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Physik, die sich selbst als das Allerheiligste der Naturerkenntniß und die Erperimentalphysik nur als ihren Vorhof betrachtete. Sie stimmte merkwürdiger Weise mit der überwundenen Naturphilosophie darin überein, daß sie rein deduktiv und konstruktiv verfahren wollte und sich des hypothetischen Charakters der obersten Begriffe und Geseze, aus denen sie deduzirte, nicht bewußt war. Ihr Unterschied bestand aber darin, daß ihre Deduktion nicht rein logisch oder dialektisch, sondern mathematisch war, und daß ihre obersten Begriffe und Gefeße durch Induktionen auf breiterer Erfahrungsgrundlage gewonnen, also viel besser fundamentirt waren.

Von ihrer methodologischen Verwandtschaft mit der Naturphilosophie hatte jedoch die theoretische Physik zunächst keine Ahnung, indem sie sich lediglich an den Unterschied der quantitativen Eraktheit hielt. Die zuerst mathematisch durchgebildete Mechanik wurde auf kleinste Theilchen, Moleküle oder Atome, angewandt, und allerlei verwickelte Erscheinungen, wie der Gasdruck, durch Molekularmechanik deduzirt. Die Entdeckung der Energiekonstanz durch Mayer, die von Joule erperimentell bewiesen und durch Helmholt nach allen Seiten rechnerisch durchgearbeitet wurde, eröffnete eine neue Möglichkeit der mathematischen Deduktion vieler physikalischen Erscheinungen mit Umgehung der Molekularmechanik. Die ClausiusThomsonsche Entdeckung des zweiten Hauptsatzes der Energielehre, der allmählichen Entwerthung der konstanten Energie oder der fortschreitenden Abnahme ihrer Wirkungsfähigkeit tro unveränderlicher Größe, eröffnete neue Möglichkeiten ähnlicher Art. Marwells elektro-magnetische Wellentheorie, die sich auch auf Licht und Wärme anwendbar erwies, machte die Deduktion unabhängig von der näheren Beschaffenheit des Aethers außer von seiner dielektrischen Polarisirbarkeit. Damit waren die Hauptgrundlagen der heutigen theoretischen Physik beschafft.

Newton hatte außer Zeit und Raum noch zwei Grundbegriffe festgehalten: Kraft und stoffliche Masse, und der Materialismus des 19. Jahrhunderts ist ihm darin nachgefolgt. Die theoretische Physik lehrt aber, daß man außer Zeit und Raum nur noch Einen Grundbegriff brauchen kann, und daß man sich entscheiden muß, ob man als solchen die Kraft, die stoffliche Masse oder die Energie wählen will. Wählt man mit Boscovich, Ampère, Cauchy, Tyndall u. A. m. die Kraft, so werden die Atome zu stofflosen Zentralkräften und die Masse ist lediglich durch die Zahl der gleichartigen Uratome bestimmt. Wählt man mit Hunghens und Herz' Mechanik

den Stoff, so ist die Kraft eine bloße Erscheinung des bewegten Stoffes. Wählt man mit Mach, Helm und Ostwald die Energie, so ist die Kraft nur ein Differentialquotient der Energie und der Stoff ein örtlicher Gleichgewichtszustand sich durchdringender Energien. Im ersteren Falle erhält man eine rein dynamische Physik, im zweiten Falle eine bloß kinetische, genauer hylokinetische, im dritten Fall eine rein energetische.

Die hylokinetische Physik ist ebenso wie die dynamische atomistisch, verwirft aber im Unterschied von dieser alle Fernkräfte, auch die auf molekulare Entfernungen wirkenden; statt deren braucht sie die Hypothese starrer Atomverbindungen aus nicht angebbaren Ursachen (Hery). Die dynamische und die energetische Physik sind darin einig, den Stoff für ein unwahrnehmbares Phantasma, für ein Trugbild der menschlichen Sinnlichkeit zu erklären. Die dynamische und hykokinetische Physik erkennen die Gefeße der Energielehre an, suchen sie aber als ein Gesammtergebniß oder Summationsphänomen aus der Molekularmechanik abzuleiten, ebenso wie die verschiedenen Arten oder Erscheinungsformen der Energie (Wärme, Licht, Elektrizität u. s. w.). Wenn ihnen dies auch noch nicht vollständig gelungen ist, so ist doch auf diesem Wege schon so viel erreicht worden, daß er als durchaus fruchtbar anerkannt werden darf. Die rein oder qualitativ energetische Physik verwirft mit der Molekularhypothese auch die Molekularmechanik und die Erklärung der verschiedenen Energieformen durch dieselbe; sie läßt vielmehr die letteren als unerklärbare gegebene Thatsachen bestehen, die nur durch ihre gegenseitige quantitative Vertretbarkeit auf eine gemeinsame unbekannte Wurzel zurückweisen.

