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Die Ersten werden die Letzten sein.

(Zur,,sozialen Revolution" im Altertum).

Von S. Luria.

I.

Die antike soziale Revolution ist jetzt Mode geworden. Einen Umsturz oder mindestens ein Programm des Umsturzes, welcher ,,demjenigen, welchen wir soeben erlebt haben, ganz auffallend ähnelt“ (Turajew), glaubt man in allen drei großen Kulturkreisen des Altertums - in Ägypten, in Mesopotamien, in Griechenland — gefunden zu haben, und man beeilt sich diesen Ereignissen aus einer uns so fernen und entfernten Vergangenheit ganz moderne Etiketten anzukleben. Nichts soll neu sein unter dem Monde!

Eine sehr wichtige, wenn auch keine Hauptrolle spielt dabei die terminologische Unklarheit: unter der sozialen Revolution versteht man doch jetzt, dank einem ungenauen Wortgebrauch, sehr oft die sozialistische Revolution, welche die allgemeine

politische und ökonomische - Gleichheit aller Produzenten zum Zweck hat. Doch eigentlich bedeutet das Wort ,,soziale Revolution" nichts als einen Umsturz, welcher gewisse neue soziale Gruppierungen ins Leben ruft; in diesem Sinne sind fast alle Revolutionen soziale Revolutionen, denn ein politischer Umsturz, welcher mit keinen sozialen Veränderungen verbunden ist, scheint mir von vornherein wenig wahrscheinlich1). Daß gerade im Altertum solche Umstürze besonders an der Tagesordnung waren, daß z. B. der Sturz des alten ägyptischen Reiches, die Reformen des Urukaginna, der Fall des griechischen Königtums und später der Aristokratie, die Neuerungen des Agis und des Kleomenes in erster Linie gerade soziale Revolutionen im weiteren Sinne sind darüber braucht man kein Wort zu verlieren.

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Diese meist ganz unbewußte Verwechslung zweier durchaus verschiedener Begriffe ist aber nur eine der Ursachen der wiederholten Behauptungen, daß wir schon im Altertume sehr nahe Vorbilder zu unseren jetzigen Ereignissen haben. Die zweite, viel wichtigere, besteht darin, daß die Forscher, welche sich mit den

1) Eine Ausnahme bilden die Hofrevolutionen, obwohl es auch hier manchmal einen sozialen Untergrund gibt.

Klio, Beiträge zur alten Gesch. XXII (N. F. IV) 4. ·

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uns hier angehenden Tatsachen der alten Kultur beschäftigen, öfters sehr große und feinsinnige Historiker und Philologen sind, aber sich für die Ethnologie und die Religionsgeschichte nicht im geringsten interessieren und von dem überaus großen Einfluß, welchen die religiösen, rituellen Schemata auf die alte — sogar die geschichtliche Literatur ausgeübt haben, keine Ahnung zu haben scheinen. Der Verfasser ist im Gegenteil überzeugt, daß uns bisher weder eine soziale Revolution selbstverständlich im oben erwähnten engeren Sinne der Gleichheit aller Produzenten noch eine bewußte Propaganda einer solchen Revolution für das Altertum bezeugt ist.

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Bevor ich aber zu meinem Thema komme, muß ich den Leser an eine interessante Gruppe von überall verbreiteten Festen erinnern, die für alles weitere von maßgebender Bedeutung ist. J. G. Frazer1) hat nach vielen anderen seine Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß sehr viele Völker des Erdballs jährlich eine Periode der Lizenz haben, da alle gesellschaftlichen Schranken umgeworfen werden: nicht genug, daß die Sklaven mit den Freien zusammen an ein und denselben Tischen sitzen, zusammen essen und sich wie die Freien gebärden oft wird,,das Oberste zum Untersten gemacht", die Sklaven sitzen am Tische und werden von ihren Herren bedient; noch gewöhnlicher geschieht diese Umwälzung der sozialen Verhältnisse in der Form einer gegenseitigen Vertauschung der Kleider. Die Gesetze gelten überhaupt nicht für diese Zeit, die Verbrecher werden gewöhnlich amnestiert. Auch die geschlechtlichen Verbote werden für diese Zeit aufgehoben: es herrscht eine geschlechtliche Ausgelassenheit, und nicht einmal die Haremfrauen des Königs durften anscheinend dieser Freiheit entbehren. Sehr oft wird dieser Umsturz auf der Bühne wie ein sakrales Schauspiel aufgeführt. Weiter kennzeichnet sich diese Zeit noch dadurch, daß auch das private Eigentum mindestens teilweise abgeschafft wird; die Mitglieder der Festprozession dürfen den Händlern ihre Waren unentgeltlich nehmen usw.

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Die sehr schwierige Frage nach dem Ursprung dieser Feste, deren Hauptzüge doch gewiß nicht bloß der reinen Phantasie entnommen sind, ist für unser Thema belanglos. Interessant ist für unseren Zweck nur, daß diese Bräuche fast immer als Verbildlichung derjenigen gesellschaftlichen Ordnung gelten, welche entweder in einer fernen Urzeit existiert haben sollte oder in

1) The Scapegoat (GB VI3), Lond. 1913, S. 306–411, The Dying God (GB III3), Lond. 1912, 16. 55f. 113f. 118. 149f. Vgl. H. Schurtz, Altersklassen und Männerbünde, Berl. 1902, S. 101ff. F. M. Cornford, The Origin of Attic Comedy, Lond. 1914.

der Zukunft eintreten müsse. Diese Zeit der umgeworfenen gesellschaftlichen Verhältnisse wird bald als selige Glücksepoche, al sein Paradies auf Erden, bald als trübe Zeit der Herrschaft der feindlichen Dämonenmächte angesehen: diese moralische Wertung ist offensichtlich später hinzugetreten und hat mit dem Brauche selbst nichts zu schaffen.

II.

Wir beginnen mit Ägypten. Hier war die Staatsorganisation sehr alt und ganz offensichtlich heilbringend, weil die schwierige und durchaus notwendige Regelungsaufgabe der Überschwemmungen des Nils nur für eine starke und straffe Staatsgewalt ausführbar war1). Es ist deshalb verständlich, daß hier sogar das Träumen von einem sozialen Umsturz oder der sozialen Gleichheit als Anarchie angesehen wurde. Diese Zeit galt hier als die Periode der Herrschaft des bösen Gottes Set und seiner Gehilfen, als ὁ τῶν Τυφωνίων χρόνος).

Die für uns interessanten Züge dieser Set-Zeit (s. meinen in der Anmerkung angegebenen Aufsatz a. a. O.) sind folgende: die Fremden und die Missetäter herrschen im Lande mit ihrem Führer als König an der Spitze; die Weiber, die Tiere und die Pflanzen sind unfruchtbar; die Kraft der Obrigkeit ist nichtig, und die Gesetze gelten nicht. Wie bei anderen Völkern wurde auch bei den Ägyptern diese trübe Zeit auf der Bühne aufgeführt 3).

Alles das gab mir a. a. O. zweifellos das Recht, das Ritual und den Mythos vom Kampf des Horus mit dem Set als Vertreter des oben behandelten Typus zu betrachten. Nun wird der Mythos an den verschiedensten Orten der Erde oft zur Novelle; die Tempelgeschichten verwandeln sich, indem sie das mythische Element mehr oder weniger verlieren, in Volksmärchen oder pseudo

1) Vgl. C. F. Lehmann-Haupt, Geschichte des alten Orients S. 32f. 2) Typhon ist = Set. Der Ausdruck ist den ,,Prophezeiungen eines Töpfers" entlehnt, siehe H. Greßmann, Altorientalische Texte zum AT2, Berl. 1926, S. 49 (die Literaturangaben ebendas.); des Vf.s Aufsatz,,Die ägyptische Bibel", Z. f. alttest. Wiss. 44, 1926, S. 101 ff.; R. Reitzenstein und H. H. Schaeder, Studien zum antiken Synkretismus aus Iran und Griechenland, Studien d. Bibliothek Warburg, herausgegeben von Fritz Saal, VII, 1926, ein neuer Text S. 38ff. Mit Recht weist Reitzenstein auf iranische Einflüsse in dieser Prophetie hin; doch wenn er das Ganze für ein rein iranisches Produkt hält, das aus der Reihe der äg. Prophezeiungen,,nunmehr ausscheidet" (S. 52), so ist das ein Irrtum. 3) Des Vf.s,,ägyptische Bibel", 105 m. A. 3. Vgl. noch A. Moret, La révolution sociale en Egypte, Revue de Paris, 15 avr. 1926, S. 872 (seine Quelle gibt er leider nicht an): ,,Autour du cadavre royal identifié à Osiris on joue un 'mystère dont les rôles sont tenus par la famille royale qui devient, en cet instant, la famille osirienne

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historische Erzählungen1). Die Tempellyrik Klagelieder auf den gestorbenen Gott und fröhliche Hymnen zu Ehren seines Auferstehens dienten als klassisches Vorbild für allerlei belehrende Literatur. Diese mythologische Tradition wurde, wie es immer und überall der Fall ist, je später desto literarischer und profaner; sie wurde durch den Einschub historischer Begebenheiten und Reminiszenzen erweitert. Als Kern dieser Erzählungen bleibt aber immer, wie R. Weill bewiesen hat2), eine bestimmte literarische Schablone; ,,dieses Schema", bemerkt treffend Ed. Meyer in betreff der ägyptischen Prophezeiungen (Sitzb. Berl. Akad. 1915, S. 303),,,ist immer das gleiche: Eine große Katastrophe, die Eroberung durch fremde Barbaren, die Verwüstung der Tempel, die Aufhebung des Gottesdienstes, die Umwälzung aller sozialen Ordnungen, und dann die Verjagung der Fremden durch einen göttergeliebten König, die Wiederherstellung des Kultus und der festen Ordnungen und eine neue glückliche Zeit“. Auch Hunger und Absetzung des rechtmäßigen Königs sind für alle diese Erzeugnisse typisch.

Ehe wir nun die uns angehenden literarischen Werke besprechen, haben wir noch auf einige Züge des Mythos hinzuweisen, welche für unsere weiteren Ausführungen von Belang sind. Erstens wird schon im Mythos die bevorstehende trübe Zeit vorausgesagt. Zweitens ist für unseren Zweck sehr wichtig, daß der Osirismythos schon sehr früh mit dem Sonnenmythos zusammenfällt, so daß an Stelle des Osiris der Sonnengott Re kommt.,,Sous l'influence prépondérante du clergé d'Heliopolis, une doctrine 'solaire' va dépasser la doctrine osirienne. Le Dieu du Nil et de la végetation entre dans la zone d'influence du Soleil." Das geschah schon während der fünften Dynastie3).

Wenn wir speziell zu den berühmten,,Mahnsprüchen eines ägyptischen Weisen an einen König“4) übergehen, so sehen wir gleich, daß über die Zugehörigkeit dieses Werkes zum obengenannten

1) Vgl. W. Spiegelberg, Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1915, S. 888; E. Norden, Die Geburt des Kindes, Leipz. 1924, S. 59. 82 m. A. 3 (,,mythische Novelle").

2) La fin de Moyen Empire égyptien, Paris 1918.

3) A. Moret, 1. c. 873; H. Greßmann, Tod und Auferstehung

des Osiris, Leipz. 1923, S. 302; meine,,äg. Bibel“, S. 1022.

4) Siehe H. O. Lange, Sitzb. Berl. Ak. 1903, S. 601ff.; A. H. Gardiner, The Admonitions of an Egyptian Sage, Leipzig 1909; Ed. Meyer, Sitzb. Berl. Akad. 1915, 303 m. A. 2; A. Erman, Die Mahnworte eines ägyptischen Propheten, Sitzb. Berl. Akad. 1919, 804ff., Die Literatur der Ägypter, Leipzig 1923, S. 132ff.; H. Greßmann, Geisteskultur 33, 1924, S. 97ff.; H. Ranke bei H. Greßmann, Altor. Texte2, S. 51ff.; A. Moret, l. c.

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Typus kein ernstlicher Zweifel aufkommen kann, worauf übrigens schon vor mir Ed. Meyer 1. c. 1) seine Aufmerksamkeit gelenkt hat. Hier lesen wir u. a. (in der Ermanschen Übersetzung):

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,,Die Fremden sind überall zu Ägyptern geworden. Die Frauen sind unfruchtbar und keine wird mehr schwanger Die Geringen besitzen jetzt Herrliches; wer sich sonst keine Sandalen machte, besitzt jetzt Schätze. Die Vornehmen sind voll Klagen und die Geringen voll Freude; jede Stadt sagt: laßt uns die Starken aus unserer Mitte vertreiben. Das Land dreht sich um wie die Töpferscheibe tut... Das Ausland ist durch Ägypten hin verbreitet Das Fremdvolk von draußen ist zu Ägypten gekommen Gold und Lapislazuli, Silber und Malachit usw. . . . sind um den Hals der Sklavinnen gehängt. Aber die Damen (?) ziehen durch das Land und die Hausherrinnen sagen: ach, hätten wir doch was zu essen. . Man unterscheidet nicht mehr den Sohn eines Angesehenen von dem, der keinen solchen (Vater) hat. Die Bürger hat man an die Mühlsteine gesetzt. . Die Damen sind wie die Dienerinnen Die Sklavinnen haben Macht über ihren Mund; doch wenn ihre Herrinnen reden, so ist das für die Diener schwer zu ertragen Man nährt sich von Kräutern und trinkt Wasser Man raubt die Abfälle aus dem Maule des Schweines . . weil man so hungrig ist... Das... Gerichtshaus, dessen Akten sind fortgenommen; die geheime Stätte ist entblößt . . . Die Zauber sind entblößt. . Die Amtszimmer werden geöffnet und ihre Listen fortgenommen; die Leibeigenen werden zu Herren (und vieles dergl.) . . . Der König wird von den Armen fortgenommen Es kommt dazu, daß das Land des Königtums beraubt wird.. Das Land (ist) voll Banden; der Starke, dessen Habe raubt der Elende Die Kleider besaßen, sind jetzt in Lumpen; wer nicht für sich webte, besitzt jetzt feines Leinen usw. Die Armen des Landes sind zu Reichen geworden; wer etwas besaß, ist jetzt einer, der nichts hat . . Die Obersten des Landes laufen Wer keine Hörigen hatte, besitzt jetzt Leute; wer ein (Vornehmer?) war, verrichtet jetzt selbst Aufträge . .

usw.

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Alle kennzeichnenden Züge der oben besprochenen Gruppe sind hier in typischer Form vorhanden: die Abschaffung der Gesetze, die Zerstörung der Verwaltung, die Unfruchtbarkeit der Weiber, das Umkehren der sozialen Verhältnisse, so daß das Unterste oben, das Oberste unten wird usw.

Das gleiche gilt auch für den Petersburger Ermitage-Papyrus mit den Prophezeiungen eines Priesters unter König Snefru2) (Ermans Übersetzung):

1) So auch Kleine Schriften, Halle 1910, S. 3492. Wenn Gardiner festgestellt hat, daß dies Werk keine Prophetie, sondern ein Mahnwort ist, so betrifft das m. E. nur die äußere Umrahmung. ,,So sehr Gardiner das Verständnis gefördert hat, so zweifelhaft ist es mir doch, ob diese Auffassung sich überall bewähren wird" (Ed. Meyer).

2) Golenischeff, Les Papyrus hiératiques No 1115, 1116 A et 1116 B de l'Ermitage Impériale à St. Pétersbourg, Petersb. 1913; A. H. Gardiner, Journal of Egyptian Archaeology I S. 101 ff.; Erman, Literatur, S. 151 ff.; H. Ranke, 1. c. 46ff.

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