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Menschensohn, der die Gerechtigkeit hat und bei dem die Gerechtigkeit wohnt, und der alle Schätze des Verborgenen offenbart, weil der Herr der Geister ihn auserwählt hat, und dessen Los vor dem Herrn der Geister den Sieg davongetragen hat durch Gerechtigkeit in Ewigkeit (463). Um seiner Gerechtigkeit willen ist er auserwählt und verborgen worden vor ihm, ehe die Welt geschaffen wurde und bis in Ewigkeit (486). Seine Herrlichkeit währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und seine Macht von Geschlecht zu Geschlecht. Und in ihm wohnt der Geist der Weisheit und der Geist, der Einsicht verleiht, der Geist der Lehre und der Kraft (492f.). Er wird für die Gerechten ein Stab sein, daß sie sich auf ihn stützen und nicht fallen (484). Weil er gerecht ist, darum eignet er sich vor allem zum Weltrichter.

Seit Ewigkeit präexistent, ist der Mensch von Anfang an verborgen (627) und beherrscht alles Verborgene (626). Wo haben wir uns das Verborgene zu denken? Der Engel, der den Henoch führt, zeigt ihm, was im Verborgenen ist: das Erste und das Letzte, im Himmel hoch oben und unter der Erde in der Tiefe, an den Enden des Himmels und an den Grundfesten des Himmels (6011). Da der Apokalyptiker den Menschen beim Herrn der Geister sieht, so kommt die Gegend unter der Erde nicht in Betracht. Nur der Himmel kann der Ort sein, wo der Mensch verborgen wird. Genauer ist es vielleicht da, wo die Wohnungen der Heiligen und die Ruheplätze der Gerechten sind (395f.), wo die Erzväter und die Auserwählten von uralten Zeiten her weilen, wohin auch Henoch entrückt wird (701. 4), wo die Quelle der Gerechtigkeit, umgeben von vielen Quellen der Weisheit (481f.) und wo der Garten des Lebens (6112) liegt. Dort ist der Mensch vor dem Herrn der Geister verborgen, um erst am Ende der Tage offenbar zu werden. Nur einigen Auserwählten ist er bereits bekannt (487. 627). Frommen Männern wie Henoch war es schon in diesem Leben vergönnt, auf ihren Himmelsreisen ihn zu schauen, die Patriarchen und heiligen Urväter sind gleich nach ihrem Tode zu ihm entrückt (70), aber in die Erscheinung tritt er erst nach dem Verlauf dieses Äons, um die Gerechten zu belohnen und die Gottlosen zu strafen und dann an der Stelle des Herrn der Geister die Weltherrschaft zu übernehmen.

Nicht verständlich ist 493, wo von dem Menschen gesagt wird: In ihm wohnt der Geist der Weisheit, und der Geist, der Einsicht verleiht, der Geist der Lehre und der Kraft, und der Geist derer, die in Gerechtigkeit entschlafen sind. BEER (bei KAUTZSCH) fügt als Erklärung hinzu: »Der Messias verwirklicht die eschatologische Hoffnung der entschlafenen Frommen«. Aber von einer »Hoffnung«< ist im Text keine Rede. VOLZ (S. 17) meint: »Die natürlichste Erklärung ist wohl die, daß sich zu dem Geist der Weisheit und dem Geist der Einsicht und dem Geist der Lehre und der Kraft noch der Geist einer anderen Eigenschaft gesellt, die speziell für die entschlafenen Frommen Bedeutung hat; dies ist am allgemeinsten der Geist der Daseinskraft, der Existenzfähigkeit; des Lebens, also hätte der Ausdruck den Sinn: im Messias wohnt der Geist, durch den er den entschlafenen Frommen Fortdauer nach dem Tod zu geben vermag«. Aber dann würde man nicht einen >>Geist der Toten«, sondern einen » Geist des Lebens« erwarten. Sicher ist, daß hier mit dem Zitat aus Jes. 112 eine fremde Tradition verschmolzen ist. Der Wortlaut besagt ebenfalls ganz klar1, daß in dem Messias der Geist der entschlafenen Frommen wohnt. Ihn gewissermaßen als Aufbewahrungsort der Gerechten zu denken, geht deshalb nicht, weil es in diesem Falle »Geister<«< heißen müßte. GUNKEL (mündlich) schlägt vor, die Worte als animistische Vorstellung aufzufassen. In ihm inkorporiert sich der Geist der Entschlafenen. Das kommt dem Text am

nächsten.

