Endlich aber verbindet Wolfram mit liebe den Begriff der höchsten innigsten Herzensfreude, der befeligenden Wonne eines die ganze Seele erfüllenden Glücks; das ist die frou liebe, die er der frou minne beigesellt; es ist die jungfräuliche Liebe, die noch absieht von der genâde, die Liebe in ihrer ersten Reinheit und doch in feligster Begeisterung. P. 291, 17: frou minne ir habt ein êre. und wênc decheine mêre. frou liebe iu gît geselleschaft: anders wær vil dürkel iwer kraft. Alle die Verbrechen, deren der Dichter hier die Minne beschuldigt, sind der liebe fern, diese gewährt die reine unschuldige Herzensseligkeit, während minne den lip der gir verwent, dar umbe sich die sêle sent (P. 291, 29.). P. 272, 14: grôz liebe ist freu- | L. 6, 2: Swer pfliget odrie gepflac, de und jâmers zil. daz er bî liebe lac swer von der liebe ir mære treit ûf den seigære, oberz immer wolde wegn, ez enkan niht anderr schanze pflegn. W. 284, 14: Rennewart und Alyze: ir zweier liebe urhap volwuohs: die brâhtens an den tôt, und liten nach ein ander nôt. sodann aber heißt es sogleich weiter: 285, 16: ir minne an prise im gap bejac. P. 202, 30: Parc. u. Kundwira mur in den ersten zwei Nächten nach der Vermählung: si wâren mit einander sô daz si durch liebe waren vrô. : den merkeṛn unverborgen, er mac des tags erbeiten: ein offen süeze wirtes wip kan Wie die Wörter wip und frouwe in Rangstreit gerathen, so wird auch über den höhern Werth der minne oder liebe gestritten: Reinmar v. Zweter singt (Hag. M. S. III. 183.): Minne ist daz beste wort, minne ist ein übergulde, ob allen tugenden kamerhort. minne ist ein sloz der sinne, da mit man guotiu werk besliezen sol Sie ist lêremeister reiner site, si wont den kiuschen liuten unt der stæte gerne mite .. .... Ulrich von Lichtenstein in dem wunderlieblichen Tanzliede verwirft jedoch die ganze Unterscheidung : Lach. 429: In dem lüftesüezem meien sò der walt gekleidet stât, Swâ sich liep ze liebe zweiet, Swâ zwei liep ein ander meinent Statiu liebe heizet min ne. liebe, minne, ist al ein: Swå ein stætez herze vindet Möhte ich state liebe vinden, Eine lebensfrische thatkräftige Zeit, in welcher zugleich die erhabensten Ideen, welche je die Menschheit bewegten, nach Ausdruck und Gestaltung rangen, konnte sich mit einer reingeistigen, abstracten, sogenannten platonischen Liebe nicht begnügen, und so mischte sich die Minne, als die auf ein bestimmtes Wesen des andern Geschlechts und dessen Besitz gerichtete Herzersneigung, auch schon damals mit dem Begriff des Sinnlichen, doch deßhalb noch nicht an sich Unsittlichen und Verwerflichen ; und solange das Ritterthum sich in seiner idealen Höhe erhielt, und die Liebe ihren reinen Adel der Gesittung bewahrte, behielt auch dieses Wort seine edle Bedeutung. Noch in der Mitte des 13. Jahrhunderts hatte es diesen hohen Sinn. Aber je tiefer das Nitterthum in Rohheit versank, je hohlere Formen die Galanterie annahm, und den sinnlichen Genuß damit zu verhüllen kaum noch für nöthig fand, je mehr der Körper die Seele überwucherte; desto mehr sank auch jenes Wort von seiner reinen Höhe herab, bis endlich gegen Ende des 15. Jahrhunderts das Wort als unanständig aus der Sprache des guten Tones verbannt wurde, weil wie der Buchdrucker Othmar von Augsburg i. I. 1512 (f. Haupt zu Engelh. 977) sich ausdrückt daz wort mynn in etlichen sprachen nit mer rechte götliche eerbere vnd zymliche, sonder tierliche vichische vnzymliche mynn anzeigt. Wie Wolfram sie aber zu ihrem uranfänglichen Begriff in schöner Weise mit dem Wahrspruch reht minne ist wâriu triuwe" zurückführt, und zur alten Würde erhebt, werden wir unten finden. 7. Hôhgemuot. Jene Freude, welche die Minne verleiht, ist es, die die heitre Lebendigkeit und den rüstigen Mannesmuth weckt, stets froh bereit zur Ehre der Erkornen zu fechten, ihr hingebend zu dienen, und sich durch keine Mühsal niederschlagen zu lassen. Gemuotheit nennt Gottfried diese Stimmung: unfrô, Trist. 953: swigen und wesen | Tr. 1920: sîn herze und sîne sinne die enwâren niwan an minne und an gemuotheit geleit. er suohte gemuotheit in wunderlicher ahte etc. daz was sin beste leben dô; wand alliu sin gemuotheit was gar in sende not geleit. Dieser frohe hohe Muth ziert den Ritter, und macht ihn den Frauen so werth. Ein Kopfhänger, ein sinniger Denker ist ein träger Kämpfer und zum Minncdienst untauglich, und wer diesen Schwächen sich hingiebt, verstößt sogar gegen die zuht. W. 155, 5: Alyze ist so schön ge- P. 766, 9: guot wip man nie ge schmückt, des lihte ein freuden siecher man P. 287, 15: will Minne den Dich- zürnen sach ob wert man nach ir helfe sprach. sô gebent diu wîp den hôhen zal. Erfüllte die Frau aber so ganz die Seele des streitbaren Mannes, so durfte sie auch da nicht fehlen, wo es für ihn galt, seinen Heldenmuth und seine Ergebenheit zu bewähren, wie ihr Anblick ja seine Kraft stählte und erhob. Die Frauen galten für die fähigsten Richter des ritterlichen Verdienstes; sie theilten die Preise aus, sie verliehen die Kleinode, welche ihre Helden an Helm oder Schild als prangende Insignien trugen; sie waren der köstlichste Schmuck bei festlichen Aufzügen, nahmen Theil an den Jagden und den damit verbundnen Gelagen im Freien, sie waren von der Tafel der Männer nicht ausgeschlossen, und Unterhaltung, Tanz, Saitenspiel und allerlei Scherz mit ihnen krönten die Festfeiern und verlängerten sie bis tief in die Nacht hinein. Sie erfreuten sich an dem Lanzenspiel, womit die Nitter ihren Zug begleiteten und sie umschwärmten, oder selbst während der Tafel sie damit ergözten; **) und so Gefährten des Waffenhandwerks wußten sie auch *) P. 494, 25: Wâlirs unt Norgâls, Kanvoleis und Kingrivâls, daz ir mit sale wart gegebn. Ahd. sala, salunga, die feierliche Uebergabe des echten Eigenthums; ahd. saljan, mhd. mit sale geben, legaliter tradere, mit Zuziehung der salaman, Salmänner, welche die Uebergabe behaupten und bekräftigten. S. Grimm, R. A. S. 152. 196. 555. **) P. 687, 12: Zwölf Jungfrauen | von in diu kunst niht vermitn, deis der buhurt het êre. trugen den Baldachin des. Gramoflanz. P. 624, 16: si kêrten gein der bürge hin. dâ wart mit freuden geritn P. 669, 12: rîtr und frouwen hinden nâch riten an ein ander vaste. mit linder Hand Wunden und Quetschungen zu waschen und mit seltnen Salben zu heilen. Die Geschichte bestätigt die Angaben der Dichter, wie bei feierlichen Aufzügen, Zweikämpfen, Turnieren, bei Vermählungsfeiern und andern Hoftagen und Festen die Frauen stets Theilnehmer, mindestens Zuschauer waren, wodurch sie im öffentlichen Leben eine weit ausgezeichnetere Stellung erhielten, als ihr nächster Beruf und ihr persönliches Rechtsverhältniß ihnen einräumte. Mit Recht macht Rührmund (v. d. Hagen, Germania, B. IX, S. 23—25.) darauf aufmerksam, wie geschickt Wolfram zu derartigen Scenen sich ein weibliches Publikum zu schaffen weiß. Vergl. P. 17, 30-19, 16. 24, 2, 3-37, 10. 60, 27 flg. 69, 21. 73, 11. 151, 1-10. 387, 16. 541, 14-22. 544, 26. 597, 10. 598, 21. 610, 6. 623, 1. 655, 4. 661, 6. 778, 13. W. 89, 4-92, 18. 126, 7. 202, 19 - 208, 30. 215, 1-222, 3. 254, 21-259, 12. 226-230, 10. 234, 30-243, 17. 244, 1-268, 30; u. f. w. Ah, si ma dame me voyoit!" rief der Ritter mitten im größten Kampfgetümmel, und begei= sterte sich zum erneuten Angriff (Curne de St. Pal. v. Klüber, II, 406.). 8. Minnedienst. Der Minnedienst gegen die Dame war dem Lehns- und Ritterdienst des Dienstmannes gegen seinen Herrn nachgebildet. Im südlichen Frankreich hatte er bestimmtere Formen angenommen, und die Troubadours unterschieden vier Stufen: 1) Der Feignaire trägt die Liebe noch still verschwiegen im Herzen, und wagt noch nicht sie zu gestehen. 2) Als Pregaire wagt er das Geständniß und wird ein Bittender. P. 723, 13: Artus hete der werden (magde unde wîp) hundert in ein gezelt gesundert. P. 777, 16: dâ wart der buhurt wît genomn alumbe der tavelrunder rinc. ez wâren höfschlîchiu dine, P. 778, 1: Jeslîch frouwe hete prîs, diu dâ saz bî ir âmîs. manger durch gerndes herzen rât |