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am 5. Juni Erlaubniß, den Tasso an Knebel mitzutheilen, und am 3. December 1781 heißt es in einem Briefe an Lavater: 'den Tasso werdet Ihr nun haben!' Doch ist damit schwerlich ein vollendetes Stück gemeint, da Goethe in seinen Briefen aus Italien, wohin er die Arbeit mitgenommen, nur von zwei Acten spricht, die er zugleich weichlich und nebelhaft nennt. Erst nach Vollendung der Iphigenie wandte er sich dem Stoffe mit erneutem Intereffe zu, da er, wenn auch das, was dastand, ohne Umarbeitung nicht zu gebrauchen schien, doch schon zu viel von seinem Eignen in die Arbeit gelegt hatte, um sie ganz zu verwerfen. Auf der Reise nach Sicilien und später auf der Rückreise nach Deutschland brachte er den Plan aufs Reine, begann aber erst nach seiner Rückkehr aus Italien im Spätjahr 1788 die Ausführung in geregelten Versen, wobei sein Freund Moriß mit Rath und That half. Das Stück wurde nun im Frühjahr 1789 fleißig gefördert, so daß es am 9. Mai, bis auf drei Scenen, der Herzogin von Weimar vorgelesen und im Juni und Juli, da noch immer etwas zu retouchieren war, actweise an den Verleger abge= sandt werden konnte. Tasso erschien zuerst im Frühjahr 1790 im sechsten Bande von Goethes Schriften bei Göschen in Leipzig.

Goethe hatte sich die Darstellung des Mißverhältnisses zwischen Talent und Leben, zwischen Dichtertalent und Höfleben, zur Aufgabe gestellt und lieferte im Tasso, von den Zügen, welche der ge= wählte Stoff bedingte, abgesehen, eine Darstellung seiner eigenen, aus der zufälligen Wirklichkeit in die poctische Wahrheit emporgehobenen Erfahrungen. Nicht, als ob er wie Tasso sich in eine Fürstin verliebt, gegen einen Hofmann den Degen gezogen, wie Lasso Gefangenschaft erlitten oder nach dem Dienste eines andern Hofes gestrebt und erst in Vereinsamung erkannt hätte, wie das Talent sich mit dem Leben in Einklang zu bringen habe; aber alles was Tasso erlebte, was ihn in Leid und Jubel, in Leidenschaft und Wehmuth bewegte, hatte Goethe innerlich und zum Theil auch äußerlich durchlebt. Ihm war die Gunst der Frauen und der Fürsten zu Theil geworden, während ihn die Welt- und Geschäftsleute, die nicht einmal die Bildung Antonios hatten, glaubten übersehen und zur Seite schieben zu können; er hatte den inneren Zwiespalt des Weltund Geschäftsmannes mit dem Dichter an sich selbst erfahren, das strenge, nicht links oder rechts blickende thätige Vorwärtsstreben, neben der Seligkeit des inneren Glücks, das die Welt mit rauher Hand zerstört; die kleinen Listen, Ränke und Fallstricke des Hoflebens bei aller Glätte der Formen; die tiefsten Dissonanzen der Charaktere, die sich hinter lächelnden Mienen verbergen; die Kälte gegen die Person bei aller Wärme für die Leistungen des Dichters und ebenso die schwärmerische Verehrung des Menschen neben der entschiedensten Gleichgültigkeit gegen seine Schöpfungen. Er kannte wie Taffo die Unruhe des Gemüths, die sich bei allein Glück der Nähe nach träumerischen Fernen sehnt und wenn das Scheiden droht, die Stätte ihres Gluds nicht verlassen mag; das tiefe Selbstgefühl neben der Ueberschätzung fremder Vorzüge; das flackernde Feuer des Herzens, das in einem Worte der Gitte ein Geständniß der Liebe, in einer

auffallenden Redewendung einen weitreichenden Anschlag zu erblicken wähnt, aus der Unruhe eine Qual, aus der Qual ein tödtliches Leiden schafft, sich stürmisch übereilt, um selbstquälerisch zu bereuen. Er kannte die wechselnden Wallungen eines Dichterherzens, kannte die festen unausweichlichen Formen des Hoflebens und kannte ihre Conflicte.

