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aber verschiedenartiger Mächte ist der, daß in allen diesen Fällen statt zweier Lustquellen gleich viere sprudeln. Und zum Ueberflusse ist jede von diesen je zwei Kräften und zwei Schwächen durch zwei Gegensäte doppelt beleuchtet. Der dumme Goliath kontrastirt nicht nur mit dem großen Goliath, sondern auch mit dem pfiffigen David. Genau dieselben vier kreuz und quer kontrastirenden Lustquellen öffnen sich, wenn in einem Innenkampfe zwei verschiedenartige Triebe sich die Stange halten. Man denke an einen Konflikt — grobe Beispiele sind die besten zwischen wahrer Liebe zur Gattin und dem übermächtig gewordenen Trieb zum Tabakkauen. Heilig hat der gute Mann seiner Eheliebsten versprochen, die unappetitliche Angewohnheit zu lassen, er selbst verabscheut und verflucht sein Laster, aber es ist ein akutes, mit mächtigem Elan sich meldendes körperliches Bedürfniß geworden, während die Gattenliebe eine stolze Tugend ist, die aber jenem Elan nur ihre stille, immer gleichmäßige Wärme entgegenzuseßen hat, und also im Augenblicke der Versuchung immer wieder überrumpelt wird.

Nun soll uns unsere Wissenschaft von den Triebarten (S. 80) zu statten kommen. Die lustigste Luft werden wir immer dann erzeugen, wenn wir in Außen- und Innenkämpfen die heterogensten Triebe gegeneinander schlagen lassen: vorwiegend sinnliche Triebe gegen vorwiegend sittliche, sittliche gegen künstlerische u. s. w. Alsdann: Triebe der Kraft gegen Triebe der Schwäche, erhabene Triebe gegen komische.

Also: In der Auswahl der Parteien für Außen- wie Innenfämpfe hat der virtuose Komödienschreiber die Möglichkeit, in jedem Baare von kämpfenden, annähernd gleichmächtigen Trieben einen doppelten Artgegensaß erscheinen zu lassen: Von den beiden gegnerischen Trieben kann immer der eine dem Zuschauer als Kraft, der andere als Schwäche erscheinen, und außerdem können dieselben beiden gegnerischen Triebe heterogenen Sorten von Trieben angehören; es ist stets ein Verzicht auf die buntere Lust, wenn zwei Kräfte oder zwei Schwächen miteinander kämpfen, oder zwei sittliche Triebe oder zwei intellektuelle oder zwei künstlerische.

Ich will dieses sehr wichtige Gesez vom doppelten Artgegen= saze zwischen den kämpfenden Trieben durch zwei Beispiele stügen, ein vergnügliches, wo beide Kontrastirungsmöglichkeiten ausgenugt sind, und ein halb langweiliges, wo die beiden kämpfenden Triebe in nur einem Gegensaße stehen. Beide Beispiele sind aus Freytags Journalisten, beide sind Innenkämpfe. Der eine ist der

Innenkampf des eitlen Obersten und liebenden Vaters, der gerne Abgeordneter werden und doch auch seine Tochter Ida nicht um ihr Lebensglück bringen möchte, der andere ist der des Prof. Oldendorf, der diese Tochter des Obersten heirathen will und doch auch dasselbe Mandat wie jener ersehnt. Haupttriebe, die in der Seele des Obersten kämpfen, sind seine Eitelkeit und seine Vaterliebe. Sofort erscheint der Doppelkontrast: Eine vorwiegend intellektuelle Schwäche kämpft gegen eine vorwiegend sittliche Kraft. Der Prof. Oldendorf hat keine Schwäche. Liebe und Ehrgeiz dieses Tüchtigen kontrastiren nur als ein vorwiegend sinnlicher Trieb und als ein vorwiegend vernünftiger, aber beide werden als Kraft, als höchst solid, berechtigt, sympathisch empfunden, — wir sehen zwei Tugenden miteinander kämpfen, was unsere verwöhnten Nerven offenbar nicht hinreichend reizt.

Sollen überhaupt einmal in einem Lustspiel zwei als Kraft erscheinende Triebe einen Innenkampf ausfechten (Tellheim), so muß dieser Kampf schon außerordentlich spannen und erregen, um uns über den unbewußt entbehrten Doppelkontrast zu trösten. Und das genau Entsprechende gilt für den Kampf beiderseits etwa sinnlicher, oder intellektueller oder moralischer oder ästhetischer Triebe: Mag auch der eine als Kraft und der andere als Schwäche erscheinen, die qualitative Machtverschiedenheit könnte doch bunter sein.

