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Kommunalvertretung, von sich, aus eigener Machtvollkommenheit, im offiziellen Puschkintaumel und besonders noch, nachdem der russische Landwirthschaftsminister den Badeort mit seinem Besuch beehrt hatte, die Hauptverkehrsstraße, die Johmenstraße", in Puschkinstraße" umgetauft. Der Badeort Majorenhof befindet sich aber auf privatem Grund und Boden, und zwar gehört dieser zum Fideikommiß Nurmhusen in der Nachbarprovinz Kurland. Der Besizer dieses Fideikommisses, eiy Freiherr von Fircks, nahm keinen Anstand, obgleich er nicht nur baltische, sondern als Großgrundbesizer jogar russische Ehrenämter bekleidet, gegen den Polizeimeister wegen Ausübung unbefugter Handlungen auf fremdem Grund und Boden flagbar zu werden. Und das Gericht entschied zu Gunsten des Klägers. Die Straßenschilder mit dem Namen „Puschkin“ mußten nach Jahr und Tag wieder entfernt werden!

Man kann ja freilich nationale" Kämpfe um Straßen- und Ortsnamen, wie sie jest in Ungarn vor sich gehen, gleich wie den Streit um Schilder und Embleme von der lächerlichen Seite auffassen. Der Polizeimeister Wlassowsky, eine Russifizirungskreatur echt asiatischen Kalibers der sich übrigens als Moskauer Polizeimeister durch die bekannten Krönungsvorgänge, wo Hunderte von Menschen erdrückt wurden, den Hals brach -, ließ in Riga dem vergoldeten Adler über der Thür eines der ältesten Gasthäuser, dem Hotel zum „Goldenen Adler", einen zweiten" Kopf aumachen, weil der russische Adler zwei Köpfe hat und der einköpfige Adler ihm ein hochverrätherisches Abzeichen „preußischer" Gesinnung zu sein schien Das war gewiß komisch, zumal das corpus delicti jahrelang über der Hausthür an der Großen Alexanderstraße, gegenüber dem Hotel Frankfurt a. M., zu sehen war, und mit dem schief angefeßten zweiten Kopf die Spottjucht der Vorübergehenden herausforderte!

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Die im Ganzen jovial angelegten Balten lachen daher über solche und ähnliche Kampfmittel, und bei dem Galgenhumor, der sich nachgerade bei ihnen doch auch eingestellt hat, werfen sie der in den Gegnern erwachten nationalen „Bestie“ ab und zu auch einen Nageknochen vor. So kann man das mit den freiwillig dem russischen Sprachschatz entnommenen Straßennamen sich theilweise jedenfalls erklären. Als vor etwa anderthalb Dezennien ein Gedenktag des russischen Dichters Gontscharow gefeiert wurde und die kommende Ruffifizirung bereits ihre ersten Schatten vorauswarf, da war man noch so naiv, eine Straße gleichfalls in einem Badeort, in Dubbeln, nach diesem Dichter zu benennen und glaubte damit allen Ernstes einen Beweis grenzenlojer Loyalität gegenüber der Regierung, Sympathie für die russischen Dichter und wer weiß was, erbracht zu haben, durch die man die rabiate russische Presse endgiltig befriedigt hatte. Mögen politische Naivität mit einer gewissen Ultstimmung zusammen dabei wirkjam gewesen sein. Aber Alles hat seine Zeit. Damals war eine solche Stimmung, aus der heraus man handelte, zu entschuldigen. Heute geht es den Deutschen aus Leben. Und wenn in den alten deutschen Städten der baltischen

Provinzen nach und nach eine Straße nach der andern russische Dichternamen erhalten sollte, so würde das allerdings nicht des komischen Beigeschmacks entbehren, aber doch auch seine ernste Kehrseite haben. Die Balten meinen, solche Aeußerlichkeiten thun nichts zur Sache. Sie müssen aber nach und nach lernen, auch mit äußeren Mitteln ihren nationalen Kampf zu unterstüßen und nicht in vornehmer, geistiger Ueberhebung auf ihre sittlichen Lebenskräfte, auf die Ueberlegenheit ihrer Kultur pochen. Es sind heut zu Tage nicht nur minderwerthige Völker, die das, was ihnen an geistig-sittlicher Kraft im ehrlichen nationalen Wettbewerb der Völker fehlt, durch brutale Gewaltmittel zu ersehen suchen. Die Balten können sich hier ein Beispiel an dem lieben Mutterlande nehmen, wo von sittlichen Lebenskräften im nationalen Wettkampf auch nicht mehr die Rede ist! Aber das ist es eben, die Balten sind immer mehr und mehr abgesperrt worden vom Mutterlande, so daß sie in der Entwicklung mit demselben nicht gleichen Schritt gehalten haben. Sie sind zurückgeblieben, stehen= geblieben auf dem Standpunkt des antiquirten Deutschthums, das noch kraft seiner Lebenskräfte überall zu siegen, überall zur Herrenrolle berufen zu sein wähnte, wo es nur hinfam!

