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Zweiter Teil.

Die Heilseschatologie.

A. Das goldene Zeitalter.

§ 18. Der neue Bund.

R. KRAETZSCHMAR: Die Bundesvorstellung im Alten Testament in ihrer geschichtlichen Entwicklung. 1896. H. USENER: Religionsgeschichtliche Untersuchungen. III. Sintflutsagen. Bonn 1899.

Wir können jetzt die Probe aufs Exempel machen. Wenn die eschatologische Katastrophe von Hause aus keine partikulare, sondern eine universale war, wenn es sich ursprünglich nicht um die Vernichtung Israels, sondern um die Zerstörung der ganzen Welt handelte, so werden wir a priori erwarten, daß der Beginn der neuen Zeit mit den Farben gemalt sei, mit denen der Anfang dieses Äons gezeichnet zu werden pflegte, d. h. mit den Farben des Paradieses. Wäre der Untergang Israels das Primäre gewesen, so müßte zunächst und vor allem die Wiederherstellung der Nation geschildert, die Heimkehr aus dem Exil und die Befreiung von der Fremdherrschaft verkündigt werden. Diese Züge lassen sich zwar an vielen Stellen aufzeigen, aber sie dominieren durchaus nicht und anderswo fehlen sie ganz. Statt dessen wird ein neues goldenes Zeitalter beschrieben, dessen Erwartung aus den damaligen Verhältnissen nicht psychologisch abgeleitet werden kann. Diese phantastischen Hoffnungen haben mit den realen Erlebnissen des israelitischen Volkes nicht das Mindeste zu tun. Sie stammen aus einer ganz anderen Sphäre und sind in geschichtlichen Erfahrungen nicht begründet noch können sie aus ihnen erklärt werden.

Wir sahen (vgl. o. S. 164), wie nach dem Priesterkodex am Beginn jeder Epoche ein neuer Bund steht, den Jahve mit Forschungen zur Rel. u. Lit. d. A. u. NT. 6.

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Man

dem jeweiligen Anfänger der Periode, mit Noah, Abraham und Mose, schließt. Nur bei Adam fehlt ein solcher Bund. hat ihn damals ergänzt, als man den Priesterkodex » Vierbundesbuch<< nannte. Da man aber keinen hinreichenden Beweis für diese Ergänzung zu führen vermocht hat, so ließ man jene Bezeichnung fallen. Dennoch beruhte sie auf einem richtigen Gefühl. Die Symmetrie allein schon fordert für das erste Zeitalter dieselbe Inauguration wie für das zweite, dritte und vierte. Wir müssen darum zunächst vermuten, daß die Überlieferung des Priesterkodex in ihrer ursprünglichen Gestalt einen Bundesschluß auch am Anfang der Welt kannte. Wenn die jetzige Tradition nichts mehr davon weiß, so ist eine Verdunkelung eingetreten.

Diese Vermutung wird zur Gewißheit erhoben durch die Eschatologie. Hos. 220 heißt es: Und ich werde einen Bund schließen für sie an jenem Tage mit den Tieren des Feldes, den Vögeln des Himmels und dem Gewürm des Landes; Bogen, Schwert und Waffe will ich zerbrechen und fortschaffen von der Erde und sie in Sicherheit wohnen lassen. Mit Recht sagt WELLHAUSEN: »Es wäre hier eine treffliche Gelegenheit für Jahve, einen Bund mit Israel zu schließen. Er schließt ihn aber mit den Tieren, zum Schutz des Landes vor Wildschaden, Vögel- und Insektenfraß«. WELLHAUSEN begnügt sich damit, diesen sonderbaren Gedanken zu konstatieren, ohne ihn zu erklären. Denn selbstverständlich ist er durchaus nicht, auch wenn er das wirklich besagte, was WELLHAUSEN aus ihm herausliest1. Es handelt sich für den Propheten doch zunächst um die Vernichtung Israels durch die Assyrer und Ägypter, mochten außerdem auch allerlei Landplagen hereinbrechen. Genügte es da nicht, wenn Hosea die Wiederherstellung des Volkes verkündete? War es nicht schon eine überreiche Gnade, falls Palästina nach der furchtbaren Verheerung von neuem mit Erntesegen bedacht ward? Wer wird auf die Idee verfallen, wilde Tiere, Vögel und Insekten möchten kommen und die Felder wiederum veröden?

Noch seltsamer wird die Stelle, wenn man mit den Exegeten übersetzt: Bogen, Schwert und Streit . . . schaffe ich fort aus

1. Die richtige Erklärung s. u. S. 200.

dem Lande. »Darum schafft er auch Frieden«, sagt WELLHAUSEN, »nicht für alle Welt, sondern für das Land der Israeliten, damit sie geruhig wohnen.<< Das wäre doch eine gar zu sonderbare Utopie, auf die Sicherheit Israels zu hoffen, wenn alle Waffen aus Palästina verschwunden sein werden. Viel richtiger und zweckdienlicher wäre es, die Rüstungen der Feinde zu vernichten, und man begreift nicht, warum der Prophet nicht dies Wunder erwartet haben sollte, da ja auch die Entwaffnung Israels auf die Tat Jahves zurückgeführt werden muß. Wenn man meiner Übersetzung von der Erde folgt, so ist zwar der gröbste Anstoß beseitigt, aber auffällig bleibt der Satz darum doch. Dem Gläubigen konnte das Wort Jahves genügen, er werde fortan das Land vor allen Feinden beschützen. Wozu bedurfte es da der phantastischen Hoffnung auf eine Abrüstung aller Völker? Dieser Gedanke ist, obwohl er hier vorliegt, psychologisch nicht begreiflich.

Ebenso merkwürdig ist der Ausdruck, Jahve werde jenes Tages einen Bund schließen mit den wilden Tieren. GUNKEL (Genesis S. 108 f.) hat dies mit Recht eine altertümliche Vorstellung genannt. Sie scheint nicht auf der Höhe der prophetischen Anschauung zu stehen. Denn da, wo die Idee des Bundes lebendig ist, handelt es sich um einen Vertrag, eine gegenseitige Verpflichtung, mögen die Parteien auf gleichem Fuße mit einander verkehren oder nicht. Ein Bund wird ursprünglich nur zwischen Menschen geschlossen. Später wird das Verhältnis der Gottheit zu den Menschen in dem Sinne des Bundes aufgefaßt. Hier aber scheinen die Tiere als bündnisfähig mit Gott dargestellt zu werden. Wie ist das möglich? Nach gewöhnlicher Anschauung freilich ist der Ausdruck nur bildlich gemeint und etwa gleichbedeutend mit »ein Gesetz auferlegen«. Das ist deswegen sehr unwahrscheinlich, weil der Inhalt des Befehles nicht angegeben wird und aus dem Zusammenhange nicht erraten werden kann. WELLHAUSENS oben mitgeteilte Exegese kann keinen Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben. Das Wort Hoseas ist so abrupt, daß es für uns völlig unverständlich bliebe, wenn wir es nicht aus anderen Stellen erklären könnten. Der Prophet spielt hier an eine zu seiner Zeit geläufige Theorie an, die uns aus späteren Quellen deutlicher wird.

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Jes. 116ff. heißt es: Und gasten wird der Wolf beim Lamm,

und der Pardel beim Böckchen lagern, und Kalb und Löwe essen1 zusammen, ein kleiner Knabe ist ihr Hirte. Kuh und Bärin weiden zusammen und der Löwe frißt Häcksel wie das Rind (vgl. Jes. 6525). Der Säugling spielt an dem Loch der Natter, und nach der Höhles des Basilisken streckt ein Entwöhnter seine Hand aus. Beachtenswert ist zunächst der Zusammenhang, in dem die Verse stehen. Unmittelbar vorher ist von dem Reis aus der Wurzel Isais die Rede. Damit beginnt dies heilseschatologische Kapitel. Diesen seltsamen Anfang kann die Psychologie auf keine Weise verständlich machen, mag man das Stück dem Jesaja zuerkennen oder absprechen. Versetzt man sich in den Geist Jesajas, der Israel den Untergang durch Assurs Heer verkündete, dann mußte er, so sollte man denken, von der neuen Ära zuerst und vor allem etwas ganz Anderes erwarten! Was nützte der weiseste und gerechteste König, wenn nicht zuvor eine Nation da war, die er regieren konnte? Und welchen Wert hatte das beschauliche Stillleben der Tiere, solange die Welt voller Kriegsgetümmel und solange nicht das Volk aus Feindesnot befreit war? Hinterher freilich (V. 11 ff.) wird von dem Loskauf des Restes und von der Sammlung der versprengten Israeliten geredet. Aber diese Dinge hätten als die Hauptsache, ja als die Voraussetzung notwendig vorangehen müssen. Ihre Nachstellung bleibt psychologisch ebenso unverständlich, wenn das Stück für exilisch oder nachexilisch gehalten wird.

Betrachten wir die Verse 6-8 für sich, so sind sie überhaupt nicht aus besonderen Zeitumständen geboren. Der Gedanke des Tierfriedens ist ein integrierender Bestandteil derjenigen Geschichten, die vom Eintreten einer neuen Weltepoche handeln. Vor allem hat die Poesie den Beginn dieser Welt, das goldene Zeitalter, als einen Zustand ungestörten Glückes vorgestellt. Auch die israelitische Urgeschichte hat in dem nüchternen Speisegebot des Priesterkodex eine Erinnerung an den Urfrieden bewahrt, wenngleich in der Paradieserzählung selbst dieser Zug nicht erhalten ist. So haben die Dichter

1. Lies DUнм.
3. Lies

ירבצו ילדיהן Streiche .2

nach einer schriftlichen Mitteilung GUNKELS. 4. Vgl. GUNKEL: Genesis zu 129f.

vieler Völker von der seligen Urzeit gesungen1. Wo nun die Morgenröte einer neuen, besseren Zukunft anbricht, da gehört es zum Stil, sie mit den Farben der Urzeit zu malen. Römische Dichter haben auf diese Weise den Regierungsantritt des Augustus verherrlicht. Der Glaube an ein künftiges goldenes Zeitalter läßt sich in der klassischen Literatur zum ersten Male - das ist nicht unwichtig für die Frage nach dem Ursprungslande dieses Stils bei Vergilius nachweisen3, der durch die Geburt eines Knaben einen » Wendepunkt der Geschicke Roms und der Welt erwartet. Aber längst vorher waren in Babylonien, wofür wir an passenden Stellen frappante Parallelen anführen werden, irdische Könige »als Bringer der Erlösung und Bahnbrecher einer neuen Zeit« gefeiert. Immerhin ist zwischen diesen Dichtungen und dem Jesajazitat ein Unterschied vorhanden, der nicht verwischt werden darf. Während es sich dort um bestimmte historische Situationen handelt, ist die Schilderung des Propheten eigentümlich unbestimmt. Er hat einen eschatologischen Moment im Auge, der sich allerdings in absehbarer Zeit verwirklichen wird, der aber doch nicht genau fixiert ist. Wenn nur V. 1-8 echt sein sollten, wie viele Exegeten annehmen, so ist diese Zukunftshoffnung rein mythisch, ohne jede Rücksicht auf konkrete und reale Verhältnisse Israels. Aus diesem Grunde müßte selbst für den Fall, daß sich nachweisen läßt, es sei in Israel Stil gewesen, neue Epochen, etwa den Regierungsantritt eines Königs, mit den Farben des goldenen Zeitalters zu malen - neben diesem Stil und unabhängig von ihm wenigstens in Bruchstücken die Erwartung eines eschatologischen Paradieses hergegangen sein. Ja, man darf vielleicht sagen, aus ihr erklärt sich erst die Entstehung jenes Stiles. Weil man eine zukünftige goldene Zeit erhoffte, darum eben konnte die höfische Schmeichelei den Regierungsantritt eines Königs als ihren Anbruch schildern. Doch ist diese Annahme nicht unbedingt notwendig, da sich der Hofstil auch auf urzeitliche Mythen beziehen kann. Aus der einfachen Sehnsucht, mit Hülfe des neuen Herrschers zu besseren Zu

1. DILLMANN: Genesis S. 47 bringt eine Menge Material.
2. Horat. Carm. I 230f. Vgl. Epod. 1651f. 3. Verg. ecl. 421f. 560.
4. USENER a. a. O. S. 206.

5. ZIMMERN KAT S. 380 ff.

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