Mit diesen Erfahrungen des Dichters und des Weltmannes gieng er an die dramatische Gestaltung einer Hauptepoche aus dem Leben des unglücklichen Tasso, die Liebe zu Eleonoren von Este und die Enttäuschung. Er verwahrte sich gegen die Deutung seines Schauspiels, "das, obwohl es viel Deutendes über seine Person enthalte, durch einen solchen Versuch gänzlich würde verschoben werden. Dieje Ablehnung konnte sich aber nur auf die Ausdeutung auf bestimmte Personen und Begebenheiten beziehen, wie er es überhaupt nicht billigte, wenn die Menge das vom Dichter zum Bilde verwandelte Leben aus dem Bilde wieder zum Stoff zu erniedrigen strebte. Und wenn auch das Stoffliche nicht in Goethes Leben hinein zu verfolgen ist, obgleich in den Briefen an Frau v. Stein viele Stellen innig mit den Reden Tassos verwandt sind, so wurzelt doch alles, was die Personen im Tasso denken und empfinden, tief im Leben des Dichters, der hier, ohne erheblichen Aufwand von äußern Begebenheiten, ledig= lich durch die Entwicklung der fest gezeichneten Charaktere und durch ihre Conflicte cine stets fortschreitende lebendige Handlung sich ver= wirren und entwirren läßt und seinen Gestalten bei aller inneren Verschiedenheit eine gleichmäßig gebildete und doch für alle Schwingungen der Seele ausgiebige Sprache leiht, wie sie leichter, fließender und fesselnder selbst in der Iphigenie nicht geredet wird. Dabei läßt der Dichter seine Personen eine Fülle von Säßen in der schönsten reinsten Form sprechen, die im Charakter des Individuums und der Situation richtig und treffend und auch von beiden abgelöst allge= mein gültig sind, wie es allgemein ausgedrückte Sprüche ächter Bildung immer sein werden.

Dem kunstvollen sichern Bau der Handlung im Einzelnen zu folgen wurde für diesen Raum zu weit führen, da oft und fast in der Regel aus Gedanken und Empfindungen, die mehr angedeutet als ausgesprochen werden, sich neue entscheidende und nach der Eigen= thümlichkeit der Charaktere folgerechte Wendungen ergeben. Von der schönen Form der gefälligen Rede cntkleidet würde der einfache Stoff dürftig und spröde, fast roh erscheinen; der schwankende Charakter Taffos, den Goethe mit sichrer Hand zeichnet, würde sich, ohne die fleinen und großen Einwirkungen der übrigen ebenso fest und sicher angelegten und ausgeführten Charaktere im Einzelnen zu zergliedern, nicht deutlich machen lassen, und jeder aufmerksame Leser sieht ohne hin an jeder Stelle, wie Handlung aus Handlung, wie die eine Willensbestimmung aus der andern sich entwickelt, und wird ihre strenge Nothwendigkeit nicht verkennen, wenn er die Charaktere, wie fie im Verlauf des ganzen Stückes dargestellt erscheinen, im Zusammenhange auffaßt: die Prinzessin, die Schülerin der platonischen Philosophie, deren Huld und Liebe eine durchaus andre ist, als die

Goethe, Werke. 6. Bd.

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ihrer für Ariost schwärmenden Freundin oder des jugendlich leidenschaftlichen Tasso, der in den Worten beider nur das hört, was er zu hören wünscht, und dann, als er sicht, daß er sich getäuscht hat, leidenschaftlich aufwallt, als ob er getäuscht sei. Bei der Beurtheilung des Charakters, der Antonio zeigt, ist zwischen Neid gegen fremde Auszeichnung und Unmuth über nicht genügende eigne Anerkennung schwer zu unterscheiden, und dennoch bewegt sich dieser Charakter auf der feinen unentschiedenen Grenze zwischen beiden. Beim ersten Begegnen bemerkt er unmuthig den Kranz auf des Dichters Locken und vermag, da er lange vom Hofe fern gewesen, nicht zu ermessen, wie weit Tasso, den er früher obenhin, fast wic einen lächerlichen Sonderling angesehen, ihm in der Gunst des Fürsten und der Frauen gleichgekommen oder vorausgeeilt ist. Als er gewiß geworden, daß ihm der Dichter nicht im Wege steht, daß die Gesinnungen des Fürsten ihm noch unverändert gehören, tritt er, zumal da Alphons es wünscht, dem Dichter wohlwollend und helfend nahe. Daß Goethe diesen Charakter, in dem er seine Gegner abspiegeln mußte, nicht als mustergültig aufstellen wollte, hat er durch die Situationen und durch den Mund der übrigen Personen deutlich genug zu erkennen gegeben. Viele Züge im Charakter Tassos werden verständlicher, wenn man sich erinnert, daß Tasso, wie ihn die Geschichte fennt, späterhin einem tiefen Trübsinn verfiel, und daß unser Dichter, der dieses spätere Schicksal allerdings nicht anzudeuten und vorzubereiten brauchte, da er ihn auf dem Punkte verläßt, wo er sich an der weltklugen Erfahrenheit mit dem Leben in Einklang zu bringen scheint, vielleicht unabsichtlich mehr als nöthig erscheinen mag, sich von der Kenntniß, die er von Tassos späterem Leben hatte, bestimmen licß, die Keime seines Unglüds schon in dieser Epoche seines Lebens kenntlich zu machen.

Die natürliche Tochter.

Aus den von Schiller im November 1799 mitgetheilten romanhaften Denkwürdigkeiten einer natürlichen Tochter des Prinzen Louis François von Conti, die kurz vor ihrer Legitimirung durch Ludwig XV. zu einer Mißheirath gezwungen war, entnahm Goethe den Stoff zu einer großen Tragödie, die in drei Theilen ein Bild der französischen Revolution geben und den Inbegriff deffen ausmachen sollte, was Goethe über jenen großen Abschnitt der Geschichte seit Jahren gedacht und empfunden hatte. Nur das erste der drei Stücke ist ausgearbeitet worden; von den beiden übrigen Abtheilungen hat sich nur ein lückenhaftes Schema erhalten, das auf die Entwicklung der spä teren Schicksale der Eugenie oder auf die Behandlung des gewaltigen Stoffes keinen sichern Schluß gestattet.

