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wurzelnd, welchem er entsprossen; der Gedanke an eine Entfernung von wenigen Meilen scheint ihm ein Trennungsgedanke von seiner Tierra; und wenn er auch in der Entfernung dieselben Eindrücke unverändert wiederfindet und er unter denselben wiederum so fest haftet, wie vorher, so fürchtet er doch jede Ortsveränderung aufs Neue, weil, wie sein Fuss, auch der Kreis seiner Vorstellungen an und auf der Scholle haftet, und der Gedanke an eine Trennung von der Scholle zugleich die Welt seiner Vorstellungen über den Haufen wirft. Aber geradezu Unbehagen, das sich bis zur kindischen Furcht steigern kann, ergreift ihn bei einer freiwilligen oder gezwungenen Entfernung nach einer Land- oder Ortschaft, die etwa einen andern Dunstkreis, eine andere physische Bodengestalt und abweichende klimatische Erscheinungen zeigt; nur auf seiner Tierra scheint er seine Tugenden und seine Laster frei entfalten zu können; nicht das Verlassen seiner vier Pfähle, die für ihn nichts anderes bedeuten als einen Sonnenschirm und ein Nachtzelt, schreckt ihn, sondern der Eindruck fremdartiger Naturkräfte auf sein Gemüthsleben. Erzählt man ihm, wie weit man seine Heimath hinter sich zurückgelassen, so entfährt ihm der einigermassen entsetzte Ausruf: So weit von seiner Tierra! Fordert man ihn scherzweise auf, die Reise dorthin mitzumachen, so bekreuzt er sich mit einem gelinden inneren Schauder. Unter einen fremden Himmel hinzutreten, wo der Zenith über ihm und der Horizont rings um ihn her einen anderen Ausdruck annehmen könnte, sträubt er sich aus ganzem, innerstem Wesen.

Wenn auch der höhere Bildungsgrad die Urwüchsigkeit der Empfindungen unter die Herrschaft des Verstandes beugt, so ist doch die ausgleichende und absorbirende Wirksamkeit der tropischen Naturkräfte zu mächtig, als dass die Herzens- und Geistesbildung den Willen vollständig aus ihr befreien könnte. Die Furcht vor der Trennung aus dem Heimathsbanne macht nicht selten die zartesten Herzensregungen zu Schanden und weist oft die höchsten Lebensfreuden zurück. Die Braut folgt dem Geliebten ihrer Wahl oft nur unter der Bedingung zu dem Traualtare, dass sie die Heimath mit der Ehe nicht aufzugeben habe; es tritt auch der Fall ein, dass die Frau bei einem unabänderlichen Wechsel der Dinge die Gattenliebe und Treue ihrer Tierra opfert; der Mann muss sich losreissen von ihr, wenn die Verhältnisse mächtiger sind, als Wunsch und Wille, mit der vagen Hoffnung, einst den zertrümmerten Heerd wieder aufrichten oder die zurückgelassene Hälfte seines Lebens von Zeit zu Zeit einmal auf den Trümmern seines Hauses umarmen zu dürfen.

So fest nun der Creole mit seiner Tierra selbst zusammenhängt, so grosse Scheu empfindet er doch, mit den Gebilden ihrer Schöpfungskraft selbst in nahe Berührung zu treten, sofern er nicht mit denselben von Jugend auf verwachsen ist. Den Beschwerden und Zufälligkeiten der Landstrasse, der Berge, Wälder, Flüsse etc. setzt er sich ohne Zwang und Nöthigung der Umstände nicht aus; er fürchtet die rauheste Feldarbeit in der Nähe seiner Wohnung

weit weniger, als die geringste Beschwerde einer Reise oder Excursion; ohne Noth und Zwang die Wälder zu durchstreifen, die Tierras frias und calientes zu durchkreuzen, Sonne und Regen, Hunger, Durst und Entbehrungen zu ertragen und unberechenbaren Zufällen sich auszusetzen, ohne greifbare, fassliche Gründe und materiellen Gewinn: - das sind ihm absurde Ideen und übermüthige Streiche. Mag er nun daheim auf seiner Wohnstätte Entbehrungen, Ungemach und Plagen vollauf zu erdulden haben, so nimmt er das mit der Resignation eines Fatalisten als Zubehör zu seiner Tierra hin; aber ganz dieselben Zumuthungen auf einer andern Tierra als der seinen, dünken ihm unerträglich. Der wilde Pflanzenwuchs, Sonne, Wasser, Wind und Wetter, Schlangen, Bestien und Insekten flössen ihm aus der Ferne Grauen ein, wenn er auch Alles Tag ein Tag aus in der nächsten Nähe um sich hat. Auf seiner Wohnstätte redet er kaum von dem Bedürfniss der Ruhe nach der Arbeit, von dem Regen, der ihn durchnässt, von den Insekten, die ihn geplagt; aber auf der Landstrasse erschrickt er vor allen Zufälligkeiten, denkt er beim Regen an den Tod und klagt er zum Himmel über die Insektenplage.

