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§ 31. Der sterbende Gott.

W. ROBERTSON SMITH: Die Religion der Semiten (deutsche Übersetzung von R. STÜBE). Freiburg 1899. H. HUBERT et M. Mauss: Essai sur la nature et la fonction du sacrifice (L'Année Sociologique 2. Jhrg.). Paris 1899. FRIEDRICH KAUFFMANN: Balder (Texte und Untersuchungen zur Altgermanischen Religionsgeschichte). Straßburg 1902.

Während ich für meine bisherigen Ausführungen über den Ebed Jahve Zustimmung beanspruche, mache ich für diesen Paragraphen ausdrücklich eine Ausnahme, weil er religionsgeschichtlichen Hypothesen gewidmet ist. Da die Gestalt des Ebed im Alten Testamente fast völlig analogielos ist und aus den Riten und dem Geist der israelitischen Religion allein nicht verstanden werden kann, so sind wir gezwungen, fremde Parallelen heranzuziehen. Aussicht auf Verständigung ist nur dann vorhanden, wenn zuvor eine Einigung über den Charakter des Jesaja c. 53 geschilderten Leidens und Sterbens erzielt ist.

So viel ist auf den ersten Blick klar: Dem Leiden und Sterben des Ebed wird ein stellvertretender Sühnecharakter zugesprochen. Seine eigene Unschuld wird ebenso stark betont wie der Gedanke, daß er für die Verschuldungen anderer in den Tod geht. Aber er hat nicht nur ihre Sünden, sondern auch ihre Krankheiten und Schmerzen auf sich genommen und hat sie so dürfen wir ergänzen vollständig beseitigt. Im Hintergrunde steht die Opferidee. Wir haben sachlich eine genaue Parallele an dem Bock des Asasel, der als Sühnopfer am großen Versöhnungstage dargebracht wurde: Aaron soll seine beiden Hände auf den Kopf des lebendigen Bockes aufstemmen und über ihm alle Verschuldungen der Israeliten bekennen und alle Übertretungen, die sie irgend be gangen haben, und soll sie auf den Kopf des Bockes legen und diesen durch einen bereit gehaltenen Mann in die Wüste senden. So soll der Bock alle ihre Verschuldungen auf sich hinwegtragen in eine abgelegene Gegend, und man soll den Bock (erst) in der Wüste loslassen (Lev. 1621f.). Der Bock wird also beladen mit

Aber auf weitere Einzelheiten Gewicht zu legen, ist verkehrt, als ob hier in c. 53 die Heiden sprächen und Israel eine stellvertretende Sühne für die Heiden zugeschrieben würde! Dieser Gedanke ist nirgends nachweisbar.

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den Sünden der Gemeinde und stellvertretend für sie geopfert. Denn das Austreiben des Bockes ist nur eine spezifische Form des Opfers (HUBERT-MAUSS S. 75). Die sühnende Bedeutung, die dem Tode des Ebed beigelegt wird, entspricht völlig dem Sühnecharakter, der hier dem Bock des Asasel zukommt. Im Übrigen wird die Opferidee 5310 zum klaren Ausdruck gebracht: Wenn seine Seele (d. h. er selbst) das Schuldopfer wird vollzogen haben1, wird er Samen sehen. Das Leiden und Sterben des Ebed ist ein mit Ersatz verbundenes Sühnopfer (Dws).

Obwohl er so als menschlicher Sündenbock geschildert wird, unterscheidet er sich doch in charakteristischer Weise von einem gewöhnlichen Opfer dadurch, daß er nicht von Anderen dargebracht wird, sondern daß er sich selbst darbringt (5310). Diejenigen, die das Opfer gesehen haben und denen es gilt, wissen gar nicht, daß es sich um ein Opfer handelt. Sie halten den Ebed für einen Gottgezeichneten, behandeln ihn wie einen Aussätzigen und begraben ihn wie einen Verbrecher. Erst hinterher erkennen sie seine Unschuld und begreifen seine Tat als eine freiwillige Opferweihe. Der Tod des Ebed ist also genauer ein mysteriöses Opfer, das nur von den Eingeweihten verstanden wird, von allen anderen aber mißverstanden werden muß.

