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Der Kampf gegen den Katholicismus in Frankreich im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert war hingegen ein Krieg, den der Sensualismus begann, als er sah, dass er de facto herrschte und dennoch jeder Akt seiner Herrschaft von dem Spiritualismus, der de jure zu herrschen behauptete, als illegitim verhöhnt und in der empfindlichsten Weise fletriert wurde. Statt dass man nun in Deutschland mit keuschem Ernste kämpfte, kämpfte man in Frankreich mit schlüpfrigem Spaße; und statt dass man dort eine theologische Disputation führte, dichtete man hier irgend eine lustige Satire. Der Gegenstand dieser letteren war gewöhnlich, den Widerspruch zu zeigen, worin der Mensch mit sich selbst geräth, wenn er ganz Geist sein will; und da erblühten die köstlichsten Historien von frommen Männern, welche ihrer thierischen Natur unwillkürlich unterliegen, oder gar alsdann den Schein der Heiligkeit retten wollen, und zur Heuchelei ihre Zuflucht nehmen. Schon die Königin von Navarra schilderte in ihren Novellen solche Missstände, das Verhältnis der Mönche zu den Weibern ist ihr gewöhnliches Thema, und sie will alsdann nicht bloß unser Zwerchfell, sondern auch das Mönchsthum erschüttern. Die boshafteste Blüthe solcher komischen Polemik ist unstreitig der Tartüffe von Molière; denn Dieser ist nicht bloß

gegen den Jesuitismus seiner Zeit gerichtet, sondern gegen das Christenthum selbst, ja gegen die Idee des Christenthums, gegen den Spiritualismus. In der That, durch die affichierte Angst vor dem nackten Busen der Dorine, durch die Worte:

Le ciel défend, de vrai, certains contentements, Mais on trouve avec lui des accommodements

dadurch wurde nicht bloß die gewöhnliche ScheinHeiligkeit perfiffliert, sondern auch die allgemeine Lüge, die aus der Unausführbarkeit der christlichen Idee nothwendig entsteht; persiffliert wurde dadurch das ganze System von Koncessionen, die der Spiritualismus dem Sensualismus machen musste. Wahrlich, der Sansenismus hatte immer weit mehr Grund als der Jesuitismus, sich durch die Darstellung des Tartüffe verlegt zu fühlen, und Molière dürfte den heutigen Methodisten noch immer so missbehagen wie den katholischen Devoten seiner Zeit. Darum eben ist Molière so groß, weil er, gleich Aristophanes und Cervantes, nicht bloß temporelle Zufälligkeiten, sondern das Ewig-Lächerliche, die Urschwächen der Menschheit, persiffliert. Voltaire, der immer nur das Zeitliche und Unwesentliche angriff, muss ihm in dieser Beziehung nachstehen.

Jene Persifflage aber, namentlich die Voltaire'sche, hat in Frankreich ihre Mission erfüllt, und wer sie weiter fortsetzen wollte, handelte eben so unzeitgemäß wie unklug. Denn wenn man die letzten sichtbaren Reste des Katholicismus vertilgen würde, könnte es sich leicht ereignen, dass die Idee desselben sich in eine neue Form, gleichsam in einen neuen Leib, flüchtet, und, sogar den Namen Christenthum ablegend, in dieser Umwandlung uns noch weit verdrießlicher belästigen könnte, als in ihrer jetzigen gebrochenen, ruinierten und allgemein diskreditierten Gestalt. Ja, es hat sein Gutes, dass der Spiritualismus durch eine Religion und eine Priesterschaft repräsentiert werde, wovon die erstere ihre beste Kraft schon verloren, und leßtere mit dem ganzen Freiheitsenthusiasmus unserer Zeit in direkter Opposition steht.

Aber warum ist uns denn der Spiritualismus so sehr zuwider? Ist er etwas so Schlechtes? Keineswegs. Rosenöl ist eine kostbare Sache, und ein Fläschchen desselben ist erquicksam, wenn man in den verschlossenen Gemächern des Harems seine Tage vertrauern muss. Aber wir wollen dennoch nicht, dass man alle Rosen dieses Lebens zertrete und zerstampfe, um einige Tropfen Rosenöl zu ge= winnen, und mögen diese noch so tröstsam wirken.

Wir sind vielmehr wie die Nachtigallen, die sich gern an der Rose selber ergötzen, und von ihrer erröthend blühenden Erscheinung eben so beseligt werden wie von ihrem unsichtbaren Dufte.

Ich habe oben geäußert, dass es eigentlich der Spiritualismus war, welcher bei uns den Katholicismus angriff. Aber Dieses gilt nur vom Anfang der Reformation; sobald der Spiritualismus in das alte Kirchengebäude Bresche geschossen, stürzte der Sensualismus hervor mit all seiner langverhaltenen Gluth, und Deutschland wurde der wildeste Tummelplatz von Freiheitsrausch und Sinnenlust. Die unterdrückten Bauern hatten in der neuen Lehre geistliche Waffen gefunden, mit denen sie den Krieg gegen die Aristokratie führen konnten; die Lust zu einem solchen Kriege war schon seit anderthalb Jahrhundert vorhanden. Zu Münster lief der Sensualismus nackt durch die Straßen, in der Gestalt des Jan van Leyden, und legte sich mit seinen zwölf Weibern in jene große Bettstelle, welche noch heute auf dem dortigen Rathhause zu sehen ist. Die Klosterpforten öffneten sich überall, und Nonnen und Mönchlein stürzten sich in die Arme und schnäbelten sich. Ja, die äußere Geschichte jener Zeit besteht fast aus lauter sensualistischen Emeuten; wie wenig Resultate davon geblieben, wie der Spiritualismus

jene Tumultuanten wieder unterdrückte, wie er allmählich im Norden seine Herrschaft sicherte, aber durch einen Feind, den er im eigenen Busen er= zogen, nämlich durch die Philosophie, zu Tode verwundet wurde, sehen wir später. Es ist Dieses eine sehr verwickelte Geschichte, schwer zu entwirren. Der katholischen Partei wird es leicht, nach Belieben die schlimmsten Motive hervorzukehren, und wenn man sie sprechen hört, galt es nur die frechste Sinnlichfeit zu legitimieren und die Kirchengüter zu plündern. Freilich, die geistigen Intressen müssen immer mit den materiellen Interessen eine Alliance schließen, um zu siegen. Aber der Teufel hatte die Karten so sonderbar gemischt, dass man über die Intentionen nichts Sicheres mehr sagen kann.

Die erlauchten Leute, die Anno 1521 im Reichssaale zu Worms versammelt waren, mochten wohl allerlei Gedanken im Herzen tragen, die im Widerspruch standen mit den Worten ihres Mundes. Da saß ein junger Kaiser, der sich mit jugendlicher Herrscherwonne in seinen neuen Purpurmantel wickelte und sich heimlich freute, dass der stolze Römer, der die Vorgänger im Reiche so oft misshandelt und noch immer seine Anmaßungen nicht aufgegeben, jezt die wirksamste Zurechtweisung ge= funden. Der Repräsentant jenes Römers hatte

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