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Neben der Umwandlung der Menschen und Tiere, die bereits im vorigen Paragraphen besprochen ist, geht eine völlige Veränderung der Natur in der neuen Zeit vor sich. Hier lassen sich zwei Schemata unterscheiden, deren Inhalt in mannigfacher Weise variiert.

Das erste lautet: Palästina wird durch die Katastrophe zu einer Wüste gemacht. In der Heilszeit wird das verwüstete Palästina wieder fruchtbar werden. Beide Glieder dieses Schemas korrespondieren mit einander, obwohl sie meist nicht mit einander verbunden, sondern von einander getrennt sind. Die Verödung des Landes, dessen grausige Einsamkeit oft in typischer Art durch das Überhandnehmen wilder Tiere geschildert wird (vgl. o. S. 90 f.), ist ein so beliebtes Thema der prophetischen Rede, daß nicht näher darauf eingegangen zu werden braucht. Zwei Beispiele dürften zur Illustration genügen: Und geschehen wird es an jenem Tage, man hält eine kleine Kuh und zwei Schafe . . . . Jeder Ort, wo tausend Rebstöcke für tausend Silberlinge stehen, wird den Dornen und Disteln zu teil . . . Und alle Berge, die mit der Hacke behackt werden, nicht kommt man dahin aus Furcht vor Dornen und Disteln, und dienen wird es zur Austreibung des Stieres und zur Zertretung des Schafes (Jes. 721ff.). Das Charakteristikum der Wüste sind Dornen und Disteln. Das Land verödet, die Einwohner verarmen. Man begnügt sich mit einer kleinen Kuh und zwei Schafen. Die Speise des Nomaden ist die einzige Nahrung, Getreide und Weinbau, die Bestellung des Ackers hört auf. Zittert, ihr Sorglosen, bebt, ihr Vertrauensseligen, zieht euch nackt aus, umgürtet die Lenden, schlagt auf die Brüste1, über die Felder der Lust, den fruchttragenden Weinstock, über den Acker meines Volkes, der in Dornen und Disteln aufgeht, ja über alle wonnigen Häuser der lustigen Stadt. Denn der Palast ist verlassen, der Stadtlärm verödet, Hügel und Warte ist geworden zur Blöße2 auf immer, zur Wonne der Wildesel, zur Weide der Herden (Jes. 3211ff.). Die Weiber sollen die Totenklage anstimmen über die Trümmer Jerusalems und des Landes.

Diese Schilderungen sind verständlich aus dem Glauben

1. Vgl. die Kommentare.

2. Lies und vgl. Duнм.

der Propheten an die Vernichtung Israels durch die Invasion eines fremden Feindes. Als korrespondierendes Gegenstück sind die Gedichte zu betrachten, die die künftige Fruchtbarkeit Palästinas ausmalen: Und dann an jenem Tage will ich willfahren, spricht Jahve, will ich willfahren dem Himmel, und der wird der Erde willfahren, und die Erde wird dem Getreide, Most und Öl willfahren, und sie werden Jizreel (= Israel) willfahren (Hos. 223f.). Derselbe Gedanke wird Jes. 42 so wiedergegeben: Und an jenem Tage wird gereichen der Sproß Jahves zur Zierde und zur Ehre, und die Frucht des Landes zur Hoheit und zum Schmuck den Entronnenen Israels. Der Sprok Jahves (x), der hier in Parallele mit der Frucht des Landes steht, muß mithin dasselbe besagen. Diese Benennung des Getreides stammt wohl aus der kanaanäischen Religion und lautete, wie man vielleicht vermuten darf, ursprünglich by пx. Was die Erde sprossen läßt, gilt als eine Gabe des Baal.

An anderen Stellen nun sind mit der Schilderung der künftigen Fruchtbarkeit Palästinas eigenartige Züge verknüpft, die nicht ohne weiteres verständlich sind. Beachten wir zunächst, wie von den Prosaikern als Lohn der Gottesfurcht und Tugend eine Segenszeit verheißen wird: Wenn ihr diese Rechte gehorsam befolgt, . . . .... wird er deine Leibesfrucht und deine Feldfrucht, dein Getreide, deinen Most und dein Öl, den Wurf deiner Kinder und die Tracht deines Kleinviehs in dem Lande segnen (Dtn. 712 vgl. 283f.) oder: . . . . so will ich euch jedesmal zur rechten Zeit Regen senden, daß der Boden seinen Ertrag gebe, und die Bäume auf dem Felde ihre Früchte tragen; da soll sich bei euch die Dreschzeit bis zur Weinlese hinziehen und die Weinlese bis zur Saatzeit, daß ihr Brot in Fülle zu essen habt (Lev. 264f.). Alle diese Verheißungen setzen keine Wunder voraus, sondern halten sich innerhalb der Schranken des Möglichen, genauer des Bestmöglichen, ebenso wie die beiden obigen Beispiele aus den eschatologischen Weissagungen. Anders lautet Am. 913: Denn, siehe, Tage kommen, sagt Jahve, da reiht sich der Pflüger an den Schnitter und der Traubenkelterer an den Säemann, da werden die Berge von Most triefen und alle Hügel fließen. Und Jo. 418: An jenem Tage werden die Berge von Most triefen und die Hügel von Milch fließen. Aus den Zusammenhängen, in denen diese Verse stehen, erhellt,

Forschungen zur Rel. a. Lit. d. A. u. NT. 6.

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daß die künftige Fruchtbarkeit auf Palästina beschränkt bleiben soll. Man könnte nun das Triefen der Berge von Most und das Überfließen der Berge von Milch für einen prophetisch-überschwänglichen Ausdruck erklären, der nur das ungeheure Gedeihen anschaulich illustrieren soll. Die Schriftsteller, die uns diese Worte überliefert haben, werden sie sicher in diesem Sinne aufgefaßt haben, aber damit ist die Entstehung dieser Bilder noch nicht deutlich. Das Bild der von Most triefenden Berge kann schwerlich begriffen werden aus der orientalischen Phantasie, als ob sie angeregt wäre durch die auf den Bergen wachsenden Rebstöcke, da die Phantasie in ganz anderer Weise arbeitet. Das zeigen die milchtriefenden Hügel, die aus einer Naturanschauung schlechterdings nicht erklärt werden können.

Die Bilder verlieren alles Auffällige, wenn es Mythen oder mythische Vorstellungen gab, wonach die Gottheit oder eine Gottheit Milch aus den Bergen oder aus der Erde überhaupt hervorzuzaubern vermochte. Aus dem Alten Testamente kennen wir nur eine Anspielung auf solche Geschichten. Dtn. 3213 heißt es: Er (Jahve) ließ ihn (Israel) dahinfahren auf den Höhen der Erde und ließ ihn genießen1 die Früchte des Feldes. Er ließ ihn Honig saugen aus dem Felsen und Öl aus Kieselgestein. Man hat hier daran erinnert, daß es in den felsigen Schlupfwinkeln z. B. der Wüste Juda noch heute viel Honig gibt, daß die Ölbäume auf den Bergen Palästinas wild wachsen und daß das Öl in Keltern getreten wurde, die meist in den Felsen gehauen waren. Aber damit ist diese Stelle nicht erklärt. Welche Anknüpfungspunkte in der Natur finden sich denn für die milchtriefenden Berge? Aus Felsen und Kieselgestein sprudelt uns sterblichen Menschen das Wasser der Quelle, und nur im Märchen oder Mythus fließt statt dessen Honig und Öl, von der gütigen Fee oder der Gottheit hervorgezaubert. Beachtenswert ist die Art der Eingangsworte: Hier sind die Dinge, die sonst von der Gottheit ausgesagt werden, auf Israel übertragen. Einem Gotte gleich schreitet Israel dahin über die Höhen der Erde (vgl. Am. 413. Mch. 13)! Vielleicht liefen in Israel oder noch früher in Kanaan ähnliche Geschichten um, wie wir sie aus Griechenland hören: »Die

1. Lies mit LXX.

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Gegenwart des Dionysos auf Erden äußert sich neben anderen Wundern dadurch, daß von selbst Milch und Honig fließt, um die Durstenden zu laben. Von Milch fließt der Boden und vom Nektar der Bienen: so dünkt es den Bakchantinnen, wenn sie die Gegenwart des Gottes fühlen Schon bei der Geburt des Dionysos hebt Philostratos es hervor, daß die Erde selbst sich an seinem Schwärmen beteiligen werde, indem sie ihm gewähre, Wein aus Wasserquellen zu schöpfen und Milch wie aus Brüsten bald aus einer Ackerscholle, bald aus einem Felsen zu ziehen Aus dem sprödesten Stoff vermag der Gott das süße Naß hervorzuzaubern« (USENER S. 177). Vorstellungen, die mit diesen griechischen Mythen zwar nicht identisch, wohl aber ihnen verwandt sind, müssen auch da geherrscht haben, wo man glaubte, die Berge würden von Milch triefen. Die Form, in die Amos und Joel ihren Gedanken kleiden, ist längst vor ihnen geprägt, und ein Streit um die Priorität des einen vor dem anderen ist hier überflüssig1. Beide haben ihre Züge einem bereits vorhandenen Stil entlehnt. Dieser Stil besteht darin, den Anbruch einer neuen Zeit mit den Farben des Götterlandes zu schildern.

Milch und Most, oder wie es gewöhnlich heißt, Milch und Honig sind Göttergaben und gehören zu den Dingen des Götterlandes. Das geht erstens aus den Pseudepigraphen hervor: Denn die allesgebärende Erde wird den Sterblichen geben die beste unermeßliche Frucht von Korn, Wein und Öl; aber vom Himmel herab lieblichen Trank süßen Honigs, ... und die Erde wird hervorbrechen lassen süße Quellen weißer Milch (Sib. III 744ff.). Der Honig, der aus dem Himmel stammt, ist die Speise der Götter (USENER). Aber die heilige Erde der Frommen allein wird alles dies hervorbringen, als Naß Honig träufelnd vom Felsen und von der Quelle, und ambrosische Milch wird fließen allen Gerechten (Sib. V 281ff.). Darum findet man dies köstliche Naß auch im Paradiese: Und es gehen hervor zwei Quellen, welche fließen lassen Honig und Milch, und ihre Quellen lassen fließen Öl und Wein, und sie teilen sich in vier Teile und umgehen mit stillem Lauf, und sie gehen herab in das Paradies Edems, zwischen Verweslichkeit und Unverweslichkeit (II. Hen. 85f.).

1. Übrigens ist Amos 913 nach Jo. 418 zu korrigieren.

Zweitens hat USENER durch viele klassische Belege gezeigt, »daß zu den Vorstellungen, womit das Götterland und, was damit wesensgleich ist, der Aufenthalt der Seligen, das Paradies oder der Ort des goldenen Zeitalters, ausgestattet wurde, seit alters auch gehörte, daß es ein Land sei, wo Milch und Honig fließt. Darum kündigt sich durch dies Wunder der Gott an, der durch seine Gegenwart den Himmel auf Erden zaubert, Dionysos << (S. 192). Durch die schon dem Jahvisten geläufige Bezeichnung Palästinas als des Landes, wo Milch und Honig fließt (Ex. 38. 17. 135. 333. Lev. 2024. Jer. 115. 3222. Ez. 206. 15 u. a.), wird diese Vorstellung als altisraelitisch erwiesen1.

Die Sehnsucht des Menschen denkt sich begreiflicher Weise den Himmel als einen märchenhaft schönen Ort, wo es unter anderem auch wunderbare Speisen wie Ambrosia und Nektar und herrliche Nahrung gibt. Je nach dem Klima, in dem der Antike lebt, wird er das Götterland mit den verschiedenen Genüssen ausstatten, die er kennt. Nun wird man Milch und Honig als Speisen wohl fast überall geschätzt haben, sodaß es von hieraus schwer ist zu entscheiden, ob diese Ausmalung des Paradieses ursprünglich israelitisch ist oder nicht. Die altisraelitischen Paradieserzählungen wissen nichts von

1. Es ist wichtig zu betonen, daß diese Phrase in den Urmythen und Patriarchensagen fehlt. >>Sie taucht mit der Ausführung aus Ägypten auf und steht in den Pentateuchquellen wie in den zitierten Stellen der Bücher Jeremia und Ezechiel immer in Beziehung zu dieser Situation (STADE). Kanaan wird damit als das Götterland der Wüste gegenübergestellt. Diesen Sinn muß die Benennung ursprünglich einmal gehabt haben, er ist aber verloren gegangen. Das Land, wo Milch und Honig fließt, ist weiter nichts als ein technischer Ausdruck für das >>Land der Verheißung«. Nirgends, wo er uns im Alten Testamente begegnet, ist er mehr lebendig. Aber, so viel ist doch sicher, er muß es einmal gewesen sein. Fragen wir: Wo? so kann die Antwort lauten: in der mündlichen Überlieferung oder in verlorenen Liedern einer älteren Zeit. Eine Einwanderung der Phrase im 8. oder 7. Jahrhundert (STADE) ist unmöglich, da grade um diese Zeit der technische Sinn bereits nachweisbar ist. Man denkt nicht mehr dabei ans Götterland, man verwendet den Ausdruck nicht mehr bei den Paradieserzählungen, sondern er ist beschränkt auf Kanaan, das Land der Verheißung. So ist es begreiflich, daß man auch die eschatologischen Redewendungen von >>Milch und Honig« nicht versteht, sondern beinahe ins Gegenteil verdreht (s. o.).

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