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Fürbitte, wenn sie dort beim Herrn seyen; bei Ambrosius († 397) und Bafilius († 379) hören wir dann zuerst rhetorischer Weise die Seligen angeredet als wären sie gegenwärtig, zugleich weisen sie hin auf ihre Fürbitte; Gregor von Nyssa († 394) endlich spricht die Ueberzeugung aus, wer die Seligen heranrufe, dem naheten, den hörten fie; und darnach, vom Beginn des fünften Jahrhunderts, wird die Anrufung immer allgemeiner, wird sie auch in den Kirchen eingeführt. Zugleich wächst die Schaar der Seligen, der Martyrer im Bewußtseyn der Menschen, und an ihre Spiße tritt die jungfräuliche Mutter des Herrn, indem man es naheliegend findet, daß die Hochbegnadigte, das lebendige Symbol der Kirche selbst, auch jenseits dem ewigen Sohne am nächsten stehe, den meisten Einfluß auf ihn ausübe.

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Alles dieß ist aber doch nur die auswendige Seite des Vorganges, und erklärt denselben nicht sowol, als sie selbst der Erklärung bedarf. Die eigentliche Frage ist: Wodurch wurde die Entwicklung des christlichen Bewußtseyns bedingt, um in diesen Vorgang einzutreten? Es mußte sich in den Gemüthern doch ein Bedürfniß aufthun nach einer anderweitigen Vermitt lung zwischen ihnen und Gott in Christo, denn bis dahin war ihnen Christus der alleinige, vollkommen zureichende und unmittelbare Vermittler zwischen Gott und dem Menschen gewesen ; und dieß Bedürfniß konnte nur daraus entstehen, daß sie zwischen sich und der Gnade Gottes in Christo einen Abstand fühlten, eine Lücke, welche die Vermittlung der Heiligen ausfüllen sollte und dann für ihr Bewußtseyn, für ihr Gefühl wenigstens, wirklich auch ausfüllte.

Nun entfernt von dem unbedingt Heiligen den Menschen nur seine Sünde, und wenn der gläubige Christ eine Lücke, ine Entfernung zwischen sich und Christo fühlt, so kann dieß

: aus einem tieferen Sündenbewußtseyn, aus einem kräfti

geren Gefühl der eignen Sündigkeit hervorgehen. Je tiefer und reicher unter Vortritt der christlichen Griechen die Erkenntniß von Gott und Christo den Gläubigen entfaltet war, desto gründlicher und wirksamer mußte die Sündenerkenntniß in ihnen aufgehen, als nun die christlichen Römer sie lehrten, in jenem Licht das Wesen des Menschen zu erkennen, seinen gesunkenen Zustand zu prüfen und in den eigenen Busen zu blicken. Und je schärfer die Erkenntniß und das Gefühl der Sündigkeit in sie hineintrat, um so mehr empfanden sie ihren Abstand, ihre Entfernung von dem heiligen Sohne Gottes.

Es ist eben die tiefe göttliche Ironie, die der Mensch so schwer begreift, daß diese Kluft zwischen ihm und dem Herrn dem ernsten aufrichtigen Forscher immer breiter und unergründlicher erscheint, während der einfältige Kinderglaube so oft schon hinübergelangt ist, ehe er nur ihr Daseyn merkt. Und eine ebenso schwerfaßliche Ironie ist es, daß, wenn der Abgrund einmal aufgedeckt ist, nichts hinüberführen kann, als daß man sich im unbedingten Verlaß auf den Herrn in ihn hineinstürzt; daß man sein Selbst aufgeben muß um es zu finden, an sich verzweifeln muß um sich zu retten. Diese Glaubensthat sehn wir einen Augustinus, einen Anselmus und viele Einzelne thun; aber im Ganzen bleibt die alte Christenheit seit dem fünften Jahrhundert und schon früher vor ihr stehen, bis die deutsche Kirche sie zur allgemeinen Forderung erhebt und ihren Inhalt als die Rechtfertigung aus dem Glauben ausspricht.

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Immer bleibt es höchst sonderbar für den natürlichen, auf sich selbst gestellten Verstand: „Wer seine Seele liebt, wird sie verlieren, und wer seine Seele haßt in dieser Welt, wird sie zum ewigen Leben bewahren;" oder anderswo: „Wer da sucht seine Seele zu erretten, wird sie verlieren, und wer sie verliert, wird sie ins Leben bringen." Und das soll „den Weisen und Klugen verborgen und den Unmündigen offenbart" seyn, und

der es offenbart, preiset Gott darüber! Welche Seltsamkeit, welche Wunderlichkeit, welche göttliche Thorheit!

Gleichwol, hat der Christ in seinem Sündenbewußtseyn jene Kluft zwischen sich und dem Ziele seiner heiligsten Liebe einmal wahrgenommen, so kann er sich nicht dabei bes ruhigen, und solange er jene Glaubensthat des völligen Selbstverzagens, des rückhalilofen Hineinstürzens in die Tiefe der göttlichen Gnade nicht wagt, bleibt ihm, um nur existiren zu können, kein andres Mittel, als wenigstens für sein Bewußt= seyn und Gefühl jene Kluft entweder von sich aus oder vom Herrn aus, am liebsten beides zugleich, möglichst zu verengern, wo nicht zu schließen, vielleicht zu überbrücken.

