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noch eine starke Selbstanfechtung kommen. Und ebenso gegen einen als Schwäche erscheinenden Trieb kämpfen mit bester Lustwirkung nicht nur fremde Willensmächte, sondern auch die anders gerichteten Triebe derselben Seele. Man denke an Macbeths und seiner Lady Gewissensqualen, der Geist des Banquo, der edle Ankläger in Macbeths Seele, ist auf der Partei des Gegenspiels. Desgleichen ist die Liebe, die in Tellheims Seele mit der Ehre kämpft, natürlich eine Verrätherin, die's mit der Gegenpartei hält. Dieselbe höchst dankbare Verbindung des äußeren mit dem inneren Kampfe, daß die feindlichen Parteien ein unentwegt sich liebendes Paar bilden, finden wir in Sardous „Divorçons" und wohl in unzähligen anderen Lustspielen wieder.

Es ist die wichtigste Aufgabe der Gegenpartei im Außenkampfe, solche Verräther zu werben, d. h. mindestens Eine Macht im Innern der feindlichen Seele, und zwar möglichst die stärkste, in ihren Dienst zu bringen.

Jeder seelische Trieb kann mit jedem andern in Konflikt gerathen, d. h. etwas wollen, was ein anderer, ohne sich selbst aufzugeben, nicht dulden kann. Welcher siegt? In dieser bangen Frage besteht die Spannung aus dem Innenkampfe.

Verlauf des Innenkampfes. Der innere Kampf spannt und erregt stärker, als der äußere, denn der Verräther in der Burg ist wohl immer der gefährlichste Gegner. Die Spannung auf dem Innenkampf und die Erregung setzen ein, sobald der Zuschauer den zweiten von den beiden sich ausschließenden Trieben in der Seele des Innenkämpfers gewahr wird. Selbst bei minderwerthigen Bühnendichtungen empfinde beispielsweise ich an dieser Verlaufsstelle regelmäßig ein gewisses Herzklopfen.

Der zuzweit bemerkte Trieb ist wohl meist der verrätherische, doch kann es ebensowohl der vom Willen des Innenkämpfers begünstigte sein.

Der Verräther kann sich entweder aus eigener Initiative melden, oder er kann vom Außengegner angestiftet werden. Man sieht, daß die Strategen auf der Bühne gute Psychologen sein müssen. In der Menschenseele und natürlich in der besonderen ihres Feindes müssen sie sich gründlich auskennen.

Mit einem Schlage setzt der Dichter der „Minna von Barnhelm“ die Spannung auf den Innenkampf in unser Fühlen ein: Wie Tellheim unvorbereitet zuerst mit dem Fräulein zusammentrifft (II, 8),

flieht er auf sie zu“ mit dem Rufe: „Ach meine Minna". Da muß es in der Seele des Zuschauers flüstern: Er liebt sie. Und mit dreifachem Ja bestätigt Tellheim alsbald auf Minnas Drängen seine Liebe. Seinen Edelmuth kennen wir längst, also: in unserem Fühlen muß sofort die bange Frage aufflammen: Verträgt sich denn diese Liebe mit jenem Edelmuth? Kann denn dieser feinfühlige Mensch die Geliebte noch an sich ketten wollen, wenn er sich selbst für entehrt hält? Und die vergnügte Erwartung eines hizigen Zusammenstoßes der beiden Triebe in Tellheims Innerm ist bei uns da.

Nun aber: ein Kampf beginnt nicht mit dem Augenblicke, wo ein Zuschauer die beiden sich ausschließenden Willensmächte wahrgenommen hat, sondern, wie es im Kriegsrecht heißt, mit der Eröffnung der Feindseligkeiten. Das ist ein neuer Verlaufspunkt auch des dramatischen Innenkampfes, der oft, aber keineswegs nothwendig, mit der Ersterscheinung des zweiten Triebes zusammenfällt. Die Eröffnung der Feindseligkeiten im Innenkampfe ist der Augenblick, wo der verrätherische Trieb dem Innenkämpfer den ersten Streich spielt.

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Der dritte nothwendige Augenblick des Innenkampfes ist die Erscheinung des Wahlzwanges. Das ist der erschütternde Augenblick, wo der Innenkämpfer die geschlossene Nothwendigkeit vor sich sieht, entweder den einen oder den andern von den zwei Lieblingstrieben in seiner Seele zu erwürgen. Das Blut stockte mir, als in Weh dem, der lügt" auf der Flucht des Küchenjungen Leon mit dem geretteten Atalus - die Jungfrau Edrita gelaufen kommt und von Leon mitgenommen sein will. Ah! der sein heiliges Werk bis hierher in Reinheit gethan hat, soll sich mit diesem Liebchen belasten, das ihn unfehlbar um seinen besten Ruhm bringen würde! „Um aller Himmel willen, wie kommst Du her?" so muß er die herzlich Geliebte anfahren.

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Die mit der Erscheinung des Wahlzwanges anhebende Phase des Innenkampfes ist offensichtlich die am meisten dramatische. Es ist schade, wenn diese starke Spannung und Erregung so spät (im vierten Aufzuge von fünfen) einsetzt, wie in dem eben angezogenen Beispiele.

Vom Erscheinen des Wahlzwanges an muß der Außengegner alle Hebel in Bewegung bringen, um erst den Hauptverräther in der Seele des Innenfämpfers, dann aber auch nach Kräften die übrigen, drüben thätigen Triebe für sich ins Spiel zu sehen. Preußische Jahrbücher. Bd. CIX. Heft 1.

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Auch das ist wieder ein Grund, daß die Generäle im dramatischen Außenkampfe als gute Psychologen erscheinen müssen. Sie müssen nicht nur ihren Bundesgenossen in der feindlichen Burg kennen, sondern auch alle andern Mächte drüben.

Nicht übel führt Minna von Barnhelm ihren Feldzug. Der Trieb, zu lieben und geliebt zu werden, in Tellheims Seele ist ja von vornherein ihr verbündet, aber sie stellt auch den mächtigsten Trieb im gegnerischen Lager in ihren Dienst, das Ehrgefühl, indem sie schließlich dem Hartnäckigen jene Finte von ihrer Verarmung und Verlassenheit vormacht.

Für jedes Eingreifen des inneren Feindes ist Vortheil für die Erregung

mit großem der Augenblick zu wählen, wo solche Verrätherei jeweilig am fatalsten erscheint.

Der Ausgang des Innenkampfes ist nothwendig der Sieg desjenigen Motivs, das zulezt am stärksten ist. Dieser Ausgang eines Innenkampfes kann zugleich Generalausgang des ganzen Lustspiels sein, nämlich unter der Vorausseßung, daß er den höchsten der gegnerischen Zwecke (vergl. S. 79) erfüllt, die im Stücke überhaupt aufgetreten sind. Sonst aber muß die Erfüllung durch den Außenkampf herbeigeführt werden.

Scheinwerdung des Innenkampfes. Wie wird der Innenkampf wahrnehmbar? Wie können wir insbesondere das durch den Willen niedergehaltene Motiv in Handlungen oder Worten oder Gebärden fämpfen sehen?

Ohne Weiteres sichtbar ist der Innenkampf des komischen Helden, weil die beiden kämpfenden Mächte in seiner Seele, wenn auch nicht zugleich, so doch abwechselnd wollen und handeln dürfen.

In der Seele des sympathischen Innenkämpfers aber, der willentlich nicht schwanken darf – denn Schwanken würde als Schwäche empfunden werden —, kann, abgesehen von der endlichen Richtungsänderung, also fast während des ganzen Spiels nur immer die eine Innenmacht wollen und also sich durch Handlungen oder sonstwie äußern. Wie sehen wir die andere fämpfen?

Erstens in unwillkürlichen Handlungen, Reflerbewegungen. Denn diese können ja unsere Sympathie nicht beirren. Jenes Zufliehen" Tellheims auf Minna (S. 81) ist eine unwillkürliche Handlung. Nun kennen wir die Liebe in seiner Seele, die Verrätherin, und Niemand kann den Braven für die Reflerbewegung seines Gefühls verantwortlich machen. Die äußeren

Erscheinungsformen unserer Triebe mag auch das Genie in Darwins „Ausdruck der Gemüthsbewegungen“ mit manchem Nußen studiren.

Zweitens macht sich der niedergehaltene Trieb in den Reflerbewegungen eines sichtlich auf einen Innenkampf zurückweisenden Leidens bemerklich. Die beiden kämpfenden Motive müssen dann freilich schon bekannt sein. Die ewigen Reflere des Leidens sind Schmerzensschreie, Schluchzen, Ohnmacht, Herenschuß u. s. w.

Drittens kann sich ein geknebeltes Motiv in solchen Handlungen oder Worten äußern, die nur das Dasein des Motivs, aber nicht einen Willen des Innenfämpfers verrathen, seinen Trieb zu befriedigen. Ein Edler, der Grund hätte, seine Liebe vor der Geliebten selbst zu verbergen, könnte dieses Weib doch heimlich zu seiner Erbin einseßen, oder er könnte seinen Gram an eines verschwiegenen Freundes Brust ausweinen und ausklagen oder könnte an seinen Gott ein Gebet um Kraft richten.

Viertens mögen auch Worte anderer Mitspieler den Zuschauer auf wenig auffällige Symptome des heimlichen Triebes hinweisen. So, wenn die Naive einem Verliebten zuriefe: Was hast Du denn für Laternchen in Deinen Augen?

Fünftens endlich, wenn ich nichts vergessen habe, verfügt der Bühnendichter noch über ein ganz anders geartetes Mittel, seelische Mächte zu offenbaren, ein oftbewährtes, spezifisch theatralisches, aber mit großer Vorsicht zu gebrauchendes Mittel: Er kann neben den Innenkämpfer eine andere Figur stellen, welche die eine oder die andere Innenmacht bedeutet, vertritt, vorstellt, welche das edlere oder gemeinere Selbst des Innenkämpfers noch einmal als besondere Gestalt verkörpert, einen Mar Piccolomini neben einen Wallenstein, einen Mephisto neben einen Faust.

Solche Symbolgestalten können entweder als Nebenfiguren oder als nur wenig zurücktretende Gegenspieler erscheinen. Unter allen Umständen aber müssen sie außer ihrem symbolischen ein eigenes Leben führen, und die so symbolisirte Innenmacht muß außer durch die Symbolgestalt auch noch durch andere Mittel, also durch die vorhin genannten, offenbart werden. Sonst würde ja der Zuschauer die Symbolgestalt überhaupt nicht als solche zu erfennen vermögen.

Sind diese Bedingungen erfüllt, dann freilich ist die Symbolgestalt das bei Weitem ausdrucksfähigste Mittel, die unsichtbare Innenmacht restlos in Erscheinung zu bringen. Jezt hat das

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Motiv, das nicht Wille ist, Mund und Hände.

Von selbst versteht es sich wohl, daß eine Symbolgestalt nur für die niedergehaltene Innenmacht einen Zweck hat, die sich nicht selbst durch Handlungen offenbart. Unsinn wäre es, neben einen Tellheim eine Symbolgestalt zu stellen, die das kämpfende Ehrgefühl verkörpern sollte. Dagegen thut neben Macbeth der symbolistische Geist des Banquo die besten Dienste. Hier erscheint und redet das Gewissen, das sittliche Bewußtsein, das dieser Nietzscheaner uns sonst so sichtbar nimmer zeigen würde.

Eine treffliche Symbolgestalt aus dem Lustspielreiche ist die Wittwe Lerche in L'Arronges „Kompagnon", die als Schwiegerpapas gesunder Menschenverstand erscheint und den in seine Tochter allzuverliebten Vater durch Zureden und beschämendes Beispiel zur endlichen Trennung von dem jungen Paare bewegt.

Das lustigste Machtverhältniß.

Jeder Kampf, also auch der dramatische Außen- oder Innenkampf, spannt und erregt den Zuschauer um so gründlicher, je ebenbürtiger an Kraftmenge die Parteien erscheinen, und erweckt um so buntere Lust in ihm, je verschiedenere Arten von Mächten gegeneinander streiten.

Quantitative Machtgleichheit der Parteien. Die Forderung gilt ebenmäßig für Außen- wie Innenkämpfe. So kann uns Eifersucht — die immer und an sich ein Innenkampf zwischen Liebe und Mißtrauen ist nur dann stark erregen, wenn die beiden Triebe etwa gleich mächtig sind. Erschiene einer von beiden als unverhältnißmäßig schwach, wäre Othello nur ein wenig mißtrauisch, oder nur ein wenig verliebt, so müßten wir lau bleiben.

Qualitative Machtverschiedenheit. Die Lust an jedem Kampfe nimmt zu, je verschiedener die quantitativ annähernd gleichen Mächte ihrer Art nach sind. Man denke an den Wettlauf des schlauen Swinegels und des schnellen Hasen, wobei der Swinegel immer Sieger bleibt, weil er seine Frau am andern Ende der Rennbahn aufgestellt hat. Oder an einen Kampf zwischen einem Elephanten und einer flinken Maus, die ihm am Lederpanzer knabbert und ehe der schwerfällige Koloß sich erhoben hat, allemal längst wieder in ihrem Loche ist. Oder an den Kampf zwischen uns und unserem Ungeziefer; wir sind stärker und flüger als eine Laus, aber wir können uns nicht so schnell vermehren. Oder an den kleinen pfiffigen David und den großen dummen Goliath. Der Grund unserer verdoppelten Lust an solchen Kämpfen gleichstarker,

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