ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

in Auerbachs Keller gewesen zu sein. Bald darauf, zu Anfang October, meldet er an Merd, daß er an Faust viel geschrieben habe; wie denn Merc am 19. Januar 1776 Nicolai im Vertrauen mittheilt, daß Goethes Faust ein Werk sei, das mit der größten Treue der Natur abgestohlen worden. Ich erstaune, fährt er fort, so oft ich Ein neu Stück zu Fauften zu sehen bekomme, wie der Kerl zusehends wächst und Dinge macht, die ohne den großen Glauben an sich selbst und den damit verbundenen Muthwillen ohnmöglich wären.' In Weimar scheint der Faust gleich Anfangs mitgetheilt zu sein, da Wieland schon um Neujahr darauf hindeutet und Goethes Vater nicht ohne durchbrechende Liebe von seinem Sohne, 'diesem fingulären Menschen, berichtet, er habe den Winter über die dortigen Herrschaften mit Vorlesung seiner ungedruckten Werdgens unterhalten. Er nahm seine fragmentarische Dichtung, um sie zu vollenden, mit nach Italien, war auch am 8. September 1787 noch dieses Sinnes, wie er denn auch wirklich Hand anlegte und, was überraschend genug ist, zu Rom im Garten der Villa Borghese die Hexenküche schrieb, also, anstatt unter dem schönen Himmel, der ihn zum 'Griechen' machte, das Menschengeschic seiner Dichtung menschlich weiterzuführen, sich recht mit Neigung in das symbolische Wesen des Zauberund Herenspukes vertiefte. Nach der Heimkehr dachte er noch daran, das Werk zu vollenden, aber schon im Mai 1789 war er entschlossen, Faust als Fragment erscheinen zu lassen. Und so erschien er 1790 als siebenter Vand von Goethes Schriften bei Göschen in Leipzig. Ein wesentliches Stück dessen, was die abgeschlossene Redaction des ersten Theiles, der zuerst 1808 als achter Band von Goethes Werken bei Cotta herauskam, enthielt, fehlte dem Fragmente. Es fehlen außer der Zueignung, die schon sehr alt war, das Vorspiel auf dem Theater, das schwerlich vor 1791 entstanden ist, und der Prolog im Himmel. Das Fragment beginnt sofort mit dem (ersten) Monologe Fausts und der Beschwörung des Geistes, woran sich unmittelbar das Gespräch mit Wagner anschließt, nur daß am Schlusse desselben die Verse fehlen, in denen auf das morgende Osterfest hingedeutet wird. Die schließliche Redaction hat dann ferner den zweiten Monolog Fausts mit dem melodramatischen Element des Glockenklanges und Chorgesanges hinzugefügt; ebenso die Scene vor dem Thore mit ihren lecken, frischen, derben Bildern und der Wanderung Fausts in Begleitung des bedächtigen, ängstlichen Wagner, der hier, als sich in dem kreisenden Pudel ein neues Element zur Entfaltung ankündigt, zum letztenmale auftritt. Dem Fragmente fehlt ferner die Scene in Fausts Studierzmmer, in welcher er sich an der Uebersetzung der Bibel übt; das Auftreten des Mephistopheles, der Gesang der Geister und endlich der Anfang der folgenden Scene zwischen Faust und Mephistopheles, der Pact und die erwachende Glut der Leidenschaften. Das Fragment hebt mitten im Reime mit den 'Worten an: 'Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist, Will ich in meinem innern Selbst genießen.' Von da an bietet es, mit Ausnahme allerdings bedeutender Umstellung der Scene 'Wald und Höhle' (die in der letzten Redaction vor den beiden Scenen 'Gretchens

Stube' und 'Marthens Garten steht, während sie im Fragment auf lettere folgt), alles was 1808 erschien und zwar, bis zu der Scene im Zwinger einschließlich, eben so wie in der letzten Redaction. Diese hat dann die Straßenscene (Ständchen; Valentins Ermordung und Valentins Vermaledeiung der ehrlosen Schwester) eingeschaltet und in der folgenden Domscene, mit welcher das Fragment schließt, die Erwähnung des Blutes auf Gretchens Schwelle nachgetragen. Es folgt dann in der schließlichen Redaction die Walpurgisnacht, der (ursprünglich unabhängige, von Schiller im October 1797 von dem Musenalmanach ausgeschlossene) Walpurgisnachtstraum (Oberons und Titanias goldne Hochzeit), die Prosascene auf dem Felde, das Vorbeiziehen am Rabensteine und als Schluß die Kerkerscene mit Gretchens Wahnsinn, Schuldbekenntniß, himmlischer Rettung und mit Fausts Wegführung durch Mephistopheles. Von dem Prolog im Himmel abgesehen, der den Blick über das Ganze der Dichtung eröffnete, als diese schon weiter vorgeschritten war, fehlt für die vollständige Darlegung des Grundgedankens des ersten, und selbst des zweiten Theiles in dem Fragmente nichts, was durchaus wesentlich wäre, als einzig die Uebereinkunft Fausts mit Mephistopheles, diesem sofort anzugehören, wenn es jemals dahin komme, daß er sich beruhigt auf ein Faulbett lege, sich selbst gefalle und im Genuß Genüge finde. Diese Bedingung, aus der nach Goethes eigner Aeußerung gegen Sulpiz Boifferée (1, 255 im Jahr 1815) Alles folgt, versetzt uns in den Mittelpunkt des Ganzen und weist vielen ausschweifenden Deutungsversuchen die gebührenden Grenzen.

Es ist danach thunlich, schon jest, vorläufig unbekümmert um den zweiten Theil, den Gedanken der Dichtung darzulegen. Faust, der Gelehrte, wendet sich im Tiefsten angeekelt von den fruchtlosen Wissenschaften, deren Resultat es ist, einzusehen, daß man nichts wissen tann, zu der Magie, um das geheime Wesen und die Gründe der Dinge zu schauen, wird aber von dem beschwornen Geiste, über den er sich bis zur Gottähnlichkeit erhaben wähnte, zu den ihm gleichen begreiflichen Geistern zurückverwiesen, und steht also auf einem Umwege wieder da, wo er vor der Beschwörung gestanden. Zugleich wird er sehr deutlich durch den Besuch Wagners in seine Sphäre zurückgeführt. Dieser Repräsentant der historisch - empirischen Wissenschaften, dem in der Entfaltung eines würdigen Pergamens der ganze Himmel niedersteigt, bildet die pedantische, in Beschränktheit selbstgefällige Kehrseite in Fausts Doppelwesen, ohne welche, wie Geist oder Körper, das idealistisch-metaphysische Streben nicht bestehen kann, während sie selbst, des spirituellen Aufschwungs entbehrend, zur armseligen Buchstabenweisheit eintrocknet. Nach dieser dramatischen Entfaltung Fausts, des Gelehrten, versinkt er mehr und mehr im Gefühle seiner Nichtigkeit und steht bereits auf dem Punkte, dies unzulängliche Dasein durch freiwilligen Tod abzuwerfen, als ihn die mächtigen und gelinden Töne des Ostermorgengesanges, die süßen Himmelslieder am Staube suchen, ihm die Schale vom Munde zichen und ihn im Tiefsten erschüttert, in Thränen aufgelöst der Erde wiedergeben. Die heitere Lebensfülle, die sich im sonnigen

Freien erfreut, lockt auch ihn mit seinem zweiten Selbst, mit Wagner, hinaus; ihm begegnet die allgemeine Verehrung, von der er sich selbst nichts anzueignen vermag, da er seine Unzulänglichkeit zu tief em= pfindet, und ihm die Wohlthaten, welche ihm dankbar nachgerühmt werden, in seinen Augen wie Verbrechen erscheinen. Von diesen Empfindungen wendet er den Blick in die schöne Gotteswelt; ihn zieht das Streben hinauf und vorwärts. Aber wieder fühlt er, daß zwei Seelen in ihm wohnen; die eine klammert sich mit derber Liebeslust an die Weit; die andre hebt ihn zu Gefilden hoher Ahnung. Er möchte auf einem Zaubermantel über die Welt hingetragen werden, und kaum ist, unter Abmahnung seines Gefährten, der Wunsch laut geworden, als sich der (symbolische) Pudel zeigt, der sich ihm gesellt und den er mit sich nach Hause nimmt, wo er zur Uebersetzung der Bibel zurückkehrt und bedeutsam vom Wort zur That hinübergeführt wird. Alsbald tritt der fahrende Scholaft aus dem Thiere hervor, und gibt sich als Geist der Verneinung zu erkennen, als deffen eigentliches Element die Sünde, das Böse (das ist die sinnliche Natur des Menschen im Gegensatz zu der geistigen, himmlischen) bezeichnet wird. Faust hat das Wissen hinter sich geworfen und tritt in das Leben, die That, den Genuß hinüber. Er macht mit Mephistopheles den Pact, ihm zu gehören, wenn er seine ideale Natur in der Sinnlichfeit ersticken könne. Damit ist die Bahn gezeichnet, auf der sich die Dichtung fortan bewegen will. Nachdem Mephistopheles in Fausts Kleide dem Schüler gegenüber, gewissermaßen als Gloffe zu Faufts erstem Monologe, die Unzulänglichkeit aller Wissenschaften gezeigt und die Sinnlichkeit in demselben rege gemacht hat, beginnt er mit Faust seine Fahrt ins Leben, das im ganzen ersten Theile des Ge= dichtes nur von der Seite des Genusses dargestellt wird. Zunächst, gleichsam um zu versinnlichen, wie die dem Schüler gewiesenen Wege auslaufen, in der Völlerei der platten Burschen, bei denen Mephisto fich trefflich behagt, während Faust nichts anders denkt und sagt, als aus dieser Gesellschaft wegzukommen. Er, die spirituelle Seite der dramatisch gebildeten Doppelgestalt, findet also nicht, wie seine Kehrseite, Mephistopheles, die Berkörperung der sinnlichen Menschennatur, in diesem geist- und gemüthleeren Treiben Genüge. Die erste Probe seines Pactes hat er bestanden, was freilich nicht schwer werden konnte. Dem Dichter standen nun so viele Variationen dieser Proben zu Gebote, als die Sinnlichkeit Gestalten annehmen kann. Er schob alle bis auf eine, die sich einer menschlichen und poetischen Entfaltung nothwendig darbieten mußte, zur Seite und führte den Träger seines Gedankens, daß der Geist in der Sinnenwelt nicht untergehen soll, nachdem er ihm in der (symbolischen) Hexenküche den verjüngenden Liebestrant hat reichen lassen, mit dem er bald Helenen in jedem Weibe erblicken soll, in ein neues Verhältniß, das eher danach angethan scheinen konnte, die Wette zu Fausts Ungunsten zu entscheiden.

Wenn in dem Faust-Wagner, Faust- Mephisto in gewiffem Sinne und in sofern, wie jeder geistig bewegte Mensch etwas Gemeinsames hat mit diesem Zwiespalt zwischen Gedanken und Stoff, zwischen Streben und Leben, ein Repräsentant des Menschengeschlechts an

genommen werden konnte und auch im Folgenden gelten kann, sc hat man sich doch sehr zu hüten, in den dramatisch gestalteten Wesen Alles, womit sie ausgestattet erscheinen, ohne Weiteres als allgemeine Eigenschaften der Menschennatur anzusehen; es sind eben individuell bedingte Menschen. Und so wenig Faust, dieser sinnlich- übersinnliche Freier, der geradezu auf den Genuß losstürmend sich sentimental erweicht, etwas anders ist und sein soll, als ein Mensch, dem noch nicht alles beffere sittliche Gefühl abhanden gekommen, oder in der Scene, wo er den Glauben, den er selbst nicht hat, mehr verhüllt als verleiht, etwa bestimmt sein soll, durch seinen Mund das Innere des Dichters zu bekennen, der ihm nur die Gewalt der Rede gibt, um das mithandelnde Wesen dramatisch, nicht ebenso die übrige Welt zu stimmen; ebenso wenig ist Gretchen, die Freundin der Martha, die selbst den Teufel beschwagen möchte, Gretchen, die am Brunnen weidlich mit verschwärzt hat, die gern den Riegel offen ließe und, um es möglich zu machen, den Trank für die Mutter nimmt, troż ihrer Fragen nach dem religiösen Bekenntniß ihres Geliebten und ihrer anmuthigen Eigenschaften, danach angethan, die ästhetische Heilige zu sein, die man gern aus ihr macht und gemacht sieht, sondern nur ein Mädchen mit diesen und jenen Eigenschaften, die sich von dem sinnlich geliebten Manne, über den sie Mutter und Geschwister hintanseßt, ja opfert, willig beschwaßen und bethören läßt und sein Opfer werden muß, wenn der Geist gegen das Thier Recht behalten soll. Denn was ist Gretchen anders, als eines der Mittel, welches die sinnliche Macht anwendet, um Faust nicht etwa zur Sünde, zu Verbrechen, zu Schandthaten, die er begeht, zu verführen, sondern geradezu sein himmlisches Theil nicht zu beflecken, sondern zu vernichten! Die Reue, die Gretchen vor dem Muttergottesbilde, im Dom, im Wahnsinn des Kerkers zeigt, mildert ihre Schuld und wenn sie, nach der Freude über den reuigen Sünder, gerettet genannt wird, während der erbarmungsvolle, aber nicht bereuende Sünder zu ferneren Lebensscenen aufgespart erscheint, so kann man die Kunst des Dichters so wenig wie sein ethisches Verhalten in diesem Abschluß, der keine Lösung des Problems sein soll, schelten. Genug daß er an diesem Abschluß die Probe abermals hat bestehen laffen. Wie die folgenden bestanden werden, mag der zweite Theil der Dichtung lehren, der uns denn freilich auf ganz andere Gebiete führt, als das wesentlich irdische und menschliche des ersten Theils. Doch sind auch in diesen aus dem ursprünglichen Stoffe allerlei Bestandtheile des zauberhaften Hokuspokus eingemischt, deren der Dichter sich, um nicht aus der gewählten dramatischen Form in die epische Breite zu zerfließen, der Kürze wegen wie symbolischer Mittel bediente, theils auch, um gewisser Dinge sich in dieser zu einer Lebensarbeit heranwachsenden Dichtung zu entledigen, die ihm fördernd oder hindernd nahe traten. In der Herenküche, die zur Zeit der beginnenden französischen Revolution verfaßt wurde, wandte er sich, freilich versteckt genug, gegen das Zeittreiben, die dogmatischen Rechenexempel, die flache Literatur, die hohle Welt überhaupt. In der Walpurgisnacht machte er seiner alten Neigung, das ́ Derbe derb zu

zeichnen und die Dinge beim rechten Namen zu nennen, einmal herzHaft Luft und stellte diese Orgien, die doch einmal in der Phantasie des Voltes nebelhaft sputten, als Symbol sinnlicher Genüsse, in denen Fauft nicht versinken kann, keck und rund zur Schau, wie er in der sehr wohl entbehrlichen Oberonshochzeit den literarischen Händeln, die eben in den Xenien abgethan waren, einen neuen Ausdruc und manchem armseligen Gegner eine traurige Berühmtheit gab, woran es freilich auch in jener Nacht nicht fehlt, da der Proktophantasmist (Nicolai) hier für alle übrigen gelten kann. Am Schlusse dieses Theils darf denn auch ein Blick auf den Prolog im Himmel, der nach den Scenen entstanden ist, denen er voraufgestellt werden mußte, zurückgeworfen werden, um zu erkennen, in welchem Sinne beide Theile im Zusammenhange gedacht wurden. Und da findet fich denn klar und deutlich, daß es die Aufgabe war, einen Menschen_durch verworrnes Streben, von der Gemeinheit unüberwunden zur Klarheit zu führen; den von aller Nähe und Ferne in tiefster Brust bewegten aber unbefriedigten Faust auf seinem Bildungsgange zu begleiten, ihn irren zu lassen, aber ihn durch das Leben zum Ziele zu führen. Fast zwanzig Jahre nach der Vollendung des ersten Theiles wagte sich Goethe, der inzwischen die Dichtung selten aus den Augen gelaffen und hier und dort weiter geführt hatte, wie denn der Schluß selbst noch aus der besten Zeit war, an die abschließende Bearbeitung des zweiten Theiles. Der Abschluß, an dem Goethe seit 1825 anhaltender beschäftigt war, fällt in den Sommer 1831. Er siegelte sein Werk ein und bestimmte, daß es erst nach seinem Tode bekannt werden solle. Er selbst war ein ganz andrer Mensch geworden und selbst der Blick, mit dem er auf seine Lebensentwic lung zurückschaute, hatte ihm diese in verändertem Lichte gezeigt. Das bedingte den Fauft im zweiten Theile. Dem individuell gestalteten dichterischen Bilde schob sich Goethes eigene Persönlichkeit mehr und mehr unter und Züge des alten Entwurfs mischten sich mit einer ganz andern Art von Composition, die den alten ursprünglichen Gedanken zwar festhielt, aber in der Art der Ausführung sich völlig, fast bis zum Entgegengesetzten geändert hatte. Das Allegorisch-Symbolische jener am spätesten entstandenen Theile des ersten Faust bildete im zweiten den Hauptbestand. Aus den individuellen Menschen werden Abstracte, die sich den menschlichen Pro= portionen entziehen. Die Gedankenfülle ist unendlich gewachsen, aber der frische sinnliche Ausdruck derselben versteckt sich in einer Poesie, die am blumigen Calderon, am mystisch-sinnigen Orient genährt, nur durch dichte blumige Schleier wirken mag. Faust, der Mensch der ästhetischen Bildung wird zum Ideal geführt, das kein anderes ist, als jenes der hellenischen Welt. Die Auflösung alles deffen, was Goethe in diesen zweiten Theil, wie er an Zelter schrieb (5,77), hineingeheimnißt hat, kann hier nicht erwartet werden; der Zusammenhang des Ganzen ergibt sich leicht. Faust und Mephistopheles erscheinen am Hofe des Kaisers gerade in dem Augenblick, als sich von allen Seiten Mangel fühlbar macht. Die bevorstehenden Fastnachtsfreuden werden aber, da Mephisto tröstlich zu helfen verheißt,

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »