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ihr Neues als hinzugefügt, nicht als von Marcus ausgelassen betrachtet werden!"

„Hieraus erklärt sich auch das scheinbar Mangelhafte feines letzten Kapitels von der Auferstehung Christi. Er fagt wenig, berührt aber alle Hauptpunkte, die von andern nachher ausgeführt wurden. Sein Evangelium war ursprünglich ein Schediasma für's Gedächtniß, mithin ein Zeugniß der ältesten Sage aus eignem frühen Unterricht, der Apostel, dem er nichts hinzuthun wollte!l! - Wie in diesem Lichte Mar eus durch sich selbst mit allem, was er Eignes hat und was ihm mangelt, sichtbar wird, so ist dies auch genau der Gesichtspunkt, in welchem ihn die alte Kirche betrachtet. Als einen Verkürzer des Matthäus, als einen Compilator des Matthäus und Lucas kannte ihn diese nicht; ein eignes Evangelium schrieb man ihm zu, das Eusebius sogar vor allem zuerst anführt (Kirchengesch. Bd. 2, c. 15).“

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Dies Verhältniß des Marcus zu den übrigen Evangelisten hat für Herder so große Wichtigkeit, daß er später noch mehrmals darauf zurückkommt und das früher Behauptete durch immer neue Gründe zu unterstützen sucht. Er sagt nämlich: „Unser Marcus steht mit manchen Ausdrücken allein da, die kein anderes Evangelium beibehalten mochte, z. B. Christus war bei den Thieren (c. 1, 12), die Nennung Abiathars des Hohenpriesters (c. 2, 26), das er ist außer sich" (c. 3, 21), die Tractation des Taubstummen (c. 7, 33), der Ausdruck, daß kein Färber die Kleider so weiß waschen möge (c. 9, 3), die Nachricht, daß die Wunderthäter bei ihren Heilungen Mittel gebraucht (c. 6, 13), das unberittene Füllen (c. 11, 2), das Schlangen-Vertreiben und tödtliche Getränke Trinken (c. 16, 18). Man gehe den Ausdrück des Marcus durch, wo er allein gelassen worden: bei den meiften läßt sich die Ursache angeben, warum es geschehen sei! Und doch sind bei ihm eben diese schlicht aufgenommenen, gleichsam rohen Züge der Erzählung sehr belehrend. Sie gewähren die erste Ansicht, sie zeugen vom primitiven Eindruck der Begebenheit selbst!“.

5.

An einer andern Stelle drückt er sich folgendermaßen aus: „Da Marcus, Petri Zögling (1 Petr. 5, 13), einer der frühsten Evangelisten war, unter wessen Namen können wir diesen frühsten Umriß der Evangeliensagen eher erwarten, als unter dem Marcus und Petrus? Gerade ist's also. Das Evangelium Marcus enthält augenscheinlich den kürzesten, schlichtesten, einen unausgearbeiteten Umriß der Dinge, die im Evangelium erzählt werden sollten. Es enthält ihn auch im Ausdruck und in den Uebergängen auf die kunstloseste, primitive Weise; gleichsam das erste Gebilde der Evangeliensage, ihr lebendiger palästinischer Archaismus. Noch athmet es den Geist jener Hoffnungen, in denen Petrus und die Apostel zuerst zur jüdischen Nation sprachen, und hat die harten Ausdrücke andrer Evangelien gegen sie nicht. Es ist die schmucklose Mittelsäule der andern; ihr ungezierter Grundstein; Zeuge dessen, was als historisches Evangelium zuerst in die Welt fam!"

