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schluss der Lebensäusserungen wird auch an dem Menschen wahrnehmbar. Die Lüfte verstummen von dem Geräusch der Vogelschaaren, tonlos wird der Wald, und nur der Giessbach braust und der Donner kracht durch die hohe, einsame Cordillerenschlucht. So ist auch das Geräusch der Strassen und Plätze verstummt, keine lärmende Schaar von Arbeitern strömt zusammen auf das Gehöft grosser Feudalherren, und nur den gurgelnden Gesang eines einsamen Hirten, Jägers oder Feldhüters, oder auch die schmiegsame, weiche Modulation eines Zurufes, der grüssend von Hütte zu Hütte, von Fels zu Fels hinüberschallt, giebt die lauschende Echo zurück. In diese tonlose, ernst-freundliche und ruhig-erhabene Natureinsamkeit hat der braune Mann der Berge, der Indianer seine Lebenswelt hineingelegt.

Ueber die Menschenrasse, die den Namen Indianer trägt, laufen unendlich viele, verschiedene und die entgegengesetztesten Urtheile und Vorstellungen um; und das ist abgesehen von aller unwahren Beurtheilung und Wahrnehmung an und für sich ganz natürlich; denn der langgestreckte Welttheil, über welchen diese Rasse sich ausgebreitet, dehnt sich fast von Pol zu Pol, durchmisst alle geographischen und physischen Zonen unseres Planeten, und je nach den Zonen weichen natürlich die Erzeugnisse und Geschöpfe des Festlandes wesentlich von einander ab. Zwar hat der Urbewohner, wenigstens der bis heute als solcher bekannte Indianer, im Norden und Süden, überall eine hellere oder dunklere braune Hautfarbe, sein anatomischer Bau stimmt überall mehr oder minder überein, die physischen Rasseneigenthümlichkeiten sind wesentlich dieselben; aber die seelischen Eigenschaften dieser Menschen, wie sie sich in den intellectuellen Fähigkeiten, den Inclinationen, der Einbildungskraft, den Gefühls- und Ideenanlagen u. s. w. äussern, sind im Norden, Centrum und Süden des Continentes, ja unter den einzelnen Nationen, Stämmen, Familien, in dem Bau der Sprachen, in den moralischen und physischen Trieben unendlich verschieden geartet. Der Indianer passt absolut nicht hinein in einen Universalbegriff, in einen GeneralGattungscharakter; schon zwischen dem Indianer auf dem Gebirge und dem Indianer an der Küste, dem auf der Steppe und dem im Urwalde herrscht ein wesentlicher Unterschied, obgleich nur eine kurze Spanne Raum sie von einander trennen mag. Wer in dem Baier oder dem Ostpreussen, dem Schwaben oder dem Sachsen den ganzen germanischen Gattungstypus zu zeichnen gedächte, würde sehr irrthümliche Vorstellungen und die grösste Begriffsverwirrung über denselben in Umlauf setzen; wenn also unter den einzelnen Stämmen Eines Volkes und den Angehörigen Eines Landes der Artencharakter so wesentlich sich ausscheidet aus der Gattung, wie vielmehr muss derselbe hervortreten unter den Nationen einer Rasse und den Bewohnern eines Welttheiles, der sich fast von Pol zu Pol erstreckt. Der fixirte Indianerbegriff schwebt vollständig in der Luft, ist ein Nichts.

So kann ich auch hier aus dem vagen Begriff wiederum nur in das wirkliche Leben hineingreifen und die Individualität zum Vorwurfe meiner Skizze

nehmen; und ich verzichte auf eine Gattungszeichnung um so mehr, als ich den Gegenstand bereits an verschiedenen Stellen ausführlicher behandelt habe. *) Der Leser ist mir bereits in den Campo de los Indios gefolgt, wo die zerstreuten Tostos und Cuicas, die Timótes und Escúques ihre Hütten aufgeschlagen; es ist also der Hochland - Indianer des tropischen Amerika, den wir an unserem Auge vorübergehen lassen.

