ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Lehrerin. Aber die Bildung der Kinder ist der Eltern und im Besonderen des Vaters Unglück. Der Vater ist und will sein pater familias, im Vollbesig väterlicher Autoriät. Gesinnungen und Gefühle der Kinder aber vertragen sich nicht mit der kleinbürgerlichen Enge und Dumpfheit, wie sie im Hause Besszjemenow das Leben bestimmen. Die Kinder sind von einem ins Ungewisse und Unendliche fluthenden Drang zu einem Leben von irgend einer besonderen, die Seele erfüllenden und befriedigenden Art erregt, wofür Vater und Mutter kein Verständniß haben, wodurch das Haus des Aeltesten der Malerzunft" aus seiner gewohnheitsmäßigen Ruhe aufgestört wird, so daß der pater familias in die Klage ausbrechen muß: "Habt Ihr gesehen? Eure Mutter ist ewig in Unruhe um Euch, daß ich Euch ja nichts zu Leide thue. Ich will doch keinem Menschen was zu Leide thun! Ich selbst habe Leid von Euch erfahren, bitteres Leid. In meinem eigenen Hause schleich' ich so vorsichtig umher, als ob auf dem Boden überall Glasscherben umherlägen. Meine alten Freunde haben aufgehört, mich zu besuchen. „Du hast gebildete Kinder", sagen sie, und wir sind einfache Leute, sie werden sich über uns lustig machen" und so dergleichen. Und Ihr habt Euch wirklich mehr als einmal über sie lustig gemacht, daß ich aus Scham für Euch erröthet bin. Alle meine Freunde meiden mich, als ob gebildete Kinder eine Pest im Hause wären. Ihr nehmt auf Euren Vater nicht die geringste Rücksicht. Nie habt Ihr für ihn ein freundliches Wort, nie sagt Ihr ihm, was für Gedanken, was für Pläne Euch beschäftigen. Ich bin ein Fremder für Euch. Und dabei liebe ich Euch doch, ja, ich liebe Euch!" Ja, er liebt seine Kinder, der alte Besszjemenow, er liebt sie so, daß er sie bald gern in angesehenen Stellungen versorgt wissen möchte; denn darum hat er ihnen „Bildung“ zu Theil werden lassen. Diese Kinder aber, diese ihm unverständlichen, widerspenstigen Kinder wollen nicht Stellungen", sondern stellen ihre Forderungen an die große Fluth des Lebens, von der sie getragen und emporgehoben sein wollen und deren Andrang sie doch in keiner Weise gewachsen sind. Lezten Endes werden sie bleiben, wo sie geboren sind und werden, wie die Eltern waren. Teterew, der Trinker, Kirchenfänger und Lebensweise ist es, der dem alten Besszjemenow diese Zukunft seines Sohnes halb tröstend und halb höhnend vor Augen malt: „Er wird sich nicht weit fortwagen von Dir. Er ist nur vorübergehend mal nach oben gegangen, oder vielmehr man hat ihn hinaufgezogen. Aber er wird schon wieder herunterkommen. Du wirst sterben er wird den Stall hier etwas umbauen, wird die Möbel in ihm umstellen und wird leben wie Du, ebenjo ruhig, verständig und behaglich."

Gegenüber diesen Kindern aus dem Hause Besszjemenow mit der unfruchtbaren Sehnsucht in den Seelen stehen ein paar andere Menschen, Thatmenschen, Zukunftsmenschen, Menschen des Lebens und der Freude, deren vorzüglichster Nil ist, der Lokomotivführer, der seiner Lebenszuversicht in den Worten Ausdruck giebt: „Es giebt keinen Fahrplan, der

nicht einmal durch einen neuen ersetzt würde." Und endlich sind noch die besten und originellsten Gestalten des Stückes zu erwähnen, der Vogelhändler Pertschichin und der Kirchenfänger Teterew, beide verlorene Leute", aber freie Menschen, weise Menschen, philosophische Köpfe. Sie trinken sich über das Elend des Lebens hinweg, sie sind „einfach Säufer", wie es in Rußland so viele giebt. „In unserem lieben Rußland liebt man die Säufer. Die kühnen Menschen, die nach Neuem streben, sind bei uns verhaßt die Schnapsbrüder aber liebt man.“

Das sind die Menschen, die Gorfi aus dem Leben auf die Bühne gestellt hat. Und wenn man Gorkis Werk genießen will, muß man sich daran genügen lassen, diese Menschen, echt russische Menschen mit objektiver Liebe zu betrachten. Es geschieht so gut wie nichts zwischen diesen Menschen. Gewiß: Nil verlobt sich mit Polja, die auch von Teterew geliebt wird und Peter verliebt sich in die junge Wittwe Helene, was den alten Besszjemenows großen Schmerz bereitet. Tatjana macht sogar einen harmlosen Vergiftungsversuch. Aber Alles das geschieht so nebenbei. Alles das ist kein Ereigniß. Es ereignet sich eben nichts in dieser Szenenreihe. Gorki denkt offenbar über das Theater, wie Tatjana: „Alle diese Dramen mit Pistolenschüssen, Wehgeschrei und Schluchzen ärgern mich nur. Das Alles ist so unwahr. Das Leben zerbricht die Menschen geräuschlos, ohne Geschrei... ohne Thränen. . . ganz unmerklich.“ Tatjana hat offenbar Maeterlincks Aufsatz über die „Tragik des Alltags" im „Schaß der Armen“ gelesen.

"

Die literarische Abhängigkeit des Gorkischen Schauspiels ist überhaupt ziemlich stark. Man hat darum gestritten, ob sich das Werk mehr mit Hebbels Maria Magdalena“ oder mit Hauptmanns „Friedensfest" vergleichen ließe. Der Vergleich mit Beiden ist möglich. Richtet man nämlich das Augenmerk auf den Kleinbürger Besszjemenow, so ist dessen Situation der des Meisters Anton ähnlich. Die Kinder dagegen haben im Wesen und Wünschen mehr mit denen im „Friedensfest“ gemein. Das ist erklärlich. In Hebbels Drama haben wir den Gegensaß zwischen zünstlerischem und konservativem Patriarchalismus mit dem die Freiheit und Selbständigkeit der Persönlichkeit in sich enthaltenden Individualismus des erstarkenden und aufkommenden Bürgerthums. Im Friedensfest" ist jener Individualismus dekadent geworden verkörpert in der Gestalt des Vaters und hat sich in den Kindern zum Subjektivismus verfeinert und verkleinert, womit die Auflösung aller Familienbande überhaupt verbunden ist. Im heutigen Rußland trifft ein hypermoderner Subjektivismus der Jugend unmittelbar mit dem Patriarchalismus zusammen. Die Zwischenstufe des liberalen Individualismus fällt aus. Ich bin übrigens der Ansicht, daß Gorki sich wohl in einer gewissen Abhängigkeit vom Friedensfest" befindet. Ob er Hebbels Drama überhaupt kennt, scheint mir zweifelhaft.

In noch stärkerer Abhängigkeit aber scheinen mir die „Kleinbürger" zu Hauptmanns „Einsamen Menschen“ zu stehen. Auch hier haben wir den Gegensatz zwischen alter und neuer Generation. Weniger in den Situationen,

[ocr errors]

mehr noch in der Stimmung gleichen die Kleinbürger" theilweise den „Einsamen Menschen". Der Stimmungsreiz des Gorkischen Bühnenwerks liegt darin, daß durch das Ganze eine aus der Sehnsucht geborene irre und bange Frage nach dem Sinn, dem Werth und dem Wesen des Lebens zittert. In den Schlußszenen des ersten Aktes kommt sie besonders zum Ausdruck. Da werden Töne angeschlagen, die ganz ebenso zwischen Johannes Vockerath und Anna Mahr erklingen.

Daß Gorki mit seinem Drama „Neuland" gefunden oder auch nur seine eigene Persönlichkeit weiter entwickelt hätte, vermag ich nicht zu finden. Gorki ist Literat geworden ich wiederhole die Worte als mein Endurtheil über dieses Bühnenwerk. Max Lorenz.

[blocks in formation]

Joseph Lauff hat bei dem Publikum des Lessing-Theaters einen starken zum Theil sogar stürmischen Erfolg gehabt. Sein Drama spielt im August des Jahres 1870 in einer kleinen Stadt am Niederrhein. Die nationale Begeisterung des Kriegsjahres hat auch das Persönlichkeitsbewußtsein und den Freiheitsdrang in einem jungen katholischen, zum Priester bestimmten Seminaristen geweckt. Wilhelm Verhage, der Sohn eines Invaliden und Armenhäuslers, ist durch „Wohlthäter“ in die Priesterkarriere gebracht, für die er seiner Natur nach nicht bestimmt ist. Jeßt entflieht er dem Seminar zu Münster und kehrt in seine Heimathstadt zurück. Die junge Freiheit weckt in dem Jüngling eine heiße Liebe zu der ebenso schönen wie reinen Hannecke Mesdag, die den Gespielen der Kindertage längst liebt. Die Beiden erliegen dem Liebesrausch und es kommt zum Aeußersten. Darnach kommt es zur Auseinandersetzung zwischen dem jungen „sündigen" Seminaristen und dem Dechanten Fridolin van Bebber, dem Geistlichen des Ortes, einem ebenso glaubenseifrigen wie lugen und rücksichtslosen Manne. Wilhelm giebt nicht nach. Der Dechant greift zum leßten Mittel: er offenbart die Schande" des schuldigen Liebespaares in der Predigt von der Kanzel herab der ganzen Gemeinde. Was geschieht nun?

"

Bis hierher ist die Handlung logisch geführt und straff aufgebaut. Das Thema ist bedeutsam, der Konflikt scharf und tief herausgearbeitet. Jezt aber giebt es in dem logischen Aufbau des Dramas einen Knick, der das Ganze über den Haufen wirft. Statt den Konflikt zwischen dem jungen Kirchenflüchtling und dem die Kirche vertretenden Dechanten bis zur Lösung weiterzuführen, springt Lauff geradezu auf ein anderes Thema über und jetzt gewaltsam eine bisherige Nebenfigur in den Vordergrund, als hauptsächlichsten Träger der Handlung: Grades Mesdag, den ehrbaren und charaktervollen Vater Hanneckes. Der alte Mesdag jezt sich zunächst aufs Schroffste mit dem fanatischen Dechanten auseinander. Dann wendet er sich dem schuldigen und „ehrvergessenen" Liebespaare zu. Er will die Tochter züchtigen, der junge Wilhelm springt dazwischen und wird von dem Alten ge= tödtet. Das Stück ist zu Ende. Das letzte Wort werden die Assisen“ haben. Preußische Jahrbücher. Bd. CX. Heft 1.

"

12

"

[ocr errors]

Durch den Wechsel des Themas und des Helden" hat Lauff selber jeinem Werk das Urtheil gesprochen. Dieser Bruch, der gerade in der Mitte das Drama in zwei nicht im mindesten zu einander passende Hälften theilt, ist höchst bedauernswerth. Ich habe mir aus Interesse an dem Konflikt die Frage vorgelegt, wie dieser Konflikt in logisch und psychologisch befriedigender Weise hätte zu Ende geführt werden können und bin zu diesem Schluß gekommen: Wilhelm hätte in den Krieg ziehen müssen, nachdem Hannecke vorher sein eheliches Weib geworden ist. Das entspricht auch Wilhelms geäußerter Absicht. Es ist außerdem auch insbesondere das nationale Motiv, was ihm den Priesterstand verleidet. Im Kriege mußte Wilhelm fallen, so daß Hannecke mit ihrem zu erwartenden Kinde zurückbleibt. In der Heimath bleibt sie aber auch im Wirkungsbereich des ebenso klugen wie energischen Techanten zurück und ist dessen Einfluß ausgesetzt. Dem bedeutenden Manne kann es nicht schwer fallen, das vom Unglück so hart geschlagene, einsame junge Weib wieder in den Bann der Kirche zu ziehen. Es müßte das um so leichter möglich sein, als er ihr den Tod Wilhelms als Gottesgericht darstellen könnte. Der Schluß des Ganzen wäre nun, daß Hannecke das Gelübde ablegt, ihr Kind, wenn es ein Knabe wird, dem Priesterstande zu weihen. Man wird mir zugeben, daß diese psychologische Entwicklung möglich ist und folgerichtig sein kann. Dieser Schluß aber befriedigt auch die Ansprüche an eine tragische Lösung. Der „Heerohme" wie nämlich die jungen Geistlichen in jener Gegend genannt werden: Herr Chm ist entschieden schuldig geworden. Die Schuld verlangt Sühne. Er führt seine Schuld durch den heldenhaften Schlachtentod. Das junge Weib ist auch schuldig". Sie jühnt ihre Schuld objektiv vom protestantischen Standpunkt aus durch den geistigen Tod, indem sie dem Bann ihrer Kirche unterliegt. Subjektiv ist das wiederum ihr Trost, der sie das Unglück tragen läßt. Daß sie das zu erwartende Kind dem Priesterstande weiht, womit das Drama wieder an seinem Anfang angekommen wäre und das Ganze seine vestitutio in integrum erführe, muß vom protestantischen Standpunkte aus als tragische Ironie empfunden werden. Der Katholik würde den Schluß natürlich ebenfalls in hohem Maße billigen, nur daß er als Schauspiel werthet, was uns als tragisches Verhängniß erscheint.

"

Lauffs Vorzüge sind: Er ergreift aus dem Leben und Schicksal der Nation und des Volkes Konflikte von sachlicher Bedeutsamkeit, für die unsere modernen" Bühnenliteraten gar kein Auge haben. Er gestaltet seine Bühnenhandlung schlicht und gerade, mit fest zupackender Faust, ohne Bedenklichkeiten, ohne Finessen", ohne ausgeflügelte retardirende Momente, ohne ungesunde und gesuchte Effekthaschereien. Diese Geradheit. und Ehrlichkeit ist außerordentlich viel werth für den Bühnenschriftsteller und findet sich heutzutage sehr selten. Gerade sie ist der vollgiltigste Beweis für die dramatische Begabung. Fernere Vorzüge: Lauff hat gesundes und vor Allem volksthümliches Empfinden. Dieser ehemalige

Major wurzelt mit Urwüchsigkeit im Volksboden. Das beweisen die Volksszenen und vor Allem eine so prächtige Gestalt, wie Pittje Pittjewitt. Es ist der große Fehler, geradezu der Kapitalfchler unserer ganzen modernen Bühnenkunst, ja unserer ganzen modernen Kunst überhaupt, daß sie Kulturgewächs, Treibhauspflanze ist und im Volksboden keine Wurzeln hat. Beiläufig bemerkt: Weil dem so ist, halte ich auch das ganze, heutzutage so beliebte Gerede von Kunsterziehung" und dergleichen für Faselei, worin sich viel Eitelleit und Selbsttäuschung verbirgt.

Lauffs Fehler sind: Es fehlt ihm augenscheinlich an jener Weltauffassung und Weltstimmung, die dem Dramatiker und im Besonderen dem tragischen Künstler erst die rechte Weihe giebt. An die Stelle jener Weltstimmung treten bei Lauff augenscheinlich Gefühlswallungen, die ihn wohl mit zureichendem Grunde zum Dichten treiben, die aber für das tragische Drama nicht ausreichen. Aus diesem Mangel erklärt sich der Kardinalfehler des in Rede stehenden Stückes, der Bruch in der Mitte. Ferner: Lauffs Charakterauffassung und Charakterdarstellung erscheint uns „Modernen“ äußerlich und oberflächlich. Lauff nämlich charakterisirt individualistisch, aber nicht subjektivistisch. Der Unterschied zwischen dem Individuum und dem Subjekt im modernen Sinne liegt in der Sensitivität und in einer außerordentlichen Verfeinerung des Für-sich-Seins. So wie Lauff seine Individuen hinstellt, können tausend Menschen sein. Wir verlangen Menschen, Charaktere, Seelen: einzig in ihrer Art. Aus Lauffs Charakterdarstellung erklärt sich seine Sprache, die uns umpersönlich, veraltet, konventionell, schwülstig erscheint. Die Worte in den Liebesszenen hält Lauff sicherlich für poetisch"; in unser Ohr klingen sie wie das geradeste Gegentheil von Poesie, einfach unerträglich. Was ich hier über individualistische und jubjektivistische Charakterdarstellung im Vorbeigehen gesagt habe, will ich noch durch ein Beispiel illustriren. Lauff hat die Kühnheit, die lobenswerte Kühnheit, uns das Liebespaar im Moment vor und sofort wieder im Moment nach dem Sündenfall" auf die Bühne zu stellen. In der Szene nach dem Fall habe ich immer an ein Bild aus dem Cyklus der „Lebensbilder" denken müssen, die der Norweger Eduard Munch in der „Secession“ ausgestellt hat. Ich meine das Bild „Nach dem Sündenfall", das auch das posteriore Moment zeigt. Dieses Bild ist nicht nur viel ergreifender als das, was Lauff bietet; wir empfinden es auch als viel wahrer. Ich will damit übrigens über Eduard Munch kein allgemein giltiges, seine ganze Kunst treffendes Urtheil abgegeben haben. Vieles bei ihm wirkt lächerlich, manches aber doch ergreifend. Ein origineller Kauz bleibt er auf alle Fälle.

"

Alles in Allem glaube ich über Josef Lauff diese Aussage machen zu dürfen: Er ist ein wirklicher Dichter von ursprünglicher Begabung und kraftvollem Können, dem es aber an jeder ästhetischen Kultur gebricht. Dieses Urtheil läßt Lauffs Vorzüge und Mängel begreiflich erscheinen.

[ocr errors][merged small]
« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »