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wort, die zum Materialprinzip des Protestantismus geworden ist, drängte wegen ihres Widerspruches mit der kirchlichen Vergangenheit zur Behauptung der alleinigen Autorität der heiligen Schrift, die sich später zum Formalprinzip des Protestantismus verdichtete. Zur Ausbildung eines innerlich einheitlichen Religionssystems ist er nicht gekommen; er hat genug Grundanschauungen des Katholizismus beibehalten, um von den liberalen Protestanten der Gegenwart als Führer und religiöse Autorität direkt abgelehnt zu werden."

Als Döllinger im Jahre 1850 seine Lutherskizze entwarf, stand an der Spiße des kontinentalen Protestantismus Friedrich Wilhelm IV., ein Halbtheolog, der immer wieder der Versuchung erlag, auch Angelegenheiten, die nach protestantischer Anschauung rein staatlicher Natur sind, kirchlichen Gesichtspunkten zu unterwerfen. Kein Wunder, wenn sich unter solchen Umständen die Kontroverse über den eigentlichen Sinn und die innere Berechtigung des Reformationswerkes innerhalb des beschränktesten Horizontes abspielte. Kein Wunder auch, wenn dabei von einem Verständniß für die historische Nothwendigkeit der konservativen sowohl wie der fortschrittlichen Richtung im religiösen Kulturprozeß der Westarier gar nicht die Rede sein konnte. Die großen politischen Ereignisse der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben neue, außerordentlich erweiterte Horizonte geschaffen, denen gegenüber sich die Maßstäbe der früheren geistigen Kleinstaaterei als ganz unzulänglich erweisen. Mit vollem Recht will Ehrhard ein bedeutsames Zeichen der Zeit darin erblicken, daß in einer Wiener Studentenversammlung, die nach Tausenden zählte und deren erdrückende Mehrheit Söhne katholischer Familien waren, die Worte: „Wir Deutschen haben nur drei große Namen, Luther, Goethe und Bismarck" mit órausendem, lang anhaltendem Jubel aufgenommen wurden. Das germanische Rassegefühl ist lebendig geworden und damit auch Abneigung gegen Alles, was in unserem nationalen Leben als undeutsch empfunden wird. Wie unflar immer an sich das Verlangen nach einer „germanischen Religion" sein mag, immerhin trägt das Auftreten dieser Forderung dazu bei, die Aufmerksamkeit auf die Thatsache zu lenken, daß Luthers Werk nicht bloß eine Reform des religiösen Lebens, sondern ganz wesentlich eine Erweckung und Erneuerung des nationalen Geistes der Deutschen gewesen ist. Auch in der katholischen Geschichtschreibung kann man nicht umhin, das Lutherthum im Zusammenhang mit dem ganzen

Zeitalter der Reformation zu erfassen und in allen seinen Beziehungen zum politischen, zum politischen, zum nationalen und allgemein kulturellen Leben des deutschen Volkes darzustellen.

Die Kräfte, sagt Ehrhard, denen die Reformation als Gesammterscheinung ihren thatsächlichen Erfolg zu verdanken hatte, lassen sich auf vier zurückführen: die religiös-kirchliche, die nationale, die politische und endlich die allgemein kulturelle. Die religiöskirchliche bietet der Betrachtung eine doppelte Seite. Nach der negativen Seite war es die mangelhafte Vertretung des katholischen Gedankens durch die konkreten Organe der Kirche, welche den Reformideen in den breiten Schichten des Volkes den Boden bereitete. Lange vor Luther rief man nach einer allgemeinen Reform der Kirche an Haupt und Gliedern, und da die Konzilien sich unfähig zeigten, diesem Verlangen zu genügen, so verbreitete sich in immer weiteren Schichten eine radikale Stimmung. Die lutherische Reform gewann die ernsteren Geister durch Hervorkehren des Wesenhaften in der Religion. „Die Auffassung, daß Glaube und h. Schrift höher stehen, als die vielfältigen Frömmigkeitsäußerungen, mußte Jedermann einleuchten." Nach diesem Say, der beinahe wie eine unbedingte Anerkennung der sittlich-religiösen Ueberlegenheit des Lutherthums klingt, wird, wie um den Katholiken nun auch eine Genugthuung zu geben, die alte, uns schon von Döllinger her bekannte Insinuation hinzugefügt, daß Luthers Lehre sich der Masse empfohlen habe durch Herabstimmung des christlichen Lebensideals. Der Bequemlichkeit in der Religion sei die Lehre von dem alleinseligmachenden Glauben weit entgegengekommen, während die von der alten Kirche geforderten Werke unter Umständen hohe Anforderungen an den thatkräftigen Willen stellten.