Die Energetik spaltet sich demnach in eine mechanistische Energetik und eine reine oder qualitative; erstere sucht Molekularmechanik und Energetik zu vereinigen (Helmholt, Thomson, Clausius und die meisten neueren Physiker), leztere verwirft diese Verknüpfung und will die Energetik von ihr frei halten (Mayer, Mach, Helm, Ostwald). Sie sezt sich über die philosophische Errungenschaft hinweg, daß alle Qualität nur subjektiv im Bewußtsein ist, und dasjenige, was ihr in der objektiven Realität entspricht, nur intensive oder ertensive Quantitätsverhältnisse sind. Sie will auf die Energie als ein einheitliches Prinzip hinaus und vermag doch nicht begreiflich machen, woher die verschiedenen in einander umsezbaren Energiearten stammen, in deren eine allemal das einheitliche Prinzip verhüllt erscheint. Sie mißachtet Alles, was die

Atomtheorie und die Lehre vom Aether bisher an Erklärungen beigebracht haben, und ist doch bisher nicht im Stande gewesen, bessere Erklärungen an deren Stelle zu sehen. Deshalb scheint die mechanistische Energetik den Vorzug zu verdienen.

Der hylokinetischen Physik ist die Brücke zum Seelischen abgebrochen; für sie bleibt die Entstehung des Empfindens und Wollens ein ewig unlösbares Räthsel (Dubois-Reymond). Für die rein energetische Physik hingegen scheint im Begriff der Energie die Brücke gegeben, die zum Seelischen und zur Empfindung hinüberleitet; sie will das Ignorabimus nicht mehr für sich gelten lassen. Wenn das, was wir Materie nennen, ein Produft oder eine bloße Erscheinung der Energie ist, so kann die Empfindung oder psychische Erscheinung ebenso gut ihr Produkt sein. Die Energie wäre dann das gemeinsame Dritte hinter beiden Erscheinungsformen, hinter der Materie und dem Bewußtsein. Mit dieser Einsicht kommt die Physik ebenfalls zur Schellingschen Naturphilosophie zurück, das heißt, sie wird gleich ihr zur Identitätsphilosophie, indem sie ihren dritten Grundbegriff zur gemeinsamen Wurzel der Materie und des Geistes erhebt. Indem sie identitätsphilosophisch zu werden versucht, bemüht sich die moderne Physik, den Weg zur Verbindung mit den Geisteswissenschaften zurückzugewinnen, den sie sich als einseitiger Materialismus oder als Hylokinetik abgeschnitten hatte. Die Zuversicht, daß ihr Prinzip das höchste Weltprinzip ist, aus dem nicht nur die materielle, sondern auch die geistige Welt entspringt, erhebt sie über den Agnostizismus, erweitert ihren Gesichtskreis, und nöthigt sie mit einem Schlage, sich als „Naturphilosophie“ 31 proklamiren.

Auf diesem Punkte ist nun die moderne Physik angelangt. Nicht die dynamische Richtung der Physik ist es, die sich zu solchen Konsequenzen aufgeschwungen hat, sondern die rein energetische. Die erstere konnte in der Masse ihrer Vertreter von dem schielenden Seitenblick auf unendlich kleine oder auch ausdehnungslose Stofftheilchen in den Mittelpunkten der Atomkräfte nicht recht loskommen (Fechner), und die wenigen Ausnahmen, denen dies gelang, blieben hierin auf die Denkweise ihrer Zeitgenossen ohne Einfluß. Die energetische Richtung hingegen mußte, weil sie ohnehin revolutionär auftrat, es leichter haben, mit dem alten sinnlichen Vorurtheil des Stoffes aufzuräumen. Die mechanistische Energetik ließ die Frage noch offen, ob die Molekularmechanik, aus welcher die verschiedenen Energiearten als Gesammtergebnisse hervorgehen,

auf stoffliche oder auf unstoffliche, rein dynamische Atome zu beziehen. sei, und gestattete dadurch dem Wahngebilde des Stoffes in den Köpfen der meisten Physiker ruhig weiter zu vegetiren. Erst die qualitative Energetik hat sich das hohe Verdienst erworben, mit der physikalischen Bedeutung dieses subjektiven Phantasmas gründlich aufzuräumen und dadurch den Materialismus aus der Physik zu verbannen. Dieses Verdienst bleibt bestehen, auch wenn man die mechanistische Energetik an Stelle der qualitativen sett; denn nachdem die lettere der Physik einmal den materialistischen Staar gestochen hat, kann die erstere ihre Atommechanik nur noch auf völlig stofflose Zentralkräfte beziehen, d. h. sich einem atomistisch ge= gliederten reinen Dynamismus, als der Grundlage aller Energien, zuwenden, wie ihn die Philosophie längst proklamirt hat.

Indem die Energetik das naturwissenschaftliche Denken aus den Fesseln des Materialismus befreite und zu einer identitätsphilosophischen Auffassung der Welt zurückführte, überschritt sie auch zugleich die Grenzen der Physik als solchen und brachte den so lange verpönten Namen der Naturphilosophie wieder zu Ehren. Schon Mach hatte in seinen „Prinzipien der Wärmelehre“ einen langen philosophischen Anhang beigefügt, der Bruchstücke der Erkenntnißtheorie, Methodologie, Kategorienlehre und Naturphilosophie behandelt, allerdings noch wesentlich unter dem Gesichtspunkt des Agnostizismus. Der Chemiker Ostwald, der sich als Machs Schüler bekennt, hat im Sommer 1901 an der Leipziger Universität „Vorlesungen über Naturphilosophie" gehalten, die jetzt als stattlicher Band bei Veith & Co. (Leipzig 1902) veröffentlicht sind. Als Organ weiterer naturphilosophischer Forschung giebt er zugleich „Annalen der Naturphilosophie“ heraus. Der physikalische Spezialismus der Experimentalforscher gilt also nicht mehr als der Weisheit letter Schluß; die mathematische Formel, die bei Mach die Stelle der Substanz vertritt, rückt sammt der Rechnung wieder in die ihr gebührende Stellung eines schäßbaren Hilfsmittels des Denkens zurück. Die unaustilgbare Sehnsucht des menschlichen Geistes nach zusammenfassender, möglichst tiefbohrender, systematischer Naturerkenntniß hat wieder einmal im Laufe der Geschichte gesiegt.

Auch in erkenntnißtheoretischer Hinsicht ist der eingetretene Umschwung bedeutungsvoll. Bisher befand sich die Naturwissen= schaft in dem Wahne, absolut gewisse Erkenntniß innerhalb ihres Gebietes zu liefern, außerhalb ihres Gebietes aber jede Möglichkeit einer Erkenntniß leugnen zu müssen. Das heißt, sie war positiver

Dogmatismus als Physik, negativer Dogmatismus oder Agnostizismus als allgemeine philosophische Weltanschauung; nur sie war Wissenschaft, die Philosophie dagegen Aberglauben. Ostwald erkennt nunmehr an, daß die geistigen Operationen in der Naturwissenschaft dieselben sind wie in der Philosophie, daß beide in gleicher Weise keine Gewißheit, sondern nur Wahrscheinlichkeit liefern, und daß später vielleicht einmal ganz andere physikalische Grundbegriffe an Stelle der heutigen treten können, womit dann auch die Formeln der Physik eine ganz andere Gestalt annehmen. würden. Wenn er troßdem an dem Machschen Begriff einer hypothesenfreien Naturwissenschaft festhalten zu können glaubt, so befindet er sich in einer Selbsttäuschung. Er verkennt, daß Erkenntniß bloßer Wahrscheinlichkeiten und Erkenntniß bloßer Hypothesen Wechselbegriffe sind, daß die Physik nicht bloß mit Ursachenhypothesen, sondern auch mit Gesezeshypothesen und Begriffshypothesen arbeitet, und daß die von ihm gestatteten „Protothesen“ (S. 399) genau dasselbe sind, was man sonst „Hypothesen" nennt.

Der erste Theil seines Werkes behandelt Erkenntnißtheorie und Kategorienlehre, soweit sie für den angehenden Naturforscher unentbehrlich scheinen. Hier will Ostwald nichts Eigenes bieten, sondern nur Ergebnisse der Philosophie in seiner individuellen Formulirung übermitteln. Der zweite Theil erst giebt Ostwalds energetische Weltanschauung, und zwar von S. 146 an seine Naturphilosophie des Unorganischen, von S. 312 an die des Organischen. Die letzten Kapitel, die in die geistige Welt übergreifen, sind nur andeutende Skizzen. Die Naturphilosophie des Unorganischen zu erörtern, würde hier zu weit führen; auch habe ich mich schon anderwärts ausführlich über dieselbe ausgelassen und auch mit Ostwald auseinandergesetzt.*) Weniger fachwissenschaftlich und von allgemeinerem Interesse dürfte die Anwendung der Energetik auf das organische und seelische Leben sein.

Während Ostwald die mechanistische Weltanschauung, d. h. den Glauben, das Organische aus Molekularmechanik erklären zu können, eifrig bekämpft, hält er selbst an dem Glauben fest, daß die energetische Weltanschauung ausreiche, das Organische als Produkt unorganischer Naturgesetze zu erklären. Er glaubt, hier nirgends vor Räthseln oder hoffnungslosen Aufgaben zu stehen, wenn er auch

*) Vergl. mein Buch: „Die Weltanschauung der modernen Physik“, Leipzig, H. Haacke, 1902.

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