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Zauberliteratur vornehmlich für den Gebrauch der fungierenden Priester bestimmt waren, in deren Händen allein der Schlüssel zu den Mysterien des Zauberkultes lag und von deren Anordnungen das religiöse Heil der Massen abhängig war. Wenn also im allgemeinen die Beschwörungsserien und die priesterlichen Ritualsammlungen als zwei Gattungen der babylonisch-assyrischen Zauberliteratur auseinanderzuhalten sind, so muss man doch anerkennen, dass die Bestandteile in beiden dieselben sind, woraus es sich erklärt, dass die ersteren auch zum Teil die Eigenheiten der Ritualtafeln durch die direkt angeführten Anweisungen an die Priester aufweisen.

Die weitern Erörterungen über die Funktionen des AschipuPriesters können wir uns für das Kapitel über den Kult1) aufsparen, wohin ebenfalls die Behandlung der andern bis jetzt erkannten Priesterklassen gehört.

Die Beschwörungen ähneln natürlich Gebeten, ja oft sind sie direkt solche. So viel Macht man auch den heiligen Formeln beimass, die letzte Zuflucht suchte der Leidende bei den Göttern. Von ihrer Gnade hing es doch schliesslich ab, ob sich die geheimnisvolle Kraft, die im Hersagen der heiligen Worte lag, dem Flehenden hilfreich erweisen sollte oder nicht. Wenn es daher auch für uns hier unerlässlich ist, zwischen Beschwörungen und Gebeten zu unterscheiden, so konnten doch die Priester eine Vermischung beider kaum vermeiden, da sie, über den Anschauungen des Volkes stehend, es mit der den Göttern schuldigen Rücksicht nicht vereinigen konnten, diesen in den Zaubertexten etwa einen untergeordnetern Rang anzuweisen. In der Einfügung von direkt an bestimmte Götter gerichteten Gebeten in die Beschwörungen mag man das Bestreben erblicken, die alten Texte den Bedürfnissen einer spätern Zeit anzupassen, während man anderseits in der Hinzufügung von Beschwörungen zu ursprünglichen Gebeten ein Zugeständnis an den althergebrachten Glauben an die Wirksamkeit gewisser Formeln erblicken darf, die nach bestimmten Vorschriften hergesagt werden mussten. Derartige Vereinigungen von Beschwörungen und Gebeten haben augenscheinlich einen besondern Zweig der religiösen Texte gebildet. Gelegentlich spätrer Überarbeitungen 2) vereinigte man eine Anzahl an verschiedene Gottheiten gerichteter Gebete zu einem Ganzen und streute zwischen sie auch zuweilen wie in den Zauberserien Anweisungen über die zugehörigen Beschwörungszeremonien ein.

Die Beschwörungen leiten somit zu dem nächsten Zweige der religiösen Literatur der Babylonier, zu den Gebeten und Hymnen über. 1) Kapitel XXVI.

2) Im Einzelnen vergl. man über den Charakter solcher Überarbeitungen King's vortreffliche Bemerkungen in der Einleitung zu seinem Buche,,Babylonian Magic and Sorcery," S. XX-XXIV.

XVII. Kapitel.

Gebete und Hymnen.

Aus den vorstehenden Ausführungen ist ersichtlich, dass der Schritt von Zauberformeln zu Gebeten und Hymnen nur ein kleiner war und keineswegs eine Änderung oder höhere Entwicklung religiöser Vorstellungen bedingte. Dürfen wir also in den Beschwörungen im grossen und ganzen das älteste festgelegte Ritual der babyl.-assyr. Religion erblicken, so gab es doch auch in der frühsten Periode der Geschichte Babyloniens Gelegenheiten genug, bei denen man die Götter anflehte, ohne gleichzeitig Zauberformeln zu verwenden, wenngleich man sie mit Opfer und Orakelschau verband. Solche Fälle waren Feste zu Ehren der Götter, Einweihungen von Tempeln oder heiligen Bildsäulen, sowie die Vollendung rein weltlicher Unternehmungen wie es der Bau eines Kanals war. Auch in den Kriegen spielt der Kult eine Rolle, und sowohl vor einer entscheidenden Schlacht wie auch nach dem Siege wandte man sich an die Götter mit Opfer und Gebet.

