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er nun die Liebe selbst als das erste und Grundgebot für die christliche Gerechtigkeit ausgesprochen hat, in den folgenden drei Kapiteln in Form der Ermahnung zur besondern Entfaltung deffen, was für die verschiedenen Stände und Verhältnisse das Gesetz der Liebe erfordere, damit Gottes Wille geschehe und die Gerechtigkeit erfüllt werde.

Einen etwas wunderlichen Uebergang dazu macht er mit dem auf 1. Timoth. 6, 10 anspielenden Spruche: Ein Anfang aller Laster (alles Lastenden, alles Uebels) ist Geldgeiz." Ihm liegt jedoch das Vergehen des Aeltesten Valens auf der Seele, dessen er auch noch besonders zu gedenken vorhat, und indem er sich des bösen Beispiels erinnert, das die Sünde eines in der Gemeinde so angesehenen Mannes giebt, wirft er, nachdem er eben das Höchste ausgesprochen, in diesem Saße, der sich noch dicht an das Vorhergehende anschließt, eine Warnung dagegen hin, die gerade in diesem Zusammenhange um so einleuchtender und schlagender trifft. So mußte dieser Ausspruch hier auch auf Valens einen um so tieferen Eindruck machen, je weniger seines eignen Vergehens noch gedacht ist. Uebrigens ist ja die Geldgier, wie auch die Erfahrung unsrer Tage grell genug zeigt, ein Haupthemmniß der Liebe zu Gott und dem Nächsten (indem sich in der Gier nach dem Gelde, dem Repräsentanten alles Käuflichen, Vergänglichen und Jrdischen, nur die Gier nach diesem verkörpert), weshalb auch 1 Tim. 6,9 eine rechte Erläuterung dieses Sazes und seiner Stellung in diesem Briefe ist, wenn es dort heißt: Denn die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke und viel thörichter und schädlicher Lüste, welche versenken die Menschen in Verderben und Verdammniß."

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Der Gedanke wird durch einen zweiten Ausspruch Pauli aus demselben Briefe (1. Tim. 6, 7) weiter geleitet. „Nichts haben wir mitgebracht in die Welt, aber wir haben auch nichts

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hinauszubringen." Ohne jedes Beiwerk irdischen Besizes, zu dem wir unsre Persönlichkeit zu erweitern gewohnt und so vielfältig bestrebt sind, kamen wir an, und eben so nackt und entleert müssen wir auch wieder davon. Außer dem, was wir in uns selbst sind, geleitet uns nur das Bewußtseyn unsrer Siege über dieß Weltwesen, oder unsrer Niederlagen durch dasselbe, in welchen wir uns daran hingaben und damit des besten Theils der Seele verlustig wurden. Deshalb werden wir nun gemahnt, uns, weil wir dieß wissen, zu waffnen mit den Waffen der Gerechtigkeit," welche eben sind die aus dem Glauben geborene Liebe und die Kenntniß des Willens des Herrn. Vermöge der Leßteren soll dann zuerst jeder ohne Unterschied sich selbst unterweisen, einherzugehn in dem Gebote des Herrn," wie dasselbe im Allgemeinen bereits im zweiten Kapitel dargestellt ist und deßhalb keiner Wiederholung bedarf. Es heißt aber: in des Herrn Gebote, weil daffelbe dem Christen nicht etwas Fremdes, äußerlich Gegenüberstehendes seyn soll, wie im alten Bunde, sondern die eigne Form seines Seyns und Wandels selbst, durch seine Einigung mit Christo, so an ihm entwickelt, daß er darinnen weset und sich erweiset.

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Nach dem Zusammenhange mit dem Folgenden galt dieß den Männern der Gemeinde. Wenn es ferner heißt: "Dars nach auch eure Weiber" nehmlich: follt ihr lehren zu wan= deln so wird mit dieser Wendung stillschweigend die auch von Paulus bezeichnete richtige Stellung des Mannes zum Weibe angedeutet, wornach er dessen Haupt seyn soll, von dem auch die Lehre ausgeht. Und fagt der Schreibende dann, was sie ihre Weiber lehren sollen, so wußte er, daß diese bei Vorlesung seines Briefs in der Gemeinde es selbst hören, also auch als seine unmittelbare Ermahnung hinnehmen, zugleich sich merken würden, daß er den Ehemännern das Recht und die Pflicht zuerkenne, sie das Gleiche zu lehren. Auch

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bei den Weibern fordert er zuerst Wandel in dem ihnen überlieferten Glauben und in Liebe," daraus sich bei den Frauen dann sogleich entwickeln soll Keuschheit, aufrichtige eheliche Zuneigung, sittsame heilige Liebe zu Allen ohne Unterschied; wobei nicht zu vergessen ist, daß das griechische Wort für diese Liebe (aɣánŋ) seiner Ableitung wie seinem Gebrauche nach, theils alles Sinnliche ganz ausschließt, theils das wirksame und thätige Erweisen dieses reinen Wolwollens miteinschließt; weshalb auch dieser Begriff im neuen Testament und bei den griechischen Kirchenvätern so edel und vielsagend ist. Diese Liebe, zugleich mit der ehelichen, befaßt also alle Pflichten des Weibes gegen den Mann und Andre. Den Kindern ges genüber ist Liebe und Wolwollen Naturtrieb; nicht sie, wol aber die ernste Zucht der Kinder in der Furcht Gottes - die einzige ächte Grundlage aller Erziehung bedarf daher für die Mütter noch besonderer Einschärfung.

