ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

ausschließlich als Geschlechtswesen. Zutreffend erinnert v. Reitzenstein23) daran, wie lange Zeit der damalige Mensch mit seinen unvollkommenen Werkzeugen an einem derartigen Figürchen arbeiten mußte, daß es also in erster Linie geschlechtliche Gedanken waren, deren Intensität ihm die Ausdauer verlieh, das Ziel seiner Wünsche bildlich darzustellen. Der Realismus des Diluvialmenschen bringt, ich möchte sagen, eine naive Freude am rein Geschlechtlichen zum Ausdruck, die noch durch keinerlei geistige, speziell religiöse Motive beeinflußt wird. Der Ur- wie der Naturmensch kennt eben keine,,geheimen Körperteile“, Mann und Frau bekennen sich als Erzeuger, indem sie „mit der unwillkürlichsten und natürlichsten Verdeutlichung von der Welt die Organe anfassen, denen das Leben entspringt.") Belege für die Richtigkeit dieses Satzes liefern auch noch andere prähistorische Funde außer den bereits erwähnten, so eine männliche Bronzefigur aus Maria Czalád (Neutraer Komitat, Ungarn), die die Hand ans Genitale legt25), ferner weibliche Tonfiguren der jüngeren Steinzeit aus thrakischen Grabhügeln und troische Bleifiguren mit auffälliger Betonung der Geschlechtsteile.) Auch durch über dem Mons Veneris angebrachte Ringe und Gürte127) wird schon in der primitiven Kunst direkt auf die Genitalion hingedeutet; das älteste Beispiel hierfür ist die schon erwähnte „Frau mit dem Gürtel". Den gleichen offenbar der Akzentuierung der Genitalien dienenden Gürtel zeigt eine Bronze

23) Ferdinand von Reitzenstein, Urgeschichte der Ehe, Stuttgart 1908, S. 9.

24) Karl von den Steinen, Unter den Naturvölkern ZentralBrasiliens, Berlin 1894, S. 190-191. In der naiven Sexualfreude improvisiert die Nama-Hottentottin ihrem Säugling folgendes Loblied: Du Kind eines starkschenkligen Vaters,

Du wirst einst starke Ochsen zwischen deinen Schenkeln bändigen,
Du, der du einen kräftigen Penis hast,

Du wirst einst kräftige und viele Kinder zeugen.

Vgl. Andree, Frauenpoesie bei Naturvölkern. In: Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie usw., 1906, Bd. 37, S. 115. 25) Fig. 16 bei Hoernes a. a. O. S. 143. Eine bei Reitzenstein a. a. O. S. 27 (Abb. 14) reproduzierte Ahnenfigur von der Osterinsel legt die eine Hand unter die Brust, die andere gegen die Geschlechtsteile, um darauf hinzuweisen.

26) Hoernes a. a. O. S. 209.

27) Vgl. über die sexuelle Bedeutung des Hüftschmuckes mein ,,Sexualleben unserer Zeit" S. 149-150.

figur aus Verona und eine Figur aus Klein-Zastrow bei Greifswald28). Eine Perlschnur über dem Mons Veneris bei den Mtussimädchen, der Gürtel aus gelben ,,ti"-Blättern bei den Areois auf Tahiti dienten offenbar demselben Zwecke.

Die fortschreitende geistige Entwicklung des Menschen hat nun schon in der prähistorischen Zeit diese rein physische Sexualanziehung der Geschlechter in innige Beziehungen zu den Urtatsachen des primitiven Geisteslebens gesetzt, zur Religion und zur Kunst. Auf dieser Basis entstand ein freies Geschlechtsleben, das sich bis auf den heutigen Tag neben dem sozial gebundenen erhalten hat, in den verschiedenartigsten Formen, wie wir sehen werden, auf der Erde verbreitet war und Elemente aufweist, die der gebundenen Form des Geschlechtslebens, der Ehe, fehlen.

Wie Ethnologie und Folklore zeigen, war dieses freie, ungebundene Geschlechtsleben ursprünglich wohl vereinbar mit der Ehe, ja es wurde als eine notwendige Voraussetzung dieser letzteren betrachtet, weil es primitiven Instinkten eine Befriedigung bot, die ihnen die Ehe nicht geben konnte und durfte. Ueberall nun, wo der Rigorismus der Zwangsehe diese Freiheit des Sexualverkehrs, dieses „Austoben“, einschränkt und unterdrückt, erscheint die Prostitution als ein schlechtes Surrogat. Die Prostitution - das zeigt ihre ganze Geschichte - ist ein Ueberrest, ein Aequivalent, des ursprünglich freien Geschlechtslebens der Menschheit. In ihr finden sich die gleichen Elemente eines primitiven Trieblebens wie in diesem. Sie bietet insbesondere bei den Kulturvölkern den Ersatz für jene sexuelle Ungebundenheit, jenes sexuelle Austoben, die wir in primitiven Zuständen noch heute bei den Naturvölkern beobachten. Die Entwicklungsgeschichte der Menschheit zeigt uns, daß ein solches freies Geschlechtsleben überall der Vorläufer bzw. die Begleiterscheinung der Ehe war und daß in ihm eben die durch diese unterdrückten primitiven Sexualinstinkte frei sich betätigen konnten. Ein Forscher vom Range Friedrich Ratzels 29) hat schon von diesen ,,Rückfällen aus der oft

28) Abbild. 8 und 9 bei Reitzenstein a. a. O. S. 16.