Die Gebete in den Inschriften der babylonischen und assyrischen Herrscher.

In den ältesten wie auch gerade in den spätesten historischen und Weihinschriften der Herrscher Babyloniens finden wir daher zuweilen Gebete eingefügt. Dass die gesamte Zahl solcher Gebete nicht grösser ist, liegt zum Teil daran, dass noch für ganze Zeitalter historisches Material fehlt, zum Teil an dem Charakter dieser Gattung von Inschriften, die entweder kurze Weih- und Votivurkunden sind oder sich auf Ländereien beziehen oder sich mit rein historischen Angelegenheiten beschäftigen. Finden wir also, dass in der ältesten und jüngsten Periode babylonischer Geschichte die Herrscher sich sowohl vor Beginn wie nach Beendigung von Bauunternehmungen, ganz besonders bei Tempelbauten und bei Errichtung von Götterstatuen, an die Götter wandten, um ihren Segen zu erlangen, so dürfen wir getrost annehmen, dass dies auch in der Zwischen

zeit, wofür uns direkte Zeugnisse fast ganz fehlen, 1) der Fall war. Die Gebete, die sich bislang in den historischen und den Votivinschriften gefunden haben, sind gewöhnlich ziemlich kurz und erflehen im allgemeinen den Schutz der Götter oder bitten um langes Leben und eine gefestete Regierung mit ununterbrochener Fortdauer der Dynastie. Dabei enthalten sie jedoch manch wertvolle Winke für die Anschauungen, die zur Zeit in bezug auf die angerufenen Götter galten, und gestatten auch in mehrfacher Weise einen Einblick in das eigentümliche Wesen der babylonischen Religion. Es lohnt sich daher, ehe wir an die Betrachtung der Gebete und Hymnen gehen, die sich gewöhnlich ohne Beziehung auf bestimmte Herrscher oder bestimmte Gelegenheiten in der religiösen Literatur — meistens aus Aschurbanapal's Bibliothek stammend — vorfinden, die Gebete in den Inschriften der Herrscher nachzuprüfen, und zwar ist es, da der Stoff beschränkt ist, möglich, so ziemlich alles zusammenzubringen, was die Inschriften in dieser Beziehung aufweisen. Einer der ältesten uns bekannten Könige, Lugalzaggisi, 2) schliesst seine Inschrift, in der er seinen Erfolg und den zu seiner Zeit herrschenden Wohlstand der Hilfe der Götter und ganz besonders En-lil von Nippur zuschreibt, mit einem inbrünstigen Gebet an En-lil oder Bel3)

„En-lil, König der Länder, mein geliebter Vater! Mein möge mir langes Leben geben, möge dem Lande Ruhe und Frieden gewähren, mein Heer gedeihen lassen, 4) die Heiligtümer bewahren, seinen Blick huldvoll dem Lande zuwenden; möge (den Einwohnern?) Gnade beschert werden, 5) und möge ich dauernd als starker Leiter auftreten."

Das Gebet ist, wie wir sehen, keine direkte Anrede, sondern in der Form eines Wunsches gehalten, und in gewissem Sinne können alle Weihinschriften der alt-babylonischen Regenten und die meisten ihrer Inschriften sind eben dieser Art als Gebete angesehen werden, zumal da der Schluss dieser Inschriften, die so oft einen frommen Wunsch enthalten oder die Bitte an die Götter, einen verhassten Feind oder den Zerstörer

1) Siehe jedoch unten S. 398 folg.

