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nand Freiherr von Reitzenstein die gesamte sexuelle Ethnologie" darstellen, und zwar im vierten Bande der,,Mann bei den Natur- und Kulturvölkern", im fünften das Weib bei den Natur- und Kulturvölkern“. Seit Jahren hat Herr von Reitzenstein, der sich als Assistent am Berliner Museum für Völkerkunde und als Leiter der Ethnologischen Abteilung der Dresdner Hygiene-Ausstellung (1911) auch eine große praktische Erfahrung in ethnologischen Dingen erworben hat, dieses Spezialgebiet der Ethnologie gepflegt und in zahlreichen kleineren quellenkritischen Monographien sein großes einheitliches Gesamtwerk über die sexuelle Ethnologie vorbereitet, dem wir mit um so größerer Spannung entgegensehen dürfen, als es zahlreiche neue unbekannte Illustrationen aus dem Gebiet der Völkerkunde enthalten wird.

Das gesamte Handbuch der Sexualwissenschaft in Einzeldarstellungen, dessen Umfang ungefähr 12 Bände betragen wird, soll nach Konzeption und Anlage die theoretische Grundlage für eine zukünftige Sexualreform darstellen, deren Endziel nur in der von mir auf Seite 644 des vorliegenden ersten Bandes gekennzeichneten Richtung gelegen sein kann, die auf eine natürliche, biologische Auffassung der Sexualität geht, und auf eine Erleuchtung ihres eminenten Kulturwertes. Denn unter den unausrottbaren, ewig wiederkehrenden Vorurteilen der Menschheit auf allen Gebieten der Kultur, des Glaubens und des Wissens ist das sexuelle Vorurteil vielleicht das hartnäckigste, jener uralte Glaube an die Erbsünde, an das absolut Böse im Geschlechtstriebe und an die angebliche sexuelle Entartung und Korruption der jeweiligen Epoche, welcher die kindliche Einfalt und Unschuld der jedesmal um ein oder zwei Jahrhunderte zurückverlegten „guten alten Zeit" gegenübergestellt wird, die ihrerseits wieder die gleichen Jeremiaden angestimmt und das gleiche Idealreich einer noch früheren guten alten Zeit" als bloßes Phantasiebild aus sich erzeugt hatte. So gelangen wir auf diesem Krebsgange schließlich zum goldenen Zeitalter und zum Paradiese, während bekanntlich die historische und die naturwissenschaftliche Forschung auch im Sexualleben der Menschheit eine fortschreitende Entwicklung aus primitiven Anfängen und Zuständen nachgewieser hat. Wo wäre denn das Menschengeschlecht heute,

wenn es umgekehrt gewesen wäre, wenn am Anfange das Ideal. am Ende aber die Entartung und abgrundtiefe Verdorbenheit gewesen wäre? Da an den Sexualtrieb nicht nur die Fortpflanzung des Menschen sich knüpft, sondern da auch alle geistige Entwicklung sekundär mit ihm zusammenhängt, so kann die sexuelle Korruption für die Kulturgeschichte nur ein relativer Begriff sein, wenn man sich vorurteilsfrei, und das heißt in diesem Falle rein logisch, den ganzen Entwicklungsgang der Menschheit vor Augen hält. Schon ein so klarer Kopf wie Lessing hat das mit Nachdruck betont, und Lerühmte Naturforscher, wie Christian Gottfried Ehrenberg und Werner von Siemens, haben die exakten Beweise für die zunehmende Veredelung und Verbesserung der physischen und moralischen Natur des Menschen erbracht, die uns an den von Elias Metschnikoff prophezeiten Idealmenschen der Zukunft und an die durch fortschreitende erbliche Entlastung (Georg Hirth) erreichbare Vervollkommnung glauben läßt).

Es ist die herrliche, vielversprechende Aufgabe der Sexualwissenschaft, diese Rationalisierung des menschlichen Artprozesses", wie es Alfred Grotjahn in seiner soeben erschienenen vortrefflichen Sozialen Pathologie" nennt, durch ihre Forschungen vorzubereiten, an die Stelle der alten Vorurteile und des alten Aberglaubens die Einsicht und rein wissenschaftliche Erkenntnis der sexuellen Erscheinungen zu setzen. Wer wie ich an eine stetig zunehmende Harmonisierung der Menschheit glaubt, für den sind alle Vorurteile" nichts anderes als die dem allmählichen Untergange geweihten Zeichen und Folgen einer Disharmonie der menschlichen Verhältnisse.

