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Die offene Thüre der Buße.

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eure Buße nicht annehmen? Jona hatte gerufen: Noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. Da aber Gott sahe ihre Werke, daß sie sich belehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn des Übels, das er geredet hatte, ihnen zu thun, und that's nicht (Jona 3, 10).

Die Buße Manasse's habe ich angenommen und sollte eure Buße nicht annehmen? Er lag in Ketten und rief seine Gözen an. Es war vergeblich. Da gedachte er des Gottes, von dem sein Vater ihm gesprochen, und schrie zu Ihm um Hülfe. Aber die Engel des Dienstes hatten die Fenster des Himmels verschlossen, damit sein Gebet nicht vor Gott komme. Denn fte sprachen: Sollte für den, der in den Tempel Gottes ein Gößenbild gestellt, noch Raum sein zur Buße? Aber der Heilige, gelobt sei Er, sprach: Wenn ich seine Buße nicht annehme, muß ich allen Bußfertigen die Himmelsthür zuschließen. Und Er machte unter dem Thron der Herrlichkeit eine Öffnung. Da kam Manasse's Gebet vor Ihn und Er erhörte es (2 Chron. 33, 11 --13).

Die Buße Jechonjas habe ich angenommen, und sollte eure Buße nicht annehmen? Jeremia hatte gesprochen: So wahr ich lebe, spricht der HErr, wenn Jechonja ein Siegelring wäre an meiner rechten Hand, so wollte ich dich doch abreißen. Er wird das Glück nicht haben, daß jemand seines Samens auf dem Stuhl Davids size und in Juda herrsche (Jerem. 22, 24. 30). Aber groß ist die Kraft der Buße. Selbst einen Gottesbeschluß, ja einen Gottesschwur hebt sie auf. Denn zu Jechonja's Entel sprach der HErr: Dich, Serubabel, Sohn Sealtiel, will ich nehmen, und will dich wie einen Siegelring halten; denn ich habe dich erwählet, spricht der HErr Zebaoth (Haggai 2, 24).

So lehre denn um, Israel, zum HErrn deinem Gott. Denn nicht ist es mit Ihm, wie mit Menschen. Wenn ein Mensch den andern öffentlich beschimpft, und will ihn dann unter vier Augen begütigen, so erhält er die Antwort: Öffentlich hast du mich beleidigt und willst mich unter vier Augen begütigen? Gehe, hole

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Urteil über Rab Kahana's Predigt.

die Männer, vor denen du mich beschimpft hast, dann will ich mich begütigen lassen. Nicht also Gott. Auf der Gasse lästert und schmäht Ihn der Mensch; Er aber spricht: Thue nur Buße zwischen mir und dir, so will ich dir vergeben."

Das war Rab Kahana's Bußtagspredigt. Sie sollte ihre Hörer in Vertrauen auf Gottes fündenvergebende Gnade stärken und ebendadurch zu einer herzlichen Buße freundlich locken. Wir wissen nicht, welchen Erfolg sie gehabt hat. Aber das wissen wir: der Mann, der so reden konnte, wußte etwas von der rechten Art der Buße. Er war in Sorge, ob nicht die Sünde seines Volkes so groß sei, daß es thöricht genannt werden müsse, wollte man noch auf Gottes Vergebung hoffen. Sollte wirklich, meinte er, dem in die Sünde tiefverstrickten Israel der Weg zum Gnadenthrone noch offen stehen? - Wir Christen erinnern uns, wenn wir in ähnlicher Lage sind, wenn unsre Sünde uns größer scheint, als daß sie uns vergeben werden könnte, des Schächers, dem unser Herr Jesus das Paradies verheißen hat auf die demütige Bitte hin, die in seinen leßten Stunden den Lippen des Verbrechers entquoll. Rab Kahana sucht im Alten Testament nach Beispielen, in denen das Erbarmen Gottes auch dem größesten Sünder gegenüber sich thatsächlich manifestirt hat. Kain, Ahab, Manasse, Jechonja, die Männer von Anathot und Ninive gehören wohl zu den Sündern vor anderen. Wenn ihnen Gnade zu teil ward, denkt Rab Kahana, so ist Gottes Erbarmen auch noch für Israel vorhanden, und, wenn es nur bußfertig vor seinen Gott tritt, ist es sicher, keine Fehlbitte zu thun. Sollte Rab Kahana sich getäuscht haben? Seine Schriftauslegung mag nicht immer die rechte gewesen sein. Aber wenn er sich getäuscht hat, so doch nur darin, daß er gemeint haben mag, die Größe des göttlichen Erbarmens wirklich erfaßt zu haben. Eben von diesem Erbarmen sagt ja der Prophet (Jesaia 55, 8. 9): „Meine Gedanken find nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HErr; sondern, so viel der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch meine Wege höher denn eure Wege, und meine Ge

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Der Freiheitskämpfer Jubas von Gamala.

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danken denn eure Gedanken.“ Und Paulus, der Apostel Jesu Christi, enthüllt das von Ewigkeit her verborgne Geheimnis der göttlichen Liebe, wenn er spricht: „Darum preiset Gott Seine Liebe gegen uns, daß Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren."

Judas von Gamala.

Vortrag am Jahresfeste der Lausißer Prediger-Gesellschaft in Leipzig am 12. Dec. 1882.

Bon Alfred Körner *).

Als wir vor einem Jahre zu gleicher Festfeier hier versammelt waren, da war es ein großer Prophet in Israel mit seinem Kämpfen und Leiden, der das ernste Wort zu ernstem Werke uns reden sollte. In jene Zeit wurde unser Blick gelenkt, wo über Juda's davidisches Königtum das Verhängnis hereinbrach, welchem das auserwählte Volk troz aller prophetischen, göttlichen Warnung in eigner Verblendung entgegeneilte. Und aus dem Bilde des

*) Dieser unvergeßliche vielversprechende junge Theolog, geb. am 27. Oft. 1862 in Dresden, wurde uns am 4. Juli 1884 in Leipzig durch frühen Tod entrissen. Er war ein eifriger Jünger der Wissenschaft und besonders vertraut mit der hebräischen Sprache, der er mit liebender Begeisterung sich hingab, voll jugendlicher Frische und raftlos vorwärts drängenden Strebens, aber zugleich auch fromm und gottergeben, so daß er auf seinem Krankenlager, welches ihn von seinem Berufsziele zurückverschlug, wie ein sanftes Lamm geduldig litt und ohne Bangen und Murren den eigenen Willen dem göttlichen opferte. Wie viel Nachrufe an liebe Heimgegangene enthält schon diese unsere Zeitschrift! Sie ist auch in dieser Beziehung eine Saat auf Hoffnung, eine Ezechiels-Weissagung (37, 4-6) über den Totenader nicht nur Israels, sondern auch unserer uns voran durch das rote Meer hinburchgezogenen Lieben. Der leßte Predigttext unseres sel. Körner war Ps. 122: unsre Füße werden sehen in deinen Thoren, Jerusalem!" Dort wartet er unser.

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Der Prophet und der Fanatiker.

selbstverschuldeten Unglücks trat die Prophetengestalt eines Jeremia *) hervor, der mitten in dem allgemeinen Schmerze die Milde eines liebenden, mitfühlenden Herzens mit dem Ernst prophetischer Begeisterung zu einem bewundernswerten, wahrhaft erbauenden Charakter vereinigte.

Auch heute nun soll es eine Zeit nationalen Schmerzes in Israel sein, worauf wir Herz und Auge richten, die Zeit, wo das Joch römischer Oberhoheit das jüdische Volk seinem nahen Untergang zuführte. Und wiederum soll eine Heldengestalt, in dieser Schmerzenszeit erzeugt, uns besonders nahe treten, die freilich an sittlicher Größe und heilsgeschichtlicher Bedeutung mit Jeremia sich nicht entfernt messen kann: statt des Prophetengeistes waltet hier ein wilder Fanatismus, statt der Demut eines Jeremia: „Herr, ich tauge nicht zu predigen, denn ich bin zu jung“ herrscht hier die Verwegenheit des politischen Aufrührers. Ja, wenn Jeremia dem stillen Monde gleicht, der das Nachtgewölk segenverheißend mit seinem Schein durchbricht, so ist Judas von Gamala denn ihm gelten unsere Worte - wie eine nächtliche Feuersbrunst, welche ein unheilkündendes Licht in die Dunkelheit hinausstrahlt.

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Und dennoch wollen wir an diesen Mann, der uns im voraus schon mehr dämonisch als göttlich anzublicken scheint, mit dem Interesse und mit der Liebe herantreten, welche schon die Zeit seines Auftretens allein uns abgewinnen muß: ists doch die Zeit, wo bald der Morgenstern und nach ihm die Morgensonne einen neuen Tag verkünden sollte es sind die Kinderjahre Jesu Christi und seines Vorläufers Johannes des Täufers, in welche das Bild Juda's von Gamala uns hineinweist. Doch nicht an eine streng historische und kritische Behandlung dieses Mannes und seiner Geschichte darf ich heranzutreten wagen denn nur eine umfassende Kenntnis auf Grund des Studiums aller Quellen würde ja dazu befähigen aber das andere will ich versuchen, ein

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*) Der Vortragende war der jeßige Candidat B. J. Nüling.

Der göttliche Lebensgrund des Volkstums Israels.

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Charakterbild jenes Judas von Gamala im Zusammenhang mit der Lage seiner Zeit und seines Volkes zu zeichnen, um von seiner Person als dem lebendigen Mittelpunkte aus auf das Leben in Israel am Beginne der neutestamentlichen Zeit einen Blick zu werfen.

Und zwar wollen wir zunächst die geschichtlichen und geistigen Grundlagen jener Zeiterscheinung uns vor die Augen führen, dann auf Judas von Gamala selbst und die Bildung seiner Partei unser Augenmerk richten, um endlich noch einem Wort über die geschichtlichen Früchte Raum zu geben.

Es ist zu jeder Zeit ein schwieriges Problem gewesen und ists auch heute noch in nicht geringem Grade, die religiösen und nationalen Faktoren eines Volkslebens zu einer innerlich begründeten und nach außen fördernden Einheit zu verbinden. Und die Aufgabe der Versöhnung beider Prinzipien gewinnt an Schwierigfeit, je enger beide von der Kindheit eines Volkes an verschwistert waren; denn je genauer die Verbindung des religiösen und nationalen Gedankens ist, desto leichter wird eine Schwankung des einen auch den anderen zu erschüttern drohen. Ein Beispiel hierfür in großem Maße weist die Weltgeschichte auf in der Entwicklung und in dem Verfall des israelitischen Volkes, wo wie nirgends anderwärts das ganze nationale Leben auf einem von Gott gestifteten religiösen Grunde ruhte. Und daß dieser religiöse Grund wirklich der Lebensgrund des ganzen Volkes war und nicht dem politischen Leben als nachträgliche Stüße erwuchs, das hat die Geschichte selbst allem Zweifel zum Troß erwiesen, indem auch in den Zeiten nationalen Elends, ja politischer Vernichtung nur das Gesetz und die Verheißung die Quellen waren, aus denen der bessere Teil Israels neue Kraft schöpfte. Denn hätte das Volk Israel den fremdländischen geistigen Einflüssen nur ein Nationalbewußtsein entgegenzusetzen gehabt, es wäre sicherlich, wenn nicht durch die ihm mehr verwandte babylonische und persische Kultur, so doch durch die ganz neue und ganz andersartige Geistesmacht des Hellenentums seiner Eigentümlichkeit ver

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