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Doch fehren wir nach Dorpat und seiner neuen Shukowski: straße“ zurück. Obgleich die Stadtverordneten Dorpats es in der Hand hatten, der Anregung der Universitätsverwaltung auch keine Folge zu leisten, so befand sich Dorpat bezüglich seiner Straßentaufe immerhin in einer anderen Lage als Riga. Dorpat ist nämlich die einzige baltische Stadt, die wirklich in Beziehung gestanden hat zu demjenigen russischen Dichter, den sie in gedachter Art ehren sollte. Shukowski hat in den Jahren 1815 und 1816 in Dorpat und zwar in der Blumenstraße gewohnt. Und, was noch mehr ist, er war ein warmer Freund des baltischen Deutschthums. Viel will das Leytere freilich insoweit auch nicht sagen, als Shukowski überhaupt mehr Deutscher als Russe war.

Shukowski ist ein russischer Dichter gewesen, der aus der Schule der deutschen Romantik hervorgegangen war. Er hat fast alle namhaften deutschen Dichter, Schiller, Goethe, Bürger, Wieland, Herder, sogar Hebels alemannische Gedichte, ins Russische überseßt. Und was er selbst gedichtet hat, verrieth seine deutschen Lehrmeister. Es heißt von ihm*): „Troy unbestreitbaren Formentalents war ihm nicht verliehen, aus dem Vollen zu schöpfen, dem Volksgeist Rußlands wirklich nahe zu kommen; seine weiblich empfindende Natur ließ sich daran genügen, den Impulsen Größerer zu folgen und seiner Nation die Schäße fremder, vornehmlich deutscher Dichter zu vermitteln." Shukowski hat einen großen Theil seines Lebens in Deutschland und in Livland verbracht. Er hat eine Deutsche zur Frau gehabt, war in Stuttgart dem Pietismus ergeben, kurzum er hatte, wie die meisten russischen Schriftsteller, die an den unlösbaren Widersprüchen

Neue Bilder aus der Petersburger Gesellschaft. 1874. Seite 125.

des russischen Lebens gescheitert sind (Turgenjew), im Auslande erst das Gleichgewicht seiner geistigen und sittlichen Kräfte wiedergefunden. Erst wenn ein solcher Russe seinem Wesen nach Deutscher geworden ist, wird er wieder ganz zum Russen: d. h. er wird loyal und stolz auf sein Vaterland, das er nur vom Hörensagen kennt! Shukowski gehört einer der heutigen Dentungsweise in Rußland so vollständig entgegengesetzten Zeit an, daß die heutige russische Gesellschaft ihn weder kennt noch versteht. Wenn ihm daher in keiner russischen Stadt ein Denkmal' gejezt worden ist, so hat er ein solches in Dorpat verdient. Aber diejenigen Russen, die au der Spiße der Universität stehen, haben die deutsche Stadt zu demüthigen geglaubt, indem sie sie zwangen, den russischen Dichter zu ehren. Sie kannten eben weder Dorpat noch Shukowski, der sich im Grabe umdrehen würde, wenn er die heutige Wirthschaft in seinem geliebten Dorpat jähe! Ueber Shukowskis Aufenthalt in Dorpat ist der oben zitirten Quelle nachstehende Schilderung zu entnehmen:

Fast ein Jahr lebte der russische Dichter in der kleinen, romantisch gelegenen deutschen Universitätsstadt am Embach. Uns, die wir inmitten des Kampfes nationaler Gegensätze leben, die zwischen Deutschen und Slaven mit besonderer Erbitterung ausgefochten werden, uns weht es wie aus einer anderen Welt an, wenn wir hören, daß der Russe Shukowski und seine Familie sich dem Zauber des deutschen akademischen Lebens in der kleinen livländischen Stadt alsbald begeistert hingaben und deren Frenden mit vollen Zügen schlürften. Erst im Jahre 1802 begründet, stand die Dorpater Hochschule damals in den Jahren glücklichster Jugend. Professoren, Studenten und Bürger lebten in jeliger Verschollenheit ein idyllisches Leben, das durch keinen Zwiespalt zerrissen, teine gouvernementale Bevormundungssucht gehemmt war. Der damalige Rektor Parrot, ein intimer Freund Alexander I., führte das Szepter eines liebevollen Patriarchen, der der Jugend ihr volles Recht ließ und seiner Würde nichts zu vergeben glaubte, wenn er in die Reihen seiner lebenslustigen Schüler herabstieg und im Bunde mit ihnen das „Gaudeamus“ anstimmte. Die meist aus Deutschland eingewanderten Professoren waren gemüthliche alte Herren, die es mit der Wissenschaft nicht allzu streng nahmen und gelegentlich fünf gerade sein ließen; in der Jugend aber lebte ein übersprudelnder Frohsinn, der es verstand, von Grund aus das Leben zu genießen und sich dabei unverwüstliche Frische zu erhalten. Daß die wenigen in Dorpat studirenden Russen in einer deutschen Universität deutsche Studenten waren, verstand sich bei der glücklichen Naivität der Zeit von selbst. Ihnen schloß sich auch der zweiunddreißigjährige Dichter an, der bald auf keinem Kommers fehlte, im Kreise der Professoren über deutsche Philosophie und Literatur diskutirte, den Syndifus der Universität, von der Borg, jeine Gedichte ins Deutsche übertragen ließ, und in den Kreisen der Adelsfamilien, die in Torpat den Winter verbrachten, ein gern gesehener Gast war, mit dem man seelenvergnügt tanzte, musizirte und Komödie spielte.“

Wenn man dieje lebenswarme Schilderung unter jedes mit dem Namen Shutowski versehene Straßenschild seßen könnte, dann wäre es allerdings ein Denkmal zur Erinnerung an ein Zeitalter lebendiger baltischer Romantik, das mit dem ersten und legten russischen Romantiker zugleich für immer begraben ist! So aber - weiß Niemand was davon, und dessen Namen, der für deutsches Wesen in warmer Liebe einst erglüht war, soll im Tode dazu dienen, dieses Wesen zu ersticken. Denn das war doch das Motiv zum Antrage der Universitätsverwaltung zu Dorpat!

Aber nicht nur die Romantik ist mit dem alten Dorpat untergegangen, sondern ein Stück deutscher Kulturwelt mit dem Dorpat, wie es sich bis zur Russifizirung entwickelt hatte. Soeben liefert ein Russe, dem Namen nach zu urtheilen, allerdings ein russifizirter Deutscher, Herr Eugen Degen aus Südrußland, in einer russischen Monatsschrift vergleichende Betrach= tungen zwischen dem russischen und deutschen Studentenleben, wie es sich in Dorpat in den neunziger Jahren, also mit Beginn der Russifizirung entwickelt hatte. Seinem Fühlen und Denken nach vollständig Russe, schildert Herr Degen die ersten Eindrücke, die das ihm bis dahin offenbar fremd gebliebene Deutschthum in jeder Beziehung auf ihn gemacht. hatte. Schon die Studentenwohnungen in Dorpat erscheinen ihm mit ihrem saubern Meublement und ihren Gardinen als „Komfort" gegenüber den gewohnten kahlen und ungemüthlichen Räumen russischer Studentenwohnungen mit zwei wackeligen Tischchen, auf die man beim Schreiben kaum die Ellbogen stüßen konnte, und höchst primitiven Schlafstellen und Sizgelegenheiten. Die Aufnahme in die Zahl der akademischen Bürger mittels Handschlages und die Ausreichung der akademischen Gejeze imponirt ihm, da er als russischer Student nur gewohnt war, Vorschriften zu sehen, die zu etwas verpflichteten" oder etwas verboten", während nach der in Dorpat noch bestehenden deutschen Universitätsverfassung dem Studenten auch gewisse „Rechte“ ertheilt wurden. Die russischen Studenten, die damals nach Dorpat kamen, und die meist schon in sehr hohen Semestern standen, nachdem sie von verschiedenen russischen Hochschulen wegen der bekannten „Unruhen" entfernt worden waren fühlten sich in einem Dorpater Kolleg zum ersten Male in der Athmosphäre reiner Wissenschaft" berichtet Eugen Degen. Gegenüber den „wohlgenährten“, rothwangigen" deutschen Studenten in ihren ordentlichen Anzügen und hartgeplätteten Kragen waren die Zuzügler aus Mostan, Kiew, Kasan mit ihren mageren, bleichen, nervösen Gesichtern, dem nicht immer gekämmten Haar, in ihren weichen ausgenähten oder auch einfachen sogenannten russischen Hemden leicht zu erkennen. Nach einiger Zeit paßten die meisten dieser russischen Studenten sich der „europäischen Norm" auch in ihrer Kleidung an. Aber es dauert nicht lange, schreibt unser Berichterstatter — und nach den „Unruhen" in irgend einer russischen Universität wälzt sich wieder eine Welle von Lederjacken, hohen Stiefeln und herausfordernden

