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herabseßungen, Verkürzung der Arbeitszeit mit entsprechendem Lohnausfall, Aussperrungen und dergl. sind bei unseren deutschen Kartellen nicht selten. Von den Trusts hingegen haben die Sachverständigenvernehmungen ergeben, daß bei nahezu allen Trusts die Löhne nach dem Eintritt der Vertrustung hinaufgesetzt worden sind. und daß die Trusts in der Regel den Arbeiterorganisationen gegen= über sich nicht feindlich verhalten. Die Gewerkschaften in den Vereinigten Staaten werden in der Regel von den Trusts an= erkannt, wie denn überhaupt jede freie Organisation in Amerika ihre Anerkennung findet. In Deutschland aber sind die Kartelle von jeher die Feinde der Gewerkschaften gewesen und haben sie in den meisten Fällen als zur Verhandlung gleichberechtigte Faktoren. nicht anerkannt. Indessen ist es selbstverständlich, daß auch der Trust eine größere Macht über die Arbeiter hat als der Einzelbetrieb und es wird nothwendig sein, sich nach Mitteln umzuschauen, welche etwaigen sozialen Uebergriffen der Trusts ein Paroli bieten können. Wir wollen drei solcher Mittel ins Auge fassen.

Das erste ist die Koalition der Arbeiter. Den Arbeitern ist ein unbedingtes und unbegrenztes Recht auf Zusammenschluß zu gewähren. Alle Versuche, in das Koalitionsrecht der Arbeiter einzugreifen, müssen vom Staat energisch zurückgewiesen werden. Ist es den Arbeitern möglich, auf diese Weise eine machtvolle Organisation zu schaffen, so wird es ihnen leichter werden, zu befriedigenden Verhandlungen mit den Trusts über alle Arbeitsverhältnisse zu gelangen. Ja, unter solchen Umständen wird es den Arbeitern lieber sein, mit einigen großen impersonellen Trusts zu verhandeln, als mit einer Unzahl von kleinen Unternehmern, da in ersterem Falle sich die Verhandlungen weit glatter abspielen werden als in letterem.

Es hat sich gezeigt, daß das soziale Verantwortlichkeitsgefühl weit größer ist bei nicht physischen Personen als bei persönlichen Unternehmungen, und die Geschichte der amerikanischen Trusts hat gelehrt, daß die Trusts ganz von selbst den Arbeitern Rechte eingeräumt haben, ohne dadurch eine Schädigung ihres Betriebes erfahren zu haben. Dank der außerordentlichen Produktionsersparniß, welche der Trust macht, ist er im Stande, für Arbeitslöhne und für sozialpolitische Aufgaben gegenüber seinen Arbeitern weit mehr aufzuwenden als dieses den Kartellen möglich ist. Das Kartell sieht in dem Arbeiter stets nur das theuere Produktionsmittel, welches seine Produktionskosten belastet und damit den Unter

nehmergewinn schmälert, der Trust hingegen sieht in dem Arbeiter seinen thatkräftigsten Mitarbeiter, der ihm hilft, die Produktion zu verbilligen, den Absaß auszudehnen und damit den Unternehmergewinn wiederum zu steigern, an dem der Arbeiter selbst auf dem Umweg über den Arbeitslohn seinerseits Theil zu nehmen berechtigt ist.

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Das zweite Moment ist ein ökonomisches, nämlich der Umstand, daß mit der Vertrustung der Industrie eine theilweise Vergesellschaftung des Kapitals vor sich geht, indem das Trustkapital in der Form von Shares und Bonds durch die Bevölkerung zu rinnen im Stande ist und nach den bisherigen Erfahrungen auch wirklich rinnt. Eduard Bernstein hat in letzter Zeit unter Beibringung von Zahlenmaterial aus englischen Verhältnissen darauf hingewiesen, wie außerordentlich günstig durch eine derartige Entwicklung die Einkommensvertheilung beeinflußt wird. Er hat angeführt, wie von fünf großen britischen Brauereien die Aktien und Obligationen sich zusammen auf etwa 27 000 Personen vertheilen. Anschließend hieran schreibt Bernstein in seiner kleinen Schrift Die heutige Einkommensbewegung und die Aufgabe der Volkswirthschaft" *): Diese Brauereien haben vielleicht bei ihrer Gründung und im Laufe ihrer Entwicklung einige hundert fleinere und mittlere Brauereien theils angekauft, theils einfach bei Seite geschoben. Wer also die Statistik nur der Brauereien nachliest, der findet eine große Konzentration, eine Abnahme der Zahl der Unternehmungen. Daß aber die Zahl derjenigen, die aus dem Ertrage des Braugewerbes größere Einkommen beziehen, zur selben Zeit nicht nur nicht abgenommen hat, sondern noch gewachsen ist, zeigt die vorerwähnte Zahl der Vertheilung des Aktienkapitals und der Obligationen. „Dadurch wird ein immer größerer Theil der Bevölkerung an der Produktion selbst interessirt und erhält wenigstens einen theilweisen Einfluß auf die Produktion.“ Bernstein glaubt nun allerdings nicht, daß diese Ausbreitung des Wohlstandes nach unten hin so weit fortschreiten werke, um die sozialistische Aenderung unserer Wirthschaftsordnung überflüssig zu machen. Er glaubt vielmehr, daß in den Bestrebungen, die Profitrate nicht weiter sinken zu lassen, ein starkes Gegengewicht gegen die Ausdehnung des Wohlstandes nach unten hin gegeben. sei. „Solche Kräfte, sagt er, die Profitrate künstlich auf einer

*) Berlin 1902.

gegebenen Höhe zu halten, sind vor Allem die kapitalistischen Trusts und Syndikate." Bernstein vergißt dabei, daß, wenn die Antheilscheine an der Produktion sich in der Bevölkerung vertheilen, der zugehörige Antheil des Profits nachfolgt. Zweitens sieht er aber auch nicht den Unterschied, der sich zwischen Trust einerseits und Kartell andererseits aufthut. Gewiß suchen wohl beide die Profitrate hochzuhalten, aber das Kartell sucht dies zu erreichen durch künstliche Preisfestseyungen, der Trust aber durch bessere und billigere Produktion, welche der Allgemeinheit zu Gute kommt.

Wenn deshalb Bernstein schreibt: „In dem Augenblicke aber, wo das Kapital durch Syndikate die Konkurrenz aufhebt und sich eine zunftartige Daseinsform giebt, und zwar zunftartig im Sinne der verfallenden, reaktionären, den Fortschritt hemmenden Zunft, hebt es darnach einen der Hauptfaktoren seiner geschichtlichen Eristenzberechtigung wieder auf. Gerade das, was das Syndikat sich zum Ziel seßt, spricht dem Kapitalismus geschichtlich das Todesurtheil“, so trifft dieses lediglich die Kartelle, nicht aber die Trusts. Glaubt Bernstein also, daß die Kartellentwicklung unserer Tage den Sozialismus nothwendig mache, so ist das unrichtig, sie zeigt uns lediglich, daß diese Kartellentwicklung eine verkehrte ist und daß wir zu einer Trustentwicklung fortschreiten müssen.

Betrachtet man eine solche Entwicklung, so ist die Möglichkeit sehr gut denkbar, daß Arbeiterorganisationen durch kollektive Erwerbung von Trustantheilscheinen auf die Verwendung des Kapitals direkten Einfluß erhalten. Jedenfalls aber ist diese Entwicklung eine für den Arbeiter weit günstigere, als wenn das Kapital im Privatbesig einzelner Großindustrieller und ihrer Familien bleibt.

Das dritte und ausschlaggebende Moment ist ein rein politisches und liegt in dem allgemeinen gleichen Stimmrecht. Wir sehen schon heute in Amerika die Erscheinung, daß die Trusts schon deshalb ein gutes Einvernehmen mit ihren Arbeitern anstreben, damit nicht einmal auf Grund des allgemeinen gleichen Wahlrechts die politische Gesetzgebung sich scharf gegen die Trusts wenden fönnte.

In der That dürfen wir in Deutschland angesichts der glänzenden ökonomischen Erfolge der Trusts uns nicht verheimlichen, welch eine ungeheure und stets wachsende Erregung sich in der amerikanischen Bevölkerung gegen die Trusts geltend macht. Das Bemerkenswerthe dabei ist, daß diese Erregung nicht immer hervorgerufen ist durch

die Lohn- und Preispolitik der Trusts, sondern in erster Linie durch das lastende Gefühl, daß hier innerhalb des Staatswesens Organisationen entstanden sind, die die Grundlagen des Staatswesens aus eigener Macht heraus nach ihrem Willen zu verändern in der Lage sind. Der Amerikaner, der allen gesetzlichen Eingriffen in die private Thätigkeit abhold ist, sieht hier, wohin eine solche Politik führen kann, die bei voller Freiheit des Individuums doch eine große Zahl von Menschen in direkte Abhängigkeit kapitalistischer Organisationen bringt.

Ein Beispiel aus der jüngsten Zeit mag dies illustriren. In einer Stadt der Vereinigten Staaten von etwa 40 000 Einwohnern hat der Stahltrust eines seiner Werke, von dessen Arbeit circa 25 000 Einwohner der Stadt mehr oder weniger unmittelbar abhängig sind. Die Arbeiter des Werkes proklamirten, um bessere Lohnbedingungen zu erlangen, die auf dem Wege der Verhandlungen nicht zu erreichen waren, den Ausstand. Und da kommunalpolitisch die Stadt von der numerisch ausschlaggebenden Arbeiter= bevölkerung beherrscht wurde, so konnten die Ausständigen auf die stillschweigende Unterstüßung des städtischen Bürgermeisters, der von ihnen gewählt war, rechnen. Derselbe that auch sein Möglichstes, um den Arbeitern zu helfen und sorgte u. A. dafür, daß, als seitens der Fabrikleitung Polizeimannschaften erbeten wurden, dieselben außerhalb der Stadt waren, so daß die Fabrikleitung nicht in der Lage war, einige Ausschreitungen der Ausständischen zu verhindern. Als nun in diesem Stadium der Fabrikleiter, Mitglied des Trustdirektoriums, von einem Journalisten interviewt wurde, machte er seinem Zorn über dieses Verhalten des Stadtoberhauptes Luft und äußerte u. A., wenn die städtischen Behörden nicht Ordre parirten, so würde der Trust eben einfach das ganze Werk aus der Stadt fortnehmen, und die 25 000 Menschen, welche von dem Werk abhängig seien, könnten dann zusehen, wo sie blieben. Dieses Wort wurde bekannt und verursachte eine ungeheure Erregung. Da gab es also einen Menschen im freien. Amerika, der über das Schicksal einer ganzen Stadt von 25 000seiner gleichberechtigten Mitbürger entscheiden konnte. Und wenn auch das Trustdirektorium mit der Mißbilligung dieses Ausspruches ihres Kollegen nicht zurückhielt, so war doch die Möglichkeit ganz deutlich vor Augen gerückt, daß der Trust einmal so vorgehen könne, wie es jener Fabrikleiter im Zorn ausgesprochen.

Diese Geschichte ist außerordentlich lehrreich. Sie zeigt einmal, daß, wenn es nicht gelingen würde, Abwehrmittel gegen solche Uebergriffe der Trusts zu finden, jene vielleicht Recht haben, welche sagen: Dann lieber keinen Trust. Und sie zeigt andererseits, daß es nicht genügt, die politische Herrschaft in den Kommunen zu haben, um den Trusts zu begegnen, sondern daß die Machtmittel des ganzen Staates angewandt werden müssen, um die Trusts in Schranken zu halten. Wie weit dies in den Vereinigten Staaten möglich ist, braucht uns nicht zu tangiren. Für uns ist die Frage lediglich die: Würde der deutsche Staat im Stande sein, solchen Auswüchsen der Trusts zu begegnen? Die Antwort darf hier zuversichtlich lauten.

Der Staat hat in Deutschland nicht nur ganz andere politische Machtmittel als in den Vereinigten Staaten, er hat auch ganz andere ökonomische Machtfaktoren in Händen. Die völlig zersplitterte und unter den einzelnen Staaten differirende innerpolitische Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten trifft für Deutschland nicht zu. Bewahren wir in Deutschland das allgemeine gleiche Stimmrecht, so wird es nicht schwer fallen, durch reichsgesetzliche Maßnahmen Uebergriffe der Trusts zu verhindern. Eine fortschreitende Sozialpolitik, eine die nicht physischen Personen entsprechend heranziehende Steuerpolitik, eine den Bedürfnissen praktisch angepaßte Verkehrspolitik, eine vernünftige Zollpolitik und vieles dergleichen mehr sind wirksame Mittel, um etwaigen Uebergriffen der Trusts von vornherein die Spize abzubrechen. Ein besonders glücklicher Umstand ist dabei namentlich der staatliche Besitz der Verkehrsmittel, Eisenbahnen und Kanäle. Auch in Amerika würden die Trusts sich nicht schrankenlos haben entwickeln können, wenn der Staat einheitlich wenigstens über die Verkehrsmittel verfügte. Die völlige Ohnmacht allein der zentralen Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten, in politischer wie ökonomischer Hinsicht, haben die Auswüchse der Trusts ermöglicht. In Deutschland werden wir im Stande sein, dank unserer großen zentralen Staatsgewalt, die Trusts in einer für die Allgemeinheit förderlichen Weise zu reguliren.

Steht somit den sozialen Gefahren der Trusts Deutschland verhältnißmäßig günstig gegenüber, so dürfen wir uns umsoweniger abhalten lassen, die ökonomischen Vortheile der Trusts uns zu eigen zu machen, d. H. an die Stelle der Kartells die Trusts zu sehen.

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