Dichter und dichter rollen die Nebel in die Schluchten hinab, die ersten Abenddämmerungsschatten lagern sich über die Erde, und mit freudiger Genugthuung begrüssen wir das ärmliche kleine Haus, das uns vor dem Anbruche der Nacht ein Obdach verheisst. Eigenmächtig lenkt das Maulthier in den Corredor ein und rauft das gelbe Erbsenstroh ab, das sich durch die Spalten der bröckligen Lehmwände drängt. Zusammengekauert unter der grauwollenen Cobija hockt vor der Thürschwelle seines Hauses der dunkelrostbraune Escuques und hängt mit brütendem Blicke an dem auf- und abwallenden Abendnebel, der sich um die Riesenflanken des Gebirges lagert. Geduldig und phlegmatisch erträgt der braune Mann den kalten Luftzug, der durch den Corredor seines Hauses zieht, in der Kleidung eines kurzem Hemdes und weitplundrigen Beinkleides aus grobem Baumwollstoffe, über welche er die unzulänglich deckende Cobija über die Schultern geworfen. Matt und tonlos-ernst, wie die Stimmung der umgebenden Natur, ist auch der Ausdruck seines dunklen Auges; der Blick scheint schwer umflort, doch der Flor gleicht der Aschdecke des Heerdes, unter welcher die glimmende Gluth verborgen ruht und nur des Luftzuges harrt, um flammend zum Segen oder zum Verderben emporzulodern. Schlicht hängt das rund um den Kopf geschorene und über die Stirn gekämmte Haar unter dem schweren, fest auf den Kopf gedrückten, aus Schilfstroh geflochtenen Hut herab, breit und stark treten die Backenknochen unter den etwas schief liegenden Augen hervor, und unbebartete schmale Lippen schliessen den breit geschnittenen Mund.

Phlegmatisch, doch unterwürfig empfängt der braune Mann den weissen Reiter, erwidert mit weicher Modulation der Stimme den dargebotenen Gruss und ladet ihn ein, abzusteigen und in dem dürftigen Hause des armen Indio Herberge zu nehmen. Alles, was der Mann spricht, ist kurz, artig und treffend; aber kein Wort mehr, als zur gegenseitigen Auseinandersetzung nothwendig, begleitet die Rede. Unaufgefordert entsattelt er das Pferd, knotet die Hängematte fest, eilt in die Küche, um den Frauen die Sorge für den weissen Fremdling zur Pflicht zu machen und wirft dem ermüdeten Thiere das geschnittene Futter vor.

Ein Talglicht, mit dem unteren, dicken Ende unterhalb eines Heiligenbildes an die Wand geklebt, erhellt das Bild und den dumpfen Wohnraum mit einem trüb flackernden, schwäligen Schimmer und wirkt so blass und

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*) Ausland, bei Cotta, Jahrgang 1865, No. 34. 35: Die Goajiros. 20. 21: Religion und Aberglaube. No. 11: Pfahlbauten in Venezuela. No. 25. 26. 33. 36: Volksbilder aus Venezuela.

Ausland, 1865, No. Ausland, 1866, Globus, Band XIX, 4. 5. 6. u. a. m.

matt, wie das Nachtlicht in einer Krankenkammer, wo nichts sich hören lässt, als das Heulen des Hundes auf dem Hofe und das Hämmern der Todtenuhr in der hohlen Wand. Tiefe Melancholie rings umher! Einsam ist der Fremde mit sich und seinem Schatten; monoton knarren die Schnüre der schaukelnden Hängematte; die Nachtluft scufzt durch die Fugen der zerbröckelnden Lehmwände; die Fledermäuse flattern schwirrenden Fluges hin und her unter dem von Mäusen bewohnten, raschelnden Strohdache und streifen mit ihren kalt-feuchten Flügelhäuten das Gesicht des Ruhenden. Stumm und regungslos kauert in der Ecke die alte Grossmutter des Hauses, und aus halb erloschenem, halb unheimlich glühendem Auge saugt sich der Blick starr an dem fremden, weissen Manne fest.

Die todtengruftähnliche Stimmung in dem dumpfen Wohngemache harmonirt zu wenig mit den frischen Farben, welche die lebensvollen Reiseeindrücke des Tages in der Seele zurückgelassen; der Fremde tritt vor die Thür hinaus; wenige Schritte weiter ladet der Vorsprung eines Abhanges zur freien Umschau in die Landschaft der Cordillere ein; in Anschauung versunken und ergriffen von der eigenthümlichen, sich unmerklich mittheilenden schweren Stimmung, die über dem Campo de los Indios liegt, trägt der schweifende Gedanke den Fremdling hinweg aus Zeit und Ort.