Ein Heraustreten aus dem gewohnten Lebensgeleise, das Verlassen der Wohnstätte, die Berührung fremder Umgebung ist dem Creolen eine wichtige Lebensbegebenheit. Vor und nach der Reise, die aus einem Klima in das andere führt, beobachtet er tage-, ja wochenlange Diät; er ordnet seine häuslichen Angelegenheiten, vomirt und laxirt, um die Kraft der Fieberbisse *) und alle verderblichen klimatischen Infectionen abzuschneiden, spendet Bittund Dankopfer auf dem Altare der Schutzpatrone, und alle diese Anstalten werden mit einem feierlichen Ernste und einer peinlichen Förmlichkeit getroffen, die von der Wichtigkeit, die er ihnen beilegt, Zeugniss ablegen. Oft aber schwächt und entkräftet er seine Constitution durch das Leibespurgatorium derartig, dass er sich durch das vermeintliche Schutzmittel den gefürchteten gefährlichen Einflüssen erst recht disponirt macht.

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Der Städter empfindet Scheu und Abneigung nicht nur gegen die Waldwildniss, gegen das uncultivirte Land und die beschwerliche Heerstrasse, sondern überhaupt gegen das Land und Landleben; den Ackerbau verachtet er noch immer als eine niedrige Verrichtung, und die gesellschaftliche Analyse scheidet den Kaufmann oder jede beliebige städtische Miniaturexistenz von dem Landmanne, wie etwa den Edelmann vom Bauer. Das Dasein auf dem Lande ist dem Städter fast gleichbedeutend mit Verbannung aus der menschlichen Gesellschaft und menschlichen Existenz überhaupt; Alles, was ausserhalb den Häusern und Strassen der Stadt liegt, streift in seiner Vorstellung an das Chaos der Weltschöpfung; wer nicht in der Stadt lebt, ist Barbar.

*) Der Creole fasst die Fieberinfection durchaus sinnlich auf; la calentura pica, das Fieber beisst sagt er von einer Gegend, deren Atmosphäre vom Fiebergifte geschwängert ist, gleichsam, als beisse das Fieber aus der Erde heraus, als sei die Vergiftung sinnlich wahrnehmbar, wie der Stich einer Schlange oder eines Insekts.

Sein Barbar ist aber nicht etwa der Barbar der alten Römer und Hellenen, während diesen alten Culturvölkern jeder Mensch ein Barbar war, der ihre Gesetze und Sitten, ihre Bildung und ihren Geschmack nicht achtete, ist dem. Creolen der Stadt, der von einer Achtung des Gesetzes, von durchgeistigter Sitte, von Kunstgeschmack und klassischer Bildung nichts in sich trägt, derjenige ein Barbar, der einen höheren Muth und straffere Muskeln hat, als er. Selten führt ihn ein Ritt über die Strassen oder die nächste Umgebung der Stadt hinaus; von Jugend auf ist er gewohnt, sich den wilden Pflanzenwuchs mit seinen Insassen und den indianischen Barbaren auf der Ackerscholle als ein Schreckbild seiner Phantasie vorzuhalten, und er flüchtet sich vor dem rohen Naturchaos seiner Tierra in die geebneten Pfade und gelichteten Territorien und in den Schooss einer weichlichen Cultur und einer verweichlichten Gesellschaft zurück. Die Strassen und Plätze der Stadt bieten seinen Lebensansprüchen genügenden Spielraum; er verlangt nicht viel mehr, als sein Pferd spazieren zu führen; als die Verkaufs- und Gasthaushallen zur Abhaltung der täglichen Tertulia; als den Schaukelstuhl, in welchem er seine unentbehrlichen Dulces und Chokoladen schlürft und Familienpolitik treibt; als die Galléra, in welcher sich die Kampfhähne zu Tode hacken; die Plaza, auf welcher die Stiere gejagt und das Salz des Lebens, die Pronunciamentos, in die Welt geschleudert werden; das Fenster, an welchem er sich nach der Vesper der Dame seines Herzens zur Verfügung stellt; die Kirche, wo die Messe im unverstandenen Latein celebrirt wird und Gott Cupido geschäftig seine Pfeile schärft. Süsse Tändeleien, leichter, sorgloser, unstäter Sinn, wechselnde und heftige, doch leicht verbrausende Ausbrüche der Augenblickslaune, egoistischer Patriotismus, Scheu vor jeder sittlichen und physischen Kraftanstrengung, leicht entflammte Begeisterung für die Idee, schnelle Erschlaffung nach dem ersten Anlaufe zur That, poetisirende und von den Sinnen verzehrte Religiösität und Liebe, vage Genussschwelgerei, das sind die Fasern, aus welchen sein Lebensfaden gesponnen, und der sich den einen Tag wie den andern, durch keine Ausseneindrücke an den Wechsel der Dinge erinnert, abspinnt, bis ein kurzer harter Ruck ihn abreisst und er hinsinkt in die Vergessenheit.