In der Seele des tragischen Helden — dem ja um der endlichen Erschütterung willen vor Allem die volle Sympathie, die ganze Bewunderung des Zuschauers verbleiben muß — kann freilich niemals eine wesentliche Schwäche als Gegnerin der Kraft auftreten, und daher ist im tragischen Innenkampfe — keineswegs im äußeren! der Kontrast zwischen den Parteien ein einfacher, auf die Heterogonie der Triebe beschränkter.

Die Einheit der Machtfrage.

Vielleicht lächelt irgendein „Genie“ bei dem Worte Einheit. Als ob das eine verächtliche Schulmeisterei wäre. Aber die Einheit jedes Kunstwerks ist durchaus nicht um der Aesthetik willen da, sondern einzig zum höheren Genusse. Je bunter der Schwall von Gefühlen ist, der die Menschenseele bestürmt, um so dringender verlangt sie nach einer Sammlung in dieser Zerstreuung, nach einem Ruhenden, Bleibenden über dem Wechsel. Man erinnere sich nur an das zerflatterte Gefühl, das uns nach einem Einafterabend heimgeleitet. Jenes Bleibende aber kann nichts Anderes

sein, als ein fortklingendes Hauptgefühl, das alle die ein- und ausgehenden Einzelgefühle durchseßt, ordnet und beherrscht. (Lessing, „Hamb. Dramaturgie“, 70. Stück): „Wenn wir Zeugen von einer wichtigen und rührenden Begebenheit sind, und eine andere von nichtigem Belange läuft quer ein: so suchen wir der Zerstreuung, die diese uns droht, möglichst auszuweichen. Wir abstrahiren von ihr, und es muß uns nothwendig ekeln, in der Kunst das wieder zu finden, was wir aus der Natur wegwünschten.“

Mit vollstem Rechte sucht die Poetik seit zweitausend Jahren nach „den“ dramatischen Einheiten. Aber hätte den klaren Aristoteles die Mehrheit seiner Einheiten nicht stubig machen müssen? Ebenso später den Meister Lessing? Eine Dramaturgie wie jede Poetik und jede Artistik —, die von zwei oder drei oder vier Einheiten reden muß, kann vollkommen sicher sein, daß sie die Einheit, ihre Einheit noch nicht gefunden hat.

Die Wesenseinheit aller spannenden Künste, d. h. der Dichtung, der Musik und der Verbindungen dieser beiden, ist die Spannung, also muß die Einheit des Bühnenspiels die dem Bühnenspiel besondere Spannung sein. Da wir nun das Drama als einen Krieg erkannt haben, so brauchen wir nur auf die Frage zu antworten, welche Einheit alle Elemente eines Krieges im Gefühl des Betrachters verbindet, dann werden wir die natürlichste dramatische Einheit besiben. Das aber, was jeden Krieg auf der Welt zur Einheit macht, ist nicht etwa der ununterbrochene Verlauf (Zeit), nicht der Schauplatz (Ort), nicht einmal die Streitsache, denn die Zwecke der Parteien können verschiedene sein, sondern einzig die Frage, wer der Stärkere ist: die Machtfrage. Und also ist die Einheit im dramatischen Genusse das gespannte Gefühl einer einzigen, bestimmten Machtfrage, der Zweifel: Welche von diesen beiden Mächten wird siegen?

Die Machtfrage im dargestellten Einzelfalle. Jeder Kampf entscheidet eine Machtfrage. Hauptmanns „Biberpelz" entscheidet zunächst die Frage, ob diese Diebesbande oder dieser Amtsvorsteher Wehrhahn die stärkere Macht ist.

Jede solche Entscheidung ist für den Zuschauer an sich schon eine Lust. Nämlich: Vom Beginne des Kampfes an bildet er sich ein Urtheil, welche Partei die stärkere ist. Solche Vorantwort des Zuschauers auf die Machtfrage müssen wir durch eine baldige, hinreichend auffällige Kraftäußerung des Wahrhaftstärkeren herbeiführen. Der ganze erste Akt in „Minna von Barnhelm" ist

fast überreichlich gefüllt mit (in diesem Falle sittlichen) Kraftäußerungen des Helden. Nun fängt es an, in unseren guten Seelen zu flüstern: Eine solche Riesenbravheit ist doch die stärkste Kraft in der Welt und ganz besonders vor dem preußischen Throne. Nachher, wenn Riccaut seine „Nouvelle“ vorträgt von „dem Minister da draus in der lange Straß", wird troß des verdächtigen Boten aus dem Flüstern ein Rufen, und bei der endlichen Entscheidung jauchzt es: So mußte es kommen! So richtig beurtheile ich die Welt. So weise bin ich! Diese Lust also ist wesentlich ein Gefühl, ein füßer Wahn eigener Verstandeskraft.

Die in der Entscheidung des dramatischen Krieges sichtbare Antwort auf die Machtfrage ist der Gedanke des Dramas, der also mit absoluter Nothwendigkeit in die Formel eingehen muß: A stärker als B. (Gottvater stärker als Mephistopheles; Schwiegermutter stärker als Emil; Gewissensbisse stärker als Freude an der durch Mord erworbenen Krone.) Ein anderer Gedanke fann nicht dramatische Gestalt annehmen. Wenn es aber wahr ist, daß der Kampf ums Dasein oder der Wille zur Macht die Welt treibt, so müßte ja wohl nach meinem engen Gesetze gerade alles Wichtigste und Herrlichste in die dramatische Form fließen.

Parteinahme des Zuschauers. Brennend, d. h. erregend wird die Machtfrage erst dadurch, daß der Zuschauer für das eine oder andere Motiv möglichst leidenschaftlich Partei ergreift. Und irgendwie ergreift er immer Partei, sowohl den äußeren wie den inneren Kämpfen gegenüber, denn nothwendig muß ihm von den zwei auftretenden Zwecken der eine sympathischer, triebgemäßer sein als der andere. Für den höheren, d. h. weiterzielenden Zweck ergreift er mit dem Dichter Partei.

Die Parteinahme des Zuschauers ist klar zu scheiden von seinem Urtheil über das Machtverhältniß, er ist sehr gern aber feineswegs grundsätzlich auf der Partei des Stärkeren. Der Satire gegenüber schlägt sein Herz für den Schwächeren, dem nichtsatirischen Lustspiel gegenüber fühlt er sich zu seiner großzen Genugthuung auf der sieghaften Seite. Man könnte aus diesem Gesichtspunkte die Lustspieldichtung in pessimistische und optimistische eintheilen. Die Satire ist ein pessimistisches Lustspiel. Aus diesem einzigen Grunde bringen mißvergnügte Dichter und mißvergnügte Zeiten nur immer satirische Lustspiele aufs Theater. Keineswegs etwa an sich pessimistisch ist die Tragödie. Mit der Erschütterung, die ihr wesentliches Ziel ist, kann die glühendste optimistische Lust ver

bunden sein. Wo eine Kraft erscheint, die für einen erhabenen Zweck zu sterben vermag, in einer solchen Menschheit zu leben ist lauter Freude. Die Tragödie spannt wohl nothwendig viel stärker durch den Innenkampf als durch den äußeren. Bei diesem Innenkampfe aber ist der Zuschauer auf der Partei des stärkeren Motivs.

Die Machtfrage als Problem. Jeder vorgestellte Kampf, also die Kämpfer, ihr Verhältniß zueinander und der Kampfesverlauf, kann mehr oder weniger als bedeutsam, typisch, mikrofosmisch empfunden werden. Das heißt, das Vorgestellte kann den Zuschauer an draußen Erfahrenes, Gedachtes, vielleicht auch nur unbestimmt Gefühltes erinnern. Ein dramatisches Problem ist eine Machtfrage, die über den vorgestellten Fall hinaus die Gemüther erregt. Wenn und insoweit die Empfindung des Bedeutens sich einstellt, wird auch die Machtfrage gleichzeitig bedeutsam. Wenn wir dem Kampfe der Wolffen mit dem Amtsvorsteher Wehrhahn beiwohnen, so fragen wir nicht nur, ob sie oder er stärker ist, sondern wir fragen im Sinne des jungen Hauptmann zugleich: Ist die streberhafte, verlotterte, schwachköpfische preußische Regierung dem lieben pfiffigen Lumpenpack an der Spree überhaupt gewachsen? In der individuellen Machtfrage: „Wer ist stärker, dieser Stier oder dieser Torrero?" brennt zugleich die typische, das Problem: Was ist stärker, Muskelkraft oder Gewandtheit? Und wenn wir dem Innenkampfe Gretchens zusehen, so steigt das Problem vor uns auf: Was ist stärker, die Sittsamkeit oder das Fleisch?

Die Freude an den Problemen entspringt dem angeregt befriedigten Selbstvollendungsbedürfniß, was Fechner (I, 77) sehr schön mathematisch ausdrückt: „Nach Maßgabe, als der Geist höhere Beziehungen fassen lernt, empfindet er auch ein stärkeres Bedürfniß, sich mit solchen zu beschäftigen und wird bei Vermissen derselben leichter gelangweilt.“ Wir erlösen den Zuschauer von seinen Sorgen, indem wir seinen Blick auf größere Sorgen richten. Während Goethe am Faust arbeitete, schrieb er (Brief vom 27. Juni 1797) an Schiller die wundervoll nüchternen, echten Artistenworte: „Ich werde sorgen, daß die Theile anmuthig und unterhaltend sind und etwas denken lassen." Mit so wenig Respekt vor dem Gedanken konnte einer ein Werk dichten, das von allen allerheiligsten Problemen der Menschheit gesättigt ist.

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