Indem er nun auf sich sieht, findet er, daß es das Ge= set in seinen Gliedern, das Fleisch mit seinen Lüften und Begierden ist, was die von Gott geforderte Heiligkeit, Lauterkeit und Hinwendung aufs Himmlische hindert und immer wieder stört, und um den dadurch bewirkten Abstand von Christo zu vermindern, sucht er durch Entsagung auf Sinnengenüffe, durch strenge Selbstzucht, durch Demüthigung und Züchtigung des Fleisches den sündigen Menschen in sich abzutödten. Daher sehen wir eben damals die Richtung auf ein hartes, weltverzichtendes Büßerleben emporkonimen und sich Jahrhunderte lang in mannigfacher Gestalt fortseßen.

Doch das allein genügt nicht. Ist das scharfe Hinmerken auf die eigne fündige Regung einmal erwacht, so zeigt sich bald, daß ihr das Fleisch nur als Anlaß und Ablagerung diente, nicht aber der Ausgangspunkt war, daß nach seiner Bändigung noch immer die bösen Gedanken und verführerischen Vorspie= gelungen aus dem eignen Herzen aufsteigen. Nun beginnt hier der Kampf, aber je siegreicher er ist, je mehr ihm gelingt, desto ehr steigern sich die Anforderungen, und die unbedingte Hei

bleibt nicht allein fortwährend eine jenseitige, sondern

scheint segar, je weiter der Mensch zu ihr vordringt, um so weiter vor ihm zurückzuweichen. Allein auch jenseits ist ja nicht blos der unbedingt Heilige, es sind dort in der innigsten Ver bindung mit ihm auch Seelen, die jenen Kampf gleichfalls durchgerungen, die von Geburt Sünder waren, dem Sünder verwandt sind und mit ihm fühlen. In ihnen rückt ihm das heilige Jenseits näher entgegen, und je länger er zaudert, jene Eine höchste Glaubensthat zu vollbringen, desto mehr werden sie seine Blicke anziehen, da er ihnen nachzuringen ja nicht zu verzagen braucht und sie ja schon vermittelnde Bindeglieder zwischen ihm und dem Herrn seyn können.

Nicht das vollständig Unwahre, wol aber das nur in gewiffer Beziehung Wahre kann sich der Menschen dauernd bes mächtigen. Und so ist es ja wahr, daß fündige Menschheit nur durch heilige Menschheit eine Vermittlung zu der heiligen Gottheit haben kann. Diese Vermittlung ist nun zwar in Christo allein nach ihrer ganzen Fülle gegeben, aber die ganze Bedeutung der Menschheit Christi wird erst dann erkannt, wenn jene äußerste Glaubensthat den Sünder gleichsam in sie hineingeworfen hat, wenn er die Selbsterfahrung macht, daß Christus nur in seiner Menschheit ihm Alles geworden ist und ihm Alles, nun aber auch allein Alles, ist. So lange dieß nur erst ein Künftiges ist, zieht sich ihm die Menschheit Christi immer tiefer und ferner in seine Gottheit zurück, und das Vollgewicht heiliger Menschheit fällt ihm nicht mehr in Christum, sondern in die heiligen Menschenseelen, welche sein sind. An diese klammert sich nun das Vermittlungsbedürfniß und trägt auf sie das Vermögen über, dem Anrufenden zu nahen, ihn zu hören, aus theilnehmender Liebe seine Bitten vor Gott zu bringen und zu vertreten. Und so entstand zu derselben Zeit und aus demselben Bedürfnisse, wie das Büßerleben, auch der Heiligendienst.

Hieraus ergiebt sich aber zugleich, weshalb in derjenig

Kirche, die jene Glaubensthat allgemein und für Alle als Forderung hinstellte, sowol jene Askese, als der Dienst und die Anrufung der Heiligen verschwinden mußte.

Eine künftige Philosophie der Kirchengeschichte wird einmal das Geseßmäßige, die innere Nothwendigkeit dieses Vorgangs nachweisen. Sie wird auch zeigen, wie eine Kirche, in welcher überhaupt Leben und Fortentwicklung ist, wenn sie einmal einem Elemente, das so ganz aller Offenbarungsautorität entbehrt, wie der Heiligendienst, eine so breite Stätte gewährt, mit demselben in einen Prozeß hineingezogen wird, dem sie nun auf allen Stufen seines Fortganges zu folgen gezwungen ist. Denn da wird nothwendig die fromme Meinung der großen Menge Autorität, und jene steht immer unter dem blinden Gefeß der Fortentwicklung. Im Marienkultus, in welchem der Heiligendienst seinen Mittelpunkt und Gipfel findet, sehen wir bereits diesen unaufhaltsamen Fortschritt sich vollziehen, und er wird seinen Kreis durchlaufen müssen.

Jene protestantischen Eiferer indeß, jene mißwollenden Gegner der lateinischen Kirche, welche in deren streng asketischen Richtungen nichts als Werkheiligkeit, in deren Heiligenkultus nichts als Abgötterei finden, möchten wir doch erinnern, daß beiden nichts anderes zu Grunde liegt, als ein tiefes Sünden= bewußtseyn und eine heiße Sehnsucht nach Christo, deren Losungswort denn doch zuleßt das Kreuz bleibt.

Statt an dem Heiligendienst der lateinischen Kirche immer von Neuem Aergerniß zu nehmen, sollten diejenigen, die sich von seinem Zauber gelöst fühlen, von der ältesten Kirche wieder lernen, in rechter Weise die erhabenen Gestalten der Heiligen und Martyrer der Christenheit zu ehren, ihr Angedenken lebendig

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