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wagten, das war nach ihm jetzt da! Man mache sich klar, was das heißen will. Der Tag Jahves mit dem reichen, konkreten Inhalt, den dies Wort im Glauben des Volkes barg, sollte Wirklichkeit werden! Wie mußten die Herzen schneller schlagen, sei es vor Entzücken sei es vor Entsetzen, bei dem Gedanken: Jahve der Heere kommt, kommt nicht in fernen, unermeßlichen Zeiten, sondern in der allernächsten Zukunft, übers Jahr! Das klang wohl damals genau so widersinnig und paradox wie später, als der Ruf erscholl: Jesus, dieser Mensch, von der Maria geboren, von den Juden vor drei Tagen gekreuzigt, ist der Messias, der in Bälde wiederkehren wird auf den Wolken des Himmels, um die Welt zu richten! Wenn heute einer auftreten und ernsthaft weissagen wollte, daß innerhalb eines Menschenalters der Weltuntergang stattfinden werde, würden wir ihn nicht nach Hause schicken wie einst Amazja den Amos: Seher, geh, troll dich ins Land Juda und iß dort Brot und dort prophezei?

Diese Gewißheit der Propheten über das hereinbrechende Ende war, soweit sie nicht auf dem Geheimnis der Inspiration beruht, auf ihren gewaltigen Zorn über die Sünde Israels gegründet. Sie sahen, wie das Volk trotz all seiner Opfer und Kulthandlungen und Tempel tief in die Sünde verstrickt war. An den Veruntreuungen der Beamten, an der Völlerei und Unzucht, an der Bedrückung der Armen, an den Pflichtversäumnissen der Priester und an dem Heidentum im Gottesdienst ward ihnen der Ernst der Lage klar und erschien ihnen das Ende unabwendbar. So griffen sie zur Eschatologie, um dem Volke das kommende Unheil zu schildern, und verbanden sie mit sittlichen und religiösen Idealen aufs engste. Die ethische Vertiefung der Unheilseschatologie ist ein neues und bleibendes Verdienst der Propheten. Wie wenig vorher Sittlichkeit und Eschatologie mit einander zu tun hatten, das wird aus einzelnen Weissagungen sehr deutlich, z. B. aus den Heidenorakeln. Alle Prophezeiungen vom Ende Israels sind bald mehr bald weniger durch irgendwelche Sünden des Volkes motiviert, bei den Drohungen gegen die Heiden aber findet sich eine ganze Reihe, in der jede ethische Begründung fehlt. Hier hat sich das Ursprüngliche erhalten. Das konnte um so leichter geschehen, als man die Sünden der Heiden nicht so gut kannte

wie die Israels. Zu Grunde gehen mußten deshalb jene Völker doch, und das war ja die Hauptsache, die unwandelbar feststand, ganz abgesehen von jeder Verschuldung. Diese Heidenorakel sind, etwa neben Zephanja, bei dem Ähnliches beobachtet werden kann, die beste Quelle, um den Unterschied zwischen der prophetischen und populären Eschatologie zu studieren.

Vor allem aber erhellt ihre Differenz aus der Anschauung über das Schicksal Israels an der Wende der Tage. Während nach volkstümlichem Glauben Israel bei der Katastrophe gerettet wird, ist ihm nach prophetischer Überzeugung die Vernichtung gewiß. Diese Differenz erklärt sich aus dem verschiedenen Standpunkt, den die Beurteiler einnehmen. Das Volk richtet sich nach patriotischen, die Prophetie nach sittlichen Gesichtspunkten. Weil die Propheten die Sünde Israels kennen, darum betonen sie die Strafe Israels. Das Volk weiß von jener nichts und will daher auch von dieser nichts hören. So begreift sich, wie die Drohung der Propheten gegen Israel, die unglaublich, ja widersinnig klang (SMEND), so sehr in den Vordergrund gerückt wird, daß darüber der universale Charakter der Katastrophe fast verloren geht. Er ist nicht ganz verschwunden, wohl aber in der älteren Prophetie (bis zum Exil) zurückgedrängt, weil sie vor allem die Aufgabe hatte, Israel die eigene Vernichtung klar zu machen. Damit wird das Wesen der israelitischen Religion von Grund aus verändert. Während sie bisher auf der Existenz Israels beruhte und ohne sie schlechterdings undenkbar war, wird jetzt durch die Prophetie die Sittlichkeit zu ihrem einzigen Fundament erhoben.

