ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

sich die Anwesenden auf den Mund, in den Prozessionen trugen die verschleierten Jungfrauen Amulette und Idole, die auch für den 1s15kultus gepaßt hätten; die obszönen Kuchen, die bei den Festen der Alten eine große Rolle spielten, waren in ihrer Form und in ihrer Bestimmung kaum verändert worden: mit einem Wort, wenn auch das Dogma die religiöse Prostitution verwarf, so wurde sie doch durch die Liturgie in jeder Weise gefördert; es bedurfte bedeutender Anstrengungen der Kirchenväter und der Konzilien, um hier Wandel zu schaffen.

Wenn auch der christliche Kult allmählich die religiöse Prostitution etwas eindämmte, so besaßen doch die alten Religionen noch eine außerordentlich große Kraft und eine große Anhängerschaft. Die alten Götter wurden nach wie vor, selbst viele Jahrhunderte nach der offiziellen Einführung des Christentums, in dem Lararium verehrt. Venus und Priap, die Fluß- und die Waldgötter hatten ihre Altäre und ihren Opferdienst bis in das Mittelalter hinein. Jungfrauen, die einen Liebhaber oder einen Mann haben wollten, weihten nach wie vor die Blume ihrer Keuschheit einem Flußgott, einem Waldgott, einem Baume oder einem heiligen Stier. Für sie war immer noch Venus die Seele des Universums, Venus, deren ewiger Kultus in der Natur andauert."

Es sind uralte Ueberreste einer primitiven Naturreligion, die hier fortleben und trotz ihrer Christianisierung189) als dem Christentume fremde Elemente anzusehen sind, das wie das Judentum als rein geistige, monotheistische, auf dem Patriarchat beruhende Religion ursprünglich den religiösen Sexualismus und die religiöse Prostitution verwarf, sie aber im Gegensatze zum Judentum durch die Idee der Askese in negativer Form wieder einführte und in der Ausbildung der christlichen Mystik ohne Zweifel auch positive sexuelle Elemente wieder in sich aufnalım. Die Unio mystica, der Hexenglaube, die Teufelsbuhlschaft usw. sind Produkte eines religiösen Naturalismus, der ja in ähnlichen Erscheinungen auch anderswo vorkommt. Sie beweisen den tiefinneren Zusammenhang des Religiösen mit dem Geschlechtlichen, der unbestreitbar ist, weil als ethnischer,,Elementargedanke“ überall nachweisbar190).

Wenn im christlichen Mittelalter die Bordelle symbolisch als ,,Abteien“, die Dirnen als „Nonnen“ und die Bordellwirtinnen als ,,Aebtissinnen“ bezeichnet werden a), wenn in den romanischen und slavischen Ländern die Prostituierten sich mit Talismanen und Amuletten umgeben und die Madonna um Glück in ihrem Berufe an

189) Man denke z. B. an die phallischen Skulpturen an vielen mittelalterlichen Kirchen. Vgl. Otto Stoll, Das Geschlechtsleben in der Völkerpsychologie, Leipzig 1908, S. 671-673. 190) Vgl. darüber mein ,,Sexualleben unserer Zeit" S. 116, 118, 120, 123, 128.

a) Allerdings waren nicht selten Nonnenklöster auch gleichzeitig Frauenhäuser. Vgl. C. J. Weber, Die Möncherei II, 22.

flehen, so ist auch das ein Nachklang uralter Vorstellungen. „Kein Bordell ist ohne Heiligenbilder, jedes Mädchen hat in ihrem Zimmer ihren Schutzpatron, an den es sich inbrünstig vor Ausübung einer jeden Tat wendet, auf daß der Akt nicht von bösen Folgen begleitet sei. Während der Zeit, da nach dem Gebet zum Heiligen der Wollust geopfert wird, bleibt das Bild des Heiligen zur Wand gedreht oder mit einem Tuche verhängt. Nach Entfernung des Gastes wird das Heiligenbild von dem Tuche befreit und empfängt von dem Mädchen außer Dankesworten auch ein Geschenk in barem Gelde oder eine neue Kerze191).“

Bekanntlich ist auch bei protestantischen Sekten die der religiösen Prostitution zugrunde liegende geschlechtliche Promiskuität zum Durchbruche gelangt, wie bei den Wiedertäufern in Münster, der Seelengemeinde der Eva von Butler, der Sekte des Elias Eller und seiner „,Zionsmutter" in Elberfeld und Ronsdorf, den .,Erweckten", den Muckern von Königsberg, manchen englischen und nordamerikanischen Sekten192).

Während in den romanischen und katholischen Ländern vielfach Nachwirkungen der Antike bei diesen Ueberresten des religiösen Sexualismus in Frage kommen, hat in den germanischen Ländern der urgermanische Naturkultus vielleicht einige Spuren auf diesem Gebiete hinterlassen. Denn zweifellos zeigt auch die germanische Mythologic Anklänge an die Idee der religiösen Prostitution.