Aber dem auf dem Lande Gebornen oder an den rauhen Brüsten der Wildniss gross gesäugten Creolen ist Wald und Schlucht, Strom und Fels dasselbe, was dem im weichen Schoosse städtischer Cultur Aufgewachsenen die Strassen und Plätze sind. Die Tierra des Waldbewohners hat dort ein Ende, wo für den Städter die Wohnlichkeit, das Lebensbehagen anfängt; wie dieser den Indio bárbaro verabscheut und einen wahren Horror vor dem monte bravo dem wilden Lande empfindet, so verachtet und misstraut jener dem verweichlichten Schwächling der gepflasterten Strasse, der mit seinem geschärften Verstande, aber abgestumpften Sinnen, mit seinen verfeinerten Sitten, aber verlornen Selbständigkeit der wilden Natur nicht sein Dasein abzuringen weiss. Der braune Mann und der dunkelfarbige Mischling seines

Blutes pflegt der Eigenthümer der wilden Tierra zu sein und mit physischer Kraft seine Geliebte zugleich zu umarmen und zu überwältigen. Der weisse Mann und der hellfarbige Mischling seines Geblütes, der zarte und schmächtige Mestize und die Tri-, Quadro- und Quintogeniten sind die Eigenthümer der Städte und Centralpunkte des Gemeindelebens und würzen den verweichlichenden Lebensgenuss mit feiner Sitte, freier Geselligkeit und der Herrschaft des Verstandes über die wilde Naturwüchsigkeit.

In der allgemeinen Lebensweise, der Ernährung, der Zeiteintheilung, der Arbeit und Ruhe, den nationalen Sitten und Gebräuchen herrscht Uebereinstimmung in Stadt und Land; sie sind dem tropischen Klima rational angepasst. Die zur Hausordnung gewordene Tagesdiät vermeidet die volle Sättigung und füllende Speisezufuhr in einer Hauptmahlzeit und zur Mittagsstunde, wenn die Sonne im Zenith steht und der Höhegrad ihrer Hitze am erschlaffendsten auf die Leibes- und namentlich Verdauungsfunctionen wirkt, wie denn überhaupt eine ungleiche und auf ein Mass gehäufte Speisezufuhr die langsam arbeitenden Verdauungsorgane unter dem heissen Himmel in nachtheiliger Weise überbürden würde. Durch die Zerlegung der im nordischen Klima üblichen und zweckmässigen Hauptmahlzeit der Mittagsstunde in zwei Mahlzeiten am Vormittag und Nachmittag wird zugleich auch das späte Abendessen vermieden, das wohl in dem nordischen Klima durch eine regere, mehr energische Verdauungskraft, nicht aber im erschlaffenden Tropenklima durch den langsamen, trägen Stoffwechsel vor der Nacht überwältigt werden kann. Die Küche bleibt daher den ganzen Tag über in unausgesetzter Thätigkeit, um eine geringe Menge von Speisen für verschiedene Tageszeiten herzurichten, so dass dem Körper, dem Bedürfnisse und der Zweckmässigkeit gemäss, die erforderliche Nahrung zu öfteren Malen und gleichmässig vertheilt zugeführt werde.

Der Creole zeichnet sich vor den fremden, ins Land eingewanderten Nationen in Speise und Trank durch Mässigkeit und Einfachheit aus; die Speisen, die in der grössten Einförmigkeit, fast ohne Wechsel auf den Tisch täglich wiederkehren, berührt er mehr, als er merklich von ihnen geniesst; der Creole gebildeten Standes ist immer nüchtern; die unfläthige Trunksucht, welche in dem Pöbel so widerwärtig zu Tage tritt, findet besonders ihren Grund in dem fast alleinigen Branntweingenusse, der dem Bedürfnisse nach aufregenden Getränken das sich unter allen mit Vernunft und Bewusstsein begabten Wesen, den Menschen, rings auf der Erde geltend macht ausser einigen gegohrenen Zucker- und Maisgetränken allein nur zu Gebote steht. Das andere für sich unter den Tropen bereits reizbarere Nervensystem, als im Norden, wird durch jene äusseren, künstlichen Einflüsse schneller und energischer in den Zustand der Aufregung und Ueberreizung, den man Berauschung nennt, versetzt, als unter kühleren Klimaten, wenn auch der Rausch durch die enorme Transpiration der Haut, man könnte sagen Vaporisation, durch die energische Endosmose und Exosmose des thierischen Organismus

schneller verflüchtigt, das zerstörte Gleichgewicht leichter wieder hergestellt wird, als unter einem Klima, das jene Funktionen mässigt und verlangsamt. Der Hauptbestandtheil beider Tagesmahlzeiten ist Fleisch nahrung, und zwar ist der Fleischconsum in der heissen, der wirklichen Tropenzone, also in den Küsten- und Flussniederungen und den Llanos grösser, als in der gemässigten und kühlen Zone der Cordillerenregion. Diese Thatsache beruht zunächst in der grösseren Wohlhabenheit und dem daraus entspringenden grösseren Wohlleben, in dem lebendigeren Handelsverkehr und den zahlreicheren Hülfsmitteln des Ländergebietes der heissen Zone, während die Verkürzung dieser Vorzüge in dem unzugänglicheren und dem Verkehre entlegneren Gebirge auch das Wohlleben beschränkt. Andrerseits aber lehren Beobachtung und Erfahrung so paradox es Vielen klingen mag dass der Ernährungsinstinct vorzüglich in der heissen Zone, und nach keinem Nahrungsmittel sich so kategorisch ausspricht, wie nach Fleischnahrung. Das (befriedigte oder unbefriedigte) Bedürfniss nach derselben macht sich bei allen Alters-, Berufs- und Standesklassen und Geschlechtern gleich geltend; in jedem Hausstande, welchem der Genuss des Fleisches zugänglich und erreichbar ist, wird nicht so sehr das Fleisch als Beilage zum Brod und Gemüse, als vielmehr umgekehrt, dieses als Beilage zum Fleische betrachtet. Der Fleischtopf ist die beste Werbetrommel für die Arbeitskraft; es ist leicht wahrzunehmen, dass sich dieselbe aus den Gegenden, wo Fleischarmuth herrscht, zurückzieht und sich den Grundbesitzungen zuwendet, auf welchen die Fleischverpflegung reichlicher fliesst, wenn auch dagegen ein geringerer Lohn gezahlt werden sollte. Unbemittelte, denen der tägliche Fleischgenuss versagt ist, sprechen immer ein grosses Verlangen nach demselben aus und geben zur öftern Erzielung desselben den grössten Theil ihrer mühsam angelegten Ersparnisse hin. Er isst Fleisch", heisst in dem Volksmunde soviel, als ein vom Glück bevorzugter Mensch; hingegen heisst es von Jemandem, dem kein günstiges Loos zugefallen: „er isst Erbsen und Mais."

Nicht selten widersprechen Erfahrungen und Thatsachen allen theoretischen Belegen und bestehen doch zu Recht; so stellt sich der thatsächliche Fleischverbrauch in dem tropischen Amerika in Widerspruch zu der Theorie der Ernährung des Südländers, zu der Ansicht, dass der Ernährungsinstinct des Tropenbewohners mehr auf die kühle, milde Pflanzenkost, als auf die reizende Fleischkost gerichtet sei. Die Thatsache des grossen Fleischverbrauches im tropischen Amerika lässt sich aber sowohl durch statistische Tabellen belegen, als auch physiologisch begründen. In dem heissen Klima geht die Verbrennung des eingenommenen Kohlenstoffes (hauptsächlich vegetabilische Nahrung) durch die Lungenathmung langsam, die Function der Verdauung schleppend vor sich; um so mächtiger rege ist aber die Hautathmung; Aufzehrung und Umsatz der Blut- und Muskelsubstanz findet ununterbrochen in beschleunigtem Masse statt; demnach ist das Bedürfniss nach einer schnell blutbildenden, leicht assimilirbaren Nahrung vorwaltend, und entschieden ge

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