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und der Bruder der Witwe deren Tochter heiratet1). Bei dem Stamm der Calchaquis gilt, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen kinderlos war, der in der Leviratsehe Erzeugte als Sohn des Verstorbenen 2).

Auch die nordamerikanischen Rothäute haben die Leviratsehe gekannt. Wenigstens wird sie uns von den Omaha unmittelbar bezeugt3), und die Sprachen der Columbiastämme geben uns einen deutlichen Anhalt; denn hier nennt das Kind sofort nach dem Tode des Vaters dessen Bruder, Stiefvater und man vergleiche das vorhin bei den hinterindischen. Chins über den möglichen Zusammenhang mit dem Totemismus Gesagte! ebenso sofort nach dem Tode der Mutter deren Schwester Stiefmutter). Was für ein wichtiges Erinnerungsblatt an ferne Vorwelt ist die Sprache, gleich den Zeugen, die man aus dem tiefsten Gestein der Erde zu Tage fördert, und wie beredten Ausweis gibt sie uns über Dinge, die längst vergangen sind!

Füge ich noch hinzu, dass die Leviratsehe auch bei den Eskimos häufig vorkommt5), so bleibt nur übrig, sie als eine universale Einrichtung der Menschheit anzuerkennen 6), die sich überall findet, wo gewisse Voraussetzungen der Kultur, insbesondere die dringende Sorge um einen Sohn und Erben, vorhanden sind.

Dieselbe Sorge um Totenkult und Rache des blutig Gefallenen ist der Ursprung der Blutsbrüderschaft, der Verbindung

1) MARTIUS, Ethnographie Brasiliens, S. 117.

2) Zeitschrift, Bd. 13, S. 299.

3) DORSEY, S. 258: A man takes the widow of his . brother in order to become the stepfather . . of his brother's children.

4) MORGAN, Consanguinity and Affinity, S. 248.

5) STARCKE, Die primitive Familie, S. 132; KLUTSCHACK, Als Eskimo unter den Eskimos, S. 234. Der Mann ist verpflichtet, die Witwe seines Bruders als zweite rechtmässige Frau anzunehmen.

6) Über die Leviratsche bei den Osseten des Kaukasus HAXTHAUSEN, Transkaukasien, Bd. 2, S. 24.

von zwei Männern, die nicht mit einander verwandt sind, auf Tod und Leben. Auch die Blutsbrüderschaft ist daher eine künstliche Verwandschaft, aber geschlossen zwischen Erwachsenen mit völlig wechselseitiger Verpflichtung, so dass der eine den andern zu schützen und der Überlebende, wer es von beiden auch sei, dem andern Begräbnispflicht und Blutrache also was sonst dem Sohne obliegt zu gewähren hat. Benannt von dem Blut, das bei ihrer Errichtung getrunken wurde, und von dem Blut, das sie für einander zu vergiessen hatten und das dem Verstorbenen zu rächen war: die ganze Not der damaligen Menschheit, die Friedlosigkeit und ihr gehetztes Dasein klingt uns aus diesem düstern Bündnis, durch Blut besiegelt, zum Blutvergiessen bestimmt und blutigen Kampf in sicherer Voraussicht, entgegen.

Wir denken bei der Blutsbrüderschaft zunächst an die alten Germanen, denen sie wohlbekannt war (fostbrädarlag) 1). Ihr Abschluss wurde das »Unter-den-Rasen Gehen< genannt; denn die beiden, die sich verbrüdern wollten, hoben ein Stück Rasen in die Höhe, steckten ihren Spiess darunter und unter dem Rasen ritzten sie sich und liessen ihr Blut zur Erde fliessen; sie rührten das Blut zusammen und schwuren, ein