Noch ist die Sexualwissenschaft in ihren ersten Anfängen. noch liegen staatliche oder private Forschungsinstitute für Sexualwissenschaft", über deren Notwendigkeit, Einrichtung und Aufgaben ich mich demnächst in einer besonderen Schrift zu verbreiten gedenke, in weiter Ferne. um so mehr wird es Aufgabe dieses ersten großangelegten Handbuches sein. der ehrlichen. freien und unabhängigen Forschung auf diesen. Gebiete die Bahn freizumachen und für das gewaltige

6) Vgl. zu dieser Frage die Ausführungen in meinem „Sexualleben unserer Zeit." 7.-9. Aufl., Berlin 1909, S. 307-310,

Werk einer Neugestaltung und Verbesserung der sexuellen Beziehungen auf Grund der veränderten Kulturverhältnisse die exakten Grundlagen zu liefern und die objektiven Richtlinien zu bestimmen. Sexualreform auf Grundlage der Sexualwissenschaft! Das ist die Aufgabe der Zukunft.

Die beiden ersten von mir bearbeiteten Bände des ,,Handbuchs der gesamten Sexualwissenschaft" behandeln das gewaltige Problem der Prostitution, das ich 1906 als den Kern und das Zentralproblem der sexuellen Frage bezeichnete, dessen Lösung beinahe identisch sei mit der Lösung dieser letzteren selbst Aehnlich nennt Dr. Elisabeth Drenteln in einer geistvollen kleinen Schrift (,,Die Prostitution vom Standpunkt der Lebensdynamik", Moskau 1908) die Prostitution die „,Frage aller Fragen" in der Sexualwissenschaft. Sie ist dieses nicht bloß nach dem rein äußeren Moment ihres innigen Zusammenhanges mit der Verbreitung der Geschlechtskrankheiten als Hauptherd dieser letzteren, so daß die Bekämpfung und Ausrottung der Prostitution viel wichtiger ist als die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und mehr bedeutet und wirkt als das beste Syphilisheilmittel, nein, sie ist es auch in innerer ethischer Beziehung als die brennendste Gewissensfrage der modernen Kulturmenschheit, als der Probierstein für jede höhere Ethik der zukünftigen Gesellschaft.

Es ist endlich die Zeit gekommen für eine neue und selbständige Bearbeitung der ganzen Prostitutions frage, für eine aussichtsvollere Lösung dieses Problems als sie die veraltete Methode und Auffassung des großen ParentDuchatelet bieten konnte, die noch bis auf den heutigen Tag für die meisten Forscher auf diesem Gebiete maßgebend war. Seit Erscheinen des ersten wissenschaftlichen Werkes über die Prostitution, des unsterblichen Buches von Parent-Duchatelet (1836), sind erst 76 Jahre verflossen, innerhalb welcher kurzen Zeit sich aber, wie nie vorher in der Weltgeschichte. die gewaltigsten sozialen Umwälzungen vollzogen haben. Es ist das naturwissenschaftliche Zeitalter, charakterisiert durch die gewaltige Entwicklung von Technik, Handel, Industrie und Weltverkehr, durch die rapide Ausbreitung der geistigen

Bildung in allen Schichten der Bevölkerung bis zu den untersten Klassen, durch das Hervortreten der Arbeiterklasse, durch die Frauenbewegung und die mächtige Erstarkung des sozialen Bewußtseins und Verantwortlichkeitsgefühles. Alle diese Momente sind noch in voller Wirksamkeit, sie bereiten eine neue Zeit, cine neue Gesellschaft vor, die von der heutigen so verschieden sein wird wie die für uns bereits der Vergangenheit angehörige sogenannte Neuzeit" sich vom Mittelalter unterscheidet. In diesem Zusammenhange gewinnt auch die Prostitutionsfrage ein ganz anderes Aussehen als sie früher hatte, bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, vor der Zeit des Industriestaates, des Sozialismus, der allgemeinen Volksbildung und der Frauenbewegung. Besonders diese letztere wird von einschneidender Bedeu tung für die Zukunft der Prostitution werden und die Beantwortung der Frage, ob sie ein ,,notwendiges Uebel" im Leben der modernen Kulturvölker sei, in negativem Sinne bestimmen. Denn erst mit der organisierten Frauenbewegung, die es in dieser Art niemals vorher in der Menschheitsgeschichte gegeben hat, beginnt eine neue Epoche auch für die Geschichte der Prostitution, weil erst jetzt das allein wirksame und aussichtsreiche Prinzip der Selbsthilfe und Selbsterlösung sich verwirklichen kann, das bis dahin im Kampfe gegen die Prostitution wegen der Recht- und Machtlosigkeit der Frau völlig gefehlt hat.

