Doch dieser hat gelernt, Er wird uns lehren.
Die eine Büßerin (sonst Gretchen genannt). Vom edlen Geisterchor umgeben, Wird sich der Neue kaum gewahr, Er ahnet kaum das frische Leben, So gleicht er schon der heiligen Schaar. Sieh, wie er jedem Erdenbande Der alten Hülle sich entrafft, Und aus ätherischem Gewande Hervortritt erste Jugendkraft! Vergönne mir, ihn zu belehren! Noch blendet ihn der neue Tag.
Mater gloriosa. Komm! hebe dich zu höhern Sphären ! Wenn er dich ahnet, folgt er nach.
Doctor Marianus (auf dem Angesicht anbetend). Blicket auf zum Retterblick,
Alle reuig Zarten,
Euch zu seligem Geschick Dankend umzuarten!
Werde jeder beßre Sinn Dir zum Dienst erbötig; Jungfrau, Mutter, Königin, Göttin, bleibe gnädig!
Chorus mysticus. Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichniß; Das Unzulängliche, Hier wird's Ereigniß; Das Unbeschreibliche, Hier ist es gethan; Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan.
Iphigenie. Heraus in eure Schatten, rege Wipfel Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines, Wie in der Göttin stilles Heiligthum, Tret' ich noch jezt mit schauderndem Gefühl, Als wenn ich sie zum ersten Mal beträte, Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
Denn, ach! mich trennt das Meer von den Gelichten, Und an dem Ufer steh' ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend; Und gegen meine Seufzer bringt die Welle Nur dumpfe Töne brausend mir herüber. Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram Das nächste Glück vor seinen Lippen weg. Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo Sich Mitgeborne spielend fest und fester Mit sanften Banden an einander knüpften. Ich rechte mit den Göttern nicht; allein Der Frauen Zustand ist beklagenswerth.
Zu Haus' und in dem Kriege herrscht der Mann, Und in der Fremde weiß er sich zu helfen. Ihn freuet der Besiz; ihn krönt der Sieg; Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet. Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück! Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen, Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt! So hält mich Thoas hier, ein edler Mann, In ernsten, heil'gen Sklavenbanden fest. wie beschämt gesteh' ich, daß ich dir Mit stillem Widerwillen diene, Göttin, Dir, meiner Retterin! Mein Leben sollte Zu freiem Dienste dir gewidmet sein. Auch hab' ich stets auf dich gehofft und hoffe Noch jest auf dich, Diana, die du mich, Des größten Königes verstoßne Tochter, In deinen heil'gen, sanften Arm genommen. Ja, Tochter Zeus, wenn du den hohen Mann, Den du, die Tochter fordernd, ängstigtest, Wenn du den göttergleichen Agamemnon, Der dir sein Liebstes zum Altare brachte, Von Troja's umgewandten Mauern rühmlich Nach seinem Vaterland zurückbegleitet, Die Gattin ihm, Elektren und den Sohn, Die schönen Schäße, wohl erhalten hast; So gieb auch mich den Meinen endlich wieder Und rette mich, die du vom Tod errettet, Auch von dem Leben hier, dem zweiten Todc.
Bweiter Auftritt.
Iphigente. Arkas.
Arkas. Der König sendet mich hieher und beut Der Priesterin Dianens Gruß und Heil. Dieß ist der Tag, da Tauris seiner Göttin Für wunderbare neue Siege dankt.
Ich eile vor dem König und dem Hcer, Zu melden, daß er kommt und daß es naht. Iphigenie. Wir sind bereit, sie würdig zu empfangen. Und unsre Göttin sieht willkommnem Opfer Von Thoas Hand mit Gnadenblick entgegen.
Arkas. O fänd' ich auch den Blick der Priesterin,
Der werthen, vielgeehrten, deinen Blick, heil'ge Jungfrau, heller, leuchtender, Uns allen gutes Zeichen! Noch bedeckt Der Gram geheimnißvoll dein Innerstes; Vergebens harren wir schon Jahre lang Auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust. So lang ich dich an dieser Stätte kenne, Ist dieß der Blick, vor dem ich immer schaudre; Und wie mit Eisenbanden bleibt die Seele Jns Innerste des Busens dir geschmiedet.
Iphigenie. Wie's der Vertriebnen, der Verwaisten ziemt. Arkas. Scheinst du dir hier vertrieben und verwaist? Iphigenie. Kann uns zum Vaterland die Fremde werden? Arkas. Und dir ist fremd das Vaterland geworden. Iphigente. Das ist's, warum mein blutend Herz nicht heilt. In erster Jugend, da sich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geschwister band, Die neuen Schößlinge, gesellt und lieblich, Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts Zu dringen strebten; leider faßte da Ein fremder Fluch mich an und trennte mich Von den Geliebten, riß das schöne Band Mit ehrner Fauft entzwei. Sie war dahin, Der Jugend beste Freude, das Gedeihn Der ersten Jahre. Selbst gerettet, war Ich nur ein Schatten mir, und frische Luft Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf. Arkas. Wenn du dich so unglücklich nennen willst, So darf ich dich auch wohl undankbar nennen. Iphigenie. Dank habt ihr stets.
Doch nicht den reinen Dank, Um dessentwillen man die Wohlthat thut; Den frohen Blick, der ein zufriednes Leben. Und ein geneigtes Herz dem Wirthe zeigt. Als dich ein tief-geheimnißvolles Schicksal Vor so viel Jahren diesem Tempel brachte, Kam Thoas, dir, als einer Gottgegebnen, Mit Ehrfurcht und mit Neigung zu begegnen. Und dieses Ufer ward dir hold und freundlich, Das jedem Fremden sonst voll Grausens war, Weil Niemand unser Reich vor dir betrat, Der an Dianens heil'gen Stufen nicht Nach aliem Brauch, ein blutig Opfer, fiel. Iphigente. Frei athmen macht das Leben nicht allein.
Welch Leben ist's, das an der heil'gen Stätte, Gleich einem Schatten um sein eigen Grab, Ich nur vertrauern muß? Und nenn' ich das Ein fröhlich selbstbewußtes Leben, wenn Uns jeder Tag, vergebens hingeträumt, Zu jenen grauen Tagen vorbereitet, Die an dem Ufer Lethe's, selbstvergessend, Die Trauerschaar der Abgeschiednen fciert? Ein unnüz Leben ist ein früher Tod; Dieß Frauenschicksal ist vor allen meins. Arkas. Den edlen Stolz, daß du dir selbst nicht g'nügest, Verzeih' ich dir, so sehr ich dich bedaure;
Er raubet den Genuß des Lebens dir.
Du hast hier nichts gethan seit deiner Ankunft? Wer hat des Königs trüben Sinn erheitert? Wer hat den alten grausamen Gebrauch, Daß am Altar Dianens jeder Fremde Sein Leben blutend läßt, von Jahr zu Jahr Mit sanfter Ueberredung aufgehalten Und die Gefangnen vom gewissen Tod Jns Vaterland so oft zurückgeschicht? Hat nicht Diane, statt erzint zu sein, Daß sie der blut'gen alten Opfer mangelt, Dein sanft Gebet in reichem Maß erhört? Umschwebt mit frohem Fluge nicht der Sieg Das Heer? und eilt er nicht sogar voraus? Und fühlt nicht Jeglicher ein beffer Loos, Seitdem der König, der uns weis' und tapfer So lang' geführet, nun sich auch der Milde In deiner Gegenwart erfreut und uns Des schweigenden Gehorsams Pflicht erleichtert? Das nennst du unnüß, wenn von deinem Wesen Auf Tausende herab ein Balsam träufelt? Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte, Des neuen Glückes ew'ge Quelle wirst
Und an dem unwirthbaren Todesufer
Dem Fremden Heil und Rückkehr zubereitest?
Iphigenie. Das Wenige verschwindet leicht dem Blick,
Der vorwärts sicht, wie viel noch übrig bleibt. Arkas. Doch lobst du den, der, was er thut, nicht schäßt? Iphigenie. Man tadelt den, der seine Thaten wägt.
Auch den, der wahren Werth zu stolz nicht achtet, Wie den, der falschen Werih zu eitel hebt. Glaub' mir und hör auf eines Mannes Wort,
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