In dem wohl später angehängten Schlußkapitel (c. 71) der Bilderreden und im slavischen Henochbuche wird der Urvater Henoch, wie man vermutet hat, mit dem himmlischen Menschen identifiziert. Nach seiner Entrückung begrüßt ihn der Hochbetagte mit den Worten: Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren ist; und Gerechtigkeit wohnt über dir und die Gerechtigkeit des betagten Hauptes verläßt dich nicht . . . Er ruft dir Heil zu im Namen der künftigen Welt, denn von dort aus ist das Heil ausgegangen seit Erschaffung der Welt, und so wird es auch dir zu teil werden immerdar und in alle

1. An eine Textkorruption ist nicht zu denken, da der Ausdruck oi μer' evoɛßeías zoμwμέvoi auch II Makk. 1245 begegnet. Darnach ist hier vielleicht zu verstehen: der Geist, der zum Martyrium befähigt?

Ewigkeit. Und alle werden auf deinem Wege wandeln, da die Gerechtigkeit dich nimmermehr verläßt; bei dir wird ihre Wohnung sein und bei dir ihr Los und von dir werden sie sich nie und in alle Ewigkeit nicht mehr trennen (7114ff.). Da dasselbe teilweise vom Menschensohn ausgesagt wird (vgl. 49 2. 39 6ff.) und da Henoch hier direkt mit dem überall sonst technischen Titel Mannessohn angeredet wird, so ist es nicht unmöglich, daß der Verfasser dieses Kapitels beide Gestalten mit einander identifizierte. Aber wahrscheinlicher ist eine andere Auffassung: Henoch erhält hier das höchste Ruhmes- und Ehrenprädikat, das der Apokalyptiker überhaupt zu vergeben hat. Diese Epitheta, die ursprünglich einer bestimmten Gestalt angehörten, haben sich später von ihr gelöst und können nun auf jede halbgöttliche Person übertragen werden. Da Henoch in alle Geheimnisse der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft eingeweiht ist, da er Himmel, Erde und Unterwelt kennen gelernt hat und nichts vor ihm verborgen ist, so ist es ganz begreiflich, daß man diesem Mysten und Welten wanderer die Prädikate des Menschensohnes beigelegt hat. Noch allgemeiner heißt es II Hen. 644f.: Und nun segne du deine Söhne und alles Volk, damit wir heute verherrlicht werden vor deinem Angesicht, weil du vor dem Angesicht des Herrn verherrlicht wirst in Ewigkeit, da dich der Herr auserwählt hat mehr denn alle Menschen auf Erden und hat dich gesetzt zu einem, der niederschreibt seine Geschöpfe, die sichtbaren und die unsichtbaren, und der wegnimmt die Sünden der Menschen und der hilft den Kindern seines Hauses. Hieraus kann man noch weniger auf eine Identifikation Henochs mit dem Menschensohne schließen.

Wir haben gesehen, um das Gesagte zusammenzufassen, wie in der Apokalyptik der Mensch die Rolle des eschatologischen Helden spielt. Er ist kein blasses Schemen, kein abstraktes Symbol, keine Personifikation Israels, sondern eine konkrete, lebendige Figur, ein Engel, um den sich eine reiche Tradition gruppiert hat. Von Ewigkeit her präexistent, vor aller Welt geschaffen, ist der Menschensohn um seiner Gerechtigkeit willen von Gott auserwählt worden, um zunächst vor ihm in der Verborgenheit des himmlischen Paradieses zu leben, um dann am Ende dieses Äons die Welt zu richten und zu erlösen, um endlich den neuen Äon zu bilden, zu ordnen und im

Namen Gottes zu regieren. Kurz gesagt: Der Menschensohn ist eine eschatologische Gestalt und bezeichnet den präexistenten Weltrichter und Weltherrscher.