Die Venus vulgivaga der Germanen ist Freyja, deren Bruder Freyr ebenfalls als Gott der Fruchtbarkeit zur phallischen Gottheit und zum Gott der sinnlichen Liebe wurde, weshalb sein Bildnis in Upsala nach Adam von Bremen (III, cap. 26) cum ingenti priapo dargestellt war. Auch der Freyja wirft Loki ihre sinnlichen Triebe vor; sie habe mit aller Welt gebuhlt (Lok. 30, 32). Ihr glänzender Schmuck soll ihr von vier Zwergen geschenkt worden sein, denen sie sich geschlechtlich preisgab. Nach Mogk eignet sich ihre ganze Erscheinung unter allen germanischen Göttinnen dazu, daß sie in christlicher Zeit die Venus glossierte193).

Im engsten Zusammenhange mit der Freyja, die auch,,Gefn" genannt wird, steht die Gefjon, die vielleicht mit der von Tacitus genannten Nerthus identisch ist. Wie der Freyja wirft auch ihr Loki Buhlerei mit einem blond haarigen Jüngling vor, der ihr dafür herrlichen Schmuck gegeben habe (Lok. 20). Nach dem Heimskringla kam einst die Gefjon als fahrendes Weib zu König

191) Bernhard Stern, Geschichte der öffentlichen Sittlich

keit in Rußland, Berlin 1907, Bd. I, S. 114-115.

192) Vgl. W. H. Dixon, „Seelenbräute", deutsch von J. Frese, Berlin 1868, 2 Bände; Georg Runze, Religion und Geschlechtsliebe, Halle a. S. 1909, S. 16.

[ocr errors]

193) Eduard Mogk, Artikel Mythologie" in Hermann Pauls Grundriß der germanischen Philologie, 2. Auflage, Straßburg 1900, Bd. III, S. 372–373.

Gylfi von Schweden und erhielt von diesem so viel Land, als sie mit vier Ochsen während eines Tages und einer Nacht umpflügen konnte194).

In einer von Karl Lachmann195) übersetzten altdänischer Ballade heißt es von der Liebschaft einer Meeresgottheit mit einer menschlichen Frau:

Und sprich, was gab er dir für deine Ehr,
Als er zum Weibe dich nahm im Meer?

O, er gab mir ein prächtig golden Band;
Kein besseres ist an der Königin Hand.

Noch bis zur Zeit Karls des Großen sollen in Norddeutschland Heiligtümer der altgermanischen Freyja bestanden haben. In Magdeburg zerstörte er ein ,,simulacrum Myrrhae Veneris", nackt unter Jungfrauen stehend196).

Die hier gegebene Uebersicht, die uns die religiöse Prostitution in ihrer vollen Ausbildung oder in ihren Vorbedingungen und Vorstufen als eine über die ganze Erde verbreitete Erscheinung zeigt197), bestätigt die Richtigkeit der zuerst von Bachofen gegebenen Erklärung, daß sie als ein Ueberbleibsel der primitiven Sexual freiheit und Ungebundenheit aufzufassen ist. dessen Einkleidung in sakrale Symbole als „Ablösung" oder ,,Sühne" beim Uebergange zur sexuellen Gebundenheit der Ehe erscheint. Die Religion hat nach Havelock Ellis198) als die ,,große Trägerin sozialer Traditionen" eine primitive Freiheit festgehalten, die bereits im profanen Leben verschwunden war. Sie konnte dies aber m. E. nur, weil ihr eine oben näher gekennzeichnete, innere Verwandtschaft mit jener grenzenlosen, unindividuellen sexuellen Hingabe eigen ist, die ursprünglich mehr zu einer ungebundenen Betätigung hinneigte, als zu ciner gebundenen und individuell beschränkten. Dies ist das Hauptmoment in der Ableitung der religiösen Prostitution aus einer ursprünglichen Promiskuität, nicht aber die Beziehung zu den

194) Ebendort S. 375.

195) Karl Lachmann. Eine Biographie von Martin Hertz Berlin 1851 (Beilagen S. XIII).

196) Bastian, Der Mensch in der Geschichte III, 313.

197) Es ist also nicht bloß die westliche Kultur, wie Havelock Ellis (,, Ursprung und Entwicklung der Prostitution“. In: Mutterschutz. Zeitschrift zur Reform der sexuellen Ethik 1907, Bd. III S. 17) meint, für die der Ursprung der Prostitution auf eine religiöse Sitte zurückgeht, sondern dieser Zusammenhang läßt sich mehr oder weniger deutlich überall nachweisen.

198) Havelock Ellis a. a. O. S. 17.

Fruchtbarkeitskulten und Ackerbaumysterien, wie das neuerdings Thomas Achelis199) angenommen hat, die als sekundäres Moment gewiß eine Rolle spielt, namentlich bei den Priapus- und Dionysoskulten, während sie im Kult der weiblichen Sexualgottheiten (Mylitta, Aphrodite usw.) mehr zurücktritt. Allerdings erkennt auch Achelis an, daß in jedem Falle diese Preisgebung,,einen Rückfall in die früheren vorehelichen Zustände darstellt, in denen ein mehr oder minder ungeregelter geschlechtlicher Verkehr als die Norm des sozialen Lebens erscheint".