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‚Marcus ist also ein eignes Evangelium, kein Auszug aus Matthäus, keine Compilation aus Matthäus und Lucas. Schon nach allem, was wir von Marcus wissen, was uns die verschiedene, weitverbreitete Sage der Kirchengeschichte vom Ursprung dieses Evangeliums und überhaupt vom Verhältniß des Marcus zu Petrus erzählt, ist die Hypothese der Compilation unerwartet. Die alte Kirche kennt sie gar nicht und der Anblick der Evangelien selbst widerspricht ihr. So verschieden sie von den scharfsinnigsten Männern modificirt ist, so wenig befriedigt sie, indem sie vielmehr die Antiphonien häuft. Das Evangelium verbürgt sich selbst seine Originalität; die ersten Kapitel der Apostel= geschichte sind sein lebendiger Commentar."

„Auch läßt sich Zug für Zug Grund angeben, warum hie und da die andern Evangelisten in ihrem Gesichtskreise diesen Protologen verließen; dagegen, warum er spätere Evangelistent verkürzt und beraubt haben sollte, sich nicht erfinden läßt. Von Anfange seines Amtes mußte ja der Schüler und Begleiter Petri ein Evangelium wissen, das er erzählte; durfte er es so zwecklos, arm und dürftig von andern und von seinem jüngern

Mitbewerber Lucas compiliren? War Marcus so arm, daß er das Vorzügliche im Lucas nicht bemerkte? Nicht also nur ist Marcus ein eigner Evangelist, sondern auch das uns einzige Richtmaaß von dem, was in andern Compositionen zu ihren Zwecken hinzugefügt worden. Wie ist eine Vergleichung möglich, ohne gemeinschaftliches Maaß? Und wenn man dieses aufgegeben, was blieb zum Vergleich übrig als Phantasie oder eine immer nachgebende Lesbische Regel. So lange man alle Evangelien als an Einem Orte, in Einem Jahre, in Einer Sprache geschrieben ansieht, da man doch den schnellen Lauf des Christenthums in drei Welttheile, die ihm früh zugestoBenen Verfolgungen und seine frühen Trennungen selbst kennt, kann man nicht anders als in der Höhle jenes die Welt vergeffenden Epimenides schlummernd wähnen!"

Der große Theologe schließt seine gelungene Untersuchung mit den prophetischen Worten: „Nach diesem Kanon ließe sich eine Symphonie der Evangelien geben, in der jede Dissonanz sich selbst erklärte! Das Durcheinanderwerfen aller in die sogenannte evangelische Geschichte fiele dabei weg; Schriftsteller, Sprachen, Zwecke, Zeiten würden auf's Genaueste unterschieden. Die Kritik des Textes und seines Inhalts könnte sich bei diesen historischen Schriften nicht anders als bei jeder andern historischen Schrift erzeigen: unpartheiisch, unterscheidend, sondernd. Aufhellungen folgen daraus bei jedem Schritte! Gerade aus dem Dankel des Widerspruchs entspringt Zurechtweisung und Belehrung! Die ganze Form der Evangelien kommt dadurch ins Licht; der Grund ihres Inhalts gewinnt aus den Widersprüchen selbst Wahrheit! Und die Kritik würde in einem Grade befriedigt, daß ich mit dieser disharmonischen Harmonie vor die Augen Cafaubon's, Bentley's, Lessing's zu treten wagte. Warum kann ich sie nicht sogleich schreiben ?" Der aufmerksame Leser des bisher Gesagten wird die rechte Antwort auf diese bedeutungsvolle Frage geben können.

6.:

Halten wir nun diese vortrefflichen Aussprüche Herders mit den herrlichen Ergebnissen zusammen, welche die religionsphilofophischen Studien des Dr. Weiße in Leipzig zu Tage gefördert haben, und verschmähen wir es dabei nicht, den weiteren Forschungen des Verfassers dieser Schrift die nöthige Aufmerksamkeit zu schenken: so wird man immer mehr zu der Ueberzeugung kommen, daß man keine gegründete Ursache hat, an der historischen Wahrheit des Christenthums zu verzweifeln und, wie Leffing in seinem Nathan gethan hat, alle drei Ringe für unächt zu erklären.

