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Die Motive der Freiheitskämpfer.

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und seiner Partei zu Gunsten geredet habe, weil er ja unmittelbar darauf in langen Klagen sich ergeht über das Unheil, das von da ab über den jüdischen Staat hereingebrochen sei, und dabei den Zeloten schuld giebt, sie hätten nur dem Scheine nach im Interesse des Gemeinwesens gehandelt, in der That aber in Hoffnung persönlichen Gewinns. Überdies rechtfertigt das Programm der Aufständischen, wie es Josephus uns an die Hand giebt, sich auch innerlich in sehr befriedigender Weise; denn es läßt sich entwickeln und erklären aus den Anschauungen der Pharisäer heraus, deren Geschichte uns Beispiele ähnlicher Begeisterung schon früher aufwies und die wir hier im geistigen Bunde mit Judas von Gamala wiederfinden. Beginnen wir bei dem Grundgedanken jener Freiheitskämpfer, wie er aus Josephus zu entnehmen ist, so war es unstreitig dieser: Keinen Menschen darf der Israelit seinen Herrn nennen, denn Gott allein ist sein Führer und Herr. Und mit diesem Grundgedanken der fanatischen Partei stehen wir auf dem Boden des Pharisäismus, der ja die Reinigung und die Reinerhaltung der Theokratie zu seiner Lebensaufgabe machte. Je mehr nun aber dieses theokratische Ideal mit der thatsächlichen Wirklichkeit in Widerspruch stand, desto natürlicher mußten ener= gische und überzeugungstreue Charaktere unter den Pharisäern sich zur praktischen Durchführung der Theorie gedrungen fühlen. Grade aber bei der Schatzung des Quirinius machte sich der schroffe Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit in der empfindlichsten Weise geltend. Als Gottes Eigentumsvolk wußte sich Israel geschaffen und damit zu herrschender Weltstellung bestimmt, und nun machten die römischen Oberherren, die man schon an sich mit Widerwillen ertrug, ihre Macht soweit geltend, daß sie gar Volkszählung und Census über das Volk Gottes ver= hängten. Dies führt uns von selbst auf die Gesetzesverehrung und Gesetzespeinlichkeit des Pharisäismus. Die gesetzliche Bestimmung der Thora verlangte ja, daß bei einer Musterung des Volkes jeder als Sühne seiner Seele einen halben Seckel geben solle, damit nicht eine Plage über das Volk komme, daß man den

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Der Zelotismus als vierte Philosophie".

Stamm Levi nicht zählen solle, daß auch Frauen und Kinder ungezählt blieben. Vor allem aber empörte sich das theokratische Bewußtsein deshalb gegen den Census, weil der Israelit sein Gut von Jehova zum Lehen habe und darum den Leviten den Zehnten schulde, den anmaßenden Römern also den Zins gerechter Weise verweigern müsse. Auch sonst geben sich die Mittel, deren sich Judas zur Erregung des Aufstands bediente, als aus der pharisäischen Dogmatik geflossen, aus der pharisäischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und von der Mischung zwischen göttlicher Bestimmung und menschlicher Freiheit. Der Grund und Boden, aus welchem die Zeloten erwachsen sind, ist also ein pharisäischer. Worin aber besteht nun das Eigentümliche dieses wildgewachsenen Astes am Baum des Pharisäismus? Josephus trägt kein Bedenken, neben den Pharisäern, Saduzäern und Essäern, die er in griechischer Ausdrucksweise „Philosophen“ nennt, die zelotische Richtung des Judas von Gamala und seines pharisäischen Bundesgenossen Sadduk als eine „vierte Philosophie“ zu bezeichnen. Ganz abgesehen von dem griechischen Anstrich dieses Ausdrucks können wir doch aus dieser Gleichstellung mit den drei anderen großen Richtungen in Israel schließen, daß die Zeloten mehr und mehr einen selbständigen, von den Pharisäern getrennten Standpunkt einnahmen. Ja, im „jüdischen Krieg“ geht Josephus so weit zu behaupten, daß des Judas Richtung eine durchaus absonderliche gewesen sei. In genauerer und wahrscheinlicherer Weise aber versichert er in den „Antiquitäten“, daß die Zeloten sich von den Pharisäern nur durch eine „unbezwingliche Freiheitsliebe*) unterscheiden. Das bestätigt sich dadurch, daß die Anfänge zum Aufstand von einem Galiläer ausgingen. Galiläa war von einem Volte bewohnt, das an Tapferkeit, Freiheitsliebe und nationaler Gesinnung die Frommen Jerusalems überragte. Dieser galiläische Volkscharakter fand in Judas einen rechten Repräsentanten: er

*) Der griechische Ausbruck bafür lautet dort bei Josephus dvsvíxyτος τοῦ ἐλευθέρου ἔρως.

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hatte schon früher bei Gelegenheit der Unruhen nach Herodes des Großen Tode Waffen aus dem königlichen Arsenal geraubt und eine Empörung in Galiläa versucht; ja schon sein Vater Ezechias hatte als galiläischer Räuberhauptmann damals das Land lange in Schrecken verseßt und war erst von dem erst 25jährigen Statthalter Herodes bezwungen worden. Jezt aber war es nicht Raublust, die dem Judas die Waffen in die Hand gab, sondern galiläischer Freiheitseifer verband sich diesmal mit parisäischem Gesetzeseifer zu bewaffnetem Aufstand: den Pharisäer sahen wir die geistigen Grundgedanken herzubringen, auf welchen und aus welchen der Galiläer mit praktischem Patriotismus eine neue Partei erschuf. Wo aber bewegende Gedanken in einer Partei leibhaftige Ausprägung finden, da bleiben auch die geschichtlichen Früchte nicht aus, und diese wollen wir nun noch prüfend ins Auge fassen.

Der äußere Erfolg entscheidet zwar nicht über den inneren Wert einer Sache, aber die Geschichte spricht doch auch ein Urteil über die Gestalten, die in ihrem Rahmen auftreten. Und wenn irgend eine Zeit der Weltgeschichte uns einen Prüfstein für die gleichzeitigen Ereignisse an die Hand gibt, so ist es die Zeit Jesu des Messias Israels. Was wurde denn, so fragen wir, aus jenem Judas und seinen zelotischen Anhängern, die nicht ohne eine edle Begeisterung für die theokratischen Ideale zu den Waffen griffen? Josephus schweigt von ihrem Erfolg; denn von ihrer Person wendet er sich klagend zu dem Unglück, das von da ab heraufbeschworen wurde. Aber aus Gamaliels berühmten Worten in der Apostelgeschichte (5,37) erfahren wir, daß Judas den Tod fand und daß seine Anhänger alle zerstreut wurden. Allein mit der Zerstreuung der Männer und der Vernichtung ihres Hauptes waren doch ihre Gedanken und Ziele noch lange nicht begraben. So gewiß dieser zelotischen Partei ein Kern der Wahrheit, eine ideelle Berechtigung innewohnte, so gewiß konnte sie auch nicht mit einem Male durch Waffengewalt gedämpft werden. Sehen wir doch, wie selbst in der evangelischen Geschichte die Ideen des

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Judas von Gamala und Jesus der Christ.

