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die Ausgestaltung des Pflichtteilrechts sicherlich von weittragender Bedeutung gewesen ist. Auch manche Besonderheit, die sonst unverständlich wäre, lässt sich aus diesem Zusammenhang heraus erklären. So trat im älteren römischen Recht die in einer freien Ehe lebende, d. h. nicht unter die Gewalt des Mannes (manus) gestellte Ehefrau, bei der gesetzlichen Beerbung ihres Mannes hinter allen Agnaten zurück; der Grund ist offenbar, wenn wir an die Stelle des Wortes » Agnaten« das, was sie in alter Zeit waren, nämlich »>Hausgenossen<< setzen und weiter bedenken, dass der vaterrechtlichen Hausgenossenschaft der Römer der nicht zuwuchs und zuwachsen konnte, der nicht der Gewalt des Hausvaters unterstand 1).

Erinnerungen an diesen Ursprung des Erbrechts finden wir aber nicht nur im römischen Recht, sondern auch sonst. So bestimmte noch das Rietberger Landrecht (Westfalen), dass das Erbe eines Ledigen nur dann an seinen Vater falle, wenn der Verstorbene im väterlichen Hause gelebt habe; »so lange er beim Vater unter seiner Gewalt bleibt, und er das keusche Brot zu Hause bringet«; im anderen Falle, wenn er »seinen eigenen Herd und Pott hat« an den Landesherrn2). Also hier wird geradezu als Grundlage des Erbrechts die Zugehörigkeit zur Hausgenossenschaft angegeben. Und Ähnliches lässt sich auch im slavischen Recht nachweisen3).

Von den hausgenossenschaftlichen Vorstellungen lässt sich der Ahnenkult nicht trennen. Denn Herd und Hausgötter waren diesen Genossen gemeinsam. Und diese Sorge für den Toten und die Totenopfer ist der tiefste Grund dafür, dass das älteste Erbrecht ein »notwendiges < war, und die ältesten Erben Noterben waren. Daher mussten die nächsten Hausgenossen die Erbschaft übernehmen, ob sie wollten oder nicht

1) BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 4, S. 235.

2) GRIMM, Weistümer, Bd. 3, S. 104, No. 14.

3) R. DARESTE, Études d'histoire de droit, Paris 1889, S. 168-169.

(sive velint sive nolint1); denn es durfte kein Zustand eintreten, in welchem der Verstorbene im Jenseits ruhelos blieb, weil kein Überlebender da war, der ihm das Opfer brachte. Dies ist auch der Grund des alten Satzes des römischen Pontifikalrechts: >>Keine Erbschaft ohne Opfer (nulla hereditas sine sacris)<<; durch ihn wurde verhindert, dass der zum Opfer Berufene es dem toten Familienvater verweigerte 2).

Im Übrigen musste die Ausgestaltung des gesetzlichen Erbrechts wesentlich durch das Familienrecht beeinflusst werden, sodass insbesondere die Frage, ob Mutter- oder Vaterrecht obwaltete, von Bedeutung war. Dies ist bereits in den früheren Blättern erörtert, und sei hier nur berührt, dass bei vorherrschendem Mutterrecht die mütterliche Familie und vor allem der Bruder der Mutter und der Sohn der Schwester berufen wurden 3),

während bei schroffer Entwickelung des Vaterrechts die Kinder des Mannes berufen sind, gleichviel, ob sie von einer Ehefrau oder von einer Sklavin entstammen1).

Die Begünstigung des Erstgeborenen, die wir bei vielen Völkern finden, hat gleichfalls ihre Wurzel in der Verfassung der alten Hausgenossenschaften, wo bei Zusammenleben der Brüder nach dem Tode des Vaters naturgemäss der ältestę Bruder an die Spitze des gemeinschaftlichen Hauswesens trat. So wurde im Laufe der Zeiten aus der begünstigten äusseren Stellung als anerkanntes Haupt des Hauses mit dem Aufkommen des Sondereigentums eine privatrechtliche Erbfolge, und aus

1) GAJUS 2, 157.

2) JHERING, Vorgeschichte der Indo-Europäer, S. 64, 65.

3) So beerbt bei den Khasias in Bengalen der Neffe den Onkel (KOHLER in Zeitschrift, Bd. 9, S. 328).

4) So das althebräische Recht (1 Mos. 16, 5; 21, 10; 5. Mos. 21, II ff; RICHTER 11, 2), Alt-Babylon (Gesetzbuch des HAMMURABI § 170) und der Islam (FRIEDRICHS in Zeitschrift, Bd. 7, S. 277). Hierin liegt ein sehr wesentliches Korrektiv gegen den Missbrauch der Sklavenwirtschaft!

der Vorstar.dschaft wurde das volle Eigentum des Hauses also beim Bruder genau wie es im allgemeinen bei der Stellung des Vaters sich gestaltete. So war bei den Hebräern das Recht der Erstgeburt anerkannt') und wissen wir alle, wie Esau dem Jakob seine Erstgeburt für ein Gericht Linsen verkaufte. Dies Recht ist aber im Orient weit verbreitet. Wir sehen es in Afghanistan wie in Vorderindien 2), und ebenso in Birma, wo der älteste Sohn Kleider und Schmuck des Vaters und ausserdem ein Zehntel der Erbschaft über seinen Kindesteil hinaus als voraus erhält3). - Diese Bevorzugung der Erstgeburt ist auch der Ausgangspunkt für die Fideikommisse1), wie sie bezeichnend genug heute in der Regel nur noch beim hohen Adel vorkommen, der sich auch hier als der Hüter uralter Traditionen erweist. Diese vinkulierten Standesgüter sind uns auch von andern Völkern bezeugt. So kamen sie im alten

1) 5. Mos. 21, 17. Ebenso anscheinend im alten Babylon (Bruno MEISSNER, Beiträge zum altbabylonischen Privatrecht, S. 16).

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 206, Anm. 15. Über das weitgetriebene Recht der Erstgeburt bei den Völkern der Südsee, wo in der Königsfamilie wie in der Aristokratie bei Geburt eines Sohnes der Vater abdankt und nur noch Regent und Verwalter im Namen seines Sohnes bleibt, W. ELLIS, Polynesian Researches, 1830, Bd. 2, S. 346 ff.

3) Der Nächstälteste erhält wiederum vom Rest ein Zehntel als Voraus, und so fort bis zum siebenten Sohne, worauf die Übrigen sich gleichmässig in den Rest teilen müssen. (KOHLER a. a. O., Bd. 6, S. 177).

4) Nicht entgegensteht, dass es auch Minorate gibt, bei denen also nicht der älteste, sondern umgekehrt der jüngste Sohn zur Erbfolge berufen ist. Es ist diesem selten vorkommenden Institut wohl nur die Bedeutung einer vereinzelt auftretenden Varietät einzuräumen, (so in der Verfassung von deutschen Standesgütern, was noch im preussischen allgemeinen Landrecht II, 4 § 146 festgehalten ist, aber auch bei den Chins in Hinterindien (KOHLER a. a. O., Bd. 6, S. 195). Denn, ob nun jüngster oder ältester, immer handelt es sich nur um eine Verschiedenheit in der Bestimmung der Nachfolge; das Prinzip ist hier wie dort hausgenossenschaftlich, nämlich der Übergang der Vorstandschaft des Hauses in alle Zeiten hinein auf einen der Genossen.

Ägypten sehr bedeutsam für die dortige Stellung des Priestertums in der Weise vor, dass man erhebliche Einkünfte seinem Totenpriester mit der Auflage zuweisen konnte, dass von mehreren Nachkommen immer nur je einer zu ihrem Bezuge berechtigt sein sollte1). Noch ausgeprägter und in breiterer Ausdehnung tritt uns aber dies Rechtsinstitut im alten Mexiko entgegen. In Tlaxcala zählte man zur Zeit der spanischen Eroberung 30 Fideikommissgüter mit Erstgeburtsfolge2), und bei den Azteken konnte das Lehn der hohen Würdenträger bei der Verleihung als Erstgeburtsland bestimmt werden und war dann unveräusserlich3). Auch hier also knüpfte tout comme chez nous

der hohe Adel seine Bestrebungen für die Erhaltung der Familie, des »Hauses< in Bewahrung alter Überlieferung, an die hausgenossenschaftlichen Erinnerungen an. Und ist daher der Ausdruck Hausverfassungen durchaus bezeichnend.

Zu den ältesten Rechtseinrichtungen der Menschheit gehört die sogenannte vorweggenommene (anticipierte) Erbfolge. Solange eine kräftige Hand zur Bewirtschaftung des Familienerbes erforderlich war, ging man davon aus, dass bei herannahendem Alter der Vater von der Beherrschung des Hauses zurücktrat, um dem rüstigeren Sohne Platz zu machen. So rief bei den alten Indern der Bräutigam bei der Verheiratung der Braut zu: »Sei Herrin über den Schwiegervater, sei Herrin über die Schwiegermutter, sei Herrin über meine Schwestern, sei Herrin über meine jüngeren Brüder1)!» So lebt Laertes nach unseren Begriffen als Altsitzer, während sein Sohn Odysseus der König ist. Und bis in unsere Zeit hinein beweist

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diese Vorstellung ihre Lebenskraft wie ihre Unentbehrlichkeit in dem Altenteilsrecht unserer Bauern 1).

Die rustige Hand war überhaupt in alter Zeit eine wesent liche Voraussetzung der Erbfähigkeit; auch hier ist der Zusammenhang mit den Hausgenossenschaften unverkennbar, da nur der kräftige Mann zur Vorstandschaft geeignet war. So hat sich in verhältnismässig späte Zeiten hinein der Rechtssatz erhalten, dass nur der Mann, der das Erbe mit den Waffen verteidigen kann, zur Erbschaft berufen ist. Daher sind, was wir schon im allgemeinen bei den Eheverfassungen berührt haben), die Frauen bei naturwüchsigen Völkern vielfach von der Erbschaft ausgeschlossen. Dies war das Recht der alten Inder wie der Germanen, und nach armenischem Recht war ganz konsequent auch der mit schweren Gebrechen geborene, also nicht waffenfähige Mann erbunfähig 3). So war es das alte Recht von Medina in der »Zeit der Unwissenheit», also vor dem Islam, dass niemand Erbe sein konnte, der nicht in der Schlacht mitkämpfte, nicht Beute gewann und Eigentum nicht schützen konnte. Nach diesem Grundsatz war überhaupt fast durchweg im alten Arabien den Frauen die Erbfähigkeit, wenigstens in Grundstücke entzogen). Erst Mohammed führte die Erbfolge der Töchter und Schwestern ein; aber auch nach mohammedanischem Recht erben die Söhne das Doppelte desjenigen, was die Töchter erhalten 5).

So lange die kriegerische Leidenschaft vorwaltete, konnten die Frauen, da sie nicht Schwert und Schild führten, also nicht miterben. Dies gilt aber auch bis tief in späte Zeiten hinein, und hängt mit der niedrigen Stellung zusammen, die, wie

1) Vergl. JHERING, Vorgeschichte der Indo-Europäer, S. 52, 53.
2) Oben, Bd. 1, S. 230.

3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 420.

4) ROBERTSON SMITH, Kinship and Marriage in early Arabia, S. 54, 95 ff., 264.

5) TORNAUW in Zeitschrift, Bd. 5, S. 150.

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