Ein leiser Schlag auf der Schulter erweckt ihn aus seinen Träumereien; hinter ihm steht der braune Mann mit dem erstarrten Ausdrucke schwerer, gedrückter Ruhe im Gesichte, und hält eine Trinkschale in der Hand. „Was blickst du so traurig, Weisser?" lässt sich der Moll-Anschlag seiner Stimme hören. „Es ist Ramón, der dich ruft; nimm und trinke du Chicha!"

Dankend nimmt der Weisse die Schale aus des braunen Mannes Hand, doch schon nach dem ersten Schlucke schaudert er vor der Essigsäure der Indianer-Chicha zurück, und die schmutzig-graue Farbe des Getränkes widert ihn an. Misstrauisch und argwöhnisch ruht auf ihm das mattfunkelnde Auge des starren Braungesichts. Habe keine Furcht, Weisser, vor dem

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Indio; er hat nichts Böses mit dir im Sinne!"

Der arme braune Mann argwöhnt, dass der Weisse seine Gastfreundschaft zurückstösst und aus Furcht seinen Becher verweigere. Nimmermehr, denn unter den dunkelhäutigen Menschen des tropischen Amerika mag man das meiste Vertrauen getrost dem Urbewohner des Landes, dem verachteten Indianer schenken. Ein langer kräftiger Zug mit entschlossen angehaltenem Athem befreit ihn von diesen kränkenden Zweifeln.

Ein Blick über das kleine indianische Gewese giebt Gelegenheit, Vergleiche anzustellen mit der Wohnstätte des schwarzen Mannes. Wie anders ist hier Alles, als in der wüsten Umgebung des Negers! Mit Vorliebe ist Alles eng abgegrenzt, umhegt, das Eigne streng geschieden von dem Fremden; es sind Ansprüche gestellt an Haus und Feld; Sorgsamkeit, Regel und Ordnung herrscht in den Feldern; das Haus ist mit Läden und Thüren verschlossen. Der Indianer fühlt sich in seinem eng umgrenzten Heimwesen,

wie der Gemächliche in seinem Schlafrocke, in welchen er sein ganzes abgeschlossenes Ich einwickelt. Er will sein Eigenthum, den ganzen Umfang seines Daseins übersichtlich vor Augen haben; echt particularistisch sondert er sich ab von der Aussenwelt; nur der Krieg und die Anarchie lassen ihn das Eigenthum und das Sonderrecht vergessen; dann verwechselt er Verwüstung mit Selbsthülfe, und ebenso, wie das Blut des Feindes, ist ihm dessen Eigenthum vogelfrei. Beschränkung des eignen Willens und Centralisation der Gewalt verträgt der Individualismus und Particularismus des Indianers nicht; mit der Ertödtung seines Ich's stirbt auch sein Leib dahin; seit die europäische Cultur und Staatsmaxime um ihn den eisernen, centralisirenden, die Eigenthümlichkeit erstickenden Arm geschlungen, versumpfte die indianische Cultur und sanken die indianischen Leiber in die Gräber; und sie werden mehr und mehr die Gräber füllen, denn der moderne Zeitgeist verschlingt das Autochthonenthum und den Particularismus, wie eine Schöpfungsperiode des Planeten die andere begräbt.

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Welch ein Gegentheil von dem Allen der Neger! Wie eine Wucherpflanze breitet er sich über jeden Boden aus, der nur seinem physischen Gedeihen Nahrung bietet; er haftet am liebsten an gar keiner Scholle, sondern treibt seine Wurzeln nach allen Seiten aus und bohrt sie am liebsten da ein, wo sie den fetten Humus fremden Fleisses und Schweisses aussaugen und ihm den fröhlichen Sonnenschein abfangen kann. Weder eine innere, noch äussere eigene Welt ist ihm Bedürfniss; die erstere kennt er gar nicht, und die andere schafft er sich nur so weit, als die Existenz sie ihm unerbittlich abfordert. Ueber sein Lager schlägt er, so wenig umständlich wie möglich, ein kleines Schattendach auf, und daneben pflanzt er etwas gegen den Hunger, und dann haust er in seinem Reiche, ähnlich wie ein Höhlenbewohner, ohne den Begriff des abgeschlossenen Eigenthums, der Heimath, des häuslichen Heerdes, des geregelten Daseins in sich zum Bewusstsein zu bringen. Centralisation oder Decentralisation kümmert ihn wenig; er kämpft für das Eine oder das Andere nicht aus innerer Nothwendigkeit, nicht aus Antrieb einer Idee, sondern um zu kämpfen und zu raufen, um sich auszubreiten und auf fremdem Humus zu mästen. In und auf der Freiheit schmarotzt, vagabondirt und extravagirt er; unter der Peitsche prostituirt er sich und duldet die Aufzehrung seiner Kräfte. Der Indianer athmet in der Freiheit, stirbt unter der Peitsche; die Sklaverei konnte nur und immer fruchtbar den Neger, nie den Indianer verwerthen. Eine Ablösung von der Aussenwelt erträgt er nicht; ohne eigene, bewusste Individualität und ohne Seelenverschluss treibt er, ein Atom, in der Masse von Atomen umher, nur von dem Triebe beseelt, sich jedem Theile und Ganzen als Atom anzuhängen. Das schwarze Volk scheint nur eine Menge von Leibern Einer Seele, oder eine Menge von Gliedern Eines Marionettenleibes zu sein, die ohne bewusstes Ziel und bestimmten Zweck nach allen Winden ausgreifen; ein Chaos von Stimmen, die nach keiner besonderen Tonart, nach keinem eignen, festen

Organe ringen. Communist vom Scheitel bis zur Sohle in eigner, parteiischer Weise, theilt er am liebsten immerfort, ohne für das allgemeine Eigenthum selbst Sorge zu tragen. Mein und Dein ist ihm ziemlich illusorisch; er wird weder im Krieg noch Frieden für eine Idee leben noch sterben.

Wie in der Begegnung mit dem Menschen, so zeigt sich auch in der Behandlung der Thiere der Unterschied zwischen Neger und Indianer. Der Indianer empfindet Zärtlichkeit für sein oder das ihm anvertraute Thier und verkehrt mit demselben kameradschaftlich, während der Neger das Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Reiter und Pferd oder den Thieren, die ihm dienstbar sind, gar nicht kennt; der Indianer verpflegt sein Thier aus Wohlwollen und Freundschaft, - der Neger aus der sauren Nothwendigkeit der Erhaltung. Dieser bewegt sich auch lieber auf eignen Füssen von einem Orte zum andern, als auf dem Rücken des Pferdes, und wenn er reitet, so wird er sich nie mit den Bewegungen seines Pferdes verwachsen fühlen, sondern fremdartig darauf herumrudern und brutal in der Führung sein; in ihm steckt nichts von der Sinnesart, noch den Neigungen eines über den gewöhnlichen Wett- und Raufsport erhabenen Cavaliers, und wenn er auch gern den „Feinen“ herauskehrt und äusseren Lack annimmt, so bleibt er in allem Flitter und aller Nachäffung doch nur ein Geck ohne jede edlere, ritterliche Inspiration. Den Indianer lockt und reizt der Anblick von Sattel und Pferd; sein Temperament ist geduldiger und fügsamer, er legt überall mehr Sorgfalt und Mühe an den Tag, während der Neger sich bei Allem unlustig, ruhelos und ungeduldig zeigt und immer nur halb bei der Sache ist; daher giebt der Indianer, wenn auch keinen geschickten, doch einen besseren Ritter und Knappen ab, als der Neger.

Dankbar anerkennt die Familie des gastfreien Hauses oder die kleine Colonie des nächsten Umkreises, wenn der beherbergte weisse Gast sich leutselig in ihren Kreis mischt, sich um das gemeinschaftliche Heerdfeuer auf den für ihn zubereiteten bequemsten Sitz niederlässt und ungezwungen Theil nimmt an ihrer Unterhaltung, an den kleinen Sorgen und Interessen, welche ihre enge Welt beschäftigen; naive und unverhohlen geäusserte Freude und Zutraulichkeit erwecken seine Mittheilsamkeit und Freimüthigkeit und tragen ihm von Männern und Frauen die rührigste Sorgfalt für seiue Behaglichkeit und sein Wohlergehen ein. Mit seinem Eintritt in den Kreis der Haus- und Feldgenossen athmet derselbe plötzlich eine andere Atmosphäre; denn zu dem niedrigen, braunen Erdenmenschen ist der weisse Herr der Schöpfung, das Kind der Sonne, zu dem armen, verachteten, gedemüthigten Volke der hochgeborne Edelmann, der Adelsträger der Menschheit getreten. Die anfängliche Scheu, das Misstrauen, der unter der Unterwürfigkeit oft glimmende Hass und die unter der stummen Anerkennung der durch Geist und Geburt erlangten Hoheitsrechte oft wenig verhehlte Geringschätzung der physischen Hülflosigkeit weichen mehr und mehr von dem braunen Mann, und wenn

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