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Das Alles spricht nun scheinbar für die Ansichten der Anderen, dass wir in den Bildern der Sancta Wilge fortis nichts als bekleidete Salvatorbilder vor uns haben, für welche wahrscheinlich das von Nicodemus gefertigte Kunstwerk in Lucca als Original gedient hat. Die grosse Aehnlichkeit in der ganzen Erscheinung und besonders die ganz gleiche Bartbildung unterstützen diese Annahme.

Aber wir stehen hier vor einem neuen Problem. Wie sollen wir uns das vorstellen, dass man an bestimmten Orten erst Jahrhunderte lang bestimmte Bilder als den hülfebringenden Heiland verehrt habe, und dass dann die Erinnerung daran so vollständig verloren ging, dass man dieselben Bilder für die Darstellung einer heiligen bärtigen Jungfrau anzusehen im Stande war. Wer soll denn diese Erinnerung verloren haben, das Volk oder die Geistlichkeit? War es das Volk, dann hätten wohl die Priester den alten Kultus aufrecht zu erhalten gewusst. War es aber die Geistlichkeit, dann würde es ihr wohl trotz aller Anstrengung nicht gelungen sein, die althergebrachten Anschauungen der Bevölkerung zu vernichten, die doch bekanntlich mit einer ganz ausserordentlichen Zähigkeit in den Traditionen des Volkes zu haften pflegen. Ein solcher Akt des vollkommenen Vergessens lässt sich doch nur begreifen und verstehen, wenn entweder die alte Einwohnerschaft durch eine ganz neue verdrängt wird, oder wenn bei dem Volke der alte Glaube auf einige Zeit verloren geht, später aber wieder hergestellt wird. Und wenn wir auch wirklich annehmen, dass durch die Reformation und die mit ihr verbunden gewesenen Kriegs wirren eine solche Unterbrechung und spätere Erneuerung des Kultus eintreten konnte, so kann das doch nur für das eine oder andere, aber keinesweges für die ganze grosse Zahl der Wilgefortis-Heiligthümer Gültigkeit haben.

Wir werden, um diese Schwierigkeiten zur Lösung zu bringen, auf spätere archivalische Untersuchungen warten müssen. Deren Aufgabe würde es sein, den Zeitpunkt zu fixiren, in welchem zum ersten Male der Kultus der heil. Wilgefortis auftauchte, das Land zu bestimmen, wo dieses der Fall war, und die Wege zu verfolgen, welche diese Verehrung genommen hat. Für's Erste kommen wir über die erwähnten verschiedenen Schwierigkeiten nicht hinaus.

Die eine Vermuthung möchte ich aber doch noch aussprechen, dass hier

In Deutschland besitzt die heil. Wilgefortis das grösste Heiligthum in Neufahrn bei Freising (ungefähr 17 km von München). Hier ist ihr die Kirche des kleinen Ortes geweiht und ihr holzgeschnitztes, gekreuzigtes Standbild in zwei Drittel Lebensgrösse (eine Arbeit aus dem Anfange des 16. Jahrhunderts), bildet das Hauptstück des Hochaltars. Auch diese Statue zeigt den Typus der alten Christusbilder: langer Aermelrock, Königskrone, kurzer, in der Mitte getheilter Vollbart und bis auf die Schultern herabreichendes Haupthaar. Der Habitus des Körpers ist ein exquisit männlicher. Die Kirche enthält ausserdem mehrere Oelgemälde, ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert, welche einige Wunder dieses Wilgefortisstandbildes schildern. Im Jahre 1878 wurde die Kirche, inclusive des Hochaltars eingehend restaurirt.

sowohl, als auch in der Geschichte von der heiligen Paula in ähnlicher Weise, wie ich das von der Athene priesterin von Pedasus annehmen muss, das Andenken an ganz bestimmte bärtige Jungfrauen, vielleicht sogar an eine und dieselbe, nachklingt, deren überraschende Bartbildung zu den oben berichteten Legenden die Veranlassung wurde und das Substrat hergeben musste. Denn wenn es bei diesen beiden Heiligen nur darauf ankam, sie zu entstellen und für liebebedürftige Männer unbegehrbar zu machen, so bedurfte es ja gar nicht erst dieses heterogenen Bartwuchses. Ein plötzlicher Schwund des Unterhautfettgewebes, durch welchen eine erhebliche Runzelung der Gesichtshaut hervorgerufen worden wäre eine abnorme Pigmentablagerung in dem Antlitze, welche das zarte Weiss und Roth durch braune oder schwarze Flecken ersetzt hätte, das würde denselben Erfolg auf bequemere Weise gehabt haben. Allerdings wäre dann aber das Wunder auch weniger gross gewesen, da zweifelsüchtige Gemüther dieses auf physische und nicht auf göttliche Einflüsse zurückgeführt haben könnten. Dass es nun aber keine dieser näherliegenden Entstellungen ist, sondern gerade der viel seltnere und überraschendere Bart, das spricht ganz zweifellos, möchte ich glauben, für die Existenz eines Originales mit heterogener Bartbildung. Vielleicht sogar handelt es sich, wie bereits oben gesagt, in beiden Fällen um dieselbe historische Person, da der Geburtsort beider Heiligen, wie der Leser sich erinnert, in die iberische Halbinsel verlegt worden ist. Die Erinnerung an diese, meine ich also, in Verbindung mit den der grossen Menge unverständlichen alten Salvatorbildern mag dann wohl zur Entstehung und Ausbildung der Legende von der heil. Wilgefortis den Anstoss gegeben haben.

Wir müssen uns nun noch mit kurzen Worten darüber auslassen, welche ästhetische Meinung denn unsere Vorfahren, zu deren Zeiten diese Heiligenlegenden entstanden sind, von dem Weiberbarte gehabt haben. Da geht nun mit aller Deutlichkeit aus den Geschichten der drei Heiligen hervor, dass die damalige Auffassung über diesen Gegenstand, von derjenigen, welche wir im Beginne dieser Besprechungen bei den Dichtern kennen gelernt haben und von der, die wir alle wohl auch heute noch festhalten, in keiner Weise verschieden ist. Auch unsere Vorfahren haben bärtige Frauenzimmer nicht für schön gehalten, sondern sie sahen in dem Hervorsprossen des Bartes einen hohen Grad von Hässlichkeit und Eutstellung. Aber diese Entstellung ist durchaus nicht bei allen von derselben Art, nicht einmal bei der heiligen Paula und der heiligen Wilgefortis, sondern wir müssen hier drei Abstufungen, drei Nüancirungen der Entstellung unterscheiden.

Ueber die heilige Galla wurde in dieser Beziehung schon oben bei der Erzählung ihrer Legende gesprochen. Ihre Entstellung kommt auf mehr natürlichem, fast möchte ich sagen physiologischem Wege zu Stande, ohne dass, wie bei den beiden anderen Heiligen, ein göttliches Wunder dafür in Anspruch genommen werden muss. Bei der heiligen Paula handelt es

sich um die einfache Verhässlichung, welche aber bis zur vollständigen Unkenntlichmachung ihrer bisherigen Erscheinung durchgeführt ist. Auch die Entstellung der heiligen Wilge fortis kommt ja ganz ähnlich, wie diejenige der heiligen Paula als göttliche Erhörung ihres Gebetes, alle Schönheit von ihr zu nehmen, zu Stande. Aber in dieser Entstellung ist doch auch schon wieder die göttliche Belohnung enthalten. Denn Gott begnadigte sie mit derjenigen Gestaltung und Gesichtsbildung, welche der Heiland und Erlöser selbst auf Erden getragen hatte.

Ob ich mit meinen Annahmen, wie ich es zu sein glaube, im Rechte bin, dass diese Legenden und Sagen um wirkliche bärtige Originale sich gebildet haben, das ist natürlich heute nicht mehr endgültig zu entscheiden. Das aber meine ich durch die obigen Auseinandersetzungen unanfechtbar nachgewiesen zu haben, dass der Weiberbart wirklich eine kulturgeschichtliche Bedeutung besessen hat und dass er dieselbe sogar auch heutigen Tages noch behauptet innerhalb der katholischen Christenheit.

Nachschrift: Als die vorstehende Arbeit bereits im Satze vollendet war, erhielt ich noch Kenntniss von einer Abhandlung des Herrn Prof. Sepp in München, in welcher er die Legende von der gekreuzigten KümmernissWilgefortis durch die gesammte Mythologie verfolgt hat. Sie ist niedergelegt in seinem Altbayerischen Sagenschatz zur Bereicherung der indogermanischen Mythologie (München 1876. S. 175-269), und ist bei Weitem das Umfassendste, was über dieses Thema geschrieben worden ist. Sepp zählt zuerst die von der heil. Wilgefortis noch existirenden Bildnisse und deren Inschriften auf und führt unter diesen vier aus dem 15. und zwei aus dem 14. Jahrhundert an. Von einem Bilde in Wes sobrunn sagt er sogar: „Dem Ansehen nach konnte das Bild so alt wie das Kloster sein, das der heil. Bonifazius, Deutschlands Apostel, bereits 742 gegründet."