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des russischen Lebens gescheitert sind (Turgenjew), im Auslande erst das Gleichgewicht seiner geistigen und sittlichen Kräfte wiedergefunden. Erst wenn ein solcher Russe seinem Wesen nach Deutscher geworden ist, wird er wieder ganz zum Russen: d. h. er wird loyal und stolz auf sein Vaterland, das er nur vom Hörensagen kennt! Shukowski gehört einer der heutigen Denkungsweise in Rußland so vollständig entgegengesezten Zeit an, daß die heutige russische Gesellschaft ihn weder kennt noch versteht. Wenn ihm daher in keiner russischen Stadt ein Denkmal gejezt worden ist, so hat er ein solches in Dorpat verdient. Aber diejenigen Russen, die an der Spiße der Universität stehen, haben die deutsche Stadt zu demüthigen geglaubt, indem sie sie zwangen, den russischen Dichter zu ehren. Sie kannten eben weder Dorpat noch Shukowski, der sich im Grabe umdrehen würde, wenn er die heutige Wirthschaft in seinem geliebten Dorpat jähe! Ueber Shutowskis Aufenthalt in Dorpat ist der oben zitirten Quelle nachstehende Schilderung zu entnehmen:

Fast ein Jahr lebte der russische Dichter in der kleinen, romantisch gelegenen deutschen Universitätsstadt am Embach. Uns, die wir inmitten des Kampfes nationaler Gegensäße leben, die zwischen Deutschen und Slaven mit besonderer Erbitterung ausgefochten werden, uns weht es wie aus einer anderen Welt an, wenn wir hören, daß der Russe Shukowski und seine Familie sich dem Zauber des deutschen akademischen Lebens in der kleinen livländischen Stadt alsbald begeistert hingaben und deren Freuden mit vollen Zügen schlürften. Erst im Jahre 1802 begründet, stand die Dorpater Hochschule damals in den Jahren glücklichster Jugend. Professoren, Studenten und Bürger lebten in jeliger Verschollenheit ein idyllisches Leben, das durch keinen Zwiespalt zerrissen, keine gouvernementale Bevormundungssucht gehemmt war. Der damalige Rektor Parrot, ein intimer Freund Alexander I., führte das Szepter eines liebevollen Patriarchen, der der Jugend ihr volles Recht ließ und seiner Würde nichts zu vergeben glaubte, wenn er in die Reihen seiner lebenslustigen Schüler herabstieg und im Bunde mit ihnen das „Gaudeamus“ anstimmte. Die meist aus Deutschland eingewanderten Professoren waren gemüthliche alte Herren, die es mit der Wissenschaft nicht allzu streng nahmen und gelegentlich fünf gerade sein ließen; in der Jugend aber lebte ein übersprudelnder Frohsinn, der es verstand, von Grund aus das Leben zu genießen und sich dabei unverwüstliche Früche zu erhalten. Daß die wenigen in Dorpat studirenden Russen in einer deutschen Universität deutsche Studenten waren, verstand sich bei der glücklichen Naivität der Zeit von selbst. Ihnen schloß sich auch der zweiunddreißigjährige Tichter an, der bald auf keinem Kommers fehlte, im Kreise der Professeren über deutsche Philosophie und Literatur diskutirte, den Syndikus der Universität, von der Borg, seine Gedichte ins Deutsche übertragen ließ, und in den Kreisen der Adelsfamilien, die in Torpat den Winter verbrachten, ein gern gesehener Gast war, mit dem man jeelenvergnügt tanzte, muizirte und Komödie spielte."

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