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im ersten Bande des Näheren entwickelt ist, die Frauen durch sehr lange Kulturperioden inne gehabt haben. Waren sie zumal zu Zeiten der Kaufehe nur Vermögensstücke mit Verkaufswert, so kann es nicht verwundern, dass sie auch zur Erbschaft, wie überhaupt zur Vermögensfähigkeit, nicht zugelassen wurden. Derartiges finden wir weit verbreitet, so in älterer Zeit in Europa1) und noch heutigen Tags in Afrika 2). Andere Zustände gewahren wir nur dort, wo das Mutterrecht bis in geschichtliche Zeiten Geltung behielt. Durch solche mutterrechtliche Nachwirkungen wird daher zu erklären sein, wenn in dem alten Volksrecht der salischen Franken (lex Salica) unter den gesetzlichen Erben auch die Mutter, die Schwester und die Mutterschwester aufgeführt werden3). Wie es hiermit aber auch sein mag 4), soviel scheint sicher, dass auf diese Wurzel die Vererbung der Schmucksachen der Frau auf ihre Töchter zurückzuführen ist; bekannt ist, was für eine Ausbildung dies im deutschen, insbesondere im alten sächsischen Recht als sogenannte Gerade gefunden hat"), — es kann hierfür aber auch auf das indische Recht hingewiesen werden 6).

Der jüngste Zweig des Erbrechts ist das Testamentsrecht. Alle erbrechtlichen Bildungen, die bis jetzt an uns vorüberzogen und sich grösstenteils aus den hausgenossenschaftlichen Ideen erklären lassen, gehören dem gesetzlichen Erbrecht an. Der treffendste Ausdruck für diesen Kreis von Vorstellungen

1) Wegen der slavischen Völker vergl. DARESTE, Études d'histoire de droit, S. 198 (POLEN) 227 (Dalmatien), 238 (Montenegro) und wegen des altböhmischen Rechts ebenda, S. 168.

2) So bei den Amaxosa-Kaffern, POST in Zeitschrift, Bd. 11, S. 241, und REHME ebenda, Bd. 10, S. 48.

3) DARGUN, Mutterecht und Raubehe, S. 60 ff.

4) Vergl. SCHRÖDER, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 321 Anm. 414.

5) HEUSLER, Institutionen, S. 577.

6) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 3, S. 440.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts II

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ist in dem altdeutschen Rechtssprichwort gegeben: »Gott, nicht der Mensch macht den Erben« 1). Dem gegenüber hat sich das Testamentsrecht anscheinend sehr spät aus dem Ahnenkult entwickelt. Wir sahen vorhin, dass dieser Kult auf ältesten Kulturstufen geradezu zur Verneinung des Erbrechts führte; um den Toten nicht zu beunruhigen, gab man ihm seine Sonder. habe über den Tod mit. Wie diese Vorstellung also dem Erbrecht in sehr früher Zeit völlig entgegenstand und es zunächst nicht aufkommen liess, so hat sich andererseits, einfach sind die Mittel, mit denen die Menschheit auskommt aus genau der nämlichen Vorstellung späterhin gerade diese neue Seite des Erbrechts zur Entwickelung gebracht. Auch hier war es die Furcht vor dem Toten, die zuerst, wie es scheint, zur Befolgung seiner letzten Wünsche geführt hat; man besorgte, dass der Geist des Verstorbenen, dieses entsetzliche Schrecknis, sonst den ungehorsamen Lebenden verfolgen und ihm schweres Unheil bringen könnte. So sehen wir, dass die Papuas auf Neu-Guinea Schenkungen von Todeswegen und letztwillige Wünsche kennen und beachten, weil sie sich vorstellen, dass die Verstorbenen sonst Erdbeben mit Springfluten, Stürme und Krankheiten veranlassen könnten 2), und Ähnliches wird uns von den Negervölkern Ostafrikas berichtet3). Das sind freilich nur unvollkommene Anfänge, und wir sehen auch weiter, dass bei sonst schon sehr vorgeschrittener Kultur das Testamentsrecht, wo es in Erscheinung tritt, zunächst noch

1) HILLEBRAND, Rechtssprichwörter, S. 144. Ähnlich sagte MOHAMMED: >>Gott hat niemand das Recht gegeben, in der Verteilung der Erbschaft nach eigener Willkür zu verfahren; Gott selbst hat die Rechte aller Erben eingesetzt und ihre Erbteile bestimmt.« (TORNAUW in Zeitschrift, Bd. 5, S. 116) was freilich, wie wir bald sehen werden, ihn nicht hinderte, die Testamentserrichtung seinen Gläubigen zu empfehlen. 2) Zeitschrift, Bd. 14, S. 338, 335.

3) Ebenda, Bd. 15, S. 11. Auch aus der Südsee wird von letztwilligen Verfügungen berichtet, die als eine heilige Auflage von den Hinterbliebenen ausgeführt wurden (W. ELLIS, Polynesian Researches, 1830, Bd. 2, S. 362).

der Hilfe der Religion bedarf, um sich Geltung zu verschaffen. Daher wird in ältesten letztwilligen Verfügungen zu ihrer Bestärkung die Gottheit angerufen und werden die verwünscht, die ihnen zuwiderhandeln sollten. Dies lässt sich aus Testamenten der Vorzeit nachweisen, am auffälligsten wohl aus babylonischen Keilschrifturkunden noch des zweiten Jahrhunderts v. Chr., also aus einer Zeit, in der die Anrufung der Gottheit bei Rechtsgeschäften unter Lebenden gar nicht mehr üblich war). Bekannt ist, wie langsam sich in Deutschland und auch in Frankreich das Testamentsrecht herausgebildet hat2), und wie bei den alten Germanen letztwillige Verfügungen überhaupt nicht vorkamen. Eine interessante Rolle hat bei dieser Entwickelung eine Art von Testamentsvollstreckern gespielt, die man in alter Zeit Salmänner nannte: Vertrauensmänner, in deren treue Hände man durch feierliche Vergabung sein Gut übergab, damit sie es nach dem Todesfall dem bestimmten Erben zuwandten 3). Man kleidete also die letztwillige Verfügung in die Form eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden offenbar weil man ihm dadurch eine grössere Bekräftigung zu geben glaubte. Auffallend und ein Zeichen des überaus konservativen Sinnes der englischen Nation, bei welcher sich bis in die neueste Zeit hinein so manche interessante Rechtsversteinerung vorfand, ist das Vorkommen solcher Salmänner oder wenigstens einer sehr ähnlichen Einrichtung in England bis auf den heutigen Tag; es sind dies die sogenannten Trustees (Treuhänder), denen im Testament die Voll

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 3, S, 216; OPPERT et MÉNANT, Documents juridiques, S. 296 ff. Über ganz ähnliche Rechtsbildungen bei den alten Ägyptern ADOLF ERMAN, Ägypten, Bd. 1, S. 213 ff.

2) BRUNS in Zeitschrift, Bd. 2, S. 171 ff. Seltsam ist, dass man in der französischen Revolution einen Rückschlag versuchte und vorübergehend zu Gunsten der Kinder und Ascendenten, also in Rückkehr zu hausgenossenschaftlichen Ideen!

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die Testierfreiheit zuerst völlig aufhob

und sie sodann auf ein Zehntel ermässigte.

3) HEUSLER, Institutionen, Bd. 1, S. 215 ff., Bd. 2, S. 652.

ziehung des letzten Willens übertragen wird und die im englischen Testamentsrecht eine viel üblichere und wichtigere Stellung haben als unsere Testamentsexekutoren. Es ist dies um so auffallender, als in England bereits das common law des 12. Jahrhunderts (so auch die Magna Carta) bestimmte, dass man vom Vermögen nur ein Drittel der Frau und ein Drittel den Kindern hinterlassen müsse und im übrigen völlig frei verfügen könne, und seit dem 17. Jahrhundert bis heut volle Testierfreiheit, ohne jede Beschränkung durch ein Pflichtteilsrecht der Kinder, besteht1). Es ist also lediglich die alte Form, die sich aus den ersten Anfängen des Testamentsrechts als Gepflogenheit von Altväterzeit her erhalten hat.

Unsere indogermanischen Verwandten in Indien haben dagegen sich lange gegen die Testamente gesträubt, gerade wie die Germanen der alten Tage, die nur langsam im Laufe der Jahrhunderte sich zu diesem Schritte entschlossen. Noch heute gibt es Gegenden im Pendschab, wo letztwillige Verfügungen fast unbekannt sind3). Das Testament ist überhaupt bei den Indern sehr modernen Ursprungs und auf den Einfluss der Brahmanen zurückzuführen, die sich auf diese Weise kolossale Zuwendungen durch letztwillige Stiftungen sicherten3) also just wie bei unsereren Altvordern, wo die Geistlichkeit den Ansturm gegen die alten Hausgenossenschaften führte, und man sagen kann, dass die Geschichte des deutschen Testamentsrechts zu einem sehr wesentlichen Teil mit den Vergabungen zu kirchlichen Zwecken (Seelgeräte) beginnt").

1) BLACKSTONE, commentaries on the law of England, Bd. II, ch. 32. 2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 224.

3) KOHLER in kritischer Vierteljahrsschrift. Neue Folge, Bd. 4, S. 14. JOLLY in Zeitschrift, Bd. 1, S. 239.

4) HEUSLER, Institut. Bd. 2, S. 642 ff., S. 649 Anm. 10. Es ist bezeichnend genug, dass, wie mir z. B. aus dem Breslauer Stadtrecht bekannt ist, die Städte bei erstarkender Selbständigkeit die kirchliche Gerichtsbarkeit vor allen Dingen auch in der Aufnahme von Testamenten ausschlossen.

Auf einem ganz anderen Standpunkt steht das mohammedanische Recht; es gestattet nicht nur, sondern es gebietet sogar den Gläubigen, für den Fall ihres Todes Verfügungen über ihr Vermögen zu treffen 1). Dies stimmt zu der Abneigung, die der Islam von vornherein den alten Hausgenossenschaften entgegenbrachte, und zu seiner Betonung der Selbständigkeit des Individuums, die, wie an einer anderen Stelle bereits hervorgehoben ist2), doch den Islamiten nicht die zu erwartenden Früchte gebracht hat.

Dies ist es, was man über die ersten Ursprünge des Eigentums und des Vermögensrechts zu sagen vermag. Und tief reichen die letzten Wurzelfäden bis in das Dunkel der Urzeit zurück. Scheu stehen wir diesen ersten Zeiten gegenüber, in denen die Aussaat des Rechts in noch unberührtem Boden ruht sich selbst ein Geheimnis und der Keim der Zukunft. Welcher Menschengeist ist im Stande, die letzten Wunder dieses Werdens zu erforschen, in dem durch lange, uns Kurzlebenden gewaltig erscheinende Zeiträume das erwuchs, was heute die gefestigte Grundlage unserer Habe und unseres ganzen Rechtsdaseins ist! Wir können mehr erraten als voll ausdeuten; aber eins vermögen wir als sicher auszusprechen, dass dies alles nach denselben ewigen Gesetzen geht, denen der Stern uns zu Häupten und der Wurm zu unseren Füssen gehorcht.

1) TORNAUW in Zeitschrift, Bd. 5, S. 169.

2) Oben S. 108.

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