Diesen Angaben gegenüber muss ich noch einmal an den Ausspruch von Kaspar Schweitzer erinnern, dass die deutschen Kalendarien des XIII. und XIV. Jahrhunderts die heil. Kümmerniss nicht kennen. Gleichzeitig verfolgt der Autor die verschiedenen Varianten ihrer Legende. Eine derselben setzt ihren Märtyrertod in das Jahr 340, eine andere in das Jahr 465, während eine ziemliche Uebereinstimmung darüber herrscht, dass sie in Steenberg in Holland, einem kleinen Flecken an der Grenze von Brabant begraben und im Jahre 1466 canonisirt worden sei.

Die Anschauung, dass es sich um alte Salvatorbilder handle, weisst Sepp vollständig zurück: „Bei der eigenthümlichen Legende, dem ausgebreiteten Dienste und ihrem noch erhaltenen Bilderrest im ganzen Abendlande kann von einem missverstandenen Salvator mit dem Heilandsrocke nicht die Rede sein." Er durchwandert darauf die gesammte Mythologie und verfolgt von Indien durch Vorderasien, Aegypten, Griechenland, Italien bis zu den nordischen Völkern alle Ideen, welche ihm mit dem

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Dr. Max Bartels: Einiges über den Weiberbart etc.

Wilgefortiskultus im Ganzen oder mit den einzelnen Zügen desselben übereinzustimmen scheinen: der freiwillige oder unfreiwillige Opfertod nach vollführter Blutschande oder zur Vermeidung derselben. Der verlorene oder fortgeworfene Schuh; der Kelch, der ihm mit dem Dionysosbecher, dem nordischen Kelche Quasio, dem indischen Amarita und dem heiligen Graale identisch ist; der Spielmann, der das Saiten instrument rührt (Apollo, Orpheus, Amphion); endlich die „hermaphroditische" Erscheinung der Heiligen, für die sich im Alterthum eine grosse Menge analoger Anschauungen findet. Im Wesentlichen scheinen ihm astronomische Phänomene die Grundlage aller dieser Mythen abgegeben zu haben. Er citirt darauf eine Reihe diesen Mythenkreisen angehöriger Namen, welche allerdings mit mehreren Namen unserer Heiligen eine überraschende Aehnlichkeit haben. Von diesen mögen hier die ägyptische Komre, die indische Cumari, ferner die vorderasiatische Cumana und die Kimmeris, die Thetis des Hesiod Erwähnung finden.

Sepp wirft dann die Frage auf: „Nimmt das deutsche Volk blos an den allgemeinen Gottesvorstellungen der Nationen der Welt Theil, oder liegt vielleicht die Frage näher, ob nicht der Manichäismus und Gnosticismus, der ursprünglich bei den Bajuvaren sich eingebürgert, an den Bildern der gekreuzigten Kümmerniss Antheil hat? Eustasius und Apilus bekämpften die gnostisch-manichäische Irrlehre des Bonnasus (617), welche im alten Bayern sich eingeschlichen. In der christlichen Gnosis gipfelt das pantheistische Heidenthum, mag es noch so tief in Indien oder Aegypten wurzeln." Den Kernpunkt seiner Anschauung finden wir darauf in folgenden Worten: „Odin Hangagod und das mannweibliche Crucifix, die gekreuzigte Kümmerniss, bildeten die Anknüpfungspunkte für die ersten Glaubensboten, um für die Lehre vom Welterlöser leichter Eingang zu finden. Ihr vorbildlicher Dienst trug viel zur leichteren Christianisirung des Volkes bei. So hat Karl der Grosse in Sachsen Kapellen für die heil. Hilfe (Sancti Adjutorii) errichtet, um der nordischen Hlif gerecht zu werden."

Diese gedrängte Uebersicht wird genügen, um den Leser auf die Fülle des gebotenen Materiales aufmerksam zu machen. Das schwierige Problem der Wilgefortislegende scheint mir aber auch hierdurch noch nicht ihre endgültige Lösung gefunden zu haben und ich fühle mich verpflichtet, noch einmal den weiter oben angedeuteten Weg der archivalischen Forschung zu empfehlen und halte für's Erste noch meine Ansicht von der Erinnerung an die einstige Existenz eines lebenden Originales aufrecht, welches dann wahrscheinlich mit den alten Salvatorbildern confundirt worden ist.

Miscellen und Bücherschau.

Das v. Sehestedt'sche Museum localer Alterthümer zu Broholm

auf Fünen.

Von allen grossen und kleinen Alterthümersammlungen, die ich in Augenschein genommen, lebt in meiner Erinnerung als eine der lehrreichsten und interessantesten diejenige des Kammerherrn v. Sehestedt zu Broholm auf der Insel Fünen. Die Besucher des altnordischen Museums in Kopenhagen werden sich des grossen Broholmer Goldfundes (4147,05 Gramm an Gewicht) erinnern, der in der Sehestedt'schen Sammlung jetzt in Nachbildungen ausgelegt ist. Gräber und Wohnstätten aus allen Culturperioden, manche zufällige Erd- und Moorfunde auf seinem Gute, weckten in dem Besitzer den Gedanken, dass es von Interesse sein würde zu erfahren, was ein begrenzter Flächenraum an Ueberresten aus der vorhistorischen Zeit in sich verberge. Er begaun eine Anzahl Gräber und Wohnstätten methodisch zu untersuchen und erbat sich dazu die Unterstützung eines jungen Fachgelehrten in Kopenhagen, des Dr. Henry Petersen, dessen Name mit den Broholmer Untersuchungen auf's Engste verknüpft bleibt. Aber diese Ausgrabungen bilden nicht die Hauptsache. Als diese betrachte ich das Absuchen der Felder, welches dergestalt organisirt wurde, dass der Gutsinspector zunächst sämmtlichen Feldarbeitern befahl, alle geschlagenen Steine, die sie im Erdboden fänden und alles was nicht in der Erde gewachsen sei, aufzusammeln und abzuliefern; ferner wurde allen Gutsangehörigen angezeigt, dass, wenn sie ihre Kinder dazu anhielten, in ihren Freistunden geschlagene Steine auf den Feldern zu sammeln und an den Gutsherrn abzuliefern, so werde dieser was sie brächten prüfen, und was für ächt befunden würde, nach Werth bezahlen. Der Erfolg dieser Massregel übertraf die kühnsten Erwartungen. Nach Verlauf von 6 Jahren sah sich Herr v. Sehestedt im vorigen Jahre im Besitz einer Sammlung von 58 000 Stück, unter welchen die Ausbeute seiner Ausgrabungen allerdings die Minderzahl bilden. Auch die Zahl der Aexte, Meissel, Speere und anderer bekannter Formen ist gering gegen die Massen der Schaber, Späne, Schlagsteine etc., und was diese Funde besonders wichtig macht, ist, dass unter der Masse behauener Flintstücke Geräthe zu unserer Kenntniss kommen, von denen wir bisher nichts wussten, deren Zweck und Gebrauch noch jetzt nicht immer verstanden, aber deren absichtliche Form durch die grosse Anzahl gleichartiger Geräthe verbürgt ist. Als das Material so rasch unter seinen Händen anwuchs, dass er in dem Herrenhause keinen Raum für eine übersichtliche Aufstellung desselben fand, errichtete der Gutsherr in reizender Lage an dem inneren Burggraben unter schattigen Bäumen ein Häuschen: „das Broholmer Museum", wo sämmtliche auf 1 Qu.-Meile im Umkreis gefundenen Reste der Vorzeit, von dem schönen Elennskelett bis zum kleinsten Flintspan, in zierlicher, systematischer Aufstellung das Auge der Besucher erfreuen. Ich hatte das Glück, an einem Sonnabend in Broholm anzukommen, d. i. an dem Tage, wo die Kinder mit ihrer Ernte der letzten Woche sich einstellen, eine Anzahl sauber gekleideter, blondköpfiger Knaben und Mädchen, mit Körben und zusammengeknoteten Tüchern, die der Reihe nach vortraten, ihre Schätze vorlegten, worauf der Buchhalter den Namen des Kindes, den Namen des abgesuchten Feldes und die Stückzahl ordnungsmässig buchte, während der Kammerherr persönlich die gesammelten Steine prüfte, was nicht taugte ausschied, die ,ächten Stücke für sich legte, die danach gezählt und bezahlt wurden.

Aber die Verdienste des für das Studium der Vorzeit so warm begeisterten Mannes beschränkte sich nicht darauf, das Material zu sammeln. Er fühlte sich verpflichtet, es auch denen zugänglich zu machen, die nicht in der Lage sind, es auf seinem schönen Landsitze am Grossen Belt zu studiren. Mit einem grossartigen Kostenaufwand ging er an die Beschreibung und bildliche Darstellung seiner hervorragendsten Schätze, unterstützt von den

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