2) Siehe über ihn oben S. 34 und 104. Bei der jetzt vorhandenen Neigung gerade der besten Forscher (wie z. B. Wincklers in Helmolt's Weltgeschichte Bd. III), die sich besonders mit der historischen Entwicklung Babyloniens befassen, die noch vor einigen Jahren herrschenden hohen Daten für die ältesten Könige der Babylonischen Staaten bedeutend hinabzurücken, ist es ratsam, Herrscher wie Lugalzaggisi nicht gar zu weit über 3000 v. Chr. anzusetzen. Das chronologische Bild vor d. J. 2500 v. Chr. ist noch immer sehr schwankend.

3) Hilprecht, Old Babylonian Inscr. I, 2 Nr. 87 Kol. III, 13-36. Der Schluss der Inschrift wird ausdrücklich als,,Gebet" eingeführt. Siehe Radaus Bemerkung zu Schu-tur,,Gebet“, „Early Babyl. History" S. 138, Anm. 13.

4) Radau a. a. O. S. 139,,The soldiery like flowers (grass) with loving hands may he establish it."

5) Dies scheint mir der Sinn der Zeilen 32-34 zu sein. Auf Einzelheiten einzugehen ist hier nicht der Ort.

des Denkmals zu verdammen, diesem oder jenem Gotte gewidmet ist. Wenn wir uns aber mehr auf Gebete im engern Sinne beschränken, so finden wir ebenfalls in diesen frühen Inschriften einige prächtige Beispiele von derartigen religiösen Erzeugnissen. So wendet sich Gudea, ehe er den Bau des grossen Tempels E-ninnu zu Ehren Ningirsus in Schirpurla unternimmt, im Gebet an Nin-girsu und Ga-tum-dug, damit sie Fürsprache für ihn einlegen bei ihrer Schwester, der Göttin Ninâ, der göttlichen Traumdeuterin, um Gewissheit über einen Traum zu erlangen, in dem ihm zwar der Auftrag gegeben wurde, einen Tempel zu bauen, aber ohne Angabe, zu wessen Ehren es geschehen solle. Zu Ningirsu fleht er: 1)

,,O Krieger, mächtiger Löwe ohnegleichen,

O Ningirsu, der du über die Tiefe) herrschest,
Der du zu Nippur 3) als Fürst anerkannt wirst,

O Krieger, deine ausgesprochenen Befehle will ich gewissenhaft ausführen;
O Ningirsu, deinen Tempel will ich erbauen,

Deine Satzungen will ich ausführen.

Möge deine Schwester, die Tochter Eridus, 4)

Die passenden Rat erteilt, die orakeldeutende Königin der Götter,

Möge meine Göttin Ninâ, Schwester des Sirara-schum-ta, 5) mir Aufklärung geben. ")"

Ningirsu erhört das Gebet, aber um sich auch den Beistand der Ga-tum-dug (oder Bau), die hier als selbständige Göttin angerufen wird, 7) zu sichern, begibt er sich, ehe er sich an Ninâ wendet, zum Tempel der erstern und fleht sie an 8):

,,O meine Königin, erhabene Himmelstochter,

Die passenden Rat erteilt und den ersten Rang unter den Göttern innehat!

Du, die dem Lande Leben schenkt,

Du bist die Königin, die Mutter, die Schirpurla gegründet hat.

Das Volk, das du gnädig anblickst, gedeiht.

Langes Leben ist dem Helden beschieden, auf den du gnädig schauest.

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1) Cylinder A, (ed. Price) Kol. II, 10-18. Siehe Thureau-Dangins Übersetzung dieser Stellen: „Le Songe de Gudéa“, (Comptes Rendus Acad. d. Inscriptions 1900, S. 116 folg.) und zuletzt Zeitschr. für Assyr. XVI, 353–354.

2) Anspielung auf Eridu.

3) Nippur und Eridu werden hier als die hervorragendsten Städte genannt, die also zur Zeit Gudeas den Herrschern von Schirpurla untergeordnet waren. 4) d. i. Ninâ, die hier als Tochter Eas gilt, also genau wie in den Zaubertexten, vergl. oben S. 80.

5) Bezeichnung des Ningirsu.