Die Frauen führen zu denen, die es waren, zu den Wittwen. Wir wissen, daß diese, wenn sie es bedurften, aus den Mitteln der Gemeinde unterhalten wurden, doch zu ge= wiffen Geschäften innerhalb der Gemeinde verpflichtet waren, und daß sie von den Ordnern und Leitern der Gemeinde in dieser Eigenschaft aufgenommen und bestellt wurden. Der Brief des heil. Ignatius an die Smyrnäer zeigt (Kap. 14), daß schon zu dieser Zeit auch bejahrte Jungfrauen zu solchen ,Wittwen" ernannt wurden. Vielleicht ist hier der erste Anfang ehelofer geistlicher Schwesterschaften zu finden. Mit den von den Wittwen zu leistenden Diensten hängt das zusammen, was hier von ihnen gefordert wird, daß sie Bescheid wissen sollen um den christlichen Glauben und für Alle sich unablässig verwenden, ob bei Gatt, oder der Gemeinde, oder deren Vorstehern, bleibt ungewiß. Sie hatten viel von Haus zu Haus zu gehn, auch wol Gaben zu sammeln und weiter

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zu befördern, und werden daher vor Sünden gewarnt, die sich dabei am leichtesten entwickeln konnten, vor Verleumden, Afterreden, faschem Zeugniß, Geiz; überhaupt dann vor allem Bösen. Einfach als weitere Ermahnung angereiht, jedoch in dem Sinne, daß dieß ein Beweggrund für sie zu dem Allen seyn solle, wird ihnen dann gesagt, in welcher Stellung sie sich zu Gott und Gott zu ihnen erkennen sollen. In ersterer Hinsicht sollen sie sich als einen „Opferaltar Gottes" erkennen, auf welchem nehmlich die Gemeinde Gott dem Herrn die Opfer ihrer Almosen darbringt; ein überaus schönes Bild, das den Gebenden wie den Empfangenden eine gleich würdige Stellung anweiset, und nicht allein das Geben, sondern auch das Empfangen als einen Gottesdienst zeigt, jenem alles Ueberhebende und falsch Beeinflussende, diesem alles Demüthigende und Abhängigmachende benimmt. (In den sogenannten „Apostolischen Constitutionen“, einem Werke der folgenden Jahrhunderte, ist diese Vergleichung, und sehr wahrscheinlich aus Anlaß unserer Stelle, in verschie denen Wendungen wiederholt. So wenn gesagt wird (II; 26, 5), die Laien sollten Wittwen und Waisen als Typus ihres Opferaltars ansehen; oder (III; 6, 3) die Wittwe solle dafür halten, daß sie ein Altar Gottes sey, in ihrem Hause bleiben, und nicht unter einem Vorwande in die Häuser der Gläubigen hineingehen um zu empfangen, denn der Altar laufe auch nicht herum, sondern bleibe auf seiner Stelle stehn; oder (III; 14, 1) die Wittwe solle beten für Jeden, der ihr jemals gegeben habe, weil sie ein heiliger Altar Gottes sey, (conf. IV; 3, 2). Sodann aber sollen die Wittwen bedenken, daß Gottes Augen auch auf seinen Altar gerichtet sind, auf dem er Alles durchschaut oder prüft denn das griechische Wort hiefür (uwμoоxonеiv) wurde von dem Untersuchen der Opferthiere gebraucht, ob an denselben auch Tadel zu erschauen sey - daß Gott aber nichts verborgen bleibe, weder Gedanke,

noch Gesinnung, noch irgend etwas von dem Verborgenen des Herzens; womit sie denn in ihr Allerinnerstes hineingeführt werden, um auch dieß zu einem rechten Gott wolgefälligen Opfer zu bereiten.

5. Die letzten Mahnungsworte sollen zugleich von Allen gemerkt werden, wie die allgemeine Geltung des Uebergangssages zeigt, mit dem das nächste Kapitel sich anschließt. Da Gott, meint Polykarpus, Alles an und in uns bis auf den Grund der Herzen als Opfer prüft, so sollen wir auf deffen Tadellosigkeit achten, da wir ja wissen, „Gott lasse sein nicht spotten" (Gal. 6, 7), er nehme nicht das Unreine für rein an, und werde den heimsuchen, der auf solche Weise seinen Hohn mit ihm treibe. Und weil wir dieß wissen, so sollen wir seines Gebots und seiner Ehre (oder Willens - aber seine Ehre ist sein Wille) würdig wandeln.

Das gilt denn auch den Dienern oder Diakonen, zu welchen er sich nun insbesondere wendet. Ihr Amt, das erste, das aus dem apostolischen herausgesetzt war, bestand jegt, wie wir aus Ignatius sahen, als das dritte nach Bischof und Aeltesten, und auf ihre Amtsführung und ihren Wandel bei und in derselben beziehen sich die an sie gerichteten Ermahnungen, · von welchen die besonderen nicht Verleumder, nicht zwei

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züngig, nicht geizig, sondern enthaltsam bei Allem, mitleidig und fürsorglich zu seyn auf ihre Mittelstelle zwischen Gemeinde und Aeltesten und auf ihr Pflegeramt hindeuten und zwischen zwei mehr allgemeine Mahnungen eingefügt sind, welche die höchsten Beweggründe zu einer tadellosen, unabhängigen und aufrichtigen Dienstführung enthalten. Denn vorher heißt es, sie sollen untadelig seyn vor den Augen der Gerechtigkeit Gottes, welche stets auf sie gerichtet sind und

V. v. Strauß. Polykarpus.

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