II.

Gott ist die Liebe! - Damit begrüße ich Sie heut alle freudig im freudigen Kreise; damit begrüße ich Sie, glückliche Aeltern dieses Kindes; begrüße ich Sie, die Sie einst auf Vater und Mutterarmen trugen den Vater und die Mutter dieser Neugebor nen; begrüße ich dich, geliebter, Ankómmling in unserer Mitte; und mit diesem Gruße gebe ich dir den ersten Segen der Religion und die Weihe des Göttlichen. Soll ich von dem wechselnden Jahre, oder von der

Bey einer Taufe im Hause am ersten Tage des neuen Jahres.

Auf

Freundschaft und ihrem Troste, oder von tausend schönen Erfahrungen Ihres Lebens, die sich heut in heller Klarheit vor Ihre Seelen stellen, bestätigen lassen, was ich jezt sprach? Nein, diese Neugeborne allein soll die Verkündigerin jener Wahrheit seyn, und Ihnen und sich selbst damit ein heiliges Licht anzünden. Zwar schwach unb hülflos, wie des Staubes Gebilde insgesammt, ist sie doch ein großes herrliches Geschöpf. wärts schauet ihr Auge, und in ihrem Innern feimet ein fühlendes Herz und ein denFender Geist. Gottes allmächtige Hand führte sie ins Leben durch Todesgefahr, und legte sie auf der Mutter Schooß und in des Baters Arme, daß beyde nicht mehr dächten an die Angst, um der Freude willen, weil ihr Kind ihnen geboren wåre; und gab sie als Enbelin den Våtern und Müttern ihrer Aeltern, daß sich an ihrem Anblicke der Schmerz bitte rer Erinnerungen milderte; und schenkte sie uns allen, denn was Gott Ihnen, theure Aeltern dieses Kindes, Gutes gewährt, das

gewährt er uns allen, weil wir alle Sie herzlich lieben. Ja, dein Erwachen, geliebtes Kind, deine und deiner Mutter Erhaltung in der Stunde der Gefahr, ihre und deines Vaters Freudenthrånen; Großåltern, Ihre Rührung; Freunde, Ihr Aller Gefühl, wel. ches gewiß auch das meinige ist, berechtiget mich, treibt mich an, daß ich mit dem gro Ben Spruche des Erlösers ...„Gott ist die Lies be" weihe und segne dieß Kind. Aber das Göttliche steht über dem Menschlichen, auch wenn es völlig unbefleckt und schuldlos ist. Leben ist schön und werth, köstliche Gottesgabe genannt zu werden. Aber auch Blumen leben und Thiere des Feldes. Les ben im Lichte der Wahrheit, leben mit reinem Sinn und heiliger Kraft, leben mit kindlichem Glauben und frommer Hoffnung, und eben daher mit Ruhe, die kein Sturm, des Unglücks und kein Schreckbild des Todes erschüttern kann, das ist das schönste, ist das einzig wahre Leben des Menschen, der Gottes Bild an sich trågt; und wenn wir für

Dieses Leben unserer Kinder hoffen können. gleich bey ihrer Geburt, dann umstrahlt ihre Wiege der hellefte Glanz göttlicher Milde. Gott ist die Liebe-rufe ich noch ein Mal mit höherer Freude dir zu, geliebtes Kind. Denn ich nehme dich heute feyerlich in die christliche Welt auf; ich taufe dich auf Vater, Sohn und Geist; ich weihe dich mie Gebeten der Liebe Gott; ich stelle unter die Erlöseten Jesu dich hin; ich übergebe dich seinem Geiste; ich sichere dir alle Hülfen, alle Tröftungen des Cvangeliums zu; ich kündige dir den Beystand einer Religión an, an deren Hand es dir nie an Licht und Aufschluß, an Kraft und Much zur Pflicht, an Trost und an Frieden fehlen wird, und von der geleitet und beschüßt, du zum Leben aufblühest, das über alle Wechsel der Zeit sich erhebt, nie altert und schwach wird, sondern mit immer jugendlicher Munterfeit walter und wirkt, weil es das Leben der Unschuld, das Leben der Liebe, das Leben des Glau bens ist. Ja, Gott ist die Liebe

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dieß sagt uns dein Erwachen, dieß bezeugen die Freuden, die du geschaffen und die Sorgen, die du verscheucht hast, dieß bestätigt deine Aufnahme in der Christen heiligen Friedensbund. Faffen Sie heut alle, geliebte Anwesende, kräftig dieß Wort von der göttlichen Liebe auf. Wie dieß Kind, so traten auch wir einst alle! in Schwäche und Hülflosigkeit in die Welt. Aber eine liebende Gottheit nahm sich unfer an, übergab uns fühlenden Herzen, und führte uns selbst von Jahre zu Jahre, durch immer wechselnde Erfahrungen, bald durch Freude, bald durch leid, manche durch harte Prüfungen, alle durch stürmische Zeit und zwischen Gråbern edler Entschlafenen, bis in diese erste feyerliche Abendstunde eines neuen Jahres, die wir, schon mehr als ein Mal, selbst in diesem Hause, mit der Herzlichfeit treuer Freunde und liebender Verwandten gefeyert haben. Dunkel liegt die Zukunft vor uns da; aber wir zagen nicht, denn dieser Säugling ruft uns zu: Gott ist die Liebe. Horen Sie insbesondere, werthe B

M. Rüdels Taufr. 18 Bdchn.