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mit denen die politische Geschichte sich gar nicht beschäftigt, und von denen die meisten früher gänzlich unbekannt waren, sind durch die Mitteilungen vieler wissenschaftlich gebildeten Reisenden und Missionare in unsern Gesichtskreis getreten. Das Leben der alten und neueren Kulturvölker wird nicht bloss in seinen höheren Schichten und literarischen Leistungen, sondern auch in seinen volkstümlichen Aeusserungen, in Sitte, Brauch und Aberglaube erforscht. Alle diese Studien tragen die Steine herbei, deren die Religionswissenschaft zu ihrem Aufbau bedarf.

Niemand hat grössere Ansprüche darauf, als erster Urheber dieses Baues zu gelten, als F. MAX MÜLLER, der anerkannte Meisterschaft in einem bestimmten Zweig dieser Studien mit vielseitiger Kenntnis der andern Teile, gediegene Gelehrsamkeit mit glänzender schriftstellerischer Begabung in sich vereinigte. Er zeichnete in seiner „, Introduction" der Religionswissenschaft ihre Wege und fasste in den Gifford Lectures seine Ergebnisse systematisch zusammen. Er war der erste, der weite Kreise von der Bedeutung dieser Wissenschaft überzeugte, und er wusste die besten Orientalisten Europas zu einem Unternehmen zu vereinigen, durch welches die „Sacred books of the East" in Uebersetzungen zugänglich gemacht werden. Der Aufforde rung, sich der Religionswissenschaft zu widmen, leistete man in verschiedenen Ländern Folge, nirgends aber schneller als in den Niederlanden, wo TIELE seine volle Kraft dafür einsetzte und, unter mehreren andern Werken, das erste Kompendium veröffentlichte, das die Resultate der religionsgeschichtlichen Forschungen zusammenfasste, und wo im akademischen Lehrplan diesen Studien eine hervorragende Stellung eingeräumt ist. Auch anderswo hat man Lehrstühle für Religionswissenschaft errichtet, wenn auch nicht überall ohne Widerspruch, teils von seiten der Detailforscher und Philologen, welche meinen, eine so allgemeine Disziplin führe notwendig zu schalem Dilettantismus, teils im Interesse des christlichen Glaubens, weil man fürchtet, diese Studien kämen nur dem Indifferentismus und dem Skeptizismus zu gute. Beide Einwürfe kann nur eine wirklich wissenschaftliche Behandlung des Stoffes entkräften.

Die Religionswissenschaft hat die Erforschung der Religion, ihres Wesens und ihrer Erscheinungen zur Aufgabe. Sie gliedert sich also naturgemäss in Religionsphilosophie und Religionsgeschichte. Diese zwei Teile stehen in engstem Zusammenhang miteinander: die Philosophie wäre eitel und leer, wenn sie bei der begrifflichen Bestimmung der Idee der Religion den faktisch vorliegenden Stoff aus den Augen liesse, und ebensowenig kann die Geschichte der Philosophie entbehren,

weil nicht bloss die Ordnung und Beurteilung der religiösen Phänomene, sondern schon die Erklärung, dass ein Phänomen religiöser Natur sei, durch eine, sei es auch vorläufige, Erfassung des Wesens der Religion bedingt ist. Die Religionsgeschichte gibt zwar auch die Beschreibung der Religionen der wilden Stämme, der sog. Naturvölker, d. h. derjenigen Teile der Menschheit, die kein geschichtliches Leben führen; ihr Hauptgegenstand aber ist die historische Entwicklung der Religionen der Kulturvölker. Die Zusammenfassung und Gruppierung der verschiedenen religiösen Erscheinungen (die religiöse Phänomenologie) bildet den Uebergang der Religionsgeschichte zur Religionsphilosophie. Diese erörtert die Religion nach ihrer subjektiven und nach ihrer objektiven Seite, enthält also einen psychologischen und einen metaphysischen Teil. Namentlich in Zusammenhang mit neueren Studien und Ansichten, sowohl in der psychologischen als in der ethischen Forschung, hat die heutige Religionsphilosophie ihre Aufgabe zu erfüllen. Das gegenwärtige Lehrbuch hat sich aber nur mit der historischen Hälfte dieses Schemas zu befassen.

Es scheint freilich geboten, eine Definition der Religion der Darstellung zu Grunde zu legen. Allein eine solche ist ohne eingehende philosophische Rechtfertigung ziemlich wertlos. Ebenso wenig wie man es dem Verfasser einer Weltgeschichte zur Pflicht macht, im voraus seine philosophischen Ideen und Anschauungen zu erörtern, ebensowenig ist dies dem Religionshistoriker zuzumuten. Für diese Seite verweisen wir auf das, ebenfalls dieser Sammlung angehörige, treffliche Lehrbuch H. SIEBECKS, namentlich auf den Abschnitt über die Stellung der Religion im Kulturleben.

§ 2. Einteilung und einige Hauptformen der Religion. Literatur. H. PARET, Ueber die Einteilung der Religionen (Theol. Stud. u. Krit. 1855); C. P. TIELE, Religions (Enc. Br.); A. KUENEN, Hb. Lect. 1882 (on national religions and universal religions). Siehe im übrigen die allgemeinen Werke.

Zu den Hauptformen: E. B. TYLOR, Primitive culture (1872, 3e ed. 1894, 2 vol., auch deutsch); H. SPENCER, The principles of sociology (2 vol., 1876-1882); G. ROSKOFF, Das Religionswesen der rohesten Naturvölker (1880); J. G. Frazer, Totemism (Enc. Br.); derselbe, The golden bough; F. B. JEVONS, An introduction to the history of religion (1890); A. LANG, Myth, ritualam religion (2 vol., 1887); Fr. SCHULTZE, Der Fetischismus (1871, wobei Max MÜLLERS Hibb. Lect. 1878); J. LUBBOCK, The origin of Civilization and the primitive condition of man (1870, 6. Ausg. 1902, LORD AVEBURY).

Es ist äusserst schwierig, zu einer auch nur annähernd befriedigenden Klassifikation der Religionen zu gelangen. Die Einteilung kann nur nach den wesentlichen Merkmalen derselben geschehen, aber was

dem einen als wesentlich gilt, hat für den andern nur untergeordnete Bedeutung, und man läuft immer Gefahr, Gleichartiges zu trennen, Ungleichartiges zusammenzufügen. Dennoch werden immer neue Versuche gemacht, eine methodische Einteilung der Religionen zu finden. Wir müssen vor allem die Bedeutung eines solchen Schemas im allgemeinen behandeln.

Auch hier ist es wieder HEGEL, welcher die Frage auf eine Weise gelöst hat, die noch jetzt die Forschung beherrscht. Von der Einteilung, die er vorträgt, sagt er: „Sie muss nicht bloss im subjektiven Sinn genommen werden, sondern es ist die notwendige Einteilung im objektiven Sinn der Natur des Geistes." Sie enthält die Grundbestimmungen, die die Momente der Entwicklung des Begriffs und zugleich der konkreten Entwicklung sind". Hiermit ist ein doppeltes ausgesagt. Einmal dass die Einteilung die Zergliederung des Begriffs gibt, das Wesen der Religion in ihrer Einheit und in ihrer Vielseitig keit zur Anschauung bringt. Zugleich aber sind die Abschnitte der Einteilung Stufen im Entwicklungsgang; die Religion durchläuft den Prozess vom Niederen zum Höheren, wofür die verschiedenen Lebensalter eine vielgebrauchte Analogie bieten. Diese zwei Anforderungen nun werden seit HEGEL von den meisten, entweder zusammen oder einzeln, an das Schema der Einteilung der Religionen gestellt. Allein der Meinung des Meisters, dass eine Einteilung gefunden sei, die allen Ansprüchen vollkommen genüge, huldigt kaum einer mehr, wenn auch fast alle neuere Schemata den Einfluss des HEGELschen verraten, und mehrere, wie die von PFLEIDERER und von EDW. CAIRD, kaum etwas anderes sind als eine neuere Form der HEGELSchen Einteilung. Jedenfalls also hat die Frage nach der Einteilung der Religionen eine grosse philosophische Bedeutung. Es genügt dabei nicht, wie für eine durchsichtige Behandlung erwünscht wäre, das örtlich und zeitlich Naheliegende zusammenzufügen; eine wirklich wissenschaftliche Klassifikation muss in den wesentlichen Merkmalen des religiösen Prozesses ihren Grund haben. Wir wollen die wichtigsten Versuche in dieser Richtung beurteilen.

Es gibt genealogische und morphologische Klassifikationen der Religionen. Die genealogischen Einteilungen beruhen auf der Sprachwissenschaft, welche namentlich die indogermanische und die semitische, aber auch andere Völkerfamilien in ihrer Einheit nachweist. Allein für eine wissenschaftliche Erkenntnis der Religionen ist dieses Einteilungsprinzip ungenügend. Innerhalb derselben Sprachfamilie kommen sehr verschiedenartige Religionen vor, und die charakteristischen Merkmale, welche man einer solchen genealogischen Religions

gruppe beilegt, sind doch sehr schwankende und allgemeine. Anderseits sind bei den sog. niederen Rassen die Religionen so gleichartig, dass eine genealogische Einteilung hier ähnliches ohne Grund sondert. Allein für eine historische Behandlung empfiehlt sich dennoch immer die genealogische Ordnung, weil nur dadurch die historischen Einflüsse und Beziehungen gehörig Berücksichtigung finden.

Jede morphologische Klassifikation gründet sich auf Werturteile, wie schon die Bestimmung der religiösen Sphäre Sache des Werturteils ist. Dies geht schon aus den vielen Schemata, die in Vorschlag gebracht worden sind, hervor. M. MÜLLER hat einige der gebräuchlichsten Einteilungen einer scharfen Kritik unterworfen. Zuerst die in wahre und falsche, die aber kaum der Erwähnung wert ist. Dann die mehr wissenschaftliche in natürliche und geoffenbarte, worauf noch immer manche Theologen zurückgreifen, die aber nicht haltbar ist, weil eine „natürliche" Religion eine leere Abstraktion ist, der keine Realität zu Grunde liegt, und weil eine Sphäre der Offenbarung sich gegen die der Natur nicht genau abgrenzen lässt. Auch die dritte der von M. MÜLLER verworfenen Klassifikationen, die in volkstümliche und persönliche (entstandene und gestiftete) Religionen, genügt nicht, wenn auch u. a. WHITNEY sie noch in Schutz genommen hat; denn gewiss ist auch hier die Grenze fliessend: wer weiss, wie viele mächtige, wenn auch uns unbekannte Persönlichkeiten zur Bildung der sog. entstandenen Religionen beigetragen haben, und wieviel Allgemeines, Volkstümliches sich in der Arbeit der sog. Religionsstifter abspiegelt? Endlich ist auch die Klassifikation in monotheistische und polytheistische Religionen unvollständig, teils weil auch sie Heterogenes zusammenfügt, teils weil diesen zwei Gruppen noch andere, dualistische, henotheistische und atheistische, beizuzählen wären.

Ausser den vier besprochenen gibt es noch viele andere Klassifikationen. Nach sehr verschiedenen Gesichtspunkten werden die Hauptoder Unterabteilungen bestimmt: nach dem Ideengehalt, nach der Form der Lehre, nach dem Kultus, nach dem Charakter der Frömmigkeit, nach der Art des Gefühlslebens, nach den Gütern, welche angestrebt werden, nach dem Verhältnis der Religion zum Staat, zur Wissenschaft, Kunst, Sittlichkeit usw. So gibt es mythologische und dogmatische Religionen; es gibt Religionen, in denen der Verstand, oder das Gefühl, oder der Wille vorherrscht (also rationalistische, ästhetische, ethische); worin das Gefühl ekstatisch oder besonnen, worin es mehr niedergedrückt oder gehoben ist; Religionen der geteilten oder der einheitlichen Sittlichkeit; die sich positiv oder negativ (asketisch) gegen die Welt verhalten; die sich mehr in der bildenden.

Kunst oder vorwiegend in der Musik äussern usw. Unter all diesen Einteilungen sind aber die wichtigsten die in partikularistische und universalistische, und die in natürliche und sittliche Religionen.

Der Unterschied zwischen der Landesreligion und der Weltreligion scheint als Einteilungsprinzip zuerst von VON DREY gebraucht worden zu sein. In der neueren Zeit hat es grossen Beifall gefunden. Die Tatsache, dass die meisten Religionen national begrenzt bleiben, während der Buddhismus, das Christentum und der Islam sich unter den verschiedensten Rassen der Menschheit verbreiten, ist so wichtig, dass diese Gruppe der Weltreligionen sich wie von selbst von allen übrigen unterscheidet. Am eingehendsten hat KUENEN das Verhältnis der Weltreligionen zu den nationalen Religionen, aus denen jene hervorgegangen sind, erörtert. Allerdings mahnt uns auch bei dieser Einteilung manches zur Vorsicht. Zuerst ist auch sie nicht vollständig; von den nationalen Religionen sind bestimmt abzusondern die Stammesreligionen bei Stämmen, die noch nicht zu einem nationalen Leben gelangt sind, und die Religionen von religiösen Gemeinschaften, die nicht mehr durch nationale Verwandtschaft, sondern durch eine Lehre oder ein Gesetz verbunden sind. Auch ist in dieser Einteilung der wichtige Unterschied zwischen national und territorial bestimmten Religionen gar nicht berücksichtigt. Aber auch bei der Gruppe der sog. Weltreligionen tun sich Schwierigkeiten kund. Der Universalismus kann entweder einfach faktisch oder qualitativ verstanden werden. Im ersteren Falle ist damit bloss die unleugbare Tatsache der grossen Ausbreitung der drei genannten Religionen gemeint, wobei aber daran zu erinnern wäre, dass auch die religiösen Gemeinschaften, die das nationale Band mehr oder weniger gelockert haben, in verschiedenem Grade missionieren: das Judentum hat seine Proselyten und der Brahmanismus seine Anhänger ausserhalb der Grenzen Indiens und des indischen Volkes. Fasst man aber den Universalismus vorwiegend als ein wesentliches Merkmal, als eine Qualität auf, dann kann es nur eine wirkliche Weltreligion geben, sei es, dass eine solche schon vorhanden, aber noch nicht völlig ausgewachsen, sei es, dass sie, etwa aus der Mischung verschiedener vorhandenen Religionen, noch von der Zukunft zu erwarten wäre. Aber auch relativ verstanden sind die drei Religionen der betreffenden Gruppe, was ihre Freiheit von nationaler Begrenzung und ihr Vermögen der Anpassung an verschiedene Bedürfnisse und Zustände betrifft, einander sehr ungleich. Diese Ungleichheit ist von KUENEN, der sogar mit Rücksicht darauf den Islam nicht unter die

1 Tübinger Quartalschrift 1827.

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