Judas eine bedeutende Rolle spielen*). Am deutlichsten erinnert an Judas von Gamala jene berühmte verfängliche Frage der Pharisäer und Herodianer an Jeju über die Berechtigung der Kaisersteuer: Ist es recht, daß man dem Kaiser Zins gebe oder nicht? Man liest da zwischen den Zeilen, wie in den Herzen der Fanatiker der Gedanke an römische Steuer immer noch den alten Ingrimm wach rief. Die Lage, in welche ihn die Fragenden brachten, war kritisch, und die Antwort, die er gab, entscheidend über seine Person und über den Charakter seines Messiasberufs. Denn es war seit Judas von Gamala das Schibboleth aller echten Patrioten und Theokraten geworden, daß die Römersteuer allem göttlichen Rechte zuwider sei **): die Antwort Jesu aber war verblüffend für die listigen Gegner, wir haben daran das treffendste Urteil über Principien und Thaten des Judas von Gamala und seiner Genossen. Auch dem Judas war einst die Frage: „Ist es erlaubt, Zins zu geben" in Gestalt der Thatsache eines Census vor Herz und Gewissen getreten; und er hatte mit der That verneinende Antwort darauf gegeben. Auch Christus antwortet nicht mit direktem „ja es ist erlaubt“; aber es liegt in seiner Antwort der Gedanke: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ und somit das Urteil über die politisch gefärbten Messiasgedanken des Judas von Gamala. Die nationale Theokratie alten Bundes war ja nur eine vorbereitende Gestalt des Gottesreiches, welche über sich hinaus ein den Schranken des Volkes entwachsenes messianisches Reich weisjagte. Das jüdische Volk erwartete und ersehnte dies messianische Reich, aber nicht mit rein geistiger, religiöser, sondern politisch erstarrter Hoffnung. Sogar der wahre Messias verfiel der Anklage auf politisches Auftreten als Messias zum Opfer: es ist eine schaurige Verkehrung der Wahrheit, wenn man vor den Richterstuhl des Pilatus die Klage gegen Jesum bringt: ‚Wir fanden diesen, wie er unser Volk verführte und es hinderte

"

*) s. Schulze in den oben citirten Exercitationes pg. 121. 140. **) Weiß, Leben Jesu. Bb. II. (1882) G. 455.

Zwiefaches Ende der Zelotenpartei.

dem Kaiser Steuer zu geben"

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eine begründete Alage, wenn

fie fich gegen Judas von Gamala gerichtet hätte.

Wir wollen aber auch nicht versäumen, an ein Wörtchen im Evangelium zu erinnern, das einen Lichtstreif bildet in dem Schatten, der von Judas aus hineinfällt. Ein Apostel Simon hat in den Apostelverzeichnissen den stehenden Beinamen: der Zelote oder: der Kananiter. Man kann bei dieser sich gegenseitig erklärenden Bezeichnung wohl kaum in Zweifel sein, daß jener Apostel Simon, ehe er Jesu nachfolgte, in den Reihen der Zeloten oder Kannaim, der Anhänger des Judas von Gamala, gestanden hat. Und mit Freuden ersehen wir aus dieser knappen und versteckten Notiz, daß auch durch Judas von Gamala hindurch Gottes erzieherische Weisheit sich Jünger bilden konnte für Jesum von Nazaret. Nur wenige freilich mögen es gewesen sein, welche, einmal hineingerissen in den leidenschaftlichen Eifer für ein politisches Messiasideal, sich herausrangen zu dem edleren und reineren Eifer für die Sache des wahren Christus. Die Menge der Fanatiker geriet immer tiefer in die Glut des fremden unheiligen Feuers. Wir hören von der Kreuzigung der Söhne Judas, des Galiläers, Jakobus und Simon, die wohl dem Fanatismus ihres Vaters zum Opfer gefallen sind*), hören von schwärmerischen Propheten wie Theudas, der mit seinem Worte den Jordan teilen wollte, oder jenem „Ägyptier“, der durch sein bloßes Wort die Mauern Jerusalems zu stürmen versprach. Daneben treten uns die krankhaften Patrioten in der verzerrten Gestalt von Meuchelmördern, den sogenannten Sikariern, vor Augen, und endlich verlieren sich unsere Blicke in den letzten Vernichtungskampf ums Jahr 70 hinein und sehen in seinen Helden Johannes von Gischala, Simon bar Giora und einem Nachkommen des Juda's Eleasar die letzten und entarteten geistigen Nachfolger unseres Judas von Gamala tragisch untergehen.

Und so stünden wir denn am Schlusse unseres Weges und

*) Schürer, Neutest. Zeitgesch. S. 301.

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