lösen müssen, ehe wir sie verstehen können. Selbst die Sinaitheophanie des Buches Exodus ist nicht die klare dichterische Mythologisierung eines Naturereignisses, sondern, wie wir sehen werden, mehr oder weniger stilisiert.

Die Verknüpfung heterogener Elemente zu einer Theophanie ist auf den ersten Blick sehr befremdend, da man meinen sollte, daß Jahve, wenn er z. B. ein Gewittergott ist, auch mit den Farben des Gewitters dargestellt werden müßte. Wie soll es erklärt werden, wenn in dies Bild sich ganz andere Züge mischen, die z. B. vom Erdbeben, vom Širokko, aber nicht vom Gewitter herrühren? Einmal ist zu beachten, daß Jahve in der späteren Zeit nicht als der Gott einer bestimmten Naturerscheinung, sondern als der Gott einer Reihe von Naturerscheinungen gilt. Zum anderen ist die dichterische Phantasie in Anschlag zu bringen, die den Gott mit dem ganzen Komplex aller der Dinge auszustatten liebt, in denen er sich offenbart, um die Herrlichkeit seiner Majestät zu erhöhen. Wie der König alle Minister und Trabanten um sich sammelt, um eine würdige Folie für seine Person zu gewinnen, so zeigt der Dichter

den Jahve, der umgeben ist von allen seinen Schrecken, und schildert ihn inmitten seines Hofstaates. Es ist schließlich nichts Anderes, wenn auf den Götterbildern alle die Attribute und Symbole der Gottheit zusammengestellt sind, die ihr beikommen, einerlei ob sie sich auf eine bestimmte Seite oder auf alle die verschiedenen Seiten ihres Wesens beziehen und im letzten Grunde disharmonisch sind. Eine Einheit bilden sie nur in der Phantasie des Dichters.

§ 4. Die Offenbarung Jahves im Erdbeben.

JUSTUS KÖBERLE: Natur und Geist nach der Auffassung des Alten Testaments. München 1901. J. G. MÜLLER: Geschichte der amerikanischen Urreligionen. Basel 1855. RICHARD LASCH: Die Ursache und Bedeutung der Erdbeben im Volksglauben und Volksbrauch (Archiv für Religionswissenschaft, Bd. V). Tübingen 1902. M. WILHELM MEYER: Von St. Pierre bis Karlsbad. Studien über die Entwicklungsgeschichte der Vulkane. Berlin 1904. PAUL VOLZ: Jüdische Eschatologie. Tübingen 1903.

Das Erdbeben wird ausdrücklich erwähnt in der Sinaitheophanie des Mose (Ex. 1918) und des Elia (I Reg. 1911) und spielt eine große Rolle in den poetischen Darstellungen Jahves, mögen sich diese nun auf irgend ein historisches Ereignis beziehen oder das Kommen Gottes am Ende der Tage beschreiben. Durch eine Fülle von Bildern und Beispielen wird das Erdbeben anschaulich gemacht. In einer Glosse zum Buche Amos (88) wird es verglichen mit dem Sichheben und Sichsenken des Nils (vgl. Nah. 15, wenn am richtig überliefert ist), Jes. 2420 mit dem Taumeln des Betrunkenen und ebendort mit dem Schwanken der Hängematte. Gewöhnlich heißt es, daß die Hügel beben und die Erde zittert (Nah. 15. Jer. 424. 51 29. Hag 26. 21 u. a.), seltener, daß die Berge sich spalten und die Erde zersplittert wird (Mch. 14. Jes. 2419. Ps. 604. Zach. 144), und daß die Grundfesten oder Säulen, auf denen die Erde ruht, ins Wanken geraten (Jes. 1313. 2418. Ps. 188. Job. 96). Wie sie, so wird auch der Himmel erschüttert und zerrissen (Jes. 1313. 6319. Hag. 26. 21; vgl. KÖBERLE S. 113).

Schon diese Übersicht zeigt, daß Erdbeben den Israeliten Palästinas bekannt gewesen sind und in der Tat werden solche aus geschichtlicher Zeit gemeldet (I Sam. 1415. Am. 11. Zach. 145). Diese Erdbeben waren wahrscheinlich nicht vulkanischer, sondern

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