1) KONRAD MAURER, Bekehrung des norwegischen Stammes z. Chr. Bd. 2, S. 170; PAPPENHEIM, die altdänischen Schutzgilden, S. 21 ff. Dies ist aber bereits urzeitliche Nordlandssitte. Denn schon HERODOT berichtet von den Skythen (4, 70): »Einen Bund machen die Skythen auf folgende Art, sie mögen ihn schliessen, mit wem sie wollen; sie giessen Wein in einen grossen irdenen Krug und vermischen ihn mit dem Blute derer, die den Bund schliessen, indem sie sich mit einem Messer stechen, oder mit einem Dolch ein wenig die Haut aufritzen. Sodann tauchen sie in den Krug ein Schwert, Pfeile, eine Streitaxt und einen Wurfspiess. Und wenn sie dies getan, sprechen sie ein langes Gebet, und sodann trinken aus dem Kruge sowohl diejenigen, die den Bund mit einander machen, als auch die Angesehensten aus ihrem Gefolge«. Dasselbe bestätigt MELA (2, 1, 12) und fügt hinzu: »Dies halten sie für das sicherste Pfand künftig dauernder Treue.<<

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ander als Brüder zu rächen 1). Sie gruben sich also gewissermassen Ein Grab und so wollten sie im Angesicht des Todes als Eins gelten denn auf den Tod war dieses Bündnis alten Heldentrotzes abgestellt. Wir wissen Fälle, dass beim Tode des einen sich der andere entleibte 2). Dies geschah aber wohl nur, wenn der Überlebende keinen Anlass oder keine Aussicht hatte, die Blutsrache für den andern zu vollziehen; denn dies war die oberste Pflicht des Blutsbruders, »dass jeder den andern rächen soll wie seinen Bruder« 3). Im Leben aber schuldeten sie sich gegenseitige Treue, pflogen in der Regel Gemeinschaft aller Güter und hatten zusammenzustehen, ob sie leibliche Brüder wären 4). Und, wer diese Pflicht verletzte, galt als ehrlos. Ja, der so eingegangene Bund ging der leiblichen Verwandschaft vor. So mochte der norwegische Held Vikingr seinen eigenen Söhnen nicht gegen seinen Bundbruder Njorfi helfen und umgekehrt Njorfi an Vikings Söhnen nicht Rache nehmen, obwohl sie einen seiner eigenen Söhne getötet hatten. Als die Brüder des Erschlagenen zur Blutrache schreiten wollten, droht ihnen ihr alter Vater, dass er gegen sie dem Bundbruder beistehen und ihn an seinen eigenen Söhnen rächen würde").

Wenn sich auch in der Antike Blutsbrüderschaft in diesem Sinne nicht nachweisen lässt, so finden wir sie doch bei Zerfall des Römerreiches im griechisch - byzantischen Rechtsleben 6).

1) KONRAD MAURER, Bekehrung u. s. w. Bd. 2, S. 170; GRIMM, Rechts-Altertümer, S. 192, 118; PAPPENHEIM a. a O.; WEINHOLD, altnordisches Leben, S. 287 ff.

2) K. MAURER a. a. O., Bd. 2, S. 183.

3) PAPPENHEIM a. a. O., S. 40.

4) PAPPENHEIM a. a O., S. 42.

5) K. MAURER a. a. O., S. 171 Anm. 82.

6) ZACHARIÄ, Geschichte des griechisch-römischen Rechts, S. 96. Da man sonst keine Anlehnung im alten Rechtssystem fand, fasste man die Verbrüderung als Adoption auf und bekämpfte sie als ungültig, weil man in Nachahmung der Natur sich wohl einen Sohn, nicht aber einen Bruder

Hier scheint sie an alte Hausgenossenschaften anzuknüpfen, da zwischen den Blutsbrüdern Weiber- und Kindergemeinschaft begründet wurde '), was einen gemeinschaftlichen Hausstand voraussetzt. Hier sehen wir auch zum ersten Mal, dass die Kirche diese Rechtseinrichtung in ihren Schutz nimmt; denn die Blutsbrüderschaft wurde kirchlich eingesegnet und bildete nach der Volksüberzeugung ein Ehehindernis 2), wenn die Kirche dies auch früh zurückwies. Und hier auf griechischem Boden hat die alte Blutsbrüderschaft die Zeiten überdauert. Denn auch in Neugriechenland bildete sie in den Freiheitskämpfen gegen die türkische Herrschaft ein wirksames Band für das Freischärlertum 3). Beide, die sich verbrüderten, erschienen vor dem Altar, wechselten die Waffen und sprachen zu gleicher Zeit die Worte: »Dein Leben ist mein Leben und deine Seele ist meine Seele « 4). Auch heute noch soll in Griechenland die Blutsbrüderschaft in der Weise kirchlich geschlossen werden, dass ein zehnjähriges Mädchen zugezogen, eine Schärpe um alle drei Personen geschlungen wird und die Blutsbrüder sich dann auf das Evangelium ewige Treue schwören 5).

schaffen könnte. Und dies, obgleich die Kaiser Justinianus, Constans, Michael und Basilius Adoptivbrüder hatten. Vergl. auch c. 7 C. 6, 24.

1) Dies ergibt sich aus dem syrisch-römischen Rechtsbuch, § 126 des armenischen Textes; >>Wenn jemand eine Schrift der Verbrüderung mit mit einem andern zu schreiben wünscht, damit sie geeint werden und alles, was sie haben und was ihnen zukommt, gemeinsam besitzen und erben, verbietet dies das Gesetz und hebt es auf als ungültig, denn ihre Weiber und Kinder können nicht gemeinsam sein« (bei BRUNS-SACHAU, S. 144; vergl. auch die Erläuterung von BRUNS ebenda, S. 254 ff). Denn gerade, weil der Gesetzgeber eine derartige Verbrüderung ausdrücklich verbietet, muss sie im Leben häufig vorgekommen sein.

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2) ZACHARIÄ a. a. O., S. 97.

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3) GEIB, Darstellung des Rechtszustands in Griechenland, S. 38; MAURER, das griechische Volk, Bd. 2, S. 437.

4) MAURER, a. a. O., S. 437.

5) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 5, S. 438, 439.

Und bis in die neueste Zeit lässt sich die Blutsbrüderschaft bei dem kriegerischen Volk der schwarzen Berge, in Montenegro nachweisen. Auch hier ist der Hauptzweck, im Hinblick auf die früher unablässigen Fehden des Gebirgsvolks, die Blutrache. Der feierliche Abschluss erfolgt vor dem Altar in Gegenwart des Priesters; die Blutsbrüder trinken hierbei dreimal aus dem Kelche Wein und essen dreimal von dem Brote, worauf sie sich dreimal kissen und sodann als einander bis zum Tode verbunden gelten 1). Ja, bei diesem seltsamen Bergvolk kommen sogar Blutschwesterschaften vor, indem sich eine Frau mit einer Blutsschwester oder mit einem Blutsbruder in gleicher Weise verschwistert). Dies würde unerklärlich sein, wenn nicht später zu erörtern wäre, eine wie wichtige und treibende Rolle gerade die Frauen in jenem Gebirgslande bei der Blutrache spielen, wie sie nicht ruhen und immerzu hetzen, bis die Tat geschehen und das Blut des Mörders geflossen ist. So mögen die antiken Hellenen sich ihre Erynnien gedacht haben.

Ähnlich wie in Montenegro und aus gleichen Gründen hat sich die Blutsbrüderschaft in Albanien entwickelt. Hier geschieht die Verbrüderung nach gehörter Messe, also auch unter der Weihe der Kirche; beide lassen aus einer Wunde in ein Gefäss Blut tropfen und trinken es, wodurch sie sich verpflichten, den Blutsfreund zu verteidigen und so zu lieben wie sich selbst3).

1) POPOVIC, Recht und Gericht in Montenegro, S. 45.

2) POPOVIC a. a. O. F. KANITZ in seinem Werke über Serbien, Leipzig 1868, S. 529 berichtet dies von den Südslaven ganz allgemein. Wo sich ein Mann eine Blutsschwester erwählt, gilt es als ärgster Frevel, wenn er das Verhältnis in unreiner Absicht missbrauchen will;

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so trifft in einem serbischen Volkslied ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel solchen Bösewicht: »Doch, o sieh! Gleich fuhr ein Blitz vom Himmel, schlug zu Boden PETER den Bulgaren. Arg entrüstet aber rief die Jungfrau: »Jeden Helden möge Gott so strafen, der da küsst, die ihm in Gott ist Schwester! <

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3) GOPCEVIC, Oberalbanien und seine Liga, S. 302 und in PETERMANN'S Mitteilungen, Bd. 26, S. 418.

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