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bedeutes nichts anders als Auftrag. Er konnte vom Ehemann selbst, aber auch nach seinem Tode von der Familie, von Vater oder Bruder ausgehen. Starb der Mann sohnlos, ohne den Auftrag erteilt zu haben, und es verstrichen 6 Monate nach dem Tode, ohne den erwünschten Nachgeborenen zu bringen, so versammelte dieser nächste Angehörige einen Familienrat und berief dazu die Priester, welche das Totenopfer gebracht hatten und mit dem Totenkult als vertraut galten, und unter feierlicher Zuziehung aller dieser Personen bestimmte er den Mann, der dem Verstorbenen Nachwuchs verschaffen sollte 1). Beides, der Auftrag des Mannes wie der der Hinterbliebenen, galt für die Witwe als durchaus ehren. haft). Berufen zur Ausführung dieser als heilig geltenden Pflicht war der nächste Stammesgenosse, in erster Reihe der Bruder des Verstorbenen3). In alter Zeit war es, gerade wie dies vielfach bei dem Recht der Brautnacht geschah, der Priester (Brahmane), dem als dem geweihten Vertreter des Stamms diese Pflicht übertragen wurde). Nur gesalbt, schweigend und in der Stille der Nacht durfte der bestimmte Mann dem Weibe nahen, um ihr einen Sohn zu erwecken. Liess er sich von der Sinnlichkeit zu weiterem Verkehr fortreissen, so galt dies als Verletzung des Heiligsten, und er wurde wie einer, der Blutschande verübt hat, aus seiner Kaste gestossen 5).

1) JOLLY a. a. O. S. 153 auf Grund von Vasisthas Dharmasutra XVII, 56. 2) Apastamba 2, 10, 27 No. 2-4, in der Übersetzung von BÜHLER; Rigweda X, 40 V. 2 (übersetzt von GRASSMANN, Bd. 2, S. 327); BERNHÖFT in Zeitschrift. Bd. 9. S. 38; GANS, Erbrecht. Bd. 1, S. 77; GIDE a, a. O. S. 50; HEARN a. a. O. S. 102.

3) BERNHÖFT a. a. O. Bd. 9, S. 39 ff.

4) Mahâbhârata, Adi Parva sect. 178, S. 510 ff. und wegen der eigentümlichen Stellung, die die Brahmanen in dieser Hinsicht inne hatten, ebenda sect. 64, S. 181; vergl. auch oben, Bd. 1, S. 199. A. 1. Manu Buch 9, V. 56 ff. Über die Anwendung

5) Gesetzbuch des

auf die Verlobte, welcher der Bräutigam gestorben ist, vergl. daselbst,

Dies war das Niyoga der Inder, jetzt im Wesentlichen nur noch eine Erinnerung fernster Vergangenheit. Schon im altindischen Gesetzbuch des Manu finden sich neben den Vorschriften über dies altheilige Institut unmittelbar darauf. Sätze, die in den stärksten Ausdrücken die uralte Rechtseinrichtung verdammen1); sie gehörte also damals nicht mehr dem lebenden Recht an, und dabei ist es geblieben). Das hindert aber nicht, dass in diesem Lande, das das Älteste bis in die neueste Zeit festhält, in abgelegenen Bergdistrikten im Pendschab sich deutliche Spuren bis heute finden. Hinterlässt dort der ältere Bruder nur Töchter, so kann der jüngere der Witwe einen Sohn erwecken, der dann als Kind des Verstorbenen gilt und Gutserbe wird, und ebenso, wenn die sohnlose Witwe den Bruder oder in Ermangelung eines solchen einen Fremden heiratet, so erben die Kinder das Gut des ersten Mannes sie werden also so behandelt, als ob sie seine Kinder wären3).

Honny soit qui mal y pense. Hier ist heiliges Gebiet alter Zeit! Nicht aus Sinnenlust handelte die Witwe, sondern es galt die letzte Hoffnung des Verstorbenen, was die Religion erheischte, ihm einen >>Erretter aus der Hölle«, einen Sohn zu gewinnen. Und wir sehen deutlich, wie auch dies, so uralt es erscheint, nur ein letzter Faden eines noch älteren Gewebes ist. Vermochte das Individuum sich nicht den nötigen Erben zu verschaffen, so versagte die Konstruktion der höheren und späteren Kultur, und der Stamm trat wieder an die Stelle dés Einzelnen, der sich dereinst aus ihm erhoben hatte. Die alte Stamm- und Gesamtehe ist es, die in der höchsten Not, die

V. 69, 70: sie vermählt sich in weissem Kleide dem Bruder des Bräutigams, als ob er der Verstorbene wäre, und lässt sich von ihm einen Sohn erwecken, dann gilt sie als Witwe des Toten, nicht als Frau des

Lebenden.

1) Gesetzbuch des Manu, Buch, 9 V. 64 ff.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 3. S. 405.

3) KOHLER a. a. O. Bd. 7, S. 208.

dem sohnlosen Manne drohte, wie ein Schemen der Vergangenheit zu Hilfe gerufen wurde.

Und, weil dieser zu Grunde liegende Gedanke der allgemeinen Entwickelung entspricht, finden wir ähnliche Erscheinungsformen über die Erde verbreitet. So entspricht dem putrika putra des Hindu-Rechts die Yogân-zanehe der alten Perser, welche die Tochter eines sohnlosen Mannes unter der Bedingung schloss, dass der künftige männliche Spross als Sohn ihres Vaters zu gelten habe1). Auch bei den Ägyptern finden wir Spuren der alten Zustände). Und auf dem Niyoga ähnliche Einrichtungen weisen uns Überlieferungen von altafrikanischen Völkern hin3). In Hellas sind es wiederum die Spartaner, bei denen wir Reste der Urvätersitten finden1). Auch bei den Athenern, denen wir in diesem Zusammenhang seltener begegnen, wurde in sehr alter Zeit der Erbtochter (Epiklerenehe) im Notfall ein Sohn durch einen Verwandten des Mannes gewonnen 5). Über solche Übungen bei den alten Germanen fehlen uns unmittelbare Berichte; Nachklänge späterer Zeit lassen uns aber das an sich Wahrscheinliche vermuten, dass, wie den

1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 423; derselbe in kritischer Vierteljahrsschrift N. F. Bd. 4, S. 19; SPIEGEL, eranische Altertumskunde, Bd. 3, S. 678. Eine merkwürdige Weiterbildung ist die Satarzanehe, bei welcher es jedem dritten, der dafür eine Summe Geldes erlegt, ermöglicht wird, sich einen männlichen Nachkommen gewinnen zu lassen (SPIEGEL a. a. O. R. DARESTE, Etudes d'histoire de droit, Paris 1889, S. 109). 2) L. 8, C. incest nupt. 5, 5.

3) STRABO II, C. 515 von den in der Nähe der Hyrkaner wohnenden Tapyren.

4) PLUTARCH, Lykurgos, C. 3, 15; XENOPHON, de republica Lacedaem., 1, 8; Mc. LENNAN, studies in ancient history, S. 273; BACHOFEN, Mutterrecht, S. 18b; SMITH, dictionary of Greek and Roman antiquities S. 735; PUFENDORF, 6, 1, 15; FUSTEL DE COULANGES, la cité antique, S. 53; BERNHÖFT, Staat und Recht der römischen Königszeit, S. 197.

5) PLUTARCH, Solon, c. 20; FUSTEL DE COULANGES a. a. O. S. 53; BERNHÖFT a. a. O., S. 197; GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 445; Mc. LENNAN a. a. O., S. 276.

übrigen Indogermanen, auch ihnen diese Rechtseinrichtung nicht fremd war. Die westfälischen Bauernrechte kennen Vertretung des sohnlosen Mannes, um den Hoferben zu gewinnen 1); und, mag es auch sein, dass die uns vorliegende Fassung dieser alten Rechte Übertreibungen des Volkshumors zeigt, so wird doch derartiges nicht erfunden, es weist vielmehr auf älteres zurück, das noch in der Erinnerung des Volkes lebt. Hierhin gehört auch die seltsame Geschichte von dem Ritter, der am Hof des Landgrafen Ludwig, des Gemahls der heiligen Elisabeth, erschien und nichts weniger verlangte, als dass der Landgraf ihn bei seiner Frau vertreten möchte, um einen Erben seines Gutes zu gewinnen. Dieses Ansinnen erschien dem damaligen Geschlecht bereits als Affenheit), und wer weiss, von welchem weltabgelegenen Sitz des Thüringerwaldes jener Ritter mit seinem spukhaften Begehren herniederstieg? Dinge vergangener Zeit, die weltfremd geworden waren! Und sollte nicht die Sage von Tristans Minne um des »müden« Marke Königin Isolde ihre tiefste Wurzel in solchen Dingen der Urzeit haben, und des Königs Zorn von einer späteren Zeit, der dieser Zusammenhang unfassbar erschien, hinzugedichtet sein?

Aber auch sonst. So lässt sich die Heiratsform der Araber nikah al-istibdâ hierhin ziehn, welche nach den Kommentaren des Koran den Zweck hatte, edle Nachkommenschaft dem Manne zu erwerben 4). Auch bei mongolischen Stämmen lässt sich Ähnliches nachweisen 5). Und sogar die Tschuktschen,

1) § 27 des Benker Heidenrechts; § 77 der Hattenegger Landfeste, § 32 des Rechts der sieben freien Hagen, Art. 52 des Bochumer Landrechts GRIMM, Weistümer, Bd. 3, S. 42, 48, 311, 70; derselbe, Rechtsaltertümer, S. 443 ff.; KOHLER in kritischer Viertelsjahrsschrift N. F. Bd. 4, S. 18 Anm.; DARGUN, Mutterrecht und Raubehe, S. 44, 45.

2) WEINHOLD, Deutsche Frauen, Bd. 2, S. 41.

3) WILKEN, das Matriarchat bei den alten Arabern, S. 27; SMITH, Kinship and Marriage in early Arabia, S. 110.

5) HELLWALD in TREWENDT's Handwörterbuch der Zoologie u. s. w. Bd. 5, S. 294.

Polarmenschen, werden von demselben Bedürfnis, sich einen Sohn und Erben zu verschaften, zu Auskunftsmitteln derselben Art getrieben 1). Weitab von ihnen betrachten die Kaffern in Südafrika die von der Witwe gewonnenen Kinder als Nachkommen des Verstorbenen").

Auch die Leviratehe3) hat eine ihrer Wurzeln in demselben Vorstellungskreis, dass das grösste Unglück des Mannés ist, ohne einen Sohn zu versterben. Aber sie ist zugleich der prägnanteste Ausdruck der uralten Idee, dass die Frau der Familie des Mannes, nicht ihm allein erworben ist (wie das indische Rechtsbuch als Überzeugung der Vorzeit ausspricht: They declare, that a bride is given to the family of her husband, and not to the husband alone)). Und in Zeiten, wo dieser Gedanke längst erloschen ist, fasst man die leben gebliebene Erinnerung daran so auf, dass, mag nun die Frau geraubt oder gekauft sein, sie jedenfalls Eigentum des Mannes geworden ist, und als ein Stück seines Nachlasses auf den nächsten Erben übergeht; so finden wir den Zusammenhang der Vorstellungen bei den afrikanischen Negerstämmen, wo die Kaufehe also anscheinend die Grundlage, in Wahrheit wohl aber nur eine spätere Stütze der Leviratsehe ist. Dafür spricht vor allem,

1) KLEMM, Kulturgeschichte, Bd. 2, S. 204. Auch in China findet sich eine Einrichtung, die sich hierhin ziehen lässt. Ein Onkel kann verlangen, dass ein verheirateter Neffe eine zweite Frau nimmt der einzige Fall, in welchem es erlaubt ist, zwei Hauptfrauen zu haben und die Söhne, die von dieser zweiten Frau geboren werden, gelten dann als Grosskinder des Onkels Dies geht aber noch weiter; denn hinterlässt der Neffe nur Einen Sohn, so muss auch dieser zwei Frauen nehmen, und die Abkömmlinge der einen gelten als Grosskinder des leiblichen Grossvaters, die der andern als solche des Grossonkels (HUBERICH, Paternal Power in Chinese Law, Sep.-Abdr. aus der Juridical Review 1902, S. 5). 2) Zeitschrift f. Ethnologie, Bd. 14, Beilageband Verhandlungen, S. 211. 3) FRIEDRICHS in der Münchener Allgemeinen Zeitung 1897, Beilage zu No. 46.

4) Apastamba 2, 10, 27, No. 3, übersetzt von BÜHLER.

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