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Neben dem Hexen- und Satansglauben muß der religiöse Flagellantismus noch kurz berührt werden, der erst im Mittelalter235) als Form der asketischen Buße zu einem förmlichen System ausgebildet worden ist, durch Massensuggestion eine allgemeine Verbreitung erlangte, bis zur Neuzeit ausgeübt wurde und ganz gewil in gleicher Weise wie der Satanismus die algolognistische

Erfindung, sondern als abgeschwächte Wiedergabe päpstlicher und ultramontan - theologischer Schilderungen“ bezeichnet (S. 378), SO möchten wir auch diese nicht als die letzte Ursache solcher Vorstellungen gelten lassen. Diese wurzeln vielmehr in de m primitiven Geschlechtsleben mit seinen heftigen algola gnistischen Impulsen und in der innigen Verbindung jedes Zauberglaubens mit dem Sexualtrieb, wie er sich als eine ubiquitäre anthropologische Erscheinung auf der ganzen Erde zeigt. (Vgl. meine,,Beiträge zur Aetiologie der Psychopothia sexualis“, Dresden 1902, Teil I, S. 100-106). Allerdings hat die christliche Theologie des Mittelalters darin hat Graf v. Hoensbroech recht die religiöse Phantasie allzu sehr in diesen dunklen Labyrinthen der primitiven Sexualität umherschweifen lassen.

Die Rolle der

234) Schon der mutige Wundarzt Yvelin hat im 17. Jahrhundert bei der Untersuchung der besessenen Nonnen von Louviers und der von ihnen begangenen nächtlichen satanistischen Orgien bei den meisten von ihnen die Diagnose ,,Hysterie“ stellen können. Vgl. Histoire de Magdelaine Bavent etc.". Paris 1652. Hysteric behandeln von neueren Autoren u. a. Otto Snell, Hexenprozesse und Geistesstörung, München 1891 (S. 74, 112 ff.); A. Cramer. Ueber die Hexenprozesse vom Standpunkte des Nervenarztes (Die Umschau, Frankfurt a. M. 1905, Bd. IX, Nr. 37, S. 723). In geistvoller Weise zeigt der Kulturpsychologe Willy Hellpach in seinem Buche,,Die Grenzwissenschaften der Psychologie“ (Leipzig 1902, S. 390-391), daß die große Bedeutung der Hysterie in den mittelalterlichen religiösen Epidemien des Aberglaubens und der Zauberei darauf zurückzuführen sei, daß sie eine typische Krankheit der individuellen Unfreiheit ist, während an ihre Stelle in der Neuzeit immer mehr als eine Krankheit der Freiheit die Nervosität tritt, die spezifische Krankheit der kapitalistisch-industriellen Aera.

235) Für die Existenz der religiösen und symbolischen Flagellation im Altertum (z. B. bei dem Lupercalienfeste) hat Giovanni Frusta (Der Flagellantismus und die Jesuitenbeichte, Stuttgart o. J., S. 1 bis 10) das ziemlich karge Material zusammengestellt. Dagegen kann man an derjenigen eines sexuellen Flagellantismus und wohl auch einer flagellantistischen Prostitution nicht zweifeln, wofür ich die Belege in meinen ,,Beiträgen zur Aetiologie der Psychopathia sexualis“, Dresden 1903, Bd. II, S. 90–93, und in meiner (pseudonymen) Englischen Sittengeschichte" (2. Aufl., Berlin 1912, Verlag Louis Marcus, Bd. I, S. 349-352) zusammengestellt habe. Vgl. auch oben S. 381.

Phantasie des Volkes so außerordentlich erregt hat, daß auch die Prostitution davon nicht unberührt bleiben konnte. Wenn heute jede Prostituierte ihre Rute hat, wie das schon im 18. Jahrhundert Hogarth auf dem dritten Bilde seines,,Weges einer Buhlerin“ darstellt, so muß die mittelalterliche religiöse Flagellation als Massenerscheinung wenigstens als eine indirekte Ursache dieser großen Verbreitung der Flagellomanie in weltlichen Kreisen in Anspruch genommen werden, da nicht nur die Mönche bald von der Selbstgeißelung und Geißelung untereinander zur Flagellation ihrer weltlichen Beicht kinder übergingen und auf diese Weise unzählige aktive und passive Liebhaber der Geißel und Rute züchteten, sondern auch diese in den flagellantistischen,,Massendelirien", wie Nietzsche sich ausdrückt236), die stark sexuell gefärbte Flagellomani in weite Kreise verbreiteten.

Wic erwähnt, beruht der religiöse Flagellantismus vollkommen auf der christlichen Idee von der Sündhaftigkeit des Fleisches, die gewissermaßen durch Schläge ausgetrieben werden sollte. Schneegans betrachtet die Mystik und den Flagellantismus als eine Reaktion gegen die geschlechtliche Unzucht237). ,,Die einen gingen innerlich, die anderen äußerlich zu Werke; die Mystiker suchten ihr Heil im tiefen Borne des Gefühls, in einer gemütlichen Versenkung im Heiligtum des Glaubens, die Geißler suchten es in hellenmütiger oder auch grausamer Peinigung ihrer Leiber, auf dem Schauplatze unnatürlicher Bußübung.“

Die eigentliche Ausbildung des Systems der Flagellation beginnt im 11. Jahrhundert und ist mit dem Namen des Benediktinerpaters Pier Damiani verknüpft, des Vaters und Meisters der Flagellanten", der zuerst die sogenannte „,Buß disziplin“ einführte-8). Diese fand besonders durch die Franziskaner und Dominikaner bald auch Eingang beim Volke. Eine wahre Epidemie der Geißelwut griff um sich, und es war nur noch ein Schritt von den Privatgeißelungen zu den öffentlichen und allgemeinen, zu den Prozessionen der Geißler. Die erste solche Geißlerprozession soll Antonius ven Padua († 1231) veranstaltet haben, historisch gesichert ist die Prozession, die 1260 in Perugia ihren Anfang nahm und von dort nach Deutschland, Oesterreich, Ungarn und Polen übergriff283). 1261 kamen 1200 Bußbrüder nach Straßburg und 1500 Einwohner schlossen sich ihnen an. Schon damals kamen bei diesen Geißlerscharen grobe sexuelle Exzesse vor, sie erwiesen sich als Zentren der Prostitution

236) Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral a. a. O., S. 460.

237) L. Schneegans, Die Geißler, namentlich die große Geißelfahrt nach Straßburg im Jahre 1319. Deutsch von Constantin Tischendorf. Leipzig 1840, S. 4.

238) Vgl. F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Stuttgart 1862, Bd. IV, S. 102–104.

239) Schneegans a. a. O., S. 12-16.

und Kuppelei240). Das gleiche gilt von den großen Geißelfahrten der Jahre 1334 und 1340 in Mittel- und Oberitalien. 1340,,stand an der Spitze der Geißler eine sehr unheilige, aber für heilig gehaltene Schwärmerin aus Cremona241)". Der ,,schwarze Tod" des Jahres 1349 gab Veranlassung zu neuen Flagellantenzügen, die von Ungarn aus nach Deutschland, Polen, Böhmen, Flandern, Holland, England sich verbreiteten und durch ihre Unsittlichkeit bald berüchtigt wurden, so daß sie von der Kirche verboten wurden242). Außer diesen öffentlichen Flagellanten gab es während des 14. und 15. Jahrhunderts noch zahlreiche heimliche Geißlersekten, wie die Fraticellen, Begharden usw., bei denen die Flagellation allmählich die Form raffiniert sinnlicher Ausschweifungen annahm243) und auch Beziehungen zum Satanismus erkennen ließ. Später zog sich die Flagellation zwar mehr in das Innere der Klöster zurück, fand aber von hier aus ihren Weg immer wieder in die weltlichen Kreise, wo sie von der Prostitution schon seit dem 17. Jahrhundert zu einem speziellen System ausgebildet wurde, das in vielen Einzelheiten sich als eine direkte Nachahmung der klösterlichen,,Disziplin“ darstellt.