Während dieser Zusammenhang für die heterosexuelle religiöse Prostitution als gesichert erscheint, ist der Ursprung der schon sehr früh auftretenden homosexuellen religiösen Prostitution ein dunkler. Es sind nur Vermutungen über diese merkwürdige Sitte möglich, die ähnliche primitive Charaktere aufweist, wie die heterosexuelle Prostitution, aber natürlich keinerlei Beziehungen zu irgendeiner Form von Promiskuität hat. Sie muß auf ganz andere Weise erklärt werden. Das ,,Rätsel der Homosexualität", wie ich das diese behandelnde Kapitel in meinem Buche,,Das Sexualleben unsrer Zeit“ überschrieben habe, dieses Rätsel, das trotz aller Bemühungen auch von der heutigen Wissenschaft noch nicht in völlig befriedigender Weise gelöst worden ist, mußte dem primitiven Verständnis noch unbegreiflicher erscheinen als uns, und ein mit der Neigung zum gleichen Geschlecht geborener Mensch mußte als etwas Seltsames, als eins der merkwürdigen Naturspiele angesehen werden, die bei den Primitiven so leicht als göttliche Wunder gelten und verehrt werden. Das gar nicht dürftige ethnologische Tatsachenmaterial, das wir hierüber besitzen, bestätigt diese Auffassung und zeigt, in welchem Geruche der „Heiligkeit" vielfach bei Naturvölkern homosexuelle Individuen standen, weshalb sie häufig bei religiösen Kulten und Festen eine große Rolle spielten und es sogar, wie z. B. auf Tahiti200), besondere Gottheiten der ,,unnatürlichen Lust" gab. Hieraus konnte sich dann eine homosexuelle Prostitution von spezifisch religiösem Charakter entwickeln, deren Ent

199) Thomas Achelis, Die Tempelprostitution in volkspsychologischer Beziehung. In: Sexual-Probleme, herausg. von M. Marcuse, Frankfurt a. M. 1908, S. 386-392.

200) Vgl. Theodor Waitz und Georg Gerland, Anthropologie der Naturvölker, Leipzig 1872, Bd. VI S. 123.

wickelung gewiß durch die ubiquitäre, primitive Einrichtung der Geschlechterhäuser, vor allem des Männerhauses, begünstigt wurde, die zahlreiche Personen des gleichen Geschlechtes beherbergten. Wie die modernen Kadettenanstalten und Internate, wie der islamitische Harem, haben zweifellos auch die Geschlechterhäuser zur Entwickelung und Ausbreitung der Homosexualität beigetragen, deren Ursprung gewiß überall auf einige wenige, mit solcher Anlage behaftete Individuen beschränkt war, deren weitere Verbreitung unter dem oben geschilderten Einflusse religiöser Vorstellung stattfand und schließlich bei vielen Völkern zur Volkssitte der ,,Knaben- und Männerliebe" führte, wie uns das ja aus dem antiken Hellas und dem. mittelalterlichen und modernen mohammedanischen Orient geläufig ist.

Die folgende Uebersicht soll die Belege für die Richtigkeit des eben entwickelten Zusammenhanges, insbesondere für die weitverbreitete Verbindung der homosexuellen Frostitution religiösen Kulten und Vorstellungen bringen. Auch hier handelt es sich um einen der ethnischen „Elementargedanken", und der geniale Schöpfer dieses berühmten heuristischen Prinzips der Völker- und Menschenkunde, Adolf Bastian, hat denn auch in seinem großen Werke „Der Mensch in der Geschichte" die homosexuelle religiöse Prostitution neben der heterosexuellen durchweg in diesem Sinne behandelt201). Auch er meint, daß zuerst die Priester als religiöse Vertreter des bisexuellen Prinzips der Natur auch den homosexuellen Kultus eingeführt hätten. „Die Männer," sagt er,,,beteten zu den aktiven, die Frauen, in geheimer Abgeschlossenheit, zu den weiblichen Energien, und die Priester, die beider Teile Anforderungen zu genügen hatten, hatten vom Monde die Geschlechtsw and lungen gelernt und dienten den Göttern in männlichen, den Göttinnen in weiblichen Gewändern, oder stellten auch eine Venus barbata, einen spinnenden Herkules dar202). Diese weiblich gekleideten Priester, die sehr oft der homosexuellen Prostitution dienen, werden uns bei den verschiedensten Völkern begegnen.

201) A. Bastian a. a. O. Bd. III, S. 292-323. Wie ich höre, erscheint demnächst auch eine ausführliche Arbeit von Edward Carpenter über die Beziehungen zwischen Homosexualität und Religion in Hirschfelds Vierteljahresbericht.

202) Bastian a. a. O. III, 309.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »