Castel Gandolfo, October 1787. Zeichnete das allerliebste Mädchen, >> Oh du Knabe!« rief ich, »welch ein Meister Hat in seine Schule dich genommen, Dass du so geschwind und so natürlich Alles klug beginnst und gut vollendest?<« Da ich noch so rede, sieh: da rühret Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel, Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse, Füllt den Schleier des vollkommnen Mädchens, Und, was mich Erstaunten mehr erstaunte: Fängt das Mädchen an den Fuss zu rühren, Geht, zu kommen, nähert sich dem Orte, Wo ich mit dem losen Lehrer sitze! Da nun alles, alles sich bewegte, Bäume, Fluss und Blumen und der Schleier Und der zarte Fuss der Allerschönsten Glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen Wie ein Felsen still und fest geblieben? Cupido, loser, eigensinniger Knabe! Du batst mich um Quartier auf einige Stunden. Wie viele Tag und Nächte bist du geblieben Und bist nun herrisch und Meister im Hause geworden! Von meinem breiten Lager bin ich vertrieben Nun sitz ich an der Erde, Nächte gequälet. Dein Muthwill schüret Flamm auf Flamme des Herdes, Verbrennet den Vorrath des Winters und senget mich Armen. Du hast mir mein Geräth verstellt und verschoben: Ich such und bin wie blind und irre geworden. Du lärmst so ungeschickt: ich fürchte, das Seelchen Entflieht, um dir zu entfliehn, und räumet die Hütte. Christiane. Weimar, Hochsommer 1788. Morgenklagen. Eroticon. O du loses, leidigliebes Mädchen, Sag mir an, womit hab ichs verschuldet, Drucktest doch so freundlich gestern Abend Mir die Hände, lispeltest so lieblich: »Ja, ich komme, komme gegen Morgen Ganz gewiss, mein Freund, auf deine Stube.« Angelehnt liess ich meine Thüre: Hatte wohl die Angeln erst geprüfet Welche Nacht des Wartens ist vergangen Wacht ich doch und zählte jedes Viertel! Schlief ich ein und wenig Augenblicke, War mein Herz beständig wach geblieben, Weckte mich von meinem leisen Schlummer. Aus der ersten Zeit seiner Ja, da segnet ich die Finsternisse, >> Hätte sie Gedanken, wie ich denke, Hätte sie Gefühl, wie ich empfinde, Würde sie den Morgen nicht erwarten, Würde schon in dieser Stunde kommen.« Hüpft ein Kätzchen oben übern Boden, Knisterte das Mäuschen in der Ecke, Regte sich, ich weiss nicht was im Hause, Immer hofft ich, deinen Schritt zu hören, Immer glaubt ich, deinen Tritt zu hören. Und so lag ich lang und immer länger Und es fing der Tag schon an zu grauen, Und es rauschte hier und rauschte dorten. >> Ist es ihre Thüre? Wärs die meine! << Und der Tag ward immer hell- und heller! Hört ich schon des Nachbars Thüre gehen, Liebschaft mit Christiane Vulpius. Der das Taglohn zu gewinnen eilet, Ward nun in dem Haus ein Gehn und Kommen 4 Auf und ab die Stiegen, hin und wieder Endlich, als die ganz verhasste Sonne Meine Fenster traf und meine Wände, Sprang ich auf und eilte nach dem Garten, Meinen heissen, sehnsuchtsvollen Athem Mit der kühlen Morgenluft zu mischen. Dir vielleicht im Garten zu begegnen: Und nun bist du weder in der Laube, Noch im hohen Lindengang zu finden! Hartleben, Goethe-Brevier. |