Die zweite, die nationale Kraft lag in dem Gegensaße des germanischen Geistes zu dem romanischen und römischen, sowie in dem Streben nach kirchlicher Selbständigkeit. Es unterliegt keinem Zweifel, sagt Ehrhard, daß, wie alle übrigen Anlagen der verschiedenen Völker, so auch die religiöse ein eigenthümliches nationales Gepräge besitzt, das auf die Verwirklichung des christlichen Lebens nicht ohne Einwirkung bleiben konnte. Die Germanen erhielten das Christenthum durch die Vermittlung der christlichen Römer und geriethen dadurch in eine intensive kirchliche und kulturelle Abhängigkeit von Rom. Je mehr aber der Kulturstand sich hob, desto schärfer trat die Eigenthümlichkeit der religiösen Sinnesart

der Germanen zu Tage. Mit Luther trat das nationale Bewußtsein in einen wesentlichen Gegensatz zur katholischen Kirche. Er brachte seinen Unwillen gegen Rom in seiner drastischen Weise immer wieder zum Ausdruck; er drang auf nationale Kirchenbildung, auf nationale Kultussprache, und dieser nationale Geist hat den Protestantismus von Anfang an beherrscht. Deutsche Theologie, deutsche Kirche, deutsches Christenthum, der Ultramontanismus als Erbfeind des Deutschthums, das waren damals und sind noch heute die Schlagwörter, die immer wieder die auseinanderstrebenden protestantischen Kreise einigen und gegen den gemeinsamen Feind zum gemeinsamen Kampf führen.

Die nationale Bewegung hätte indessen nicht genügt, um die firchliche Revolution des 16. Jahrhunderts ins Werk zu sehen, wenn nicht die politische Lage in hohem Maße fördernd hinzugetreten wäre. Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war in Deutschland eine starke partikularistische Bewegung im Gange, als deren Träger die deutschen Fürsten und die freien Städte mehr und mehr hervortraten. Unter der Regierung Kaiser Karls V. verschlechterten sich die politischen Verhältnisse in hohem Grade. Den Bestrebungen der Fürsten kam die lutherische Reformpartei weit entgegen. Die Annahme und Vertheidigung des Lutherthums bedeuteten zugleich die Ausübung des Rechts selbständiger Entscheidung, die Unabhängigkeit von der kaiserlichen Gewalt, die Vermehrung der territorialen Macht. Sie bedeuteten aber auch die Vermehrung des fürstlichen Reichthums; denn die Kirchengüter wurden von den Reformatoren den Fürsten und freien Städten zugesprochen. So trat die lutherische Reform in einen innigen Bund mit realen Mächten, die bereit waren, mit dem materiellen Schwert ihren Sieg zu fördern.

Bei Erwähnung des vierten dem Sieg der Reformation günstigen Moments, der damaligen kulturellen Zustände, kommt Professor Ehrhard wiederum auf Luther zu sprechen, indem er sagt: Ein weiteres Element lag in der Persönlichkeit der Reformatoren selbst, an deren Spize Luther einhergeht. So sehr man ihr Werf beflagen muß, es kann nicht geleugnet werden, daß sie große Ziele verfolgten mit erstaunlicher Energie und unter Anwendung gerade jener Mittel, welche zur Erreichung ihrer Zwecke am besten geeignet waren: Einflußnahme auf das Volk, volksthümliche Sprache und volksthümlicher Ton, Verbindung mit den realen Mächten. Diese Preußische Jahrbücher. Bd. CX. Heft 1.

Vorzüge finden sich bei den Anhängern der alten Kirche vielfach nicht, gerade dort nicht, wo sie am nothwendigsten waren, bei den deutschen Bischöfen.

Man wird schwerlich sagen können, daß in diesen Aeüßerungen über den Reformator und das Werk der Reformation irgend etwas Gehässiges sich bemerkbar mache. Dieselbe Anerkennung verdienen aber so ziemlich alle während der lezten Jahre erschienenen, aus der Feder katholischer Schriftsteller herrührenden geschichtlichen Darstellungen aus dem Reformationszeitalter. Es lohnt der Mühe, sich nach den besonderen Gründen dieser Hinneigung zur Objektivität näher umzusehen. Besonnene, durch wissenschaftliches Streben und politische Einsicht hervorragende Katholiken vor Andern muß hier Freiherr von Hertling genannt werden - haben erkannt, daß der Katholizismus, wenn er wieder als soziale Macht ersten Ranges sich seinen Play erobern wolle, vor Allem den Vorwurf der geistigen Rückständigkeit und Kulturfeindlichkeit zu entkräften suchen müsse. Daher ein eifriges Bemühen, namentlich auf den Gebieten des Staatsrechts, der Politik und der Geschichte mit den besten wissenschaftlichen Leistungen der Protestanten in Wettbewerb zu treten. Die wissenschaftliche Ebenbürtigkeit ist den kirchentreuen Katholiken bisher vornehmlich aus dem Grunde bestritten worden, weil ihre geistige Bewegungsfreiheit durch äußere Rücksichten auf die kirchliche Autorität und die Vorurtheile der blinden Volksmasse in einer den Begriff der Wissenschaft aufhebenden Weise gehemmt und eingeengt sei. Wir haben hier nicht die Frage zu erörtern, inwieweit und auf welchen Gebieten die Denk- und Redefreiheit der Katholiken eine eingeschränkte bleiben muß, da die Kirche, ihrem Prinzip gemäß, keine Erörterung von Fragen gestatten kann, die sie ein für allemal und endgiltig beantwortet hat, — hier fam es nur darauf an, auf den Einfluß hinzuweisen, den das Streben nach wissenschaftlicher Ebenbürtigkeit auf Geist und Tonart der katholischen Geschichtsliteratur ausüben muß. Im Wesen der römisch-katholischen Kirche ist es auch begründet, daß politische Konstellationen von historischer Tragweite und Bedeutung sich im Geist der von ihr beeinflußten Literatur viel rascher und stärker bemerkbar machen als anderswo. Die parlamentarische Stellung. des Zentrums in Deutschland, das Ueberschäumen des deutschnationalen Geistes in Oesterreich erheischen gebieterisch von Allen, die das Interesse der katholischen Kirche in verständiger Weise

wahrnehmen wollen, mit peinlicher Vorsicht jede Aeußerung zu vermeiden, welche die staatliche oder nationale Gemeinbürgschaft stören und schwächen könnte.

Dieser konziliatorische Geist und das Streben nach Objektivität tritt besonders deutlich in den Ergänzungen hervor, welche das bekannte Janssensche Geschichtswerk durch eine Reihe geschichtlicher Monographien erfährt, welche unter der Leitung des Innsbrucker Professors Ludwig Pastor erscheinen. In allen diesen Schriften tritt die Tendenz in den Vordergrund. den Nachweis zu liefern, daß die katholische Kirche Deutschlands zu Beginn des sechzehnten. Jahrhunderts keineswegs in dem Maße ihrer hohen Aufgabe entfremdet und zur Erfüllung ihres göttlichen Amtes unfähig gewesen sei, wie das häufig angenommen wird. Nicht bloß viele fromme und gelehrte Männer, sondern auch eine Anzahl wahrhaft reformatorischer Geister konnte die Kirche die Ihrigen nennen. Wenn es sich bloß darum gehandelt hätte, die unter den Geistlichen eingerissene Sittenlosigkeit durch strenge Zuchtmaßregeln zu beseitigen und eine Anzahl schreiender Mißstände in der Einrichtung und Verwaltung der Kirche abzustellen, so war vielleicht die Möglichkeit vorhanden, ein Reformwerk durchzuführen, durch welches der kirchlichen Sezession vorgebeugt und die Glaubenseinheit erhalten wurde. Aber die einzige, gerade von katholischen Geschichtschreibern, wie Döllinger, Ehrhard u. A., hervorgehobene Thatsache, daß die Reformation Luthers nicht von einer Kritik kirchlicher Lehren oder Einrichtungen ausging, sondern anhub mit dem Bekenntniß zu einer ganz neuen Auffassung des Verhältnisses, in welchem der endliche Mensch zu Gott, dem Unendlichen und Allheiligen, steht, diese Thatsache beweist, daß keine wie immer geartete Reform, die das Prinzip der römischen Kirche unangetastet gelassen hätte, dem deutschen Geist und Gemüth hätte genügen können. Das Auftreten Luthers war das Signal zu einer großen Befreiung zunächst des deutschen Geistes, einer Befreiung, die nicht länger hintangehalten werden durfte, wenn der deutsche Geist nicht durch die Fremdherrschaft der damaligen Kirche gänzlich unterdrückt und erstickt werden sollte. Luther, sagt Goethe mit ebenso schlichtem als treffendem Wort, hat uns geistig erst auf unsere eigenen Füße gestellt. Daß jeder Fortschritt der Menschheit, jede geschichtliche Errungenschaft auf der anderen Seite auch eine Einbuße zur Folge hat, ist heute ein Axiom der historischen Wissenschaft. Wir brauchen uns also nicht weiter beirren zu lassen durch die von katholischer Seite

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