Mit der Erwartung der Propheten vom baldigen Ende Israels hängt eine andere Tatsache zusammen, durch die sich die prophetische Eschatologie von der populären unterscheidet und auf die bereits in anderen Zusammenhängen öfter hingewiesen wurde, nämlich daß jetzt an die Stelle der mythischen Schrecken Jahves historische Feinde treten. Man redet zwar noch von jenen, meint aber diese. Innerhalb der älteren prophetischen Schriften müssen wir darum zum Teil die Naturkatastrophen, wo sie begegnen, für eine dichterische Einkleidung und für ein stilistisches Überbleibsel halten, das aus einer früheren Periode der Unheilseschatologie stammt. Man hat darum noch kein Recht, sie allegorisch zu deuten, sondern

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muß den mysteriösen Charakter der Prophetie in Betracht ziehen. Von der Zukunft redet man nicht mit wissenschaftlicher Klarheit, sondern im Ton und Stil des Geheimnisses. Sie wird mit Absicht in einen halb durchsichtigen halb undurchsichtigen Schleier gehüllt; denn wie soll man genau wissen, wie genau schildern das, was kommen wird? So vermeidet man es auch, die Feinde, die man im Auge hat, mit Namen zu nennen, sondern bevorzugt ein gewisses Helldunkel, das eine eigentümlich poetische Stimmung hervorruft.

Der Charakter der vorexilischen Prophetie, soweit sie kanonisch geworden und uns erhalten ist, wird ganz allgemein dadurch bestimmt, daß die Unheils eschatologie durchaus im Vordergrund der Verkündigung steht. Da nun nach unserer Auffassung die Eschatologie älter ist als Amos und eine in mancher Beziehung feste Form trägt, so müssen bereits vor unsern kanonischen Männern Prophetenschulen existiert haben, die in Lied und Wort die eschatologischen Tatsachen verherrlichten. Wir hören von solchen Leuten, deren Gesänge uns verloren gegangen sind, im Kanon selbst. Die Nebiim tauchen bereits zur Zeit Samuels auf und sind keineswegs der israelitischen Religion eigentümlich, da es neben den Jahve- auch Baalspropheten gibt (I Reg. 18). Sie lebten in Vereinen zusammen (II Reg. 2), bildeten also Schulen, die von einem Herren geleitet wurden. In ihren Kreisen ward die Ekstase gepflegt, die besonders zu Zeiten nationaler Erregung in hellen Flammen emporloderte. Der religiöse Patriotismus ward von ihnen stets aufs neue entfacht, und mitunter griffen sie in die politischen Wirren ein, um die Geschichte nach ihren Plänen zu lenken. Daneben übten sie die Funktionen des Sehers aus. Dem Micha ben Jimla, der nichts Gutes zu weissagen pflegte, standen 400 Jahvepropheten gegenüber, die dem Könige Glück weissagten (I Reg. 22). Gleich unsern kanonischen Propheten sind die vor- und außerkanonischen Nebiim halb Politiker und halb Wahrsager; nur müssen wir diesen Männern im Durchschnitt die ethische und religiöse Größe unserer Propheten absprechen. Obwohl es nicht berichtet wird, hindert uns nichts an der Vermutung, daß schon die Nebiim die Eschatologie gepflegt und die Stilformen überliefert haben, deren sich später die kanonischen Propheten bedient haben.

Woher sollten denn diese die Traditionen genommen haben als aus den Kreisen derer, die mit ihnen denselben Namen führten ? Das gewöhnliche Volk hat von der Eschatologie wahrscheinlich nicht viel gewußt1, wie derartige Mythen wohl überall vornehmlich in gewissen Berufskreisen zu Hause sind. Über die Art der von den Nebiim gepflegten Eschatologie könnte man am Ende ein falsches Bild gewinnen aus den Worten, die Jeremia zu Hananja sagt: Die Propheten, die vor mir und vor dir von Urzeit her waren, die haben prophezeit über viele Länder und große Reiche (nur) von Krieg und von Unheil und von Seuche (Jer. 288). Jeremia bezeichnet die ihm feindlich gesinnten prophetischen Gegner als Heilsund darum als Lügenpropheten; denn die Unheilspropheten seien die ältesten und darum einzig berechtigten Propheten. Wir sehen von dem Werturteil ganz ab und halten uns nur an die Tatsache, daß sich hier zwei Richtungen innerhalb der Prophetie gegenüber zu stehen scheinen, von denen die eine (die kanonische) durch das Verkünden des Unheils, die andere (die außerkanonische) durch das Verkünden des Heils charakterisiert wird. Diese Gegensätze sind nicht absolut, sondern nur relativ zu denken. Es ist völlig unmöglich, sich vorzustellen, daß beide Richtungen schroff von einander gesondert waren. Denn erstens sind unsere kanonischen Propheten zwar vornehmlich »Sturmvögel« des Unheils gewesen, aber sie haben daneben auch heilseschatologische Schilderungen verfaßt. Zweitens setzt die Unheilseschatologie ebenso wie die Heilseschatologie eine lange Geschichte voraus und beide gehören, wie wir sehen werden (vgl. § 22), zusammen gleich den zwei Schalen einer Muschel. Wie sollte da eine Partei der Propheten ausschließlich das Unheil, die andere ebenso ausschließlich das Heil besungen haben? Wir müssen vielmehr annehmen, daß in der älteren Zeit (d. h. vor Amos) die Nebiim die ganze Eschatologie gepflegt haben, aber in der Form, die wir als die volkstümliche Stufe der Eschatologie bezeichnet haben, daß dann mit Amos eine Spaltung innerhalb der Prophetie eintritt und

1. Wenn ich im Vorhergehenden das Wort »volkstümlich oder >>vorprophetisch gebraucht habe, so ist es nur im Gegensatz zu unseren kanonischen Propheten gemeint. Es bedeutet so viel wie »vor Amos«.

infolgedessen die prophetische neben der volkstümlichen. Stufe herläuft.

Nach dem Exil herrscht auch in der kanonischen Prophetie die Heilseschatologie vor. Das war durch die Lage der Dinge notwendig gegeben. Als der verheißene Tag Jahves in seiner ganzen Furchtbarkeit durch das Exil in die Erscheinung getreten war, mußte fortan die Zukunfts hoffnung die Zukunftsdrohung verdrängen. Die Mission der älteren Prophetie war erfüllt, eine neue Zeit heischte gebieterisch eine Wendung der Prophetie. Mit der Heilsprophetie hält die alte volkstümliche Eschatologie wieder ihren Einzug, die eben ihrem Grundzuge nach nicht Unheils-, sondern Heilseschatologie war. So werden die mythischen Schrecken Jahves wieder lebendiger; der universale Charakter des Tages Jahves wird wieder deutlicher, da die Katastrophe auf die Heiden beschränkt wird, während Israel ihr entrinnt; die ethische Begründung verschwindet wieder mehr, und die naturhafte Vorstellung vom Ende überwiegt. Daneben aber wirkt die prophetische Unheilseschatologie fort und vermengt sich mit der volkstümlichen. Aus ihrer Vermischung und einem Einschlag neuer Ideen aus der Fremde erwächst allmählich die Apokalyptik.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich naturgemäß eine veränderte Auffassung über das Verhältnis der Apokalyptik zur Prophetie. Man hat wohl gesagt, jene setze im Gegensatz zu dieser einen fest überlieferten, eschatologischen Gedankenkreis voraus, sei abhängig von einer genau normierten Überlieferung; die Aufgabe der Apokalyptik bestehe darin, diese Tradition umzudeuten und auf eine bestimmte Zeitlage anzuwenden (SMEND a. a. O. S. 199). In dieser Schärfe ist der Gegensatz nicht vorhanden. Die von SMEND versuchte Konstruktion beruht auf dem Grundirrtum, als hätten die Propheten die eschatologischen Anschauungen erstmalig geschaffen, als sei die Eschatologie entstanden mit oder aus der schriftstellernden Prophetie. In Wahrheit war der Prophet vor dieselbe Aufgabe gestellt wie der Apokalyptiker. Für beide kam es darauf an, den ihnen überlieferten Stoff resp. das ihnen überlieferte Schema mit den konkreten Situationen in Einklang zu setzen. Während aber der Prophet aus der populären mündlichen Überlieferung

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