6) Wörtlich (nach Thureau-Dangin): „Möge sie den Fuss in die Barke setzen." Der Ausdruck muss sich auf eine Zeremonie bei dem göttlichen Orakelspruch beziehen.

7) Siehe oben S. 60.

8) Kol. II, 28-III, 15.

Mein Vater . . . . in einem heiligen Ort bin ich zur Welt gekommen.
O meine Göttin Ga-tum-dug, du weisst, was gut ist!

Du hast mir das Leben geschenkt,

Unter dem Schutze meiner Mutter, in deinem Schatten will ich in meiner
Angst Zuflucht suchen."

Sodann ersucht er die Göttin Ga-tum-dug, ihm Schutzgeister als Begleitung zur Seite zu stellen, damit auch diese bei der Göttin Ninâ Fürsprache für ihn einlegen. Auch Ga-tum-dug erhört Gudeas Gebet, und der Herrscher begibt sich sodann zu dem Tempel der Ninâ, bringt ihr Opfer in Menge und erhält den gewünschten Aufschluss über die Bedeutung seines Traumes: dass es sich in der Tat um die Erbauung eines Tempels zu Ehren Ningirsus handelt. 1) Es scheint auch ein Brauch dieses Herrschers gewesen zu sein, eine mehr oder weniger schwungvolle Bezeichnung seiner selbst auf die prächtigen Statuen aus Diorit schreiben zu lassen, die er in seinen Heiligtümern aufstellte, *) und die öfters, was man mit Recht ein Gebet nennen kann, enthielten. So tragen sechs von den acht Statuen dieses Patesi von Schirpurla, die von De Sarzec in Telloh gefunden wurden, derartige Namen. 3) Eine, die ein Gebet an Ningirsu enthält, lautet:1)

,,O König, dessen grosse Kraft das Land nicht erträgt, Ningirsu, bestimme ein gutes Schicksal für Gudea, der den Tempel erbaut hat.“

In dem Namen einer andern Statue wendet er sich an die Göttin Nintu, 5) die wohl identisch mit Nin-khar-sag ist:")

,,O Herrin, die das Schicksal des Himmels und der Erde bestimmt, o Nintu, Mutter der Götter, schenke Gudea, der den Tempel erbaut hat, langes Leben.“

Die Göttin Bau, in deren Tempel zu Uru-azagga eine dritte Statue des Königs aufgestellt wurde, wird in dem Namen der Statue angerufen:

„O Herrin, geliebtes Kind des hellen Himmels, )

Mutter Bau in E-sil-gid-gid), schenke dem Gudea Leben.“

Auf Bau bezieht sich ebenfalls der Name einer vierten Statue, die auch in dem Tempel zu Uuru-azagga aufgestellt wurde:10)

1) Das Nähere über den Traum selbst im XX. Kapitel.

2) Siehe die Zusammenstellung dieser Namen in Umschrift bei Radau, Early Babyl. Hist. S. 187 Anm. 12.

3) Von den beiden andern ist wenigstens auf einer ein leerer Raum, der vielleicht für den Namen bestimmt war. So Radau a. a. O. S. 197 Anm. 2. 4) Inschrift D. Kol. V, 2-7. (De Sarzec, Découvertes, Pl. 9). 5) Inschrift A, Kol. III, 4—IV, 2. (De Sarzec a. a. O. Pl. 20). 6) Vgl. a. a. O. Kol. I, 1. Danach ist oben S. 98 zu ergänzen, wo durch

ein Versehen Nin-tu als Gott statt als Göttin angeführt wurde.

7) Inschrift H, Kol. III, 1—8 (De Sarzec a. a. O. Pl. 13. Nr. 4).

8) Bau als Tochter des Anu, vergl.

9) Tempel der Bau in Uru-azagga.

oben S. 58.
Siehe oben S. 58.

10) Inschrift E., Kol. IX, 1—4. (De Sarzec, a. a. O. Pl. 13, No. 2).

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