Wir dürfen ihn eine Parallelfigur zum Messias nennen, sofern beide eschatologische Bedeutung haben. Aber keineswegs haben wir ein Recht, beide ohne weiteres zu identifizieren. Denn so nahe sie auch einander stehen, so sehr sind sie zu gleicher Zeit von einander unterschieden. Der Messias ist der künftige König aus Davids Haus, von Vater und Mutter geboren, deren Geschlechtsregister vorgelegt werden können. Der Menschensohn wird zwar an einigen Stellen Messias genannt, ist aber niemals als Davidide bezeichnet. Der Messias ist eine irdische, der Menschensohn eine himmlische Gestalt. Beide haben von Hause aus nichts mit einander zu tun, sondern haben einen ganz verschiedenen Ursprung. Eine innerisraelitische Entwicklung ist unmöglich. Denn aus dem

Davididen kann niemals ein Engel werden oder doch nur so, daß er mit einer fremden Gestalt verschmolzen wird, weil mythische Vorstellungen in historischer Zeit nicht genuin entstehen.

Der Menschensohn muß also aus der Fremde stammen, wie die ganze apokalyptische Eschatologie aus der Fremde gekommen ist. Denn anders als bei den Propheten wird das Unheil als eine einheitliche und universale Katastrophe (Weltbrand) geschildert, das Heil direkt als Wiederkehr des Paradieses bezeichnet. Zwischen beiden bildet die Auferstehung von den Toten das organisch verbindende Mittelglied. Diese drei Dinge, die bei den Propheten nur undeutlich und lückenhaft als letzte Trümmer eines großen Baues nachweisbar sind, erscheinen bei den Apokalyptikern als ein stattliches, festgefügtes Haus. Die Wiederherstellung des Ursprünglichen war nur möglich, wenn das mythische Urmuster von irgendwoher bezogen werden konnte. In diesen Zusammenhang paßt die himmlische Gestalt des Menschensohnes ausgezeichnet hinein.

Die Herübernahme aus der Fremde war nur möglich, wenn sie an Gegebenes und Vorhandenes anknüpfen konnte. Nun haben wir gesehen (vgl. o. S 285), daß die eschatologische Figur der Prophetie keineswegs einheitlich war. Sie enthält neben dem Messiasgedanken vom künftigen Davididen mythische

Elemente, die von der Geburt eines göttlichen Heilandes und von einem Gottkönige handeln. Wie wir damals annehmen mußten, daß eine ausländische göttliche Gestalt mit dem Davididen kombiniert und verschmolzen sei, so stehen wir hier genau vor derselben Tatsache abgesehen davon, daß die Vereinigung der Menschensohntradition mit der des Davididen in der Apokalyptik noch nicht erfolgt, sondern erst später eingetreten ist. Was liegt näher als die Vermutung, ein und dieselbe Gestalt sei zum ersten Male lange vor der prophetischen Zeit und zum zweiten Male kurz vor der christlichen Zeit nach Palästina gewandert, habe sich dort mit einheimischen Größen vermischt und sei allmählich umgewandelt worden (GUNKEL)?

Nachdem wir dies sachliche Resultat gefunden haben, kehren wir zum sprachlichen zurück. Es wurde von vorneherein betont, der Mensch als Messiasname könne nur als eine Abkürzung verstanden werden. Eine Auswahl unter den verschiedenen Möglichkeiten: Wolkenmensch, oberer Mensch, Himmelsmensch, Urmensch war a priori nicht zu geben. Wie wir jetzt gelernt haben, treffen alle diese Bezeichnungen auf die behandelte Gestalt zu; alle sind im letzten Grunde identisch und haben eschatologischen Sinn. Auf den Urmenschen weist allerdings in der Apokalyptik nichts Besonderes hin, abgesehen vielleicht von I Hen. 493, wonach sich der Geist der in Gerechtigkeit Entschlafenen im Menschen inkorporiert. Wenn diese Exegese richtig ist, würde man nur an den Urmenschen denken dürfen. Zwingender als dies Argument scheinen mir die allgemeinen Erwägungen, die bereits oben beim Messias (S. 289) angestellt sind: Zum Anfänger der neuen Welt, zum Herrscher des wiederkehrenden Paradieses eignet sich am besten die vergötterte Gestalt des ersten Menschen. Grade der erste Mensch, der zum ersten Toten geworden ist, übt, wie hier hinzugefügt werden mag, mitunter auch das Amt und die Funktionen des Totenrichters aus1. In der Apokalyptik haben wir das deutliche Bild eines Gerichtes und eines Richters, der auf seinem Throne sitzt, die geöffneten Gerichtsbücher vor sich oder die Wage in seiner Hand. Bald wird der Hochbetagte (Dan.

1. OLDENBERG: Rel. des Veda S. 541.

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