Um Jesaja c. 53 zu erklären, gingen wir von der Behauptung aus, es sei ein Kultlied gewesen oder nach Art eines Kultliedes gedichtet worden. Solche Kultlieder schließen gewöhnlich an einen Ritus an, um ihn zu deuten. Denn Kulthandlung und Kultlied gehören aufs engste zusammen3. Jene wird von diesem begleitet und durch es erläutert. Häufig werden Riten erklärt durch eine Geschichte. In unserem Falle würde die Frage lauten, die an die uns unbekannte Kulthandlung anknüpft: Warum feiern wir heute den Tod des Gottes v uvoτngių? Darauf antwortet das Lied, indem es von dem einmal stattgefundenen Opfer des Gottes erzählt, der

1. Wahrscheinlich ist mit GIESEBRECHT Ng zu lesen.

2. Vgl. z. B. Num. 1035f. Im Übrigen verweise ich auf GUNKELS im Herbst erscheinende: Israelitisch-jüdische Literaturgeschichte des Altertums (in der: Kultur der Gegenwart).

sich selbst in geheimnisvoller Weise als Sündenbock darbrachte, ohne daß es von den Menschen erkannt wurde.

Nehmen wir zu dem Tode des Ebed noch die Idee der Auferstehung hinzu und beachten wir, daß wir von dem Leben des Ebed so gut wie nichts erfahren, so muß die dem Ebed ursprünglich zu Grunde liegende mythische Gestalt eine solche gewesen sein, für die Sühnetod und Auferstehung charakteristisch sind1. Wir können nun zwar diese Gestalt nicht bestimmt mit Namen nennen, wohl aber können wir den Kreis genau angeben, in den sie hineingehört: sie gehört in den Kreis der Adonis- oder Tamûzgestalten. Aus den babylonischen Keilinschriften haben wir bisher nur die Grundzüge des Tamûzmythus kennen gelernt. In der Anrede des Gilgameš an Ištar heißt es: Tamûz, dem Buhlen deiner Jugend, Jahr für Jahr bestimmtest du ihm Weinen. »Solche Klagen auf den in die Unterwelt hinabsinkenden Tamûz, die auch schon den für den Adonis-Kultus so charakteristischen Vergleich des Tamûz mit einer rasch hinwelkenden Pflanze in verschiedenen Variationen enthalten, sind uns in mehreren an Tamûz gerichteten Hymnen erhalten<3. Adonis starb, wie wir aus phönikisch-griechischen Quellen erfahren, in der Blüte der Jahre und ward als Verstorbener beklagt, bald darauf aber als ein aus dem Tode wiederkehrender Gott bejubelt. Die Phryger feierten den von der Großen Mutter geliebten Attis mit jährlichen Trauerfesten und stellten dabei sein Leichenbegängnis dar. Kurze Zeit nach der Bestattung aber versicherten sie, Attis sei auferstanden. Die Athener beweinten erst den von Apollon getöteten Hyakinthos als Verstorbenen, feierten ihn dann aber als den Auferstandenen und Verklärten. Der schöne Balder wird von den Asen geopfert, um den Tod zu überwinden und mit erhöhter Majestät zurückzukehrena. Bei Attis wissen wir außerdem von Mysterien5.

1. So im Wesentlichen auch GUNKEL: Forschungen I S. 78.

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5. Vgl. HUGO HEPDING: Attis. Seine Mythen und sein Kult. (Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten von DIETERICH und WÜNSCH Bd. I). Gießen 1903.

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Man dürfte es freilich nicht wagen, den Ebed Jahve oder sein Vorbild in diesen Kreis der sterbenden und auferstehenden Götter hineinzustellen, wenn die früher herrschende Anschauung im Recht wäre, daß diese Götter Personifikationen der absterbenden und neu erstehenden Vegetation oder der Jahreszeiten seien 1. Denn dann bliebe der Sühne- und Opfercharakter des Ebed völlig unerklärt. Neuerdings aber haben HUBERT und MAUSS eine neue, wie mir scheint, beachtenswerte Theorie vom Opfer aufgestellt, wonach das Opfertier durch die Opferweihe seine Natur gleich dem Phönix verändert und zu gottheitlicher Kraft gesteigert wird. Von dieser Theorie

1. A. JEREMIAS hat in seinem Buche: Babylonisches im Neuen Testamente (Leipzig 1905) den »Kalendermythus vom sterbenden und siegreichen Jahrgott« verfolgt. Ich vermag eine Bereicherung der Wissenschaft in diesen Studien nicht zu erblicken, vor allem deshalb, weil Tatsachen und Hypothesen nicht scharf von einander geschieden, sondern wild durcheinander gewirbelt werden. Ich vermisse eine klare Darstellung dessen, was wir heute sicher über den babylonischen Weltjahrmythus wissen. Die Assyriologen würden sich ein wirkliches Verdienst erwerben, wenn sie sich zunächst einmal ganz und gar auf die babylonischen Mythen und Spekulationen beschränkten. Ich habe dies Urteil ausführlicher begründet in meinem Artikel: Die Mythenforschung im Alten Testament (Schleswig-Holsteinisches Kirchenblatt. 1904. Nr. 35 f.).

2. »>Elle (la victime) changeait de nature, comme Démophon, comme Achille, comme le fils du roi de Byblos, quand Déméter, Thétis et Isis consumaient dans le feu leur humanité. Sa mort était celle du phénix: elle renaissait sacrée« S. 71.

3. »Le sacrifice détermine, par lui-même, une exaltation des victimes qui les divinise directement. Nombreuses sont les légendes où se trouvent racontées de ces apothéoses. Hercule n'était admis dans l'Olympe qu'après son suicide sur l'Oeta. Attis et Eshmoun furent animés après leur mort d'une vie divine. La constellation de la Vierge n'est autre qu'Erigone, une déesse agraire qui s'était pendue. Au Mexique, un mythe rapportait que le soleil et la lune avaient été créés par un sacrifice; la déesse Toci, la mère des dieux, était également présentée comme une femme qu'un sacrifice aurait divinisée. Dans le même pays, lors de la fête du dieu Totec, où l'on tuait et dépouillait des captifs, un prêtre revêtait la peau de l'un d'eux; il devenait alors l'image du dieu, portait ses ornements et son costume, s'asseyait sur un trône et recevait à la place du dieu les images des premiers fruits. .... Dans ces légendes subsiste la conscience obscure

ausgehend hat dann KAUFFMANN den Tod Balders analysiert und ihn als Opfertod bezeichnet, dessen Weihe nicht bloß dem Geopferten zu gute kommt und ihm eine Rückkehr aus der Unterwelt mit erhöhter Majestät verschafft, sondern dessen Weihe auch den opfernden Asen dient und die Frevel der Göttergemeinde sühnt.

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Eine solche Adonisgestalt scheint ferner, worauf GUNKEL1 aufmerksam gemacht hat, Zach. 129ff. vorausgesetzt zu sein: An jenem Tage werde ich trachten, alle die Völker zu vernichten, die gegen Jerusalem gekommen sind. Und über das Haus Davids und die Bewohner Jerusalems gieße ich einen Geist des Erbarmens und des Mitleids aus und sie blicken hin auf2. den sie durchbohrt haben, und klagen um ihn, wie man um den Einzigen klagt, und sind bitterlich betrübt wie über den Verlust des Erstgebornen. An jenem Tage wird die Klage in Jerusalem groß sein wie die Klage um Hadad-Rimmon im Tal von Megiddo.

Die Exegeten denken meist an eine historische Schuld, die die Jerusalemer auf sich geladen haben sollen. Aber daß es sich um eine eschatologische Situation handelt, geht nicht nur aus dem Futurum und aus der einleitenden Formel: an jenem Tage, sondern auch aus der Erwähnung aller Völker hervor, die in Wirklichkeit niemals gegen Jerusalem gezogen sind. Überdies ist weder im vorhergehenden noch im folgenden irgend eine historische Anspielung enthalten, die die Annahme solcher konkreten Züge rechtfertigte. Endlich ist die Klage des ganzen Volkes nur verständlich, wenn sie nicht über irgend einen beliebigen Märtyrer, sondern über eine mythische Persönlichkeit ergeht. Denn sie wird verglichen mit der Klage über HadadRimmon im Tal von Megiddo d. h. mit einer Kultklage. So viel darf jetzt wohl als sicher gelten, daß Hadad-Rimmon Doppelname eines Gottes ist, während ein Ort desselben Namens (wie man früher vermutete) unbekannt ist. Von einer Klage um diesen Gott wissen wir freilich nichts. Da aber Hadad ein zu Byblos verehrter Gott »und andererseits Byblos die Stätte der Klagefeiern für den von den Griechen Adonis genannten de la vertu du sacrifice. La trace en persiste également dans les rites< S. 118. 2. Auf mich ist unmöglich.

1. Forschungen I S. 78 Anm. 5.

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