Auch der merkwürdige Frauendienst des Mittelalters, der einen so großen und unbezweifelbaren Anteil an der Ausbildung und Verbreitung einer masochistischen Empfindungsweise der Männerwelt, besonders in den höheren Kreisen der mittelalterlichen Gesellschaft hat, ist religiösen Ursprungs. Er ist eine Folge jener extremen mittelalterlichen Anschauung und Beurteilung der Frau, die in ihr entweder die Verkörperung der Erbsünde, der sündhaften Geschlechtslust sah, oder sie in der Konzeption der unbefleckten Jungfrau, der Himmelsbraut spiritualisierte. Die mittelalterliche Frau ist niemals die weise Gattin, niemals die Familienmutter, sondern entweder eine Heilige oder eine Prostituierte, Himmel oder Hölle, Maria oder Satansdirne.

Die Frau als Personifikation des Himmlischen und Heiligen ist nicht die fruchtbare, durch ihre Kinder gesegnete Mutter, es ist die heilige Jungfrau, die unfruchtbare Beatrice, die Nonne, die Madonna44), die ,,donna angelicata", deren ,,zweite“, nämlich seelische Schönheit der Mann gläubig anbetet. wie Dante ..Purgatorio“ (Canto XXXI, 133 ff.) die der Beatrice:

Volgi, Beatrice, volgi gli occhi santi

(Era la sua canzone) al tuo fedele . .

Per grazia fa noi grazia che disvele

240) Vgl. Frusta a. a. O., S. 33–34.

241) Schneegans a. a. O., S. 16.
242) Ebendort S. 44-15.

die

im

243) Albert Eulenburg, Sexuale Neuropathie, Leipzig 1895, S. 122; Frusta a. a. O., S. 50-58.

244) Vgl. J. Michelet, Die Hexe, S. 151; Derselbe, Der katholische Priester in seiner Stellung zum Weibe und zur Familie, Leipzig 1845, S. 325-326.

A lui la bocca tua si che discerna

La seconda belleza che tu cele.

Diese Auffassung der Frau brachte im Mittelalter auf der einen Seite den Marienkultus, auf der anderen den eng damit zusammenhängenden romantischen Frauendienst hervor. Mit Recht weist Zscharnack245) darauf hin, daß diese Frauenverehrung sehr einseitig nur der speziellen Geliebten und der Maria, nicht aber der Frau im allgemeinen zugute kam, so daß sich neben ihr die bereits zur Genüge gekennzeichnete Misogynie in vollem Umfange behaupten konnte. Dagegen nahm jene Frauenverehrung im Marienkult und im Ritterdienst bald Formen an, die einer sehr irdischen Sphäre angehörten und das geschlechtliche Gefühlsleben jener und der späteren Zeit um neue eigentümliche Momente bereichert haben. Schon im Marienkult, der, wie die von Eusebius Emmeran herausgegebenen Gedichte und Legenden246) zeigen, in einer durchaus körperlich-realistischen Auffassung der einzelnen Schönheiten der Jungfrau Maria wurzelte247), lassen sich masochistische Elemente nachweisen, die uns in der bekannten Frauenverehrung des Rittertums wieder begegnen, so z. B., wenn marianische Brüder zur Mortifikation ihres Fleisches den Spülicht in der Küche auffraßen und die vom Aussatz befallenen Körperteile ableckten, um dadurch ihre Verehrung und Devotion der Maria zu beweisen248).

Wenn wir nun den eigentlichen weltlichen Frauendienst des Mittelalters näher betrachten, so fällt sogleich die Parallele mit unseren modernen Masochisten ins Auge, was schon Albert Eulenburg, ein genauer Kenner der algolagnistischen Phänomene in der Kulturgeschichte, hervorgehoben hat249). Der Ursprung der ritterlichen Frauenverehrung ist nach den neueren Forschungen nicht nur auf den Marienkult und die „Gottesminne", sondern überhaupt auf die

245) Zscharnack, Artikel,,Frau im neuen Testament und in

der Kirchengeschichte" a. a. O., Bd. II, Sp. 1004.

246) Eusebius Emmeran, Die Glorie der heiligen Jungfrau Maria. Legenden und Gedichte. 1841; vgl. auch W. Leonhardt a. a. O., S. 105, 112.

247) Zweifellos enthält der Marienkult auch viele heidnische Elemente, wie sie in den Marienlegenden offen zutage treten. Vgl. Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, 2. Aufl, Dresden 1884, Bd. I, S. 231. Andererseits trifft aber auf diese geistliche Poesie die von Leonhardt (a. a. O., S. 113) gemachte Bemerkung zu, daß sich die spontane Verdrängung der in ihrer natürlichen Betätigung verhinderten Sexualität auf das Gebiet der Poesie kaum deutlicher nachweisen läßt als in dieser Poesie der Zölibatäre.

248) Ludwig Feuerbach, Ueber den Marienkultus. Sämtliche Werke, Leipzig 1846, Bd. I, S. 191.

In:

249) A. Eulenburg, Sexuale Neuropathie, Leipzig 1895, Seite

114-115.

im 11. und 12. Jahrhundert bei Geistlichen im Verkehr mit Frauen auftretende süßliche Gefühlsseligkeit und schmachtende Erotik zurückzuführen250). Diese schwärmerische Gefühlsreligiosität griff dann auf weltliche Kreise über und machte sich zuerst in den Liebesliedern und Liebestaten der provenzalischen Troubadours bemerkbar. Sie haben die Frauenverehrung systematisch ausgebildet und den „Minnedienst" streng in vier Stufen gegliedert, nämlich in die des schüchternen, des bittenden, des erhörten und des wirklichen Liebhabers251). Schon hieraus ersieht man, daß der Erhörung eine strenge Prüfungszeit voranging, und diese ist der eigentliche Mittelpunkt des Frauendienstes gegenüber der Dame des Herzens, deren Beinamen,,Militissa“ und „Equitissa" den Charakter dieses eigentümlichen Verhältnisses deutlich genug ausdrückt. Wie beim modernen Masochismus spielt die Phantasie bei dieser mittelalterlichen Liebessklaverei eine mindestens so große Rolle wie die Wirklichkeit, wenn auch, wie schon Weinhold betont hat, der schließlich begehrte Lohn meist die wirkliche geschlechtliche Hingabe der ..Herrin" war. Dennoch bedeuten auch für den ritterlichen Frauenverehrer die Präliminarien bis zu diesem (sehr häufig gar nicht reichten) Endziel gewöhnlich ein sicherlich stark sexuell betontes Martyrium, eine Kette von masochistischen Leiden, Erniedrigungen und Demütigungen aller Art, wie sie zum Teil noch heute in derselben Weise von den,, Masseusen", ,,energischen Erzieherinnen“ und sonstigen Vertreterinnen der masochistischen Prostitution ihren Sklaven auferlegt werden. Diese masochistische Natur der ritterlichen Minne bekundet sich teils in relativ harmlosen Akten, wie z. B. dem Tragen des Hemdes der Geliebten252), oder dem Sammeln ihrer Haare, sogar der Schamhaare253), Anwesenheit und Hilfe beim Zubettegehen und bei der Entkleidung der geliebten Dame254), oder gar im Ueberstehen einer sogenannten ,,Probenacht" der Enthaltsamkeit während des Zusammenschlafens mit ihr255), oder endlich im typischen Märtyrertum, das z. B. der Minnesänger Stein mar für

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dem

250) Vgl. Vald. Vedel, Ritterromantik, Leipzig 1911, S. 15, 57. 251) Vgl. Karl Weinhold, Die deutschen Frauen Mittelalter, 2. Aufl., Wien 1882, Bd. I, S. 270.

252) Weinhold a. a. O., I, 257.

253) Carl Julius Weber, Das Ritterwesen, 2. Ausg., Stuttgart 1835, Bd. I, S. 351.

254) Weinhold a. a. O., I, 272.

255) Ebendort S. 261-263. Diese Probenächte waren im Mittelalter über das ganze kultivierte Europa verbreitet und pflanzten sich von den ritterlichen Kreisen auch auf die ländlichen fort, WO sie sich bis heute in der Sitte des sogenannten,,Kiltganges", ,Gasselganges", ,,Fensterln" usw., allerdings als das Gegenteil der Abstinenz, erhalten haben. Vgl. F. Chr. J. Fischer, Ueber die Probenächte der teutschen Bauernmädchen, Berlin und Leipzig 1780, Neudruck von Adolf Weigel, Leipzig 1898.

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