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zugiebt, daß wir dabei große Wechsel auf wissenschaftlichen Kredit ziehen müssen. In der That sind die von ihm angeführten Analogien unorganischer und organischer Vorgänge viel zu unbestimmt, um zu einer eigentlichen Erklärung der letteren etwas beizutragen. „Zweckmäßig ist Alles, was die Dauer vergrößert, unzweckmäßig Alles, was sie verkleinert" (S. 337). Hätte Ostwald Recht, daß die Zweckmäßigkeit sich nur auf die zeitliche Dauer und räumliche Ausbreitung der Gebilde bezieht, so ständen Krystalle, Schlacken und Felsen teleologisch höher als Organismen, ein Eichbaum höher als ein Mensch.

Der einzige Unterschied des Organischen vom Unorganischen, den Ostwald anerkennt, ist der, daß in den Organismen die Energie sich in eine neue Qualität, die Nervenenergie, umwandelt, die in der unorganischen Natur nicht vorkommt. Ob aber diese Umwandlung stattfindet oder nicht, hängt wie bei jeder anderen Energieumwandlung lediglich von den äußeren Bedingungen, den sogenannten Maschinenbedingungen, ab. Der Organismus ist also nichts als eine etwas andere Verbindung von Energiearten, deren Besonderheit ganz und gar durch unorganische Geseze bestimmt ist, und nichts von den hinzukommenden Kräften und Geseßen an= zunehmen gestattet, die von J. Reinke als „Gestaltungsdominanten" von H. Driesch als „Vitalagens" bezeichnet werden. Den Unterschied von Thier und Pflanze erachtet er im Grunde für willkürlich (S. 361), was man nur dann billigen kann, wenn man den Zusatz „im Grunde“ als gemeinsamen genetischen Ursprung deutet.

Man kann die Frage offen lassen, ob die Nervenenergie als eine besondere Energieart neben Wärme, Elektrizität u. s. w. zu betrachten sei oder nicht. Wir sprechen doch nur darum von verschiedenen Formen der einheitlichen Energie, weil sie sich in ihren Wirkungen auf unsere Sinne verschiedenartig bekunden. Eine eigenartige unmittelbare Bekundung der Nervenenergie für unsere Sinne läßt sich nicht behaupten, und ob die bisherigen Erfahrungen ausreichen, um die Annahme einer solchen eigenartigen Energieform mittelbar zu rechtfertigen, ist doch sehr zweifelhaft. Für die mechanistische Energetik, die ja doch alle Energiebethätigungen als Summen von Molekularenergie auffaßt, hat die Frage eigentlich gar kein Interesse; die qualitative Energetik würde die Nervenenergie jedenfalls nur dann als besondere Energiequalität ansprechen können, wenn sie das Grundmerkmal aller, die Vertret barkeit und Aequivalenz allen anderen Energiearten gegenüber, mit

Sicherheit auf sie anwenden könnte. Wenn dagegen das logarithmische Verhältniß des Weberschen Gesezes schon zwischen dem Sinnenreiz und Nerveneindruck und nicht erst zwischen dem Nerveneindruck und der Empfindung Geltung hätte, so wäre die Aequivalenz aufgehoben, also die Grundbedingung verneint, ohne welche der Nerveneindruck nicht eine eigene Energieart heißen kann. Ostwald hält jenes für wahrscheinlich (S. 386), ohne daraus die unausweichliche Folgerung zu ziehen. Ich suche dagegen das logarithmische Verhältniß erst in der Beziehung zwischen Nerveneindruck und Empfindung, und kann deshalb die Frage offen lassen.

So lange man bei den materiellen Vorgängen in den Nerven und im Zentralorgan verweilt, ist es selbstverständlich, daß alle in ihnen vorkommende Energie aus dem durch den Organismus fließenden Energiestrom und aus keiner anderen Quelle stammt, und daß sie den energetischen Gefeßen unterworfen bleibt. Welchen Namen man ihr in jedem Augenblicke giebt, scheint dagegen unerheblich. Wesentlich ist vielmehr die Frage, ob die organischen Vorgänge bloßes Ergebniß der unorganischen Naturgeseße sind, oder ob diese in ihnen mit besonderen, höheren, organischen, biologischen Naturgesehen zusammenwirken, so daß das Gesammtergebniß ein anderes wird, als wenn erstere allein gewirkt hätten. Die moderne Biologie ist der Beschäftigung mit dieser Frage neuerdings wieder sehr ernstlich näher getreten; für Ostwald, der von der Chemie und Physik herkommt, dagegen ist es charakteristisch, daß die Frage für ihn noch immer gar nicht als Frage in Betracht kommt, d. h. daß sie von vornherein zu Gunsten eines ausschließlichen Wirkens unorganischer Naturgefeße entschieden ist, genau in demselben Sinne, wie dies für die materialistische und mechanistische Weltanschauung der meisten älteren Biologen und Physiker bisher als Dogma galt. Den Materialismus und Mechanismus hat die Ostwaldsche Naturphilosophie glücklich überwunden, aber den Bannkreis einer bloß unorganischen Naturgefeßlichkeit hat sie noch nicht überschritten. Es ist sehr begreiflich, daß der Physiker zunächst mit den ihm gewohnten Gesezen auszukommen sucht, wenn er auf das Gebiet der Biologie übergreift; ein Umschwung der naturphilosophischen Ansichten konnte deshalb in diesem Punkte nur von der Biologie selbst ausgehen.

Die Nervenenergie ist zunächst unbewußt, sowohl als der durch den Reiz bewirkte Eindruck in Nerven, als auch als reflektorische, instinktive oder triebartige Reaktion, als auch als Umsatz zwischen

beiden durch eingeschaltete Zwischenglieder. Die Eindrücke nennt Ostwald unbewußte Empfindungen, die Reaktionen unbewußte Handlungen, die Zwischenglieder des Umsaßes oder die Verarbeitung des Eindrucks im Nerven bis zur Reaktion unbewußtes Denken oder unbewußte Wahl- und Schlußafte (S. 401-402). Unbewußtes Wollen dagegen lehnt er ab, weil er unter Wollen nur die be= wußte Willensempfindung als Begleiterscheinung des energetischen Vorganges versteht. Gewiß sind Umsäße von Nervenenergie in Muskelenergie nicht Wollen zu nennen; aber ebenso wenig ist der Umsatz von Licht- oder Schallenergie in Nervenenergie schon Empfindung zu nennen. Unbewußte Empfindung ist in keinem Sinne widerspruchslos, da Empfindung das Insichfinden oder das Bewußtwerden des Eindrucks bedeutet. Eine Muskelreaktion, die nicht aus Wollen entspringt, kann wiederum nicht „Handlung“ heißen.

Unbewußtes Denken und Streben (oder Begehren) ist unmöglich, wenn es nichts weiter im Organismus giebt als Nervenenergie, wenn keine höheren Kräfte nach höheren organischen Naturgesezen in ihm wirken. Giebt es aber solche, so sind sie nichtenergetische Kräfte ohne Potential und ohne Kraftzentra, die weder die objektiv reale Erscheinung der Materie hervorrufen, noch auch die konstante Energiesumme alteriren, deren Aeußerungen deshalb auch dann, wenn sie unbewußt verlaufen, mit psychischen Bezeichnungen belegt werden dürfen. Ob man für solche unbewußte pinchische Thätigkeit die Worte Wollen und Denken, oder lieber andere, z. B. Streben (Begehren) und gesetzliche logische Determination (ideale Antizipation) anwenden will, ist nebensächlich, weil bloße Sache der terminologischen lebereinkunft und ändert nichts an den Begriffen. Die Hegelsche und Herbartsche Schule fennt wohl unbewußten Trieb und unbewußtes Streben, reservirt aber das Wort Wollen für bewußte Willkürakte; die Schopenhauersche Schule nimmt Wollen im weitesten Sinne als Gattungsbegriff für alles Streben und Begehren, und diese Terminologie ist von vielen modernen Psychologen übernommen worden, die sonst nicht auf Schopenhauerschem Boden stehen. In diesem weiteren Sinne des Wortes ist gegen unbewußtes Wollen nichts mehr einzuwenden.

Die Nervenenergie kann noch nicht unbewußte seelische oder unbewußte geistige Energie heißen, obwohl Ostwald sie manchmal io nennt (S. 381, 398). Als Nervenenergie ist sie zwar unbewußte, aber keineswegs unbewußt geistige Energie, sondern einfach

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eine Art der unbewußten physischen Energie. Die unbewußtgeistige Energie leugnet Ostwald eben dadurch, daß er Kräfte ohne Potential und ohne Zentra im Organismus leugnet. Die bewußtgeistige Energie dagegen gilt ihm als eine zweite Art organischer Energie neben der Nervenenergie, nämlich als Zentralorganenergie (S. 393, 396, 403, 418); um Bewußtsein entstehen zu lassen, muß eine weitere Umwandlung der Nervenenergie im Zentralorgan stattfinden und ein weiteres Quantum Energie verbraucht werden (S. 403, 402). Es macht Ostwald „nicht mehr Schwierigkeiten zu denken, daß kinetische Energie Bewegung bedingt, wie, daß Energie des zentralen Nervensystems Bewußtsein bedingt" (S. 396).

Ohne Zweifel ist das Zentralbewußtsein jedes Individuums an sein Zentralorgan gebunden und durch die Form bedingt, in welche die zugeleitete Nervenenergie in diesem Zentralorgan umgesezt wird. In den Säugethieren z. B. ist dieses Zentralorgan das Großhirn, in niederen Thieren ein Ganglion oder auch nur eine Ganglienzelle, in der Zelle wahrscheinlich der Kern, in primitiven Vorstufen der Zelle irgend eine Vorstufe der Kernbildung. Wo das Individuum so einfach ist, daß kein Unterschied mehr. zwischen seinen Unterbewußtseinen und seinem Zentralbewußtsein besteht, da kann auch seine bewußte Individualempfindung bloß durch das lebende Protoplasma bedingt sein, ohne eines Zentralorgans zu bedürfen. Wo dagegen im Individuum ein solcher Unterschied besteht, da kann sicherlich auch nichts in sein Zentralbewußtsein eintreten, ohne daß vorher die physische Nervenenergie der peripherischen Theile in physische Zentralorganenergie umgefeßt ist. Aber dieser Umsaß bleibt völlig innerhalb des physischen Gebiets als isotrope physische Kausalität. Soll die unbewußte physische Energie des Zentralorgans in bewußtseelische Empfindung umge= sezt werden, so ist dazu ein neuer Vorgang erforderlich.

Von den Anhängern Fechners, zu denen in dieser Hinsicht auch Mach gehört, wird derselbe als psychophysischer Parallelismus gedeutet, von den Anhängern Lozes als psychophysische Kausalität. Ostwald verwirft den Parallelismus zu Gunsten einer psychophysischen Kausalität durch Energieumwandlung (S. 378, 395). Er bemerkt aber nicht, daß die Kaujalität in diesem Falle Uebergang in ein anderes Gebiet, nämlich von der objektiv realen Sphäre des Daseins als Natur in die subjektiv ideale Sphäre des Bewußtseins, d. h. allotrope Kausalität ist, daß Reizintensität und Empfindungsintensität in ganz anderer Weise verschieden sind als verschieden

artige Reize unter einander. Noch Niemand hat nachgewiesen, daß Energie im Zentralorgan verschwindet, wenn ein intensiver Bewußt= seinsinhalt entsteht, und dieser Beweis wird auch nie erbracht werden. Dadurch ist aber schon die Annahme widerlegt, daß das Bewußtsein eine Energieart neben den physischen Energiearten sei. Jeder energetische Erklärungsversuch des Bewußtseins muß scheitern, weil zwar das Bewußtsein ein Produkt desselben Spiels der Kräfte ist, welches auch die Energie produzirt und ihre Erscheinungsform bestimmt, weil aber die Sphären, in welche diese beiden Produkte (Energie und Bewußtsein) fallen, ganz und gar verschieden sind, und die physische Energie ebenso wenig in die Bewußtseinssphäre hinübergreifen kann, wie die psychische Bewußtheit mit ihren Qualitäten in die Sphäre des objektiv realen Daseins und der physichen Wirksamkeit. Erst bei diesem Uebergang aus einer Sphäre in die andere tritt das logarithmische Verhältniß des Weberschen Gesezes in Kraft — Beweis genug, daß die Aequivalenz und Vertretbarkeit der Energiearten unter einander und mit ihr der Energiebegriff überhaupt auf die physische Sphäre beschränkt ist.

Wollte Ostwald hingegen behaupten, daß gar kein Energieumsag zwischen Zentralorganenergie und Bewußtseinsenergie stattfindet, sondern daß beide ein und dasselbe sind, nur das eine Mal von außen, das andere Mal von innen gesehen, so würde er in den Parallelismus zurückfallen, dem er zu entgehen wünscht. Zwischen der physischen Energie des Zentralorgans und der Intenfität und Qualität des Bewußtseinsinhalts sammt seiner Bewußtseinsform gäbe es dann weder Energieumsaß noch Kausalität mehr, sondern die lettere wäre eine passive Begleiterscheinung der ersteren und fiele ganz aus der Kausalität heraus. Die Empfindung würde in demselben Sinne nur den passiven geistigen Parallelvorgang des physischen Energievorganges im Zentralorgan darstellen, wie nach Ostwald die Willensempfindung nur die bewußte Begleiterscheinung des die Muskelbewegung auslösenden Energieumsaßes im Zentralorgan ist (S. 422, 423).

Diese parallelistische Auffassung kann aber Ostwald schon darum nicht gelten lassen, weil sie den Zweck des Bewußtseins, d. h. seinen Nußen für die Selbsterhaltung des Individuums im Daseinskampfe aufheben würde. Ohne Zweifel kann das Bewußtsein mit Hilfe des Gedächtnisses auf Grund früherer Erfahrungen die Zukunft bis zu einem gewissen Grade voraussehen und die zweckmäßigen Mittel zur Abwehr von Gefahren und zur Befriedigung der Be

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