29) Friedrich Ratzel, Völkerkunde, 2. Auflage, Leipzig und Wien 1894, Bd. I, S. 111.

versuchten, aber überall Widerspruch weckenden Monopolisierung der Weiber in mono- oder polygamischer Ehe in eine Sphäre freieren Waltens des Geschlechtstriebes" gesprochen. „Dieselbe Sphäre", sagt er, „unterlagert auch unsere Gesittung und erzeugt in anderen Formen und unter dichteren Schleiern dieselben Rückfälle." Einer aufmerksamen Betrachtung wird es aber leicht gelingen, auch diese dichteren Schleier zu lüften und den primitiven Untergrund der Prostitution sichtbar zu machen, ihren Zusammenhang mit jener Sphäre des ungebundenen Geschlechtslebens zu erweisen. Man darf also nicht die primitiven Zustände nach Analogie der Prostitution beurteilen, sie, wie Engels 30) sich ausdrückt, ,,durch die Bordellbrille" anschauen, sondern man muß umgekehrt die Prostitution aus jenem freien Geschlechtsverkehr erklären und ableiten. Nur so kann ihre wahre Bedeutung in der Geschichte des menschlichen Geschlechtslebens erkannt werden, als ein Teil des,,Hetärismus, der den Menschen bis in die Zivilisation hinein verfolgt, wie ein dunkler Schlagschatten, der auf der Familie. ruht." (L. H. Morgan.)

Das Charakteristische für alle diese verschiedenen Formen der freieren, ungebundenen Sexualbeziehungen ist nun, wie dies besonders Heinrich Schurtz in überzeugender Weise dargelegt hat, das Austoben des Geschlechtstriebes in rein physischer Beziehung und seine elementarische Entladung und Betätigung in Verbindung mit und unter dem Einflusse von künstlerischen und religiösen Elementen, die, allen sozialen Hemmungen feindlich, das Geschlechtliche in eine freiere Sphäre versetzen.

Dagegen kommt bei den gebundenen Formen des Geschlechtslebens der Geschlechtstrieb überhaupt nicht mehr in erster Linie in Betracht, sie dienen viel eher sozialen Zwecken anderer Natur, vor allem wirtschaftlichen. So erscheint die Hauptform dieses gebundenen Geschlechtslebens, die Ehe, als das Produkt nicht nur des Geschlechtstriebes, sondern vor allem des Pflegetriebes, des Geselligkeitstriebes 31) und über

30) Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, 13. Aufl., Stuttgart 1910, S. 19.

31) Vgl. A. Vierkandt, Die Stetigkeit im Kulturwandel. Eine soziologische Studie. Leipzig 1908, S. 196.

haupt des wirtschaftlichen Nutzens, so daß jener nicht mehr die primäre und ausschlaggebende Rolle spielen kann wie im freien Liebesleben.

Nachdem Bachofen zuerst den ,,Hetärismus", den ungebundenen, außerehelichen geschlechtlichen Verkehr als ursprünglichste Form der sexuellen Beziehungen von Mann und Weib aufgestellt hatte, hat dann Lewis H. Morgan 32) entsprechend den von ihm aufgestellten Entwicklungsstufen der Wildheit, der Barbarei und der Zivilisation ebenfalls Entwicklungsformen dieses Hetärismus angenommen, nämlich den sozial unbeschränkten unterschiedslosen Geschlechtsverkehr und die geschlechtliche Promiskuität innerhalb sozialer Gruppen, wie z. B. der Gruppenehe. Er hat auch darauf hingewiesen, daß auch neben der späteren Paarungs- und der monogamen Ehe der Hetäris mus weiter existiert hat. Engels 33) nennt das die Ergänzung der Monogamie durch Ehebruch und Prostitution.

Der gänzlich unterschiedslose Geschlechtsverkehr liegt auch nach Morgan,,verschleiert in der nebelhaften Urzeit des Menschengeschlechtes", außer dem Bereiche positiven Wissens. Die tatsächliche Existenz eines solchen Zustandes läßt sich rückwärts aus der Entwicklung erschließen, da das Mutterrecht und die Blutsverwandtschaftsfamilie einen solchen unterschiedslösen Geschlechtsverkehr voraussetzen und jede Form der sozialen Ehe (Gruppenehe, Punaluaehe) deutliche Reste jener ursprünglichen Geschlechtspromiskuität aufweist, endlich auch heute noch diese bei den Naturvölkern als Vorläuferin und Vorstufe der individuellen Ehe nachweisbar ist und bei den Kulturvölkern neben ihr als Prostitution oder wilde Liebe fortexistiert.

Daß das Scham gefühl als eine erworbene Eigenschaft des Menschengeschlechts 34) eine solche Promiskuität und ein

32) Vgl. das Schema auf S. 426-427 bei Lewis H. Morgan, Die Urgesellschaft. Aus dem Englischen von W. Eichhoff und Karl Kautsky, 2. Aufl., Stuttgart 1908.

33) Engels a. a. O. S. 63.

[ocr errors]

34) Vgl. mein,,Sexualleben unserer Zeit" S. 135 ff. und neuerdings auch Vierkandt a. a. O. S. 29-30; S. 156. - Nach Madame Céline Renooz (in ,,Psychologie comparée de l'homme et de la femme", Paris 1898, S. 85-87, cit. nach Reitzenstein a. a. O. S. 104) hat das primitive Weib sogar lange seine Nacktheit gegen das ihm vom Manne mit der Kleidung aufgezwungene Schamgefühl verteidigt.

solches freies Sexualleben niemals verhindert hat, ist sicher. Die Befriedigung des Geschlechtstriebes war ursprünglich genau so unverfänglich wie Essen und Trinken. Zum Teil weisen Tatsachen, wie die ungenierte Ausübung des Coitus coram publico, darauf hin 35), soweit der Coitus im Freien nicht aus abergläubischen und religiösen Gründen (Befruchtungszauber) vollzogen wurde. Auch in den Anschauungen vieler Naturvölker läßt sich diese unbefangene Auffassung des Geschlechtlichen erkennen. Es ist dabei von Interesse, daß ursprünglich Mann und Frau gleich bewertet wurden, daß das Weib dieselben primitiven polygamischen Instinkte offenbart wie der Mann und auch später dem vorehelichen freien Geschlechtsverkehr in der gleichen Weise huldigt. Da die Urzeit und viele primitive Völker nur die Muttermilch für die Kindesnahrung verwendeten, so mußten die Frauen während des mehrjährigen Säugegeschäfts auf sexuelle Betätigung verzichten, und der Mann sah sich in die Notwendigkeit versetzt, seinen Geschlechtstrieb bei anderen Frauen zu befriedigen. Auch dies kann als eine der natürlichen Ursachen des freieren Geschlechtsverkehrs angesehen werden.

Wir wollen im folgenden einige Tatsachen 36), die die Existenz

-

35) Beispiele aus dem Altertum bei Bachofen, Das Mutterrecht, S. 11; bei Naturvölkern Ploss-Bartels, Das Weib in der Naturund Völkerkunde, 8. Aufl., Leipzig 1905, Bd. I, S. 540 ff. Zur Zeit Chamissos waren die Bewohner der Palau-Inseln aller Scham entblößt, so daß sie ,,viehisch den Naturtrieb vor allen Augen befriedigen“, Adelbert von Chamissos Werke, Leipzig 1836, Bd. II, S. 277. Nach J. R. Mucke (Horde und Familie in ihrer urgeschichtlichen Entwicklung, Stuttgart 1895, S. 69-70) mußte in der Urzeit die Begattung schon aus dem Grunde in der Oeffentlichkeit erfolgen, weil der Raum, in dem die Horde lagerte, dafür zu beschränkt war. Dabei kam auch die Nachahmung zur Geltung. Was der eine tat, tat auch der andere. Die Begattung wurde nicht bloß öffentlich, sondern auch gemeinschaftlich öffentlich vollzogen. Zeugungsakt und Geburt waren öffentliche Angelegenheiten und fanden coram publico statt.

36) Die hierfür benutzte Literatur war wesentlich die folgende: Friedrich von Hellwald, Die menschliche Familie, Leipzig 1889; Friedrich Ratzel, Völkerkunde, Leipzig 1894, 2 Bände; Heinrich Schurtz, Urgeschichte der Kultur, Leipzig 1900; derselbe, Altersklassen und Männerbünde, Berlin 1902; Ferdinand von Reitzenstein, Urgeschichte der Ehe, Stuttgart 1908; derselbe, Liebe und Ehe im alten Orient, Stuttgart 1909; derselbe, Liebe und Ehe in Ostasien und bei den Kulturvölkern Altamerikas, Stuttgart 1910; Josef Kohler, Rechtliche Grundlagen der Ehe, in:

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »