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Berlin 1769. Wie sehr beklage ich meine eigene Dürftigkeit, daß ich diesen unglücklichen Mann nicht unterstüßen kann! Gott Lob, fei. ne Noth, aber so eingeschränkt wie im Nasen. drücker, und die halb kluge, halb heidni. nische Sorge auch für den morgenden Tag - und der natürliche Wunsch mit dem zuneh menden Alter, nach ein wenig mehr Genuß der Gemächlichkeit und der Gesellschaft — denn ich liebe und hasse die Menschen wie mich selbst.

D. Stark, der mich in Jahren nicht be. sucht und mir seine Dissertation, zu der ich ihm Bücher geliehen, nicht einmal zugeschickt hatte, machte mir den Peter und Paul. Tag sehr merkwürdig. Es war ein starker Posttag, und einer meiner Brüder frank. Ich mußte mich daher von meinem Bureau aus entschul digen lassen, ließ ihn aber ersuchen, zu warten. Weil die Arbeiten sich häuften, so schickte ich den Aufwärter noch einmal nach meinem Hause, meinen Verzug zu entschuldigen. Sieh, da kam der Mann vor der Provincialdirection an. gefahren, stieg aus der Kutsche, sich ein Exem. plar der hierophantischen Briefe auszubitten. Weil er mich unter freyem Himmel wenig. stens dreymal sein Kind nannte, so schickte ich ihm den Sonntag darauf ein Exemplar zu, und creirte ihn zu meinem Beichtvater. Es

ist mir eine ungemeine Zufriedenheit gewesen, einem so sonderbaren Mißverständniß einen Beichtvater nach Abgang Lindner's als Kir chenraths zu verdanken zu haben, weil ich über die Wahl in der größten Verlegenheit

war.

Mitten in diesem Abschnitte meines Brie fes trat Kanter herein, der gestern Nacht erst von Leipzig heimgekommen, voll von Basedow, Semler, Nicolai 2c., wies mir einen Kupfer stich eines schwindligen Kopfes in der Kappe eines Schweißtuches, erzählte mir eine Legen de von Zimmermann, Lavater zc., aber traus rige Anekdoten von M. Penzel, der ihm von Semler und in ganz Dessau als der lieders lichste Mensch, Renegat des calvinischen und römischen Glaubens, bereits ausposaunt work den. Manches kommt mir wahrscheinlich ge nug vor, daß ich sehr ungeduldig bin, was Sie von dem Manne wissen und vermuthen, zu erfahren. Endlich, um seinen Besuch zu krdnen, rückte er mit einem Heiligthum seines Portefeuille heraus, und wies mir Ihre Cas roline Weil es entre chien et loup war, und mir der Kopf von der Geschichte meines eigenen sauberen Holzschnitts ein wenig schwin. delt, so will ich morgen früh fortfahren. Gott fegne Sie, mein lieber Herder, Ihre beste Hälfte, und was unser treuer Schöpfer aus

der Ribbe Ihrer Seite gebildet hat und noch ferner zubereiten wird. Gute Nacht.

Des Morgens um 4, den 17ten Jul.

Gar nicht geschlafen, wie den leßten Mai. Der ganze Einfall des faubern Holzschnitts betrifft ein Esel.Ohr; übrigens soll die Copie dem Original so treu als möglich seyn. Nach einem herzlichen Willkommen und bezeugten Verlangen, mich den ersten Tag der Ankunft zu sehen, und einigen grimmigen Aufschneide. reyen über Basedow, seinen Zweykampf mit Lavater, sich einander zu bekehren, und des légteren Niederlage, eine Entschuldigung von Eberhard, der seit Jahr und Tag bettlågerig wåre, und weder lesen noch schreiben könnte u. f. w. und bey einer großen Eilfertigkeit, nach der benachbarten Loge, aus der man kam, wieder zurückzukehren, fiel dem großen Gön. ner und Freunde noch etwas aus seiner Brief tasche ein, das er von Zimmermann erhalten hätte. Ich erschrack gleich vor dem Anblick und dachte an Stahlbaum, der sich mit Ku pferstechen viel abgab, und ohne mein Wissen eine Copey von dem im Laden hångenden Schlaf, bilde mitgenommen haben soll. Hierauf wur de mit gewöhnlichen Eidschwüren betheuert, daß es ein Versuch von Lavater wäre für den zweiten Theil seiner Physiognomik, und eine Probe von der Stärke seiner Ideale; daß Mo

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fer ihm das Contour gegeben hätte. Mit einem Manne, der sich verschwört und flucht, mag.ich lieber leichtglaubig als unglaubig thun, und gleichgültige Lügen zu widerlegen, ist eben so unnüß, als gleichgültige Wahrheiten zu verfech. ten. Mein kleiner Johannes hat sich wie ein Engel aufgeführt; er wollte das Bild gar nicht erkennen, saß und brummte vor sich, indem er es ansah, und schlug mit der Hand darauf, daß mich seine Thorheit ungewöhnlich aufmerk. fam machte. Genug von dem Bettel. Mein Name ist darunter mit Bleyßtift geschrieben, und dieß wird von dem Ueberbringer für Lavas ter's Hand ausgegeben. Ich glaube eher Ni. colai darin zu erkennen, und vermuthe, daß fie den Krieg à la Klotz mit mir führen, werden.

Vergeben Sie, lieber Superintendent, meia nem Zeitmangel und zerstreuten Gemüth, wenn Sie weder lesen noch verstehen können. Leben Sie wohl, ruhig und glücklich mit Ihrer lies ben Hausehre.

216. Un Herder.

Königsberg den 14ten Aug. 1775%.

Herzlich geliebter Freund, ungeachtet ich meinen leßten Brief in der größten Gemüths. Störung geschrieben, so glaube ich doch aus. drücklich angeführt zu haben, daß ich Ihre

beiden Briefe nicht Zeit hätte aufzusuchen... Hartknoch hat mir den einen nebst den Büchern. am 1. Sonnt. nach Trin. richtig eingehändigt,. und als er den 24ten Jun. kam, von mir Aber schied zu nehmen, brachte er mir noch den ane dern früheren.

Das Danken für Ihre neuesten Arbeiten könnte wohl ausgeblieben seyn, weil es sich, von selbst versteht; aber daß ich nicht sollte das ran gedacht haben, kann ich mir auch kaum. vorstellen. Wiewohl unter jenen Umstånden alles möglich ist; und ich befinde mich noch in einer sehr ähnlichen Lage. Den Dank also bey Seite gefeßt, können Sie weder auf mein Urtheil noch auf meinen Beyfall Ansprüche machen. Meine vorzügliche Zufriedenheit, aber, und die Geschichte meiner Seele habe ich. Ihnen so oft in Gedanken mitgetheilt, und auch niemand hier ein Geheimniß daraus gemacht, daß, wenn es wirklich nicht geschehen ist, ich alles mit zwey Worten berühren - will.

Ich war über die von der Censur geånder. ten Stellen in den hierophantischen Briefen so verdrießlich, daß ich meine eigene Autorschaft verfluchte, und alle ehrliche Leute bedauerte die mit einem Gefühl von Ehrlichkeit sich da mit abgaben, und ihre Gemüthsruhe einem solchen Hirngespinste aufopferten. Mitten in diesem Gedrång nahm ich zu Ihren Erläute

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