21. Versus memoriales zur Verbreitung und Festhaltung der zwei wichtigsten Natürliches System der Erze nach Oken. Flinze, wenig Erz enthaltens', Halde, nu, die sind Gesalzen's; Natürliches System des Organisch-Gebackenen nach Knebel. Leber ist nicht werth des Schmalzes; Häring hat zu viel des Salzes; Frösche sind zum Frühlingsfeste; Fische dennoch sind die beste. Und mit diesen lass' im Stiche 21. Zuerst gedruckt 1869 in unsrer 1. Ausg. 3, 203, nach einer Abschrift aus Knebel's Nachlasse, unter „Epigrammatisch“. · Das Ganze eine heitre Invektive des Augenblicks gegen Oken, besonders durch die parodistische Heranziehung der Knebelschen „Küche“ (V. 12). Der Scherz fällt in den Sommer 1809, wo sich Goethe, mit den „Wahlverwandtschaften“ beschäftigt, in täglichem Umgange mit Knebel lange in Jena aufhielt. Da muß ihm Oken's als Osterprogramm desselben Jahres veröffentlichte Schrift: „Grundzeichnung des natürlichen Systems der Erze" in die Hände gefallen sein. Darin war ein von Linné und Batsch abweichendes neues Mineralsystem aufgestellt. Die dritte Ordnung der Mineralien bilden die Erze, welche in Erderze Flinze (V. 1), Salzerze Halde (V. 2), Kalkerze Gelfe (V. 4) zerfallen. -- Malme (V. 3) und halbgediegene Erze Goethe, für den diese Neuordnung wegen der Jenaischen und seiner eignen Mineralsammlung ein großes Interesse darbot, verspottet jene weit hergeholte Terminologie, weil man unter Flinzen bisher den Spatheisenstein verstand und sich Oken wegen der drei andern Bezeichnungen willkürlich darauf berief, daß man in Galizien erdiges Steinsalz Halda", in Schweden Erz-Oryde „Malme“ und in Ungarn Schwefelkiese „Gelfe“ 22. Dem Buchstabensparer. So soll die orthographische Nacht 23. Kotzebue. Natur gab dir so schöne Gaben, nenne (s. die Worte bei Adelung, wegen „Halde" auch G's Briefw. mit Sternberg, S. 146); bei den Flinzen dominire die erdige Substanz (S. 19), daher wenig Erz enthaltens"; die Malme sind durchgefotten", als völlig orydirt, verbrannt; die Gelfe „hätten's bald getroffen“, weil sie, nach Oken (S. 25), „immer mehr danach ringen, wahre Metalle zu werden und es ihnen theilweise gelingt". In der zweiten Strophe scheinen launige Äußerungen Knebel's über gewisse Gerichte benußt zu sein. Bei ihm hatte am 2. August 1809 der Dichter mit Minister Voigt und Riemer zu Abend gespeist und zwei Tage darauf an Voigt geschrieben: „Was die Mineralien betrifft, so bitte sie nach der alten Ordnung liegen zu lassen, bis wir die Flinze, Halde, Malme, Gelfe etwas näher in ihren neuen Verhältnissen kennen lernen." Denselben Tagen werden obige Verse angehören, Nachklang der Gespräche der Abendtafel. 22. Erster Druck 1836, in 8, I, 137 a, mit Angabe der Jahreszahl 1812 (aus diesem Jahre auch nach Musculus' Papieren). Gerichtet gegen Jean Paul's Vorschlag, das s in zusammengeseßten Worten wie Mittagsmahl zu sparen (s. Morgenblatt 1812, Nr. 36 flgg.: Jean Paul's „Bußpredigt" gegen die S). Einem ähnlichen Vorschlage desselben trat Goethe in Kein Vergleich" (Ged. II, 228) entgegen; s. auch den „Chinesen in Rom" (Ged. I, 164) und die Stammbuch Verse: „Ihrer sechzig hat die Stunde" (3, 353. 1. A.), während Goethe in einem Briefe an Knebel (Nr. 442) 1814 Jean Paul als Schriftsteller sehr hoch stellte, wie auch später in den Anmerkungen zum Divan. 23. Erster Druck ebenda S. 136 a hinter Nr. 25 und vor Nr. 24, Könntest du dich deiner Nachbarn freuen, Und wenn nach hundert Jahren ein Meiner So darf er es nicht anders sagen; Du kannst ihn beim jüngsten Gericht verklagen. " unter Angabe der Entstehungszeit: Februar 1816. In dieser und den bis Nr. 27 folgenden Nummern eine stille Polemik gegen Kotzebue während seiner leßten, tragisch endenden Periode. Im Winter 1816 befand derselbe sich als russischer Konsul zu Königsberg i. Pr.; ein lokaler und persönlicher Anlaß zu dem Gedichte fehlt, auch, wie es scheint, ein litterarischer; es floß vielmehr, wie der schöne Aufsatz über Kozebue in den „Biographischen Einzelnheiten“ (Bd. 27, S. 331. 1. A.), aus einem allgemeinen Rückblicke des Dichters. Er findet, wie in Nr. 14, Vers 8 und Nr. 15, Vers 5 bis 8, Kozebue's Mängel in der Negation, in der Unfähigkeit, fremdes Verdienst freudig anzuerkennen (V. 4), in dem Verdruß über „das Rechte“ (V. 7) und nach jenem Auffah, in des Gegners „Nullität“. Es war der völlige Mangel an Idealität, welcher ihn gegen die fruchtbaren geistigen Strömungen seiner Zeit in Widerspruch brachte, gegen die ihm unverständliche philosophische Entwicklung seit Kant, gegen die Romantiker, gegen die altdeutschen Studien (die Nibelungianer “), gegen den in der Noth der Kriegszeit neu erwachenden religiösen Geist, besonders auch gegen Goethe und seine Anhänger, die „Goethlichen“, wie er sie nannte (vergl. Gervinus, Litt.-Gesch. 5, 556 fgg.). Kozebue hatte sich selber vom Tempel ausgeschlossen (V. 8) und so findet Goethe, gleichsam der Oberpriester dieses Tempels, zwischen ihnen eine nicht zu überbrückende Kluft. Sie sind nach ihrem innern Wesen Antipoden und werden es bleiben auch unter den entferntesten Nachkommen. Dies Scheidungs-Urtheil spricht die lehte Strophe aus, wie der junge Goethe einst, März 1775, von Wieland und dessen Freunden gerufen: „ewige Feindschaft sei zwischen meinem Samen und ihrem Samen!" (J. Goethe 3, 68). Die Zeit hat jenes Urtheil vollzogen. Schon Pruz (Vorlesungen über die Gesch. d. deutschen Theaters, S. 376) sprach von „der Nacht der Vergessenheit“, dent „Aschenregen der Verachtung", die sich über Kotzebue ausgebreitet, und heute ist er fast ganz aus dem Gedächtniß der Nation gefchwunden, und nur die Musik schüßt ihn vor völligem Tode (die Beethoven'sche zu den „Ruinen von Athen", die Lorhing'sche zum „Wildschüß“). — Der Spanier 5 10 15 24. Demselben. Den 18. Oktober 1817. Du hast es lange genug getrieben, Sankt Peter hat es dir aber gedacht, Sankt Peter freut sich deiner Flammen. Buenco haßt bis ans jüngste Gericht. So Goethe hier, V. 12. Was ist aber ein „Meiner“ (V. 9)? Das Grimm'sche Wörterbuch versteht unter dem Worte, nach dessen zunächst liegendem Sinne, einen Urtheiler". Wollte Goethe sich eine Autorität über alle Urtheiler, alle Kritiker der Zukunft zuschreiben? Sollte er nicht vermuthet haben, daß Kozebue, wie zu seiner Zeit Millionen Gleichgesinnter, so auch in der Zukunft deren noch zu Tausenden finden würde? Auch nach hundert Jahren werden ganz sicherlich viele Beurtheiler Kozebue's und seiner Werke ganz auf dessen Seite stehn. Goethe's Meinung ging vielmehr dahin, die Wesensverschiedenheit zwischen ihm und seinem Gegner als so tief, so prinzipieller Art hinzustellen, daß auch „sein Samen“, seine künftigen Anhänger und Schüler nicht anders denken können. Er scheut sich nicht, diese gleichsam auf seine Worte im Voraus zu verpflichten: ihr „dürft es nicht anders sagen“. „Ein Meiner“ (V. 9) stände daher für: einer der Meinen, ein Meiniger (un mien), wie man sagen könnte: ein Unsriger, statt einer der Unsrigen. Da Kozebue gegen Goethe's Anbeter", die Goethianer, einen besondern Haß hegte und er darin auch heute Nachfolger findet, so lag es Goethe nahe, ihm gegenüber der Seinen" zu gedenken. " 24. Erster Druck wie der vor. Nummer, mit Überschrift und dem 25. " Warum bekämpfst du nicht den Kozebue, Ich sehe schadenfroh im Stillen zu, Wie dieser Feind sich selbst vernichtet. Datum. Dieses bildet einen integrirenden Theil derselben, da daraus als Gegenstand des Gedichts das Wartburgfest bei der Lutherfeier 1817 sich ergiebt. Knebel rühmte damals im Schreiben an Goethe vom 27. Oktober, daß die Studenten mehrere neuere Modeschriften herrlich verbrannt, ein Gedanke, der dem alten Luther im Grabe Ehre mache". Unter jenen Schriften befanden sich mehrere von Kozebue, dem damals schon anrüchigen russischen Agenten, namentlich seine im antideutschen Sinne verfaßte „Geschichte des deutschen Reichs" (1814 und 1815). Dies Werk galt als ,,der Nationalehre zuwider" (hier V. 2 und 12). Einwirkungen Rom's (V. 8-10) und Rom's Befriedigung über den Racheakt (V. 16) nahm Goethe an wegen der Kozebue'schen Angriffe auf das Christenthum und den Katholizismus in seinen „Erinnerungen von einer Reise aus Liefland nach Rom und Neapel, 1805“ (s. oben Nr. 16). Darin spricht Kozebue von einer „Madonna à l'Eulalia“, und an einer Stelle, wo von dem Erlöser die Rede ist, wirft er ein: „Welcher? Christus oder Wischnu?" Man gab daher später auch wohl den Katholiken Kozebue's Ermordung Schuld (s. „Betrachtungen über die römisch-katholische Kirche mit ihren Jesuiten, in besonderer Beziehung auf Koßebue's Ermordung durch Sand. 1819"). So billigte Goethe, dem Geiste nach, jene Vergeltung (V. 13), wenn er auch die tumultuarische Ausführung aus den von den Kleinstaaten zu nehmenden politischen Rücksichten bedauerte (Boisserée II, 215, Müller's Unterh. S. 18, Goethe's Annalen). „Niederträchtig", V. 2, bei Grimm „Niederträchtig“ II, 5c: „Gegensatz zu hoch, erhaben, edel, fein“; so Goethe: „Gegensatz von Erhabenem und Niederträchtigem“ (29, 757. 1. A.) und im Faust II, 2, V. 895: „Da wär' ich ja, wie andre, niederträchtig“. „Niedertracht“, V. 3, ebenso Gemeinheit der Gesinnung und Handlung; bei Grimm als Beispiel der Brief Goethe's an Schiller vom 27. Nov. 1803 von „ geduldeter Niedertracht nordischer Umgebung" und Stellen aus A. v. Arnim's und Mosen's Schriften. = 25. Erster Druck wie der voriger Nummer, hinter Nr. 15 und vor Nr. 23, ohne Überschrift und Datum; 1840, in 9, 3, 101 unter den Zahmen Xenien, hinter Nr. 290, wegen der darin erwähnten „Firma Nicolai“. Kozebue, dieser Firma angehörig, überhebt den Dichter der Erwiderung durch sein eignes selbstmörderisches Gebahren (vergl. Annalen, Bd. 27, 1, Goethe, 3. 22 |