Um aber diese Selbsthilfe auf die richtigen Bahnen zu leiten, um den Vernichtungskampf gegen die Prostitution zu einem erfolgreichen Ende zu führen, bedarf es einer wirklichen Erkenntnis des wahren Wesens der Prostitution als eines merkwürdigen Ueberrestes des primitiven Geschlechtslebens, bedarf es ferner einer tief eindringenden Erforschung ihres Kausalzusammenhanges mit der antik-mittelalterlich modernen Sexualethik, bedarf es endlich einer neuen Ethik im Sinne der Anerkennung der Sexualität als einer natürlichen biologischen Erscheinung und ihrer Anpassung an die moderne Kultur durch die Ausprägung der Begriffe der Arbeit, der Verantwortlichkeit und der relativen sexuellen Ab

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So erwächst uns die Aufgabe, die moderne Prostitution nicht als etwas für sich Isoliertes, nicht als einen Komplex bestimmter äußerer Verhältnisse und Tatsachen zu betrachten, sondern ihr inneres Wesen festzustellen, das wir aus ihren primitiven Wurzeln und ihrer inneren geschichtlichen Entwicklung als einen integrierenden Bestandteil der alten Sexualethik erkennen können. Auch als moderne Kulturerscheinung weist die Prostitution überall auf die Vergangenheit hin. Was sich bisher Geschichte der Prostitution nannte, wie z. B. das Werk von Paul Lacroix (unter dem Pseudonym „Pierre Dufour"), welches übrigens nur das Áltertum und die Geschichte der Prostitution in Frankreich bis zum 17. Jahrhundert umfaßt, das war nichts als eine mehr oder weniger vollständige Aneinanderreihung von mehr oder weniger verbürgten Tatsachen, also eine rein äußere Geschichte und eine rein äußere Sammlung von Beobachtungen. Dies hat schon der große Kriminalist A vé-Lallemant an dem Werke Parent-Duchatelets gerügt, von dem er sagt, daß es,,die Seele der Prostitution nicht aus ihrem historischen Lebensprozeß begriffen habe" und nur eine äußere Analyse ihrer Einzelheiten gebe). Ja, auf diese „Seele" der Prostitution kommt es an. Sie offenbart sich in der Bloßlegung der primitiven Wurzeln der Prostitution, in der Erkenntnis der sexuellen Elementargedanken" der Menschheit, in den Beziehungen der Prostitution zum religiösen, sozialen, politischen und geistigen Leben, in ihrer Natur als Reflex der sexual- ethischen Anschauungen der verschiedenen Epochen und Völker. Es ist diese innere" Geschichte der Prostitution, aus der allein ihr Wesen und ihr Verhältnis zur heutigen Kultur erschlossen werden kann. Sie steht daher mit Recht im Vordergrunde des vorliegenden Werkes, ohne daß deshalb die Darstellung der äußeren Verhältnisse im geringsten vernachlässigt worden wäre. Im Gegenteil empfängt erst dann die äußere Geschichte der Prostitution ihre Begründung und Erklärung durch die innere. So auch dachte sich einst Wilhelm von Humboldt eine wahrhaft wissenschaftliche Darstellung der Prostitution, wie wir aus dem erwähnten Entwurf ersehen können, wo er in dem noch erhaltenen Fragment der Einleitung sagt (a. a. O. Bd. VII

7) Friedrich Christian Benedikt Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum, Leipzig 1862, Bd. III, S. 166.

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