Der erste Act der natürlichen Tochter wurde noch im Jahr 1801

vollendet, nach einer schweren lebensgefährlichen Krankheit des Dichters, die ihn mit den tiefsten Sorgen um das Schicksal des eigenen einzigen Sohnes erfüllt hatte. Im folgenden Jahre wurde an dem Stücke still weiter gearbeitet, und ohne irgend einem seiner Freunde, selbst Schiller, etwas von seiner Dichtung zu verrathen, schloß Goethe das Stück in den ersten Monaten des Jahres 1803 in tiefster Abgeschiedenheit ab, um durch die Aufführung, die zuerst am 2. April 1803 in Weimar stattfand, zu überraschen. Noch in demselben Jahre erschien das Trauerspiel bei Cotta als Taschenbuch auf das Jahr 1804. Schiller ist ohne allen äußern und inneren Einfluß auf die Dichtung geblicben, es sei denn, daß man in einzelnen Stellen, z. B. der Schilderung des Ehestandes, einen Wetteifer Goethes mit den Räthselspielen in Schillers inzwischen erschienener Turandot ererkennen wollte.

Die Hauptgestalt des Stückes, um derentwillen alle übrigen eingeführt werden, die natürliche Tochter des Herzogs, wird fast in demselben Momente, in welchem der König fie, vorläufig noch als Geheimniß, zu legitimieren verspricht und sie in mädchenhafter Jugendhast ein Verbot des Vaters übertritt, das Opfer der Kabalen des legitimen Sohnes und seiner Helfer. Rettungslos zwischen die Gefahren gestellt, entweder jenseits des Meeres im tödtlichen Klima der Kolonien einen frühen physischen Untergang zu finden, oder iu bürgerlichen Kreisen einen politischen Tod zu erleiden, wählt sie, um in den heraufsteigenden Stürmen einer großen Welterschütterung ihrem Könige und ihrem Vater Rettung zu bringen, unter der zugeftandnen Bedingung eines bloß geschwisterlichen Verhältnisses, die The mit einem achtungswerth erscheinenden Gerichtsrath.

Der Dichter hat sich aller der Vortheile entschlagen, die der Dramatiker zur lebendigen Wirkung seines Gegenstandes aus der deutlichen Bezeichnung bestimmter Zeiten, Dertlichkeiten und Personen zu ziehen vermag. Wie er nur von einem Könige, Herzog, Grafen, Gouverneur, Secretär, Weltgeistlichen, Gerichtsrath, Mönch, einer Hofmeisterin, Aebtissin spricht, ohne jedoch den eingeführten Personen entschiedene Merkmale eines individuellen Lebens vorzuenthalten, so bindet er auch die eigentliche Begebenheit des Stückes nicht ausdrücklich an den Boden Frankreichs und rückt sie nur vor eine sich ankündigende große politische und sociale Umwälzung, die nach den darauf hinweisenden dunkeln Andeutungen nicht nothwendig die fran zösische Revolution sein muß. Durch diese Art der Verallgemeinerung hat er den Vortheil gewonnen, den Gegenstand gleichsam typisch, oder um Schillers Ausdruck zu gebrauchen, mit höher Symbolik zu behandeln, so daß alles Stoffartige vertilgt und alles nur Glied eines idealen Ganzen ist; andrerseits aber ist dadurch der Nachtheil herbeis geführt, daß Begebenheit und Personen schattenhafter und kälter erscheinen, als sie in Wahrheit sind. Dieser Ucbelstand wird noch verstärkt, indem die redenden Personen mit einer gewissen gleichmäßigen Breite oder, in den kurzen Diverbien, mit einer gewissen gleichmäßigen epigrammatischen Art sich aussprechen, die der indivis Euellen Ausprägung formell Eintrag thut. Deshalb ist die Wirkung

dieser Tragödie, die, obwohl sie nur als erponierender Theil gelten will, doch ihren innern Abschluß findet, im Allgemeinen immer auch nur eine beschränkte gewesen, weniger wenn sie auf dem Theater dargestellt wurde, wo durch das Spiel eine unabweisbare Individualität in jeder Gestalt lebendig gemacht wird, als bei der Lecture, bei der dieses Supplement zu den Worten des Dichters und seiner Geschöpfe nicht allseitig thätig zu werden pflegt. Doch Leser, welche die Fülle schöner Einzelnheiten und dann nochmals das Totale auf fich einwirken lassen, werden in der natürlichen Tochter ein von Zufälligkeiten befreites Bild schöner Menschheit zu genießen wissen und eine, wenn auch mit den Spuren des bedächtigeren Alters und seiner Ausdrucksweise bezeichnete, doch mit der Iphigenie und dem Tafso congeniale Schöpfung erkennen.

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