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man schon in alter Zeit den Sohn, den die Natur verweigerte, sich auf andere Weise zu verschaffen. Daher finden wir die Adoption schon beim Beginn der Kultur bei wenig entwickelten Völkern 1). Hat man eine Tochter, so wird dadurch geholfen, dass der Schwiegersohn an Kindesstatt angenommen wird und dadurch als Sohn in die Schwiegerfamilie eintritt. Dies ist vorhin als die Ambilanakehe der Malayen erörtert und die Verbreitung desselben Behelfs, z. B. bei Japanern, Indern, Griechen nachgewiesen2). Sohn und Schwiegersohn ist bei dieser Gestalt der Dinge Eins. Wo das Vaterrecht herrscht, tritt der Angeheiratete unter die Gewalt des Hausherrn und wird ihr unterworfen wie das eigene Kind"); in dieser Form ist uns die Adoption von den Römern her geläufig und überkommen. Aber wir brauchen nur daran zu denken, wie die Ehe als Raub- oder Kaufehe in alter Zeit zu stande kam, um uns bewusst zu werden, dass auch das Kindschaftsverhältnis uralters nicht durch Vertrag mit dem Kinde oder seinem Vertreter, sondern durch Raub und später durch Kauf begründet sein muss. Wer in jenen Zeiten, als Gewalt noch alles war, keinen Sohn hatte, der ihm doch unentbehrlich war, nahm ihn sich mit gewaltsamer Hand aus anderm Stamm, er raubte ihn sich, und der Geraubte wurde zwar Kind des Räubers, aber auch sein gefangener Knecht 4), gerade wie die Frau, deren sich der Mann durch Raub bemächtigt hatte.

1) Dass die Wahlkindschaft auch im Tierreich vorkommt, kann hiermit nicht in Parallele gestellt werden. Vergl. hierüber aber JÄGER in TREWENDT'S Handwörterbuch der Zoologie u. s. w., Bd. 1, S. 45.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 423, 427, 465, Bd. 6, S. 338, 345, 346; wegen einer Yellatam genannten Heiratsform in Südindien, welche in der Adoption des Bräutigams durch den Schwiegervater zu bestehen scheint, STRANGE, Hindu law, Bd. 1, S. 43, No. 7.

3) BERNHÖFT in Zeitschrift, Bd. 4, S. 234; Derselbe, Staat und Recht der römischen Königszeit, S. 199.

4) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 3, S. 423.

Auf diesen Weg der Entwickelung weist uns das Beispiel primitiver Völker. So finden wir solche Zustände bei den Rothäuten Nordamerikas. Hier ist es vorgekommen, dass die Kriegsgefangenen oder ihre Kinder an Stelle verstorbener Söhne angenommen und dadurch dem Stamm einverleibt wurden; ja nicht nur künstliche Kindschaft, sondern auch Vaterschaft wurde auf diese Weise begründet, indem ein Kriegsgefangener an Stelle eines getöteten Hausvaters vom Stamm angenommen wurde und nunmehr alle Rechte des verstorbenen Mannes gegen Frau und Kinder ausübte1).

Die Form der Kindesannahme vollzog sich ursprünglich vielfach in grobsinnlicher Weise. Wie dem Stamm oder Hausstand das Kind durch die Geburt zuwuchs, so erfolgte der Akt der Aufnahme in Nachahmung der Natur durch das Scheinbild eines Geburtsakts. Merkwürdig ist hier besonders eine Stelle bei DIÓDOR2), die auf alte Sitten der Hellenen zurückweist. Er erzählt, Hera habe den Herakles bei seiner Aufnahme unter die Götter in der Weise adoptiert, dass sie sich auf das Lager niederliess und den Herakles wie ein soeben geborenes Knäblein von ihrem Körper zur Erde niedergleiten liess, und noch nachdenklicher ist der Zusatz: >>so machen es bis auf den heutigen Tag die Barbaren, wenn sie ein Kind annehmen wollen«. Aber nicht nur die Barbaren, sondern auch die Römer scheinen bis in die Kaiserzeit hinein diese Übung bewahrt zu haben. So rühmt PLINIUS in seinem Panegyrikus"), dass die Adoption des Kaisers nicht im Schlafgemach, sondern im Tempel des Jupiter erfolgt sei, und PLUTARCH4) berichtet von einem gewissen Aristinus sogar, er habe sich nach uraltem Brauch wie ein neugeborenes Kindlein abwaschen, in Windeln hüllen und sich die Mutterbrust reichen lassen. Ebenso wissen

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12, S. 390, 391.

2) 4, 39.

3) C. 8.

4) Quaestiones Romanae 5.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts II

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wir, dass bei den alten Germanen die Adoption durch Anlegen an die Brust und Aufnahme auf den Schoss vorgenommen wurde 1).

So wiederholt man wie im Spiegelbild den Geburtsakt. Aber im vaterrechtlichen Hausstand wird das Kind zum Mitglied des Haushalts, wie wir vorhin gesehen haben, nicht durch die blosse Geburt, sondern dadurch, dass es vor dem Hausvater niedergelegt und von ihm aufgenommen und dadurch zum Mitglied des Hausstands gemacht wird. Auch dies sehen wir bei der Adoption zuweilen nachgeahmt. Bei den Brahmanen des Dekan (südliches Vorderindien) kommt die Adoption in der Weise zu Stande, dass das Adoptivkind in den Schoss des Adoptierenden gelegt oder auf seine Kniee gesetzt wird 2). Aber dem tief religiösen Volk der Inder genügt die Nachahmung des körperlichen Vorgangs nicht; zur vollen Adoption war vielmehr ursprünglich die Anlegung der heiligen Schnur, als religiöse Wiedergeburt, erforderlich (sogenannte Dattakaadoption3). Es ist nicht erstaunlich, dass wir bei diesem Volk die Adoption bis auf das Feinste ausgearbeitet finden. Denn die Inder waren das adoptionslustigste Volk der alten Zeit, und ist es bei ihnen bis heute nicht anders *). Es geht dies soweit, dass, wenn der Mann die Adoption versäumt hat, die Witwe dies mit seiner vorgängigen Ermächtigung oder mit Genehmigung der Agnaten noch nachholen kann5). Immer aber ist die Voraussetzung, dass es an einem leiblichen Sohne

1) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 160, 465; SCHRÖDER, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 61.

2) KOHLER, in Zeitschrift, Bd. 8, S. 110; KOHLER a. a. O. Bd. 7, S. 222.

ähnlich im Pendschab,

3) KOHLER a. a. O. Bd. 3, S. 408 ff., Bd. 5, S. 425. 4) KOHLER a. a. O. Bd. 3, S. 408 ff., Bd. 7, S. 218 ff., Bd. 8. S. 93, 100, 103, 109 ff.; GIBELIN, études sur le droit Hindou, Bd. 1, S. 8o ff. JOLLY, history of the Hindu Law, S. 144 ff.

5) KOHLER a. a. O. Bd. 3, S. 419 ff., Bd. 7, S. 219, Bd. 8, S. 11I.

fehlt; denn, wie der Ägypter sein Totenhaus sich am festesten baute, so war es die Hauptsorge des Inders und ist sie geblieben, dass ein Sohn da sei, um durch das Totenopfer den Schatten der Verstorbenen im Jenseits zu beruhigen. Daher die vorhin betrachtete seltsame Herleitung des Worts putra (Sohn) von put, dem Namen der Hölle, und tra, retten, weil nach den religiösen Vorstellungen ein Mann, dem kein Sohn zurückblieb, der Hölle verfallen war1). Daher tritt auch schon nach den alten Epen der Adoptierte vollständig an die Stelle eines leiblichen Kindes und erhält alle seine Rechte und Pflichten"). So scheidet das Kind völlig aus seiner früheren Familie aus und wird ausschliesslich Wahlkind in seiner neuen Familie. Merkwürdigerweise kennt das indische Recht aber auch eine Adoption, durch welche das Kind zwei Väter erhält, somit der alten und der neuen Familie angehört3). Die Verbindung mit der Vergangenheit wird uns hier dadurch gewiesen, dass dies Verhältnis hauptsächlich da vorkommt, wo der einzige Sohn des Bruders adoptiert wird; denn in dem polyandrischen Zustand der alten Hausgenossenschaft galt das Kind als Sohn beider Brüder und hatte als Fortführer der Familie beiden die Totenopfer darzubringen. So wurden also noch lange nachher beide Familien in eine verschmolzen, man kehrte zu den Zuständen des frühesten Altertums zurück und

1) JOLLY in Zeitschrift, Bd. 1, S. 235; vergl. auch KOHLER a. a. O. Bd. 3, S. 408 ff.; FUSTEL DE COULANGES, la cité antique, S. 55, 56. Diese Ideen waren auch den Griechen keineswegs fremd. So sagt PLATO (de legibus 6 C. 773), dass es Pflicht des Mannes sei, für Nachkommenschaft zu sorgen, damit diese an seiner statt Diener der Gottheit sei (τῷ θεῷ ὑπηρέτας ἀνθ ̓ αὑτοῦ παραδιδόναι). Und IsÄos (de Apollodori Hereditate C. 30 (BEKKER, S. 90)) spricht von dem Wunsch, einen Sohn zu hinterlassen, der das Totenopfer bringt. Orestes bei ÄSCHYLOS nennt als fürchterlichstes Unheil, sohnlos zu sterben (Choëphoren V. 1006: ὀλοίμην πρόσθεν ἐκ θεῶν ἄπαις).

2) Mahâbhârata Adi Parva sect. 67, S. 201.

3) KOHLER a. a. O. Bd. 3, S. 418 ff.

raubte durch die künstliche Kindschaft dem natürlichen Vater nicht den einzigen Sohn.

Dass die Antike die Adoption kannte1), ist uns aus dem römischen Recht geläufig. Aber auch bei den Athenern finden wir, just wie in Indien, die Adoption mit dem Grundgedanken, dass das Adoptivkind den Toten zu bestatten und die religiösen Opferspenden zu bringen hat). Es hatte somit die Pflichten des Sohnes zu erfüllen. Bei Vorhandensein von Töchtern war die Adoption gestattet, wenn der Adoptivsohn die Tochter heiratete3), und wurde auch häufig der Sohn der Tochter vom Grossvater an Kindesstatt angenommen). Und so wissen die Hellenen auch von dem afrikanischen Barbarenvolk der Auseer zu berichten, dass die dortige Landesgöttin von ZEUS adoptiert worden sei 5). So weisen die alten Mythen darauf hin, dass in der fernsten Vergangenheit der Menschheit, deren letzter Abglanz sie sind, die künstliche Verwandtschaft als ein Rechtszustand urältester Zeiten bestand. So finden wir sie in Arabien »zur Zeit der Unwissenheit«, also vor dem Islam, während der Koran nichts von ihr wissen will. Dieser verurteilt sie in der 33. Sure V. 4. 5 mit folgenden Worten: >>Gott hat dem Menschen nicht ein doppeltes Herz gegeben... und die an Kindesstatt angenommenen Kinder nicht zu euren wirklichen Kindern gemacht. Nennt sie nach ihrem Vater, und wenn ihr den Vater nicht kennt, so nennt sie durch die Reli

1) Aus Babylon erwähnt sie bereits das Gesetz des Königs HAMMURABI um 2250 v. Chr. §§ 185 ff.; ebenso wird sie häufig in den altbabylonischen Urkunden behandelt (MEISSNER, Beiträge, S. 15; KOHLER-PEISER, aus dem babylonischen Rechtsleben I, S. 9 ff.).

2) ISÄOS, DE MENECL. §§ 10, 13, 36, 37, 46; Derselbe, DE ASTYPH. §7; Derselbe, DE PYRRH. 68; DEMOSTHENES, V. LEOCHAR. § 49; Derselbe, v. SPUD. § 3.

3) ISAOS, DE PYRRH. §§ 68. 69; Derselbe, DE ARISTARCH. § 13; DEMOSTHENES V. SPUD. § 3.

4) DEMOSTHENES V. MACART. §§ 12 ff., bei REISKE, S. 1053.

5) HERODOT, 4, 180.

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