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Feind geschildert war, paßten ebenso gut zu den Skythen wie zu den Chaldäern wie zu Gog. Aber eines muß ganz energisch betont werden, was bisher übersehen ist: Mit dem Namen Gogs ist eine feste Tradition verknüpft, die von dem Propheten nicht geschaffen, sondern übernommen ist.

Denn 3812 findet sich die erste rätselhafte Notiz: Gog zieht gegen ein Volk, das auf dem Nabel der Erde wohnt. Damit ist im jetzigen Texte ohne Zweifel Israel gemeint. Schon 55 hat der Prophet die Anschauung ausgesprochen, daß Jerusalem mitten unter die Heiden gestellt sei und rings um es her die Länder liegen. Nach den weitverbreiteten Nachrichten, die wir besitzen, ist es wohl nicht nur das Volk, sondern auch und vor allem der höchste Gott, der diesen Ehrenplatz in der Mitte der Welt inne hat. Wie hier bei Ezechiel und im Buche der Jubiläen (819) der Berg Zion »den Mittelpunkt des Nabels der Erde« bildet, so bezeichneten die Israeliten (nach Jdc. 937) auch eine andere Örtlichkeit bei Sichem als den Nabel der Erde1. Völlig entsprechend liegt der Sinai im Mittelpunkt der Wüste (Jub. 819) und wohnen die Semiten gleich den Chinesen im Reich der Mitte (Jub. 812). Im Nabel der Erde befinden sich nach IHen. 261f.: ein heiliger Berg, nach babylonischen Vorstellungen: Babylonien, nach griechischen: Delphi, Athen oder Paphos, nach mittelalterlichen Karten: Jerusalem 2. Dem Ausdruck hat schwerlich je eine lebendige, plastische Anschauung zu Grunde gelegen, als wäre die Erde einmal aufgefaßt worden als ein auf dem Rücken ausgestrecktes menschliches resp. göttliches Wesen, dessen Zentrum der Nabel ist, obwohl wir entsprechende ägyptische Bilder kennen3, sondern es wird sich von Hause aus um eine poetische Metapher handeln. Der Mittelpunkt der Erde spielt eine so große Rolle, weil das betreffende Volk sich selbst und seinen Gott damit als das Wesentlichste, Wichtigste und Erhabenste der Welt darstellt. Alle übrigen Menschen wohnen nur an den »Enden«, in den >>Winkeln«, an der Peripherie der Erde. Eine solche Idee konnte sich wohl in den großen Monarchien des Altertums aus

1. Nicht des Landes, wie man gewöhnlich übersetzt. 2. Vgl. z. B. die Abbildung bei A. JEREMIAS S. 354 No. 135. 3. Vgl. z. B. die Abbildungen bei H. BRUGSCH: Religion und Mythologie der alten Ägypter. Leipzig 1888. S. 210f.

bilden, in dem winzigen Israel ist sie als autochthon nicht zu verstehen. Ihre Erwähnung in diesem Zusammenhange macht stutzig. Sollte sie sich hier aus einer mythischen Tradition erklären?

Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man bedenkt, wie wenig Israel in die 3820 geschilderte Katastrophe hineinpaßt: Wahrlich, an jenem Tage soll ein großes Erdbeben über das Land Israel kommen, und vor mir sollen erbeben die Fische des Meeres und die Vögel unter dem Himmel und das Getier des Feldes und alles Gewürm, das auf dem Erdboden kriecht, und alle Menschen, die auf der Erdoberfläche sind; und niedergerissen werden sollen die Berge und einstürzen die Felssteige und alle Mauern zu Boden fallen. Wenn so die gesamte Natur und Kreatur vernichtet wird, muß allerdings Gog zu Grunde gehen, aber mit Gog auch Israel. Die Rettung Israels ist bei einer so beschriebenen Katastrophe schlechterdings unvorstellbar.

Ein zweiter Grund, weshalb die Gog-Magogweissagung nicht »zunächst ein Kind der Reflexion< (SMEND), sondern eine feste Überlieferung ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß sie an ganz bestimmte, mit Namen genannte Orte gebunden ist. Will man dem Ezechiel, oder wer sonst der Verfasser sein mag, zutrauen, er habe diese Lokalisierung erstmalig geschaffen? Wenn das der Fall wäre, so müßten die Örtlichkeiten bekannt und die Gründe durchsichtig sein, warum er die Geschichte grade dorthin verlegt hat. Das Gegenteil ist der Fall. Wir stehen vor lauter unlösbaren Rätseln. Immer wieder wird betont, daß die Katastrophe in Israel stattfinden, daß Gog auf den Bergen Israels fallen, daß seine Grabstätte in Israel sein soll. Wie reimt sich damit die geographische Angabe, das Grab sei östlich vom Meere1 zu suchen? Da sie vom mittelländischen Meere nicht verstanden werden kann, so muß man an das Tote Meer denken. Östlich vom Toten Meere aber sind wir außerhalb Palästinas, vor allem in jener Zeit nach dem Exil, wo Israels Land auf ein noch kleineres Gebiet als früher zusammengeschrumpft war.

Der Name des Begräbnisortes heißt: Tal der Wanderer. Ein solches Tal ist uns unbekannt, und doch ist an der Richtig

1. Oder gegenüber dem Meere.

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keit des Textes nicht zu zweifeln. Denn an diesen Namen ist eine Legende angeschlossen: Eine Kommission von Männern soll im Lande umherwandern und die übrig gebliebenen Gebeine dort aufsuchen. Wo solche gefunden werden, sollen neben ihnen Male aufgerichtet werden, bis die offiziellen Totengräber die Bestattung vollzogen haben. Diese Legende kann sich schwerlich gebildet haben im Zusammenhang mit einem wirklich vorhandenen Tal, da sie nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft spielt. Man hat durch eine andere Punktation das Tal der Wanderer in das Tal Abarim verwandeln wollen, was trotz der etymologischen Anspielungen (D Wanderer) nicht unmöglich wäre. Da es im nordwestlichen Teile der moabitischen Hochebene ein Gebirge Abarim gab (Num. 3347f.), so würde die geographische Notiz östlich des (Toten) Meeres dazu stimmen. Aber nicht passen würde die ausdrückliche Bemerkung, wonach dies Tal in Israel zu suchen sei. Wer durchaus an jener Lokalisierung in Moab festhalten will, hat die Verpflichtung, diesen Widerspruch zu erklären. Er muß weiter zugeben, daß diese Schilderung nicht vom Tal Abarim hergenommen sein kann, sondern umgekehrt dorthin aus der Mythologie übertragen ist. Auffällig ist noch eine Näherbestimmung: Dies Tal wird den Wanderern den Weg verstopfen (3911). Es wird nicht gesagt, wodurch dies geschehen soll, und es ist nur Vermutung, wenn man ergänzt: durch die aufgefüllten Leichen. Jedenfalls soll das Leichental als völlig unzugänglich dargestellt und, wie HITZIG mit Recht annimmt, einem großen Grabe verähnlicht werden. Die ganze Beschreibung führt auf ein mythisches Totental.

Vielleicht dürfen wir mit dieser Tradition Zach. 141ff. verknüpfen. Die Situation ist dieselbe wie Ez. 38. Am Tage Jahves versammeln sich alle Heiden vor Jerusalem, bedrängen und erobern es. Dann aber tritt die große Wendung ein: Jahve zieht aus und kämpft gegen jene Heiden, wie er einst kämpfte zur Zeit des Krieges. Ein gewaltiges Erdbeben entsteht und eben dadurch wird ein Tal verstopft. Das Drama spielt in Juda: Und seine Füße treten jenes Tages auf den Ölberg, der östlich von Jerusalem liegt, und der Ölberg spaltet sich in der Mitte von Ost nach West, und es entsteht ein breites Tal, indem ein Teil des Berges nach Norden und der andere nach Süden weicht.

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Und das Tal Harai wird verstopft1 Das Tal Harai resp. Harim ist uns durchaus unbekannt. WELLHAUSEN vermutet als ursprünglichen Text das Tal Hinnom. Wichtiger ist, daß aus dem Folgenden klar wird, weshalb diese geologischen Veränderungen in der Nähe Jerusalems stattfinden: Die himmlische Szenerie, das Paradies, soll hergestellt werden. Jahve wird zum König der Welt (V. 9), Jerusalem, seine Residenz, zum Götterberg (V. 10), und ein lebendiges Wasser wird von Jerusalem ausgehen, ein Teil nach dem östlichen Meer und der andere nach dem westlichen Meer fließen (V. 8); gemeint ist der mehrarmige Paradiesstrom, der die Gottesstadt erfreut (vgl. GUNKEL: Genesis S. 31 u. § 20). Das neu entstandene breite Tal, das von Osten nach Westen läuft, ist doch wohl bestimmt, den Himmelsfluß aufzunehmen. Im Gegensatz dazu dürfen wir das verstopfte Tal, das keinen Zugang zum Götterberge hat, für den Aufenthaltsort der Gottesfeinde jeder Art halten. Abgeschlossen vom Tal des Lebens liegt das Tal des Todes. Dazu stimmt die Schilderung Ez. c. 39 ausgezeichnet: Die Wesen, die versucht haben, den Nabel der Erde d. h. den Gottessitz zu erstürmen, kommen zur Strafe dafür ins Totental. Ob es je auf das moabitische Tal Abarim übertragen war, ist nach dem oben Gesagten sehr zweifelhaft. Mehr Wahrscheinlichkeit hat die Lokalisierung im Tale Hinnom für sich. Denn obwohl dieser Name Zach. 14 konjiziert werden muß, paßt er einigermaßen in die Situation. Während der Ölberg der heilige Berg ist, der zum Paradiestal gespalten wird, soll das Tal Hinnom, das vielleicht von alters her Stätte eines Totengottes war, zum Totental werden, verstopft gegen den Göttersitz hin. Das Primäre ist hier offenkundig die mythische Topographie, da ja die irdische Szenerie erst verwandelt werden muß, ehe sie zu jener stimmt. Schon nach Jeremia (732) soll Israel von dem Völkerwürger im Tale Hinnom gewürgt und bestattet werden, sodaß es den Namen Würgetal erhält. Aus dieser Notiz dürfen wir folgern, daß die bei Ez. und Zach. vorhandene Tradition bereits in vorexilischer Zeit bekannt war. Die Überlieferung in der Gog-Weissagung ist mit legendarischen Zusätzen ausgeschmückt, läßt aber das ursprünglich mythische Kolorit noch durchschimmern.

1. Lies : LXX.

Eine weitere Spur derselben Tradition treffen wir im Buche Joel. Wir sahen, wie dort eine Heuschreckenplage mit lebendigen Farben gemalt war (vgl. o. S. 93). Auffällig war vor allem die Bezeichnung der Nördliche, da die Heuschrecken aus dem Südosten nach Palästina kommen. Das ist der erste fremde Zug, der auf anderen Ursprung weist. Als zweiten fügen wir hier hinzu die Schilderung seines Endes: Und den Feind aus dem Norden will ich von euch entfernen und will ihn in ein dürres und ödes Land stoßen, seinen Vortrab in das östliche Meer und seinen Nachtrab in das westliche Meer, und sein Gestank soll aufsteigen (220). WELLHAUSEN äußert sich über diese merkwürdige Geographie überhaupt nicht. NOWACK meint, es sei mit dem östlichen das Tote, mit dem westlichen das mittelländische Meer bezeichnet. Aber abgesehen davon, daß man diese beiden Meere schwerlich in dieser Weise zusammenstellen kann, wie reimen sich damit die anderen Behauptungen? Ich will ihn weit von euch treiben. War denn das Tote Meer so weit entfernt? Und wenn das vorderste Ende ins Tote, das hinterste ins mittelländische Meer stürzte, so fiel das Gros grade mitten in Juda hinein. Und wo ist das dürre und öde Land, das zwischen den beiden Meeren liegen muß? Die ganze Schilderung paßt also nicht auf Juda, und ist in ganz Palästina nicht zu lokalisieren. Hier müssen fremde Elemente eingedrungen sein. In c. 4 weissagt Joel, Jahve werde alle Heiden im Tale Josaphat zusammenbringen und dort richten (V. 2. 12). Dies Tal, das im Folgenden (V. 14) auch den Namen Tal der Entscheidung1 führt, ist uns unbekannt. Da die Etymologie durchsichtig ist, so glaubt man, Joel habe den Namen geschaffen. Aber mag auch der Ausdruck Tal der Entscheidung von ihm herstammen, daß er ein solches nomen proprium ganz aus sich gebildet habe, ist wenig wahrscheinlich, zumal auch die übrigen Züge dieser Weissagung nicht individuell, sondern typisch sind. Ob das V. 18 genannte Akaziental wirklich mit dem wâdî es-sant identisch sei (WELLHAUSEN), ist ebenso zweifelhaft, da es durchflossen wird von dem uns bereits bekannten mythischen Quell. Selbst der Zug findet

1. Vielleicht gehört auch das Tal der Offenbarung (Jes. 221. 5) hierher.

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