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liche Schönheiten enthalten, dass man meinen sollte, Dergleichen habe niemals in der Wirklichkeit existiert, und das Alles sei ein kolossaler Fiebertraum, es sei der Fiebertraum eines wahnsinnigen Gottes. Die Natur selber schien sich damals phantastisch zu vermummen; indessen, obgleich der Mensch, befangen in abstrakten Grübeleien, sich verdrießlich von ihr abwendete, so weckte sie ihn doch manchmal mit einer Stimme, die so schauerlich süß, so entsetzlich liebevoll, so zaubergewaltig war, dass der Mensch unwillkürlich aufhorchte, und lächelte, und erschrak, und gar zu Tode erkrankte. Die Geschichte von der Baseler Nachtigall kommt mir hier ins Gedächtnis, und da ihr sie wahrscheinlich nicht kennt, so will ich sie erzählen.

Im Mai 1433, zur Zeit des Koncils, ging eine Gesellschaft Geistlicher in einem Gehölze bei Basel spazieren, Prälaten und Doktoren, Mönche von allen Farben, und sie disputierten über theologische Streitigkeiten, und distinguierten und argumentierten, oder stritten über Annaten, Exspektativen und Reservationen, oder untersuchten, ob Thomas von Aquino ein größerer Philosoph sei als Bonaventura, was weiß ich! Aber plöglich, mitten in ihren dogmatischen und abstrakteu Diskussionen, hielten sie inne, nnd blieben wie angewurzelt stehen

vor einem blühenden Lindenbaum, worauf eine Nachtigall saß, die in den weichsten und zärtlichsten Melodien jauchzte und schluchste. Es ward den gelehrten Herren dabei so wunderselig zu Muthe, die warmen Frühlingstöne drangen ihnen in die scholastisch verklausulierten Herzen, ihre Gefühle erwachten aus dem dumpfen Winterschlaf, sie sahen sich an mit staunendem Entzücken; - als endlich Einer von ihnen die scharfsinnige Bemerkung machte, dass Solches nicht mit rechten Dingen zugehe, dass diese Nachtigall wohl ein Teufel sein könne, dass dieser Teufel sie mit seinen holdseligen Lauten von ihren christlichen Gesprächen abziehen und zu Wollust und sonstig süßen Sünden verlocken wolle, und er hub an zu exorcieren, wahrscheinlich mit der damals üblichem Formel: adjuro te per eum, qui venturus est, judicare vivos et mortuos etc. etc. Bei dieser Beschwörung, sagt man, habe der Vogel ge= antwortet: „Ja, ich bin ein böser Geist!" und sei lachend davon geflogen; Diejenigen aber, die seinen Gesang gehört, sollen noch selbigen Tages erkrankt und bald darauf gestorben sein.

Diese Geschichte bedarf wohl keines Kommen tars. Sie trägt ganz das grauenhafte Gepräge einer Zeit, die Alles, was süß und lieblich war, als Teufelei verschrie. Die Nachtigall sogar wurde ver

leumdet, und man schlug ein Kreuz, wenn sie sang. Der wahre Christ spazierte mit ängstlich verschlossenen Sinnen, wie ein abstraktes Gespenst, in der blühenden Natur umher. Dieses Verhältnis des Christen zur Natur werde ich vielleicht in einem späteren Buche weitläufiger erörtern, wenn ich, zum Verständnis der neuromantischen Literatur, den deutschen Volksglauben gründlich besprechen muss. Vorläufig kann ich nur bemerken, dass französische Schriftsteller, missleitet durch deutsche Autoritäten, in großem Irrthume sind, wenn sie annehmen, der Volksglauben sei während des Mittelalters überall in Europa derselbe gewesen. Nur über das gute Princip, über das Reich Christi, hegte man in ganz Europa dieselben Ansichten; dafür sorgte die römische Kirche, und wer hier von der vorgeschriebenen Meinung abwich, war ein Kezer. Aber über das böse Princip, über das Reich Satan's, herrschten verschiedene Ansichten in den verschiedenen Ländern, und im germanischen Norden hatte man ganz andere Vorstellungen davon, wie im romanischen Süden. Dieses entstand dadurch, dass die christliche Priesterschaft die vorgefundenen alten Nationalgötter nicht als leere Hirngespinnste verwarf, sondern ihnen eine wirkliche Existenz einräumte, aber dabei behauptete, alle diese Götter seien lauter Teufel und Teu

felinnen gewesen, die durch den Sieg Christi ihre Macht über die Menschen verloren und sie jetzt durch Lust und List zur Sünde verlocken wollen. Der ganze Olymp wurde nun eine luftige Hölle, und wenn ein Dichter des Mittelalters die griechischen Göttergeschichten noch so schön besang, so sah der fromme Christ darin doch nur Spuk und Teufel. Der düstere Wahn der Mönche traf am härtesten die arme Venus; absonderlich Diese galt für eine Tochter Beelzebub's, und der gute Ritter Tanhüser fagt ihr sogar ins Gesicht:

Venus, schöne Fraue mein,

Ihr seid ein' Teufelinne!

Den Tanhüser hatte sie nämlich verlockt in jene wunderbare Höhle, welche man den Venusberg hieß und wovon die Sage ging, dass die schöne Göttin dort mit ihren Fräulein und Gesponsen unter Spiel und Tänzen das liederlichste Leben führe. Die arme Diana sogar, trotz ihrer Keuschheit, war vor einem ähnlichen Schicksal nicht sicher, und man ließ sie nächtlich mit ihren Nymphen durch die Wälder ziehen, und daher die Sage von dem wüthenden Heer, von der wilden Jagd. Hier zeigt sich noch ganz die gnostische Ansicht von der Verschlechterung des ehemals Göttlichen, und in dieser Umgestaltung des

früheren Nationalglaubens manifestiert sich am tiefsinnigsten die Idee des Christenthums.

Der Nationalglaube in Europa, im Norden noch viel mehr als im Süden, war pantheistisch, seine Mysterien und Symbole bezogen sich auf einen Naturdienst, in jedem Elemente verehrte man wunderbare Wesen, in jedem Baume athmete eine Gottheit, die ganze Erscheinungswelt war durchgöttert; das Christenthum verkehrte diese Ansicht, und an die Stelle einer durchgötterten Natur trat eine durchteufelte. Die heiteren, durch die Kunst verschönerten Gebilde der griechischen Mythologie, die mit der römischen Civilisation im Süden herrschte, hat man jedoch nicht so leicht in hässliche, schauerliche Satanslarven verwandeln können, wie die germanischen Göttergestalten, woran freilich kein be= sonderer Kunstsinn gemodelt hatte, und die schon vorher so missmüthig und trübe waren wie der Norden selbst. Daher hat sich bei euch, in Frankreich, kein so finsterschreckliches Teufelsthum bilden fönnen wie bei uns, und das Geister- und Zauberwesen selber erhielt bei euch eine heitere Gestalt. Wie schön, klar und farbenreich find cure Volkssagen in Vergleichung mit den unsrigen, diesen Missgeburten, die aus Blut und Nebel bestehen und uns so grau und grausam angrinsen. Unsere mittel

Heine's Werke. Bd. V.

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