Es ist überhaupt ganz falsch, wenn man die Behauptung ausspricht, Lessing sei noch jezt die Norm, nach der man sich. in der Behandlung religiöser Fragen zu richten habe. Er ist vielmehr nur dem wohlthätigen Gewitter zu vergleichen, das die Luft reinigt, keineswegs aber dem sorgsamen Gärtner, der die einzelnen Pflanzen unter seine Obhut nimmt und sie zur schönsten Blüthe zu entfalten sucht! Bekanntlich hat er in seinen Streitschriften gegen den Hauptpastor Göße in Hamburg und in seinem Auffaße: Ueber die Erziehung des Menschengeschlechts“ auf eine vernunftgemäße Auffassung des Christenthums gedrungen und verdient noch jezt, auch wegen der Bekanntmachung der kritischen „Fragmente eines Ungenannten" (des Professors Samuel Reimarus in Hamburg), unsern innigsten Dank, weil sich an ihn dië spätere rationelle Behandlung der Theologie angeschlossen und zugleich bei ihm das speculative System des Spinoza eine Anerkennung gefunden hat, die spätere Philosophen ermuthigte, auf dieser Bahn weiter fortzuschreiten.

Allein es wäre unbillig, bei ihm mehr zu suchen und von einem Manne, der die allgemeine Literatur und die dramatische Kunft zu seiner Lebensaufgabe gewählt hatte, zu behaupten, er habe auch auf religiösem Gebiete das allein Richtige getroffen und sei ein Vorbild für alle diejenigen, welche jetzt das Heil der christlichen Kirche und die religiösen Interessen der Menschheit zu berathen haben! Der hier zum Grunde liegende Irrthum ist aber leider die Ursache gewesen, warum man in neuster Zeit das

Christenthum vielfältig bei Seite gesezt und einer abstracten Bernunftreligion den Vorzug gegeben hat, die, ohne gehörige Awknüpfung an die epochemachenden Begebenheiten in der Culturgeschichte der Menschheit, sowohl in Hinsicht der Reinheit und Vollkommenheit wie in Hinsicht der Anerkennung und wohlthätigen Wirksamkeit viel zu wünschen übrig läßt!

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Es ist wahr, das Christenthum soll im bessern Sinne des Worts eine Religion der Humanität werden und darf sich we der mit den rein menschlichen Ueberzeugungen noch mit ihren wahrhaft realen Bestrebungen in Widerspruch seßen; aber ist denn damit gesagt, das man den großen Menschensohn" verleugne, der einst die große Mission von Gott bekam, seinen Brüdern die wahre Menschenbestimmung vor Augen zu stellen? Es ist ferner wahr, daß Glauben und Wissen Eins sein sollen, daß jener das nur auf dem praktischen Gebiete des Lebens erreichen muß, was dieses in der höhern Sphäre des begrifflichen Erkennens sich zum Ziele sett; aber ist denn darum nöthig, daß die Ausbildung geoffenbarter Wahrheiten in Vernunftwahrheiten", von der Leffing in seiner Erziehung des Menschengeschlechts (§ 76.) redet, so verstanden werde, als müßte nun auch die Offenbarung, d. h. die großartige Erscheinung des Christenthums in der Geschichte gänzlich antiquirt werden? Wenn vor hundert Jahren die Kritik der biblischen Schriften und die Ergründung des Urchristenthums noch in der Wiege lag, folgt denn daraus, daß der ächte Ring wirklich verloren gegangen und die wahre, kostbare Gestalt Christi und seines Evangeliums nicht wieder herzustellen sei, welche seine ersten Anhänger begeisterte und auch jezt noch die ewig junge Kraft befizen wird, die Gleichgültigkeit auf religiösem Gebiete zu bannen und den Materialismus mit der erhabnen Idee wieder auszusöhnen ?

7.

Man wird zwar hier den scheinbar triftigen Einwand machen, daß ja auch die spätere Periode des Nationalismus nicht im Stande gewesen sei